Bei der Präsentation der Einigung zur Kindergrundsicherung Ende August hatte Bundesfamilienministerin Lisa Paus es angekündigt: Sechs bis sieben Wochen werde es dauern, bis das Existenzminimum für Kinder neu berechnet ist. Ein wichtiger Bestandteil der Reform, da sich daraus ableitet, wie viel ihnen künftig zustehen soll. Mitte Oktober lief die von der Ministerin genannte Frist ab. Sowohl ihr Haus als auch das in dem Fall zuständige Bundesarbeitsministerium (BMAS) verwiesen auf Anfrage zuletzt aber nur darauf, dass die Ergebnisse dem Bundestag zur Beratung vorgelegt würden. Das Statistische Bundesamt teilte mit, es sage zu „kundenspezifischen Sonderauswertungen grundsätzlich nichts“. Inzwischen liegt die Berechnung nach Informationen von Table.Media vor.
Demnach soll der statistische Verteilungsschlüssel, mit denen Haushaltsausgaben anteilig Angehörigen eines Haushalts zugewiesen werden, bei Kindern auf ein Drittel steigen. Das heißt: Je nach Altersgruppe werden etwa in der Kategorie „Wohnungsmieten, Energie und Wohnungsinstandhaltung“ bisher zwischen 13 und 22 Prozent der Ausgaben Kindern zugeordnet, künftig sollen es rund 33 Prozent sein. Dadurch steigen die Beträge, auf die sie Anspruch haben. Hintergrund ist eine Sonderauswertung der Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) von 2018. Die EVS dient auch als Grundlage für die Bürgergeld-Regelsätze, die in dem Fall in die Kindergrundsicherung einfließen.
Betroffen sind zwei von zwölf im Rahmen der EVS erhobenen Ausgabenkategorien. Neben dem erwähnten Punkt rund um Wohnung und Energie sind es die „Einrichtungsgegenstände für den Haushalt“. Dadurch ergibt sich voraussichtlich, was Paus bereits angedeutet hatte: Kinder unter sechs Jahren erhalten 28 Euro, ältere Kinder 20 Euro mehr als bisher. Gleichzeitig wird allerdings der seit 2022 ausgezahlte Kindersofortzuschlag in Höhe von 20 Euro mit der Erhöhung des Regelsatzes verrechnet. Das heißt, das reale Plus etwa bei Unter-Sechs-Jährigen beträgt acht Euro.
Im Gesetzentwurf zur Kindergrundsicherung befindet sich bisher ein Platzhalter, der durch einen Änderungsantrag konkretisiert werden soll. Sozialverbänden üben im Gespräch mit Table.Media Kritik: „Im Ergebnis ist es ein Nullsummenspiel“, sagte Margret Böwe vom VdK mit Blick auf die Verrechnung des Kindersofortzuschlags. Eine tatsächliche Neuberechnung des Existenzminimums sei das nicht. Die Regelsätze für Kinder werden im Rahmen der alle fünf Jahre durchgeführten EVS anhand der Verbrauchsangaben der ärmsten 20 Prozent der Ein-Kind-Haushalte – mit zwei Erwachsenen – berechnet. Alle Kinder bräuchten den gleichen Zugang zu gesunder Nahrung, Bildung und sozialer Teilhabe, so Böwe: „Das kann man nicht an den Ausgaben der ärmsten Haushalte ermitteln, sondern man muss sich an der gesellschaftlichen Mitte orientieren.“
Der Bundestag soll im November erstmals über den Gesetzentwurf beraten, zudem sind zwei Verbandsanhörungen geplant. Für Ende des Monats ist dann eine Stellungnahme des Bundesrats angedacht. Offiziell hält die Bundesregierung weiter am 1. Januar 2025 als Start für die Kindergrundsicherung fest. Sowohl die Bundesagentur für Arbeit als auch der Städtetag stellten das Datum zuletzt allerdings infrage. Weil die FDP auch nach dem Kabinettsbeschluss weiter Änderungen fordert, gelten weitere Verzögerungen als wahrscheinlich. Familienministerin Paus selbst sagte in einem Interview, sie rechne nicht damit, dass zum 1. Januar 2025 alle Vorgänge online und automatisiert angeboten werden – das habe sie aber auch nie angekündigt.