Analyse
Erscheinungsdatum: 24. März 2024

Zweifel an Faesers Fähigkeiten im Amt: Personelle Veränderungen im Ministerium ohne klares Muster

Die Bundesinnenministerin schickt zwei Abteilungsleiter in den einstweiligen Ruhestand – und besetzt wichtige Posten mit Personal nach, das ihr politisch näher steht. Geht es Faeser jetzt darum, ihr Haus ans Arbeiten zu bekommen? Oder ist der Umbau anderen, wenig fachlichen Gründen geschuldet?

Es sind zwei Abteilungsleiter, die gehen müssen : Andreas Könen, Chef der Abteilung Cyber- und Informationssicherheit, und Pia Karger, Chefin der Abteilung Digitale Gesellschaft. Per Brief an die „lieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ teilte Nancy Faeser am Freitag die Veränderungen zu Anfang April mit. Es gehe darum, sich „noch stärker gegen die aktuellen Bedrohungen und Herausforderungen“ zu wappnen, schreibt die Innenministerin. „Zielgerichtete personelle Veränderungen“ wolle sie daher vornehmen, und das selbst mitteilen. Doch an dieser Darstellung sind Zweifel geboten.

Könens Posten soll künftig von Friederike Dahns besetzt werden. Die war zuletzt für „Digitale Verwaltung“ als Unterabteilungsleiterin mitzuständig, hat aber lange Jahre unter anderem als BMI-Vertreterin im Nato-Kontext mit Zivilschutzkonzepten und internationaler Kooperation Erfahrungen gesammelt. Der Posten von Karger wird durch eine Umbesetzung belegt: Martin von Simson, bisher Abteilungsleiter Zentrale Dienste und Teil von Faesers SPD-Vertrauten, soll sich künftig um diese Abteilung kümmern. Auf von Simsons bisherigen Posten rückt mit Eva-Lotta Gutjahr eine versierte Fachfrau, die zuletzt die Verfassungsabteilung leitete. Damit wird an der Grenze zwischen politischer und fachlicher Führung deutlich stärker auf SPD-Nähe gesetzt denn bisher – eineinhalb Jahre vor der nächsten Bundestagswahl. Doch die Umbesetzungen ergeben in Summe kein logisches Bild – außer: mehr rote Farbe auf der Leitungsebene.

Es gibt kaum ein Haus wie das Bundesministerium des Innern und für Heimat: Über 2.000 Mitarbeiter sind für die öffentliche Sicherheit, den Katastrophenschutz, den öffentlichen Dienst, das Bundesbeamtentum, den Sport und noch einige Dinge mehr zuständig. Es galt lange Jahre als gut geölte Gesetzgebungsmaschine. Zugleich aber gilt es als tiefschwarz : Seit 1982 war es fest in CDU- oder CSU-Hand. Nur einmal wurde das unterbrochen, durch die sieben Jahre unter dem kaum als solchem wahrgenommenen Sozialdemokraten Otto Schily, der vom RAF-Anwalt und Grünen-Mitgründer unter dem Eindruck der Anschläge vom 11. September 2001 zum Sheriff mutierte. Schwarz, das war auch das Parteibuch oder die Freundeskreismitgliedschaft, mit der die meisten Beamten im Haus Karriere machten.

Nachdem der damalige CSU-Chef Horst Seehofer 2018 Hausherr am Spreebogen wurde, aber oft aus der Ferne agierte, war das Haus weitgehend sich selbst überlassen. Es musste seinen Minister regelmäßig wieder einfangen, wenn dieser wieder einmal jenseits der verfassungsmäßigen Ordnung zu agieren drohte. Die Aufteilung in das Beamtentum, die Exekutive, und die Gubernative, also die politische Hausleitung, sorgte auch unter dem oft abwesenden Seehofer für ein Funktionieren des Hauses. Allerdings mit verstärktem Eigenleben der Beamtenschaft. Schwierige Voraussetzungen für Faeser, als sie im Dezember 2021 aus Hessen nach Berlin kam.

