Die Bundesregierung hat Vorbehalte gegen Anti-Dumping-Zölle der EU auf E-Autos aus China. „Ausgleichszölle der EU könnten die EU-Industrie schützen, aber auch negativ treffen“, heißt es in der als vertraulich eingestuften Stellungnahme der Bundesregierung zum Arbeitsprogramm 2024 der EU-Kommission, die Table.Media vorliegt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte eine Antisubventionsuntersuchung für batterieelektrische Autos aus China angekündigt. Gleichzeitig hatte sie nahegelegt, dass es Hinweise für eine unzulässige Subventionierung gebe. Damit gilt es als eine Frage der Zeit, dass die Kommission Anti-Dumping-Zölle auf E-Autos aus China erhebt.
Die Bundesregierung befürchtet negative Folgen durch die Zölle für die deutschen Hersteller. Ohne die deutschen Konzerne direkt zu erwähnen, warnt die Stellungnahme vor negativen Folgen „zum einen direkt (bei EU-Herstellern in China, die in die EU exportieren) sowie indirekt (bei etwaigen Vergeltungsmaßnahme(n) Chinas).“
Hintergrund ist, dass die deutschen Marken wie Mercedes, BMW und VW bis zu 40 Prozent ihres Absatzes in China machen sowie große Produktionskapazitäten in China selbst aufgebaut haben. Die französischen Hersteller dagegen sind nicht auf dem chinesischen Markt aktiv, fordern aber seit Langem EU-Zölle auf E-Autos aus China, weil chinesische Marken in der EU massiv mit E-Autos der französischen Hersteller konkurrieren und ihnen Marktanteile streitig machen.
Die Bundesregierung mahnt eine „regelkonforme und ergebnisoffene Untersuchung“ im Zuge des Antisubventionierungsverfahrens an sowie, „dass die jeweiligen Interessen im Rahmen des Unionsinteresses berücksichtigt werden.“ Die Mitgliedstaaten seien „angesichts der politischen Sensibilität in das Verfahren eng einzubinden“. Das Schreiben enthält auch eine deutliche Kritik an der Kommission : Die Antisubventionsuntersuchung habe nämlich die „Besonderheit, dass sie ex officio und damit nicht auf Basis eines Antrags eines EU-Herstellers eingeleitet wurde“. Die Botschaft der Bundesregierung lautet also, dass die Kommission sich von der französischen Regierung habe drängen lassen.
Beim Green Deal zeigt sich die Bundesregierung enttäuscht. „Die Bundesregierung bedauert jedoch sehr, dass die Kommission wichtige Vorhaben der Farm-to-Fork-Strategie aktuell nicht weiterverfolgt“, heißt es weiter in dem Papier. Anders als in den vergangenen Arbeitsprogrammen sei die „umfassende Überarbeitung des europäischen Tierschutzrechts und die Schaffung eines Rechtsrahmens für nachhaltige Ernährungssysteme (FSFS)“ nicht mehr vorgesehen. Entsprechende Initiativen seien aber dringend erforderlich, um die gesellschaftlichen Erwartungen für nachhaltige Agrar- und Ernährungssysteme hin zu mehr Tierschutz und Nachhaltigkeit voranzubringen.
Die Bundesregierung bemängelt auch, dass die Kommission erneut die Lebensmittelkennzeichnungsvorhaben aus der Farm-to-Fork-Strategie nicht im Arbeitsprogramm aufführt. Für die Bundesregierung hätten die von der Kommission bereits für Ende 2022 angekündigten Legislativvorschläge zur erweiterten Nährwertkennzeichnung, zur Herkunftskennzeichnung, zu Datumsmarkierungen, Nährwertprofile und zur Kennzeichnