In vielen Diskussionen wird mir immer wieder in verschiedenen Varianten dieselbe Frage gestellt: 2050 wird die Landwirtschaft zehn Milliarden Menschen ernähren müssen. Wie können die Bauern das schaffen?
Natürlich ist das eine rhetorische Frage, denn im Kern wird damit suggeriert, dass wir uns den ökologischen Landbau aus humanitären Gründen gar nicht leisten können. Die Landwirtschaft hat in den letzten 50 Jahren durch rücksichtslose Nutzung eines rein technologischen Fortschritts eine wahnsinnige Produktivitätssteigerung erreicht. In der Logik der Fragesteller müssen wir versuchen, die Produktivität durch neue Techniken, wie etwa der Gentechnik, noch schneller und stärker zu steigern. Wir lösen also vermeintlich bestehende Probleme mit der Anwendung technischer Verfahren und nehmen dabei die Schaffung neuer sorglos in Kauf. Zukünftige neue Techniken werden diese schon lösen. So die uns suggerierte Hoffnung.
Doch ist es wirklich so einfach? Was ist die Kehrseite unseres Handelns? Der wirtschaftliche Erfolg beruht auf der konsequenten Ausbeutung natürlicher Ressourcen. Stichworte sind Bodendegeneration, Artensterben, Grundwasserverschmutzung, Klimawandel. Wir Landwirte tragen dafür eine Mitverantwortung.
Kann nun die sogenannte neue Gentechnik diese Probleme auf wundersame Weise lösen? Fakt ist, dass bei ausbleibendem Regen und zunehmender Grundwasserferne auch trockenheitstolerante Getreidesorten das Wachstum einstellen werden. Gleiches gilt für die Wälder – ohne Wasser kein Wachstum! Ohne Wasser kein Leben! Fakt ist, dass auf degenerierten Böden die Pflanzen ins Maul gedüngt werden müssen, um überhaupt gedeihen zu können. Wir hängen sozusagen an der Infusionsnadel der Agrarindustrie. Und Fakt ist auch, dass wir ohne die über Jahrmillionen entstandene und fein austarierte Natur das gesamte Gefüge aus dem Gleichgewicht bringen. Das massive Artensterben und der Biodiversitätsverlust sind sichtbares Zeichen dafür.
Gibt es also keinen anderen Weg? Ich meine doch. Statt unseres immerwährenden Kampfes gegen die Natur („macht euch die Erde untertan“), sollten wir auf ein Miteinander setzen. Wir sind als Menschen Teil dieser wunderbaren Schöpfung, die wir nutzen dürfen, die wir im Gegenzug aber auch hegen und pflegen sollten.
Was wir brauchen ist eine multifunktionale Landwirtschaft, die sowohl Lebensmittel als auch Umweltgüter erzeugt und bewahrt. Wir müssen Systeme entwickeln, die auf Vielfalt setzen. Wir müssen unsere Böden, die Grundlage allen Lebens sind, gesund und lebendig erhalten. Die Zusammenhänge rund um das „Bodenmikrobiom“ müssen erforscht, verstanden und in das landwirtschaftliche Handeln einfließen. Über ausgeklügelte Fruchtfolgen und standortangepasste Sorten können wir ohne den Einsatz von Chemie ein Gleichgewicht erhalten und so Ernährung und Umwelt sichern.
Das heißt nicht, dass wir auf technologischen Fortschritt verzichten sollten. Moderne Landtechnik, Digitalisierung, genomische Selektionsmethoden in der Pflanzen- und Tierzucht (bitte nicht verwechseln mit Neuen Genomischen Techniken), und viele weitere Erfindungen werden uns helfen, Ernährungssicherheit mit Umwelt- und Klimaschutz zu versöhnen.
Was wir nicht brauchen, sind Techniken, die Bäuerinnen und Bauern weltweit vermehrt in Abhängigkeiten führen. Techniken, die zu Monokulturen und in der Folge zu erhöhtem Dünger und Pestizideinsatz führen. Techniken, die eine kapitalintensive Landwirtschaft benötigen und somit nicht zu den Bedürfnissen kleinbäuerlicher Strukturen passt – 85 Prozente aller Höfe weltweit werden von Kleinbäuerinnen und -bauern bewirtschaftet.
Für all das stehen aus meiner Sicht die neuen gentechnischen Züchtungsverfahren. Die grüne Gentechnik ist letztlich ein Geschäftsmodell der Agrarindustrie, mit dem sie versucht, über Patente Bäuerinnen und Bauern in Abhängigkeiten zu bringen und an jedem Stück Brot, das gegessen wird, mitzuverdienen. Ernährung, Umwelt- und Klimaschutz ist existentielle Daseinsvorsorge und für das Überleben von Mensch und Tier unverzichtbar. Wir dürfen dieses Gut zu Gunsten einiger weniger Großkonzerne nicht aufgeben.