Sie traf auf ein Haus, das politisch klare Präferenzen hatte – während Faesers politischer Gestaltungswillen vor allem mit ihrer Kandidatur für das Amt der Ministerpräsidentin in Hessen in Verbindung gebracht wurde. Von Bundespolitik hatte die SPD-Politikerin wenig Ahnung und noch weniger eigene Erfahrung. Ein Clash mit dem leidgeprüften und ministererprobten BMI schien daher früh unausweichlich, wird aber üblicherweise still ausgetragen. Woran das in den vergangenen zwei Jahren dennoch zu merken war: Die Gesetzesmaschine BMI stottert seitdem merklich.

Insbesondere in der Digitalpolitik, in der Faeser für wesentliche Bereiche wie die Verwaltungsdigitalisierung und die Cybersicherheit mitverantwortlich ist, geht kaum etwas voran. Die Verwaltungsdigitalisierung läuft seit Jahren im Schneckentempo. Und der neueste Vorstoß der Ampel, endlich das „Onlinezugangsgesetz 2.0“ auf den Weg zu bringen, scheiterte am Freitag vorerst am Bundesrat. Doch der dafür seit Jahren zuständige Abteilungsleiter darf bleiben, genau wie der zuständige Staatssekretär.

Auch das Umsetzungsgesetz zur Verbesserung der Netzwerk- und Informationssicherheit lässt weiter auf sich warten. Während viel von Zeitenwende und Resilienzsteigerung die Rede ist und Faeser hier wesentlich mehr Aktivität einfordert, kann das BMI weiterhin keinen Kabinettstermin nennen. Schon der erste Entwurf kam im vergangenen Sommer spät und mit fehlendem Inhalt an entscheidenden Stellen: Insbesondere die Frage, wie Komponenten etwa in Mobilfunk und kritischer Infrastruktur reguliert werden sollten, blieb unbeantwortet. Dabei handelt es sich um eine zentrale Vorschrift: Wie viel Huawei, wie viel Abhängigkeit von US-Unternehmen, welche Kosten für mehr Unabhängigkeit sind in der Zeitenwende für die Resilienz der Gesellschaft bei Strom, Wasser, Gesundheit, Abfall, Telekommunikation, Verkehr, im Handel und bei anderen zentralen Akteure zulässig? Ein Referentenentwurf mit Leerstelle in einem zentralen Punkt: Das ist hochgradig ungewöhnlich.

Zuständig für die NIS2-Umsetzung war bisher der Abteilungsleiter CI Könen. Das Fachwissen des einstigen BND-Mitarbeiters, späteren Vizepräsidenten und dann AL Cyber- und Informationssicherheit im BMI ist selbst unter politischen Kritikern anerkannt. Doch die Konflikte im Haus und insbesondere mit den anderen Häusern und dem Parlament nahmen in den vergangenen Jahren zu. So wie bei allen Digitalthemen gilt Faeser auch hier persönlich als wenig interessiert.

Am spürbarsten wurde Faesers Desinteresse an Digitalthemen bei der Affäre um die Demission des einstigen BSI-Präsidenten Arne Schönbohm. Der wurde ohne stichhaltige Gründe von seinem Posten abberufen, in Folge einer Satire-Sendung. Der zuständige Abteilungsleiter für das BSI: Könen - doch der weilte während der ersten Bewältigung, als Faesers Getreue meinten, Schönbohm loswerden zu müssen, im Urlaub. Für die Klärung der Vorwürfe, die im Nachhinein nichts ernsthaft Belastendes enthielten, war zuständig: von Simson - der künftig in die Abteilung Digitale Gesellschaft umgesetzte Zentralabteilungsleiter.

Die „DG“ ist dabei ein Leichtgewicht des Hauses, ganz anders als die „CI“, der nun Dahns vorstehen soll. Die Nachfolgerin von Könen ist zwar ausweislich bisheriger Tätigkeiten in Sicherheitsdebatten zu Hause. Konkret beim Zuständigkeitsbereich Cybersicherheit aber wird sie von Fachleuten in ersten Reaktionen auf die Umbesetzung als kaum satisfaktionsfähig angesehen. Insbesondere international könne das eine Schwächung der deutschen Position bedeuten, sagt ein Experte – und zu einer noch stärkeren Rolle der Cybersicherheitsbehörden selbst führen.

Das mindestens unglückliche Vorgehen und die daraus resultierende Affäre Schönbohm trug zu dem Bild einer vollkommen überforderten und ahnungslosen Innenministerin bei, die eigentlich nur nach Berlin gekommen war, um in Hessen Ministerpräsidentin zu werden. Auch im eigenen Haus sorgte ihr Vorgehen für massive Irritationen. Bis kurz vor der Wahl, die Faeser haushoch verlor, verfolgte sie die Affäre, erneut mit einigem Ungeschick. Nur knapp soll Faeser daher im vergangenen Herbst einer Kabinettsumbildung entgangen sein, hieß es aus Koalitionskreisen - die Ereignisse in Israel hätten das verhindert, da eine Umbesetzung an der Spitze des BMI zu diesem Zeitpunkt zur Unzeit gekommen wäre.

Doch die Zweifel an Faesers Fähigkeiten in der Amtsführung sind geblieben. Denn sie schafft es nicht, den Koalitionsvertrag abzuarbeiten. Viele Vorhaben die vom Innenressort verantwortet werden, sind bis heute nicht umgesetzt. Auch deshalb, weil das BMI unter Faeser politische Positionen vertritt, die damit nicht in Einklang zu bringen sind.

Das kostet politisch. Faesers Bekenntnis zur Vorratsdatenspeicherung etwa ist teuer erkauft : Durch ihre Weigerung, einem Vorschlag von Bundesjustizminister Marco Buschmann für die kleine Alternative „Quick Freeze“ zuzustimmen wie im Koalitionsvertrag angelegt, hängt seit Monaten eine Reform beim Mietrecht und dem kommunalen Vorkaufsrecht fest. Zug-um-Zug-Geschäfte, wie sie in Koalitionen üblich sind – doch Faeser folgt seit einem Jahr lieber der Haustradition.

An anderen Stellen wachsen die Zweifel an der Handlungsfähigkeit des BMI ebenfalls. Insbesondere die Gesetzgebung für die kritische Infrastruktur, einst mit viel Tamtam nach den Nordstream-Sprengungen und den Vorfällen beim Bahn-Zugfunk GSM-R von Faeser angekündigt, steckt seit Monaten fest und schafft es nicht einmal ins Kabinett. Mehrfach wurde der ursprüngliche Entwurf überarbeitet – und der Termin rutschte immer weiter nach hinten in der Kabinettsplanung. Das Verfahren galt als hochgradig unprofessionell, wichtige Verbände fühlten sich außen vor gelassen. Und die kritische Infrastruktur? Wird vorerst mit Faesers Ankündigungen allein besser geschützt.

Auch das Gesetz, das die Kompetenzen für die „Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich“ endlich festzurren soll, ist noch nicht auf dem Weg gebracht. Eine Behörde, die seit Jahren ohne gesetzliche Grundlage in höchst sensiblen Bereichen arbeitet. Und beim Vorhaben, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik unabhängiger zu machen, ist das BMI ebenfalls noch nicht weit gekommen. Immer wieder ist zu dieser Langsamkeit des Hauses Unmut aus dem Parlament zu vernehmen. Und auch in den anderen Häusern wundern sich Minister wie Mitarbeiter darüber, wie ein in Krisenzeiten so zentrales Ressort derart wenig auf den Weg bringt.

Ob Faesers Umbau jetzt der Startschuss in die Zeit nach der für sie gescheiterten Hessenwahl ist? Oder nicht doch vielmehr nur dem Umstand geschuldet, dass mehr SPD-nahe Akteure auf relevante Posten gesetzt werden sollen? Faeser hat mit den Veränderungen im eigenen Haus nun Fakten geschaffen, die keinem klaren Muster folgen. Ob sie in Zukunft schneller liefern wird? Sie sei „überzeugt, dass wir in dieser Aufstellung unsere Ziele gemeinsam erreichen können“, lässt Faeser die BMI-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrem Brief wissen. Ein Jahr bis zum Beginn des Bundestagswahlkampfes verbleibt der bisher unglücklich agierenden Ministerin dafür noch.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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