Analyse
Erscheinungsdatum: 12. Januar 2025

Merz und die CDU: Ärger mit der CSU – und was das mit Renate Köcher zu tun hat

Die Umfragen sind nicht optimal, und die Erinnerung an 2021 ist wach. Trotzdem steht die CDU geschlossen hinter Friedrich Merz. Ihre Hoffnung: Wirtschaft kann er am besten.

Nach der CDU-Vorstandsklausur kann sich Friedrich Merz freuen und ärgern zugleich. Zum Start in die heiße Phase des Wahlkampfs zeigte sich in Hamburg, dass seine Partei außerordentlich geschlossen hinter ihm steht. Niemand ist glücklich über die noch lange nicht optimalen Umfragewerte für die Union. Alle haben den Absturz vor vier Jahren im Kopf – und fürchten leise eine Wiederholung. Aber von Daniel Günther über Michael Kretschmer bis Jens Spahn sind sich alle einig, dass sie Merz im Kampf ums Kanzleramt unterstützen wollen und werden. Bis auf weiteres ist das eine Geschlossenheit, die Armin Laschet 2021 so nicht hatte.

Zugleich aber trat zutage, wie groß der Ärger über Markus Söder ist. Niemand suchte in Hamburg den offenen Konflikt mit der CSU-Spitze. Aber dass Söder und seine Leute in Kloster Seeon Merz ziemlich ungeschminkt zu viel Bequemlichkeit und zu wenig Einsatz vorwarfen, wird als hartes Foul gewertet. Wichtiger aber ist, getragen von der Analyse von Allensbach-Chefin Renate Köcher, dass sich die meisten auch in ihrem Zorn über Söders Taktik bestätigt fühlen. Köcher betonte in der internen Sitzung, dass schlichtweg jede Diskussion über Koalitionen toxisch und hochgefährlich sei für die Christdemokraten.

Laut Köcher hoffen knapp 40 Prozent der von ihr Befragten darauf, dass ihr Leben mit einer CDU-Regierung wieder besser werde. Erweitere sie diese Frage aber auf eine Koalitionsregierung mit SPD oder Grünen oder FDP, dann „schießen die Werte sofort in den Keller“, wie es ein Teilnehmer ausdrückte. Daraus lasen die Vorstandsmitglieder in Hamburg die Botschaft ab: Redet nicht mehr über Koalitionen, egal über welche, egal wie. Alle Ampelparteien seien als mögliche Partner aktuell toxisch. In der Folge hoffen sie in der CDU inständig, dass auch Söder das erkennt – und mit seinem Schwarz-Grün-Bashing aufhört. Auch Schwarz-Rot sei keine bessere Alternative.

Deutlich wurde, dass der Streit darüber nicht der einzige Konflikt mit der CSU ist. Auch der Blick auf die Ereignisse in Österreich ist sehr unterschiedlich. Während Söder die letzte schwarz-grüne Regierung in Wien für den aktuellen Triumph der rechtspopulistischen FPÖ verantwortlich macht, sieht Merz die eigentliche Ursache in der mangelnden Abgrenzung. Nach Teilnehmerangaben sagte Merz in der Sitzung, wenn man diese „Natter“ nur einmal an den eigenen Hals lasse, sei man verloren. Anders ausgedrückt: Die ÖVP habe den Fehler gemacht, sich überhaupt auf die FPÖ eingelassen zu haben. In Hamburg wurde deutlich, dass Merz und seine Mannschaft die AfD für die größte Gefahr und eine Abgrenzung für zwingend halten. Seine Linie unterstrich der Kanzlerkandidat in einem TV-Interview, bei dem er sein persönliches Schicksal mit dieser Frage verband.

Der dritte Konfliktstoff: die Migrationspolitik. Dabei geht es nicht um Inhalte. Auch die CDU verabschiedete in einem Sicherheitspapier in Hamburg die Forderung nach Zurückweisung an den Grenzen, der Einführung einer neuen Gefährderkategorie und schnelleren Abschiebungen. Aber – und das bestätigte Köcher – im politischen Kampf gegen die AfD soll der Fokus auf der Rettung der Wirtschaft liegen. Hier, so Köcher, gebe es den größten Vorsprung an Kompetenzzuweisung für die Union. Eine klare Position in der Migrations- und Sicherheitspolitik sei zweifellos wichtig, aber sie soll nicht noch lauter zum zentralsten Thema erklärt werden, was die CSU zuletzt wieder getan hatte.

Köcher unterfütterte ihr Argument mit Zahlen zum Potenzial, das die Union in den anderen Parteien noch heben könne. Bei der AfD seien das bis zu acht Prozent, bei den drei bisherigen Ampelparteien dagegen seien es im allerbesten Fall 23 Prozent (SPD: 10, FDP 7; Grüne 6 Prozent) Anders ausgedrückt: Die Union habe ab jetzt in der Mitte deutlich mehr zu gewinnen als bei der Rechtsaußenpartei. Das CDU-Diktum von Hamburg lautet deshalb: Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft. Ohne Wachstum sei alles andere nichts. Nur wenn es wieder aufwärts gehe, sei der Sozialstaat sicher. Gefragt, ob auch der Klimaschutz deshalb in den Hintergrund treten müsse, antwortete Merz: „Wir müssen die Wirtschaft retten, damit wir das Klima weiter retten können.“ Eine Volkswirtschaft im Niedergang trage zwar auch zur CO2-Reduktion bei. „Aber das ist nicht unsere Vorstellung: Dass wir hier keine Industrie mehr haben.“ Für die Union hängt viel davon ab, ob sie mit ihren Plänen (Steuersenkungen in vier Stufen, Rückbau von Bürokratie, Abschaffung von Berichtspflichten) die Debatte bestimmt – oder ob das der AfD mit ihren Angriffen gegen alle anderen Parteien gelingt.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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