Analyse
Erscheinungsdatum: 21. Oktober 2024

Nachfolge von Winfried Kretschmann: Warum Cem Özdemir springen wird – und für die Grünen wohl die besten Chancen hat 

Auf den einzigen Ministerpräsidenten der Grünen, Winfried Kretschmann, soll Cem Özdemir folgen. Der Druck auf den Noch-Bundeslandwirtschaftsminister wächst; auch für eine baldige Verkündung.

In wenigen Tagen wird der Cem Özdemir erklären (müssen), wie er es mit der Frage hält, die ihn seit Jahren begleitet: Springt er nach Baden-Württemberg, um bei der nächsten Wahl die Nachfolge von Winfried Kretschmann anzutreten? Aller Wahrscheinlichkeit nach lautet die Antwort: Ja. Alles andere würde auch engste Weggefährten inzwischen überraschen.

Die Entscheidung muss jetzt fallen. Der Grund: Die Grünen müssen bald über die Direktkandidaten und die Landesliste für die nächste Bundestagswahl entscheiden. Will der Bundeslandwirtschaftsminister nicht seinen Wahlkreis in Stuttgart blockieren (was ihm viele als Egoismus auslegen würden, sollte er später ins Ländle wechseln), muss er das der Partei jetzt mitteilen. Wie zu hören ist, wird er sein Berliner Amt aber bis zum Ende ausfüllen. Zum einen, weil es für die Bundesgrünen ein unnötiges Loch aufreißen würde; zum anderen, weil der Berliner Job ihm bis zum Ende eine Bühne bietet, die zu seinen Ambitionen als grüner Spitzenkandidat passt.

Für Özdemir würde sich persönlich und politisch ein Kreis schließen. Als Baden-Württemberger und Arbeitersohn aus Bad Urach; als Mensch mit migrantischen Wurzeln, der seine Aufstiegsgeschichte fortschreiben könnte; und als einer der entschlossensten Vertreter des Realo-Flügels, der bei den Bundesgrünen immer starke linke Kritiker hatte, aber für die meisten Grünen im Südwesten Schlüsselthemen so besetzt, wie sie es für mehrheitsfähig halten. Das gilt für seine klare Haltung in Migrationsfragen; es gilt für seinen guten Ruf in weiten Kreisen der Wirtschaft. Auf Bundesebene hat er innerhalb der Partei – absichtlich oder nicht – gerade in diesen Fragen immer polarisiert. Aber er bringt wie kaum ein Grüner eine gewachsene und stabile Anhängerschaft mit, die dazu beigetragen hat, dass er seit Jahren zu den bekanntesten und beliebtesten Politikern gehört.

Die Perspektive ist alles andere als rosig. Zwar gilt als sicher, dass seine Kandidatur eng mit Kretschmann abgestimmt ist. Zugleich aber wird er im Landesverband noch für sich werben müssen, weil es natürlich auch Ambitionierte jenseits von Özdemir gibt. Deshalb wird ihm ein wirklich geschmeidiger Transfer von Berlin aus kaum gelingen; er wird auch vorher schon in Stuttgart eine Struktur schaffen müssen, die ihm dabei hilft. Außerdem kann er einen Umstand kaum beeinflussen, der für seine Chancen aber mitentscheidend sein wird: Wie die Grünen nach der nächsten Bundestagswahl dastehen. Nach Stand von heute dürfte es schwer werden, noch einmal den Ministerpräsidenten zu stellen. Doch völlig aussichtslos ist die Sache nicht – auch der erste Sieg von Winfried Kretschmann 2011 schien ein Jahr vor der Wahl undenkbar. Die Wahlen in BaWü stehen im Frühjahr 2026 an. So gesehen bleibt er im Rennen.

Wie Özdemirs fachliche Bilanz als Bundeslandwirtschaftsminister aussieht, lesen Sie in der Analyse von Henrike Schirmacher im Agrifood.Table.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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