Fake News und Propaganda: Warum die Bundesregierung im Kampf gegen Einflussnahme nicht gut genug aufgestellt ist 

Auf Telegram, Tiktok oder Instagram wimmelt es nur so von Fake News und Propaganda. Aber Medien ebenso wie Politik bringen das selten zusammen.

13. Oktober 2024

Es ist ein blinder Fleck – oder zumindest ein trüber. Bei der Analyse der jüngsten Wahlergebnisse spielt der Aspekt der ausländischen Einflussnahme durch Desinformation eine untergeordnete Rolle. Populisten und Extremisten erreichten erhebliche Stimmengewinne. Auf Telegram, Tiktok oder Instagram wimmelt es nur so von Fake News und Propaganda. Aber Medien ebenso wie Politik bringen das selten zusammen. Sie beschäftigen sich zwar mit der Suche nach Ursachen für politische Probleme, dem Ansehen der Ampel und dem Heizungsgesetz. Doch die Wirkung ausländischer Netz-Propaganda wird dabei möglicherweise vernachlässigt. Allerdings lässt die sich auch nur schwer quantifizieren.

Über ausländische Aktivitäten beispielsweise vor den Landtagswahlen in diesem Herbst – oder mit Blick auf die Bundestagswahl im kommenden Jahr –gibt es wenig belastbare Informationen. Wenn man beim Bundesamt für Verfassungsschutz nachfragt, ob es Erkenntnisse über verstärkte Aktivitäten vor den Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gebe, wird „unter drei“ mitgeteilt, dass es darüber keine aktuellen Erkenntnisse gebe. Das heißt nicht, es habe keine gegeben. Es heißt: Wir können es leider nicht genau sagen.

Unklar ist, was eigentlich die Konsequenzen aus dem Aufdecken russischer „Informationsmanipulation“ sind. Solange es um „meinungsverstärkende“ Tendenzbeiträge geht, sind die Möglichkeiten einer freiheitlichen Gesellschaft begrenzt. Das BMI sagt, die ZEAM solle „die faktischen Grundlagen für Entscheidungen der Bundesregierung im Zusammenhang mit ausländischen Informationsmanipulation weiter verbessern“. Dabei habe die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das Thema Desinformation einen besonderen Stellenwert.

Einerseits informiert die Bundesregierung auf verschiedenen Seiten umfangreich über die Risiken vor allem russischer Propaganda. Sie spricht von „zunehmend stattfindenden, koordinierten Einflusskampagnen einiger autokratischer Staaten, die darauf abzielen, die freie Meinungsbildung der Menschen in Deutschland und damit die politische Willensbildung zu manipulieren“. Andererseits ist die Erfassung dieser Desinformationsaktivitäten und ihrer Verbreitung lückenhaft. Und die Mittel für Aufklärung und Bekämpfung sind sehr begrenzt.

Im BMI wird seit einigen Wochen die „Zentrale Stelle zur Erkennung ausländischer Informationsmanipulation“, kurz: ZEAM, aufgebaut. Im kommenden Jahr sollen dort 20 Leute aus BMI, AA, BMJ, Kanzleramt und BPA arbeiten – allerdings ist noch unklar, über welche Mittel die ZEAM verfügen wird. Im Haushaltsentwurf 2025 ist bisher nur ein niedriger einstelliger Millionenbetrag vorgesehen. Als die zuständigen Staatssekretärinnen kürzlich die Fachpolitiker des Bundestags zum Thema ZEAM einluden, war die Resonanz groß – und auch der Wunsch der Parlamentarier, deutlich mehr zu investieren. Bei manchen verbindet sich damit sicher auch die Hoffnung, eine Bekämpfung der Desinformation würde Wahlergebnisse und Umfragen für die Parteien der Mitte verbessern.

Ob Desinformationskampagnen überhaupt Auswirkungen haben, ist umstritten. Und wenn, dann ist nicht zu quantifizieren, ob es sich um ein, zwei Prozentpunkte oder mehr handelt – oder ob sich eine gesellschaftliche Stimmung beispielsweise in Richtung „kollektive Übellaunigkeit“ verschiebt, die sich dann in veränderten Wahlergebnissen niederschlägt. Öffentlich sind aber beispielsweise die Abonnenten-Zahlen von Telegram-Kanälen, auf denen derartige Posts Weiterverbreitung finden. Die pro-russische Influencerin Alina Lipp hat aktuell gut 186.000, die rechtsextremistischen „Freien Sachsen“ kommen auf knapp 134.000. Zum Vergleich: Die Sächsische Zeitung hat eine Auflage von rund 137.000 Exemplaren.

NDR, WDR und SZ veröffentlichten kürzlich geleakte Videos und Dokumente über die Aktivitäten der russischen Desinformationsfirma „Social Design Agency“ (SDA). Sie nennt als Ziele ihrer auf Deutschland bezogenen Aktivitäten eine Erhöhung des Stimmenanteils der AfD und eine Zunahme von „Zukunftsangst“. Man kann sicher sein, dass die SDA die eigene Arbeit als erfolgreich betrachtet.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025