Analyse
Erscheinungsdatum: 07. Februar 2024

Ein Jahr „Wohngeld-Plus“: Bauminister und Kommunen fordern Nachbesserungen

Anfang 2023 trat die laut Bundesregierung „historische Reform“ in Kraft. Nach einem Jahr sind Kommunen vielerorts noch immer überfordert – und mahnen Vereinfachungen an.

Zum Start des „Wohngeld-Plus“ 2023 sprach Klara Geywitz von einer historischen Reform, „wie es sie seit der Einführung des Wohngeldes im Jahr 1965 noch nie gab“. Der Kreis der anspruchsberechtigten Haushalte erhöhte sich von 600.000 auf rund zwei Millionen. Das entspricht mehr als vier Millionen Menschen, der durchschnittliche Betrag pro Monat stieg auf 370 Euro an.

Die für die Bearbeitung zuständigen Kommunen waren durch den Andrang vielerorts überlastet. Ein Jahr später ist die Lage ähnlich. Es gebe nach wie vor eine „Flut von Papieranträgen“, heißt es vom Städte- und Gemeindebund (DStGB). Abläufe müssten durchgängig digitalisiert und aufeinander abgestimmt werden – der Bund solle schnellstmöglich eine koordinierende Funktion übernehmen.

Auch der neue Vorsitzende der Bauministerkonferenz fordert von der Bundesregierung eine Vereinfachung. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels auch in der öffentlichen Verwaltung war und ist die Personalsituation oft schwierig“, heißt es aus dem Haus von Christian Bernreiter (CSU). Als zuständiger Ressortchef aus Bayern hat er 2024 und 2025 den Vorsitz inne. Aus München hieß es zuletzt, dass es bis zur endgültigen Genehmigung eines Antrags fast zwei Jahre dauere. Und das, obwohl die Landeshauptstadt wegen der Reform rund 60 zusätzliche Leute einstellte.

Da das Wohngeldgesetz ein Bundesgesetz ist, erwarten die Bauminister, dass der Bund Vorschläge zur Entbürokratisierung vorlegt. Das Bundesbauministerium teilt dazu mit, man stehe im regelmäßigen Austausch und überarbeite derzeit die von 2017 stammende Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Gesetzes – „unter enger Einbindung der Länder“. Zudem hätten sich zwölf von ihnen einem von Schleswig-Holstein entwickelten Onlineangebot angeschlossen, das eine digitale Beantragung ermöglicht. Es soll allerdings vereinfacht werden, um den Vorgang zu beschleunigen. Einige Behörden müssen es laut BMWSB außerdem noch an ihre internen Verfahren anbinden.

Das Ministerium verweist darüber hinaus auf verschiedene Instrumente, die es den Ländern bereits zur Verfügung gestellt hat. Bei dringenden Fällen oder einer hohen Zahl von Anträgen kann die Sozialleistung bei „hinreichender Wahrscheinlichkeit“ eines Anspruchs schnell bewilligt werden. Zudem steht es Behörden frei, den üblichen Bewilligungszeitraum von zwölf Monaten zu verdoppeln, vorläufige Zahlungen zu leisten und auf bestimmte Nachweise zu verzichten.

Der Städte- und Gemeindebund verweist auf einen Vorschlag der kommunalen Spitzenverbände aus dem vergangenen Jahr, der noch nicht umgesetzt wurde: eine „Task Force Wohngeld“ aus Bund, Ländern und Kommunen. Ein solches Forum sei sinnvoll, um Erfahrungen auszuwerten und weitere Vereinfachungen abzustimmen.

Neben dem Antragsverfahren gibt es noch einen Punkt, den Fachleute am Wohngeld kritisieren. Es stelle eine Subventionierung von Vermietern dar, die den Staat viel Geld koste, am Grundproblem aber nichts ändere – dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Eine vom Verbändebündnis „Soziales Wohnen“ beauftragte Studie des Pestel-Instituts kam unlängst zu dem gleichen Schluss. Demnach sei davon auszugehen, dass ein Teil der Vermieter deswegen mehr Geld verlangt, weil die Kosten vom Staat übernommen oder bezuschusst werden. Auch der DStGB schließt nicht aus, dass dadurch Spielräume entstehen, „die zu einem Missbrauch führen“.

Neben dem Wohngeld geht es dabei auch um die Kosten der Unterkunft (KdU), die das Jobcenter „in angemessener Höhe“ übernimmt. Hier gibt es je nach Region Höchstgrenzen. Im ersten Jahr wird die Angemessenheit seit Einführung des Bürgergelds im Rahmen einer „Karenzzeit“ nicht mehr geprüft.

Dem BMWSB liegen eigenen Angaben zufolge keine statistischen Erkenntnisse zum Thema vor. Es sei daher unklar, inwiefern die KdU-Übernahme oder die Wohngeld-Zahlung das Mietniveau beeinflussen. Man gehe davon aus, dass Spielräume für Erhöhungen „nicht zwangsläufig von allen Vermietern ausgeschöpft werden“. Das Ministerium geht zudem davon aus, dass diese in den meisten Fällen nicht wissen, dass der Mieter staatliche Zuschüsse erhält.

Das Pestel-Institut geht davon aus, dass die Wohngeld-Reform einen Anstieg der Ausgaben von rund zwei Milliarden Euro auf fünf bis sechs Milliarden ausgelöst hat. Bei den KdU sei für 2023 inklusive der Ausgaben für die Betriebs- und Heizkosten wiederum davon auszugehen, dass die Kosten erstmals über 20 Milliarden Euro liegen.

Der Gemeindebund sieht die Lösung in einer Stärkung des sozialen Wohnungsbaus. Dies würde demnach den Druck aus dem Markt nehmen und so „deutliche Preissignale“ setzen. Je größer die Notwendigkeit sei, angemessenen Wohnraum zu finden, desto eher steige die Bereitschaft der Jobcenter, auch hohe Mieten zu akzeptieren. Daher setzen die Kommunen darauf, dass Investitionen die Folgekosten dauerhaft senken.

Das bayerische Bauministerium betont, tendenziell könne jede Stützung der Nachfrage preiserhöhend wirken, nicht nur das Wohngeld. Eine durch die Sozialleistung ausgelöste Preiserhöhung ist aus seiner Sicht nur schwer bezifferbar. Deutliches Einsparpotenzial sieht der Freistaat beim Bürgergeld und brachte einen entsprechenden Antrag Ende 2023 im Bundesrat ein. Die Angemessenheit der Miete soll etwa bereits nach sechs statt erst nach zwölf Monaten überprüft werden. Gleichzeitig sei eine solche „Karenzzeit“ auf Menschen „mit entsprechender Lebensleistung“ zu beschränken – etwa Berufstätige, die ergänzend Bürgergeld beziehen. Die Ausschüsse des Bundesrats haben die Forderungen noch nicht abschließend beraten.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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