Analyse
Erscheinungsdatum: 04. Juni 2025

Merz meets Trump: Wie der Kanzler den US-Präsidenten für Europa gewinnen will

Friedrich Merz begeht seinen Antrittsbesuch bei Donald Trump - Diese Strategie hat er sich zurechtgelegt.

Es ist der außenpolitische Lackmustest in der jungen Amtszeit von Friedrich Merz. US-Präsident Donald Trump empfängt den Kanzler am Donnerstagvormittag (Ortszeit) im Weißen Haus. Rund eineinhalb Stunden sind eingeplant für das bilaterale Gespräch und ein gemeinsames Mittagessen. Danach treffen Trump und Merz im Oval Office auf Journalisten. Dort hatten in den vergangenen Wochen schon der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa und der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj schwierige Minuten zu überstehen. Friedrich Merz wolle dem US-Präsidenten selbstbewusst, aber nicht überheblich begegnen, heißt es in der Bundesregierung. Merz sei ein leidenschaftlicher Transatlantiker und ein Mann der Wirtschaft. Beides könne helfen, schnell einen Draht zu Trump zu finden, so die Hoffnung im Merz-Lager. In den bisherigen Telefongesprächen sei die Stimmung zwischen beiden gut gewesen, heißt es. Man habe etwa über Chicago gesprochen, wohin Merz und Trump private Verbindungen haben. Es sei aber auch um die pfälzische Heimat von Trumps Vorfahren gegangen. Trump soll Interesse an einem Deutschland-Besuch geäußert haben, berichtete Außenminister Johann Wadephul am Dienstag mit Verweis auf Gespräche mit seinem US-Amtskollegen Marco Rubio. Das Skript für das Trump-Treffen könnte also lauten: Zunächst ein paar freundliche Gemeinsamkeiten austauschen, bevor es um die Konfliktthemen geht. Das Erwartungsmanagement wird penibel gesteuert. Es gehe zunächst „um ein Zeichen, dass die lange deutsch-amerikanische Freundschaft besteht und wir gemeinsame Interessen und Werte haben“, sagte Wadephul Table.Briefings. Intern sind die Ziele konkreter: Eine Annäherung im Zollkonflikt hat oberste Priorität. Die EU will die Verdoppelung der Stahlzölle durch Trump deshalb zunächst nicht vergelten. Auch Europa müsse beim Thema Zölle auf die USA zugehen, heißt es in Berlin. Merz will bei Trump außerdem für einen Blick auf die ganzheitliche Handelsbilanz werben, die auch Dienstleistungen einbezieht und so deutlich ausgeglichener ist. Der Kanzler hielt dazu mehrfach Rücksprache mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, etwa am Rande der Karlspreis-Verleihung in Aachen vergangene Woche. Die Wirtschaft drängt Merz zu einer Verhandlungslösung: „USA und Europa profitieren beide von der größten bilateralen Handels- und Investitionsbeziehung der Welt“, sagte BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner. Der Konflikt führe bereits jetzt zu Investitionszurückhaltungen. Zweites großes Thema ist die Ukraine. Am 16. und 17. Juni treffen sich die Staats- und Regierungschefs der G7 im kanadischen Alberta. Dort wird sich zeigen, ob Trump schärfere Sanktionen gegen Russland mitträgt. Die USA müssten unbedingt in der Koalition der Ukraine-Unterstützer bleiben, heißt es in Berlin. Dafür müsse man den ernsthaften Willen zeigen, als Europa mehr ins Risiko zu gehen. Der Vorstoß von Wadephul, fünf Prozent des BIP für Verteidigung und militärische Infrastruktur ausgeben zu wollen, soll mit Merz abgesprochen gewesen sein. „Die Amerikaner erwarten seit Längerem mehr von uns. Der Nato-Generalsekretär hat diese fünf Prozent hergeleitet und gut begründet“, sagte der Außenminister. Der Nato-Gipfel müsse ein Erfolg werden. „Dann muss man auch mal stehen“, so Wadephul. Entscheidend sei aber, dass Merz schnell einen persönlichen Draht zu Trump entwickle und ihm mit „wohlwollendem Respekt“ gegenübertrete. Der US-Präsident wolle „umgarnt und umschmeichelt“ werden. Philip Reeker, in Trumps erster Amtszeit Unterstaatssekretär für Europa im US-Außenministerium, formuliert es so: „Er möchte seinen Namen überall sehen, jeden Tag, jederzeit. Das ist Teil der Reality-Show, in der wir leben.“ Merz hatte sich in den vergangenen Wochen deshalb immer wieder mit jenen ausgetauscht, die Trump bereits persönlich getroffen haben. Darunter waren Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni, Finnlands Präsident Alexander Stubb und Nato-Generalsekretär Mark Rutte. Auch mit Unions-Fraktionschef Jens Spahn, der ein gutes Verhältnis zu Trumps früherem Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, und anderen Republikanern pflegt, beriet sich der Kanzler. Eine Idee ist, ein Thema zu besprechen, bei dem Deutschland Trump folgen könnte. Als Idee zirkuliert das „Take It Down“-Gesetz. In den USA soll es künftig strafbar sein, sexualisierte Bilder und Deepfakes einer anderen Person im Netz zu verbreiten. Das ist angeblich eine Initiative von Trumps Frau Melania. Es sei ein Vorstoß, den Europa vergleichbar übernehmen könnte, heißt es im Team des deutschen Kanzlers. Vielleicht ein „Icebreaker“ für das Gespräch mit Trump. Mehr zu dem Antrittsbesuch lesen Sie im Europe.Table. Die US-Reise des Kanzlers ist auch Thema im Podcast ab 5 Uhr hier.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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