Analyse
Erscheinungsdatum: 29. April 2024

China und die Spionage: Wie die jüngsten Fälle für Wissenschaft und Chinesen in Deutschland vieles verändern 

Die Fälle von Spionage für China verunsichern nicht nur chinesische Dissidenten in Deutschland. Auch Wissenschaftler machen sich zunehmend Sorgen. Der Druck auf die Politik, mehr Schutz vor Angriffen zu bieten, steigt.

Mehrere Fälle wahrscheinlicher und faktischer Spionage für China, darunter vor allem der Fall des mutmaßlichen Spions Jian G., haben eine Diskussion darüber ausgelöst, ob schon die Anwesenheit chinesisch-stämmiger Bürger in Deutschland künftig als Sicherheitsrisiko gelten könnte. Diese Frage stürzt Deutschland in ein Dilemma: Einerseits wollen Politik und weite Teile der Gesellschaft weltoffen sein und niemanden diskriminieren; andererseits wächst das Gefühl, sich vor Angriffen schützen zu müssen. Der Druck auf die Sicherheitsbehörden, aber auch auf Wissenschaftseinrichtungen und Unternehmen steigt, kritisch zu prüfen.

Vergangene Woche wurden drei mutmaßliche Wissenschaftsspione von der Bundesanwaltschaft festgenommen. Recherchen von Table.Briefings zeigen, dass diese Kontakte mit mehreren deutschen Hochschulen hatten. Ziel soll die Beschaffung von Informationen zu militärisch nutzbaren Technologien gewesen sein. Neben den Universitäten Duisburg-Essen und Chemnitz bestätigt nun auch die Universität Stuttgart Gespräche mit Innovative Dragon Ltd., der Firma der Verdächtigen. In einer Reaktion fordert Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger von allen Hochschulen die Überprüfung von Forschungskooperationen mit China. Doch denen fehlen dafür die personellen und finanziellen Ressourcen. Wie andere Länder damit umgehen, lesen Sie im Research.Table.

Der Deutsche Hochschulverband sieht nun die Politik am Zug und fordert im Gespräch mit Table.Briefings „Leitplanken“. Er hofft auf qualifizierte, Institutionen übergreifende Informations- und Beratungsangebote. Der Geheimdienstforscher Ralph Weber von der Universität Basel erwartet „einen Balanceakt zwischen Vorsichtsmaßnahmen, die notwendig sind, und den liberaldemokratischen Grundsätzen, die man nicht unterschreiten darf“. Wie heikel der Balanceakt werden kann, lesen Sie im China.Table.

Verunsichert sind aber nicht nur Behörden und Wissenschaftler, sondern auch viele Chinesen, die in Deutschland leben. Jian G. hatte sich jahrelang unter die Dissidenten im Land gemischt und sogar an öffentlichen Demonstrationen vor der Botschaft teilgenommen, erinnert sich eine Demokratie-Aktivistin. G.'s Arbeit für die AfD spielte dabei für viele keine Rolle. „Viele chinesische Demokraten leben in einer Parallelwelt“, sagt die Aktivistin. „Sie scheinen sich nicht darum zu scheren, was in der deutschen Politik passiert und was für eine Art von Partei die AfD ist.“ Viele der hier lebenden Chinesen denken schlicht, die AfD habe nichts gegen fleißige Chinesen, sondern nur gegen Migranten. Welche Unruhe die Ereignisse unter Dissidenten und anderen, in Deutschland lebenden Chinesen ausgelöst haben, erfahren Sie hier.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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