Analyse
Erscheinungsdatum: 24. April 2025

Friedrich Merz, Angela Merkel und der schwere Kampf um eine Mannschaft

Er kann drauf hoffen, nächster Kanzler zu werden. Trotzdem ist noch lange nicht alles gut für Friedrich Merz. Eine Momentaufnahme kurz vor der Kanzlerwahl.

Bis jetzt ist die Sache für Friedrich Merz nicht eben optimal gelaufen. Der Wahlabend brachte einen Erfolg, der mit seinen 28 Prozent wie eine Niederlage wirkte. Die Sondierungen begannen mit einer Aufweichung der Schuldenbremse und endeten mit weiteren Geldversprechen bei Mütterrente, Gastro-Steuer und Agrardiesel. Auch das klingt so gar nicht nach Sparen und Bescheiden bleiben. Dabei hatten Merz und seine CDU doch genau das versprochen. Deshalb kann sich der CDU-Vorsitzende auch nicht wirklich wundern, dass seine Beliebtheitswerte im Keller sind. Er hat seine einst engsten Anhänger aktuell vergrault bis verloren und seine Kritiker in der CDU noch nicht wirklich für sich gewonnen. Keine kleine Hypothek wenige Tage vor seiner Wahl zum Kanzler.

Dazu kommt, dass mit Jens Spahn einer seiner aktuell engsten Mitstreiter auch noch Zweifel gesät hat an der klaren Linie gegenüber der AfD. Einige Kollegen sind dem möglichen Fraktionschef zwar vorsichtig zur Seite gesprungen. Trotzdem wird sein Versuch, auf AfD-Wähler zuzugehen, indem man mit Partei und Fraktion im Bundestag „normaler“ umgeht, nicht nur von politischen Gegnern als erste Abkehr vom Anti-AfD-Kurs gewertet.

Selbst interne Spahn-Zweifler bemühen sich, seine Aussagen als Panne und unglücklichen Unfall zu interpretieren. In der Sache aber halten sie es für einen strategischen Fehler, wenige Tage vor der Kanzlerwahl Zweifel an der Klarheit der Union auszulösen. Und das mitten in der noch laufenden Abstimmung der SPD-Mitglieder zum Koa-Vertrag, die letztlich auch über ein Ja oder Nein zum Kanzler entscheidet. Ganz so, als wüsste Spahn nicht um die prekäre Lage – oder wolle sie gar noch ein bisschen befeuern.

Nicht minder heikel ist die Tatsache, dass sich in der Union die Erzählung ausbreitet, Merz hole sich beim Zusammenstellen des Kabinetts immer wieder Absagen. Ob das wirklich stimmt, können am Ende nur Merz und potenzielle Kandidaten sagen. Aber dass innerhalb und außerhalb der Union immer lauter davon zu hören ist, schwächt Merz mindestens bis zu dem Augenblick, an dem alle Namen feststehen. Dass sein engster Wahlkampfmitstreiter Carsten Linnemann diesen Schritt vorgemacht hat, wirkt mittlerweile fast schon wie ein böses Omen.

Merz fehlt, was man eine verschworene Gemeinschaft nennen könnte. Er hat zwar ein paar wenige Menschen um sich, mit denen er sich sehr eng beraten kann. Jacob Schrot natürlich, auch Thorsten Frei, wahrscheinlich noch immer Carsten Linnemann und vielleicht auch noch sein alter Freund Roland Koch. Aber wenn stimmt, was man aktuell hören kann, dann wissen nicht mal engste Mitarbeiter, was er zum Finale vorhat.

Ganz zu schweigen von den meisten Länderchefs und Ministerpräsidenten. Merz hatte es vorgezogen, in der Schlussrunde vor allem Berliner Kollegen einzubinden. Das hat jetzt zur Folge, dass die meisten in den Ländern mit höflicher Sympathie, aber ohne Leidenschaft und Risiko zuschauen. Nicht im Streit, aber in Halbdistanz, um bei Fehlern nicht mit verbrannt zu werden.

Das hat mit Merz, aber auch mit Markus Söder zu tun. Allen Beschwörungen zum Trotz bleibt ein großer Graben zwischen den liberaleren CDU-MPs und dem CSU-Chef. Die Christdemokraten im Norden und Westen mussten zum zweiten Mal zusehen, wie der bayerische Ministerpräsident einem CDU-Kanzlerkandidaten den Wahlkampf erschwert hat. Sie reden nicht mehr laut drüber, aber die ungebremsten Angriffe gegen die Grünen halten sie bis heute für einen Fehler. Zugleich verfolgen sie präzise, wie Söder Merz auch seit der Wahl immer mehr Zugeständnisse abtrotzt. Für sie schenkt Merz der CSU und Söder bei aller Schwesternpartei-Logik zu viel Einfluss. Mütterrente, Agrardiesel, Gastro-Steuer – das wird als Verzicht auf versprochene Sparanstrengungen gewertet.

Die Abneigung zwischen Söder und großen Teilen der CSU freilich beruht auf Gegenseitigkeit. Auch der Bayer ist sauer, er hat vor allem Hendrik Wüst nicht vergessen, wie dieser ganz alleine und ohne Absprache über seine Unterstützung für Merz entschieden hatte. Und um die Lage für Merz noch komplizierter zu machen: das Dreieck Söder, Wüst und Spahn zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass ein Zweckbündnis von zweien stets zu Lasten des Dritten ausgeht. Stabilität sieht anders aus.

Und so erinnert Merz in diesen Tagen ausgerechnet an Angela Merkel. Auch sie musste nach der Wahl im September 2005 schwerste Zweifel in den eigenen Reihen ertragen. Viele, darunter auch die damaligen Ministerpräsidenten wie Roland Koch, Peter Müller und Christian Wulff beäugten ihr Tun aus der Ferne. Anders allerdings als Merz hatte Merkel mit Beate Baumann und Eva Christiansen nicht nur zwei engste Verbündete, die sprichwörtlich in jeder Lage für sie durchs Feuer gegangen wären. Dazu gesellte sich neben ihrem Generalsekretär Volker Kauder ein Kreis jüngerer Abgeordneter, die Peter Hintze auf Merkel eingeschworen hatte. Zum ihm gehörten Peter Altmaier und Armin Laschet, Ronald Pofalla und Hermann Gröhe. Sie waren so etwas wie Merkels Pech-und Schwefel-Truppe. Von einer solchen Gemeinschaft ist Merz aktuell noch weit entfernt.

Briefings wie Berlin.Table per E-Mail erhalten

Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

Anmelden

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

Teilen
Kopiert!