Analyse
Erscheinungsdatum: 21. Mai 2023

Parteienfinanzierung: Millionenbelastung und Koalitionsstreit

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Die Bundestagsparteien müssen ihre Finanzierung auf neue Füße stellen. Zunächst müssen sie enorme Summen zurückerstatten und zudem in Zukunft gut begründen, wenn sie höhere staatliche Zuwendungen beantragen. Die Parteien stehen unter Druck: Noch vor der Sommerpause soll ein Reformentwurf stehen.

Auf die Parteien im deutschen Bundestag kommen enorme Belastungen zu. Die Bundestagsverwaltung hat schon im April entschieden, dass „die zu viel gezahlten Gelder von allen Parteien in voller Höhe zurückzufordern“ seien. Das heißt, die Parteien werden alle zusammen in den nächsten Jahren einen Betrag in dreistelliger Millionenhöhe zurück erstatten müssen.

Im Januar hatte das Bundesverfassungsgericht den Parteien aufgetragen, die staatliche Finanzierung des Parteienwesens neu zu organisieren. Union und SPD hatten 2018 beschlossen, die staatliche Finanzierung außerplanmäßig um 25 Millionen auf 190 Millionen Euro zu erhöhen. FDP, Grüne und Linkspartei hatten in Karlsruhe dagegen geklagt. Nicht mit der Verfassung vereinbar, urteilte das Gericht im Januar, für einen solchen Zuschlag gebe es enge Vorgaben. Und es bedürfe einer guten Begründung.

Die zu viel bezahlten Mittel, knapp 25 Millionen Euro pro Jahr, müssen nun für die Zeit zwischen 2018 und 2022 zurück überwiesen werden. Zu den Modalitäten im Einzelnen will sich Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) in den nächsten Wochen mit den Parteien verständigen.

Auch darüber hinaus arbeiten die Fraktionen gerade intensiv an einem neuen Parteiengesetz. „Wir wollen das Parteiengesetz auf den Stand der Zeit bringen“, hatten die Regierungspartner im Koalitionsvertrag 2021 vereinbart. Nun ringen sie darum. Was „Stand der Zeit“ bedeutet, ob der Koalitionsvertrag noch gilt und wo Kompromisslinien auch mit den anderen demokratischen Parteien im Bundestag – ohne die AfD – möglich sind. Im Kern geht es um die Finanzierungsquellen der Parteien – und wie transparent sie gemacht werden.

Ampel-Vertreter, die mit den Gesprächen vertraut sind, berichten von mehreren neuralgischen Streitfragen. Einer der strittigen Punkte betrifft die Höhe der Parteispenden, die noch steuerlich absetzbar sind. Bisher liegt die Summe bei 3.300 Euro für Ledige beziehungsweise 6.600 Euro für Verheiratete. Die FDP will diese Grenzen auf 5.000 und 10.000 Euro anheben. Dagegen wehren sich insbesondere die Grünen. Zugleich wollen sie ihrerseits durchsetzen, dass Spenden nicht wie bisher ab 10.000 Euro, sondern schon ab 7.500 Euro im Jahresbericht veröffentlicht werden müssen. So hatten es die Ampelpartner 2021 auch im Koalitionsvertrag vereinbart.

Daran wollen sich nun die Liberalen nicht mehr halten. Ihr Argument: Viele Spender würden dann ihre Beiträge reduzieren. Ein weiterer Streitfall: Bislang muss eine Einzelspende sofort veröffentlicht werden, wenn sie 50.000 Euro überschreitet. Diese Grenze soll auf 35.000 Euro abgesenkt werden. Auch das ist im Koalitionsvertrag so vermerkt. Hier könnten FDP und auch die CDU/CSU mitgehen, wenn umgekehrt insbesondere die Grünen sich an anderer Stelle kompromissbereit zeigten.

Noch schwieriger gestaltet sich der Umgang mit dem Thema Sponsoring und parteinahen Organisationen. Sponsoring heißt unter anderem, dass NGOs, aber auch Verbände und Unternehmen auf Parteitagen messeähnliche Stände mieten und die Veranstaltung so zu einem erheblichen Teil mitfinanzieren. Hier wollen die Ampelparteien mehr Transparenz – und in Teilen auch präzisere Definitionen. Bislang gibt es dazu keine detaillierten Zahlen, obwohl es sich um eine indirekte Parteienfinanzierung handelt.

Insbesondere die Grünen wollen detailliertere Nachweise, worin Leistung und Gegenleistung beim Sponsoring bestehen. In der Tat gibt es gerade im Umfeld der Parteitage eine beträchtliche Grauzone und immer wieder die Frage, womit sich die Parteien für üppige Gebühren und andere Sponsorenzahlungen eigentlich revanchieren.

Hinzu kommen Veranstaltungen von Privatpersonen oder Organisationen, die einer Partei besonders nahestehen, und für diese Partei eine Stadthalle, ein Gasthaus oder Vereinsheim anmieten, ohne dass das als Parteienfinanzierung gilt. Auch hier suchen die Parteien nach einer Klarstellung – und ab wann (hier geht es vor allem um die AfD) solche Förderungen auch verboten werden können.

Verärgerung haben bei SPD und FDP die Grünen ausgelöst, die sich aus Sicht der beiden anderen Fraktionen immer wieder sperrig und wenig kompromissbereit zeigen. So beharren die Grünen bisher auf der Obergrenze für veröffentlichungspflichtige Spenden ab 7.500 Euro. Umgekehrt weisen die Grünen darauf hin: So war es im Koalitionsvertrag vereinbart. „Die sind völlig unflexibel“, stöhnt ein Verhandlungsteilnehmer. „Die beharren auf den Positionen von change.org oder Transparency International“, sagt ein anderer. „Wir müssen hier aber Kompromisse finden.“

Außerdem sperren sich die Grünen dagegen, die Obergrenze für das gesamte Finanzierungsvolumen zu erhöhen, das immer noch bei 165 Millionen Euro liegt. „Wir werden das Geld aber brauchen“, sagt ein Schatzmeister. „Wir erleben alle massive Attacken gegen unsere IT-Systeme, und wir müssen mit den Feinden der Demokratie mithalten können.“

Was die Sache zusätzlich erschwert: Der Kompromiss soll umfassend sein, auch Union und Linkspartei sollen nach Möglichkeit zustimmen können. „Wir gehen weit mit, um etwas Gemeinsames hinzukriegen“, heißt es denn sogar bei der Union. Aber: Auch bei den Christdemokraten stört man sich an der Untergrenze von 7.500 Euro für die Pflicht zur Spenden-Offenlegung. Zur Absenkung der sofortigen Veröffentlichung bei Großspenden auf 35.000 Euro wären sie bereit – aber nicht zu einer höheren Transparenz bei Spenden unter 10.000 Euro.

Der Zeitplan ist ambitioniert. Noch vor der Sommerpause soll der Gesetzentwurf stehen und in den Bundestag eingebracht werden. Ende August sollen die Experten einbezogen werden, im Herbst dann die zweite und dritte Lesung erfolgen. „Es soll noch dieses Jahr in Kraft treten“, sagt einer der Beteiligten.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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