Analyse
Erscheinungsdatum: 13. März 2025

Finanzpaket: Wer wen wie umwirbt, oder auch nicht 

Der Bundestag debattierte am Donnerstag über das von Union und SPD geplante Sondervermögen. Friedrich Merz musste dabei in doppelter Hinsicht kämpfen. Den Grünen machte er ein neues Angebot. Doch die reagierten trotzig.

Der Bundestag hat am Donnerstag eine Debatte erlebt, wie es sie so sehr wahrscheinlich noch nie gegeben hat. Zum einen, weil über allem die Frage schwebte, ob das Bundesverfassungsgericht den von Union und SPD gewählten Weg überhaupt mitgeht. Zum anderen, weil der Vielleicht-Bald-Kanzler Friedrich Merz am Rednerpult begründen musste, warum er plötzlich genau das tut, was der Noch-Kanzler und dessen Vize immer tun wollten, aber wegen des strikten Neins von Merz nicht tun konnten. Olaf Scholz und Robert Habeck wurden Zeugen einer Debatte, bei der sie wahlweise lächelten, staunten und sich insgeheim auch geärgert haben dürften, während Merz und Lars Klingbeil mal geschickt und mal sehr ungeschickt um eine grüne Fraktion warben, die noch immer vor allem erklärt, warum sie bei alledem eigentlich nicht mitmachen möchte.

Merz muss kämpfen – gegen ein drohendes Nein aus Karlsruhe und den Vorwurf des Betrugs. Er spricht von einer „nun wirklich in jeder Hinsicht besorgniserregenden Sicherheitslage“ in Europa; deshalb würden alle jetzt anstehenden Entscheidungen keinen Aufschub mehr dulden. Merz muss die Dringlichkeit in grellsten Farben malen. Zugleich möchte er sich gegen den Vorwurf des Verrats und des Betrugs wehren. Er weiß, dass dieser Vorwurf nicht nur von politischen Gegnern, sondern auch von eigenen Anhängern erhoben wird. Also erinnert er daran, dass er schon im November Schulden für Investitionen nicht ausgeschlossen habe. Merz, sein engstes Umfeld und die ganze Fraktion wissen, wie sehr diese Kritik noch weh tun kann, vor allem dann, wenn dieses Hochrisiko-Vorhaben schief geht. Ob kurzfristig oder in den langfristigen Auswirkungen.

Um das schnelle Sterben des Projekts zu verhindern, muss er um die Grünen kämpfen. Und das tut er zunächst. So kündigt er an, dass man beim Thema Verteidigung die Forderung übernehme, den Sicherheitsbegriff auf Zivilschutz und Geheimdienste auszudehnen, also auch Investitionen dafür ab einem bestimmten Betrag von der Schuldenbremse ausnehmen werde. Und beim Thema Zukunftsinvestitionen werde man Investitionen in den Klimaschutz aufnehmen und eine Summe von bis zu 50 Milliarden für den KTF bereitstellen. Das klingt nach einem erheblichen Etappenerfolg für die Grünen. Einziges Problem: Merz hat all das nicht in persönlichen Gesprächen vorgeschlagen, sondern den Grünen auf den Tisch gelegt, nach dem Motto: Das ist es jetzt aber auch. Dass er offenbar gar nicht ahnt, wie blöd sich das für die Grünen anfühlen könnte, unterstreicht Merz noch, als er vom Manuskript abweicht, weil ihm viele Grüne weiter sehr kritisch zuhören. „Was wollen Sie denn noch“, ruft er ihnen entgegen, was nicht zugewandt klingt, sondern trotzig.

Trotzig passt freilich auch auf die Grünen. Co-Fraktionschefin Katharina Dröge spricht zwölf Minuten lang in scharfem Ton über Merz. Es entsteht schnell der Eindruck, dass sie nicht Bedingungen aufzählt, die doch noch zur Kooperation führen könnten, sondern alles nennt, was dagegenspricht. X-mal hätten die Grünen die Hand zu jenem Schritt ausgestreckt, den Merz jetzt von Ihnen verlange. Immer wieder habe er alles abgelehnt, was zur Zusammenarbeit hätte führen können. Nur weil er jetzt alles auf den Kopf stelle und plötzlich das Wort Klimaschutz in den Mund nehme, reiche das für ein Ja noch lange nicht aus. Auch den Zeitdruck, auf den sich Merz plötzlich berufe, könne sie bei den Investitionen nicht erkennen. Hat Merz seine Hand ungeschickt ausgestreckt, so zeigt Dröge allenfalls ihre Fingerspitzen.

Nur Britta Haßelmann lässt ein Fensterchen Rest-Chance erkennen. Zum einen fordert sie, dass Bundeskanzler Olaf Scholz endlich seine Blockade für die längst geplanten drei Milliarden Ukraine-Soforthilfe aufgebe – was aus Sicht der SPD erfüllbar sein dürfte. Zum anderen sagt sie nicht Nein zu den Zugeständnissen von Merz; zeigt aber, wie sauer sie ist über das mangelnde Taktgefühl des CDU-Chefs. Wenn Merz Vertrauen aufbauen wolle, dann dürfe er es nicht über die Medien und auch nicht öffentlich übers Plenum versuchen. Eine Zustimmung der Grünen sei vollkommen unsicher und an diesem Tag auch nicht nähergekommen. Bei Haßelmann klingt es wie: Wenn Sie von uns etwas wollen, reißen Sie sich endlich zusammen.

Viel zugewandter und werbender versucht es SPD-Fraktionschef Lars Klingbeil mit den Grünen. Er spricht von einem „berechtigten Anliegen der Grünen“, der Klimaschutz werde Berücksichtigung finden, „mit festen finanziellen Zusagen“. Und er spricht eine weitere „feste Zusage“ aus: dass die Grünen bei der Ausgestaltung des Sondervermögens eingebunden werden. Mehr inhaltliche Beteiligung ist einer Oppositionsfraktion von einer mutmaßlichen Regierung selten zugestanden worden. Und für die übrigen offenen Fragen sagt Klingbeil zu: „Wir kriegen da eine gemeinsame Lösung hin.“ Eher mahnend versucht es Noch-Arbeitsminister Hubertus Heil. Trotz mancher Narben sei jetzt nicht die Zeit, im Wahlkampf zu verharren. Es gehe „nicht um eine kleinkarierte parteipolitische Münze“. Es sei „die Zeit, Kompromisse zu schmieden.“

Um die FDP kümmert sich fürs Erste niemand mehr. Obwohl die Liberalen ebenfalls einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht haben und Fraktionschef Christian Dürr Merz und Klingbeil vorschlug, in den nächsten Tagen noch nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen, gaben sich weder Union noch SPD ansatzweise Mühe, auf die Liberalen zuzugehen. Christian Lindner trat mit demselben Sound ans Rednerpult, den man aus seiner Zeit als Finanzminister kennt. Und auch Dürr, der in den nächsten Tagen möglicherweise als Lindners Nachfolger nominiert wird, machte keine Anstalten, nach der Wahlniederlage einen anderen Ton anzuschlagen.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
Teilen
Kopiert!