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Neue LNG-Berechnung lässt Fragen offen

Das schwimmende LNG-Terminal in Wilhelmshaven ist schon in Betrieb; wie viele insgesamt gebraucht werden, ist unklar. (Bild: EPA-EFE / David Hecker)

Eigentlich sollte längst geklärt sein, wie viele eigene LNG-Terminals Deutschland braucht: Bereits im November hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags beim Wirtschaftsministerium ein Gesamtkonzept angefordert – für Mitte Februar. Dieses sollte auf Grundlage des prognostizierten Verbrauchs und der Lieferungen aus Norwegen, den Niederlanden und den bestehenden Flüssiggas-Terminals in den deutschen Nachbarländern den Bedarf für eigene Terminals in Deutschland darstellen. Erst auf dieser Grundlage wollte der Ausschuss entscheiden, ob die von der Regierung beantragten Gelder für ein weiteres schwimmendes Terminal genehmigt werden.

Die Frist ist seit zwei Wochen verstrichen, doch eine Antwort hat der Ausschuss noch nicht bekommen. Das Wirtschaftsministerium hat zur Beantwortung der Anfrage eine Studie beim Energiewirtschaftlichen Institut der Universität Köln in Auftrag gegeben. Obwohl diese seit Ende Januar vorliegt, wurde sie bisher noch nicht veröffentlicht – offenbar weil es noch Unstimmigkeiten über die Interpretation des Ergebnisses gibt. Doch nun liegt sie Table.Media vor (hier als pdf), ebenso dem ARD-Magazin Fakt, das am Dienstagabend über die LNG-Planungen berichtete.

Konstante Terminal-Anzahl

Die Frage, wie viele LNG-Terminals Deutschland braucht, wird darin aber nur teilweise beantwortet. Denn deren Zahl ist in der Berechnung keine Variable, deren Wert von den Annahmen zum Gasbedarf und den sonstigen Lieferungen abhängt. Sondern die Zahl der Terminals wird als Konstante festgelegt: Das EWI rechnet durchgehend mit sieben schwimmenden Terminals – davon fünf staatliche und zwei private -, für die eine Gesamtkapazität von 37 Milliarden Kubikmeter pro Jahr angenommen wird, sowie einem festen Terminal mit einer Kapazität von 10 Milliarden Kubikmeter.

Mit diesen Terminals, so lautet ein zentrales Ergebnis der Berechnung, ließe sich die Gasversorgung in allen betrachteten Szenarien sicherstellen. Damit steht zumindest fest, dass die noch weitergehenden Planungen des BMWK unnötig sind. Dieses hatte in der Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion kürzlich acht schwimmende und drei feste Terminals aufgelistet; diese würden ab 2029 auf eine Kapazität von über 77 Milliarden Kubikmeter pro Jahr kommen, selbst wenn die festen Terminals die schwimmenden teilweise ersetzen würden. Allein in der Ostsee vor Lubmin und Rügen würde demnach eine Kapazität von knapp 30 Milliarden Kubikmeter entstehen. In einer internen Aufstellung des Ministeriums vom Dezember waren sogar noch höhere Werte genannt worden.

Eine erhebliche Überkapazität

Nicht direkt beantwortet wird in der Studie dagegen die wichtige Frage, ob – wie von vielen Kritikern der Regierungspläne angenommen – auch weniger als acht Terminals in Deutschland genügen würden. Allerdings ergibt sich aus der Berechnung zumindest indirekt, dass mit diesen Terminals eine erhebliche Überkapazität entstehen würde. Denn das EWI rechnet unter anderem mit einem Szenario, in dem der deutsche Gasverbrauch bis zum Jahr 2030 nicht sinkt – was zum Erreichen der Klimaziele unbedingt erforderlich ist -, sondern sogar ein höheres Niveau erreicht als zuletzt.

Gleichzeitig wird angenommen, dass die verbliebenden russischen Gaslieferungen nach Südosteuropa eingestellt werden und diese zur Hälfte durch Gas aus Deutschland ersetzt werden müssen, und dass ein ungewöhnlich kalter Winter den Gasverbrauch erhöht. Zudem rechnet das EWI für die meisten schwimmenden Terminals nur mit einer Kapazität von 5 Milliarden Kubikmeter pro Jahr, während das BMWK von 7,5 Milliarden ausgeht. Und Gas-Importe aus Frankreich sieht das Szenario überhaupt nicht vor, obwohl diese im letzten Quartal 2022 in durchaus relevantem Umfang stattgefunden haben.

Extremste Annahmen

Doch selbst unter diesen unrealistisch negativen Annahmen gibt es den EWI-Berechnungen zu keinem Zeitpunkt einen Gasmangel. Im Gegenteil: Die deutschen Terminals sind bis 2030 zu keinem Zeitpunkt voll ausgelastet und der Füllstand der Gasspeicher sinkt in den nächsten Jahren selbst unter extremsten Annahmen nie unter den gesetzlichen Mindeststand von 40 Prozent; vielmehr sind die Speicher in allen Szenarien bereits im Sommer komplett gefüllt. Das legt nahe, dass die Versorgungssicherheit auch mit weniger Terminals gegeben wäre.

In allen Szenarien bleiben die deutschen Gasspeicher gut gefüllt. (Screenshot/EWI)

Das Wirtschaftsministerium wollte die bisher unveröffentlichten Berechnungen auf Anfrage nicht kommentieren. Allerdings wird zunehmend deutlich, dass man dort auf Distanz zu den ursprünglichen Planungen geht. Das sechste schwimmende Terminal mit staatlicher Beteiligung, dessen Finanzierung der Haushaltsausschuss aufgrund der fehlenden Gesamtplanung zunächst gesperrt hatte, taucht in den jüngsten Darstellungen des Ministeriums jedenfalls schon nicht mehr auf. Ob auch das Kanzleramt bereit ist, sich davon zu verabschieden, ist aber offen.

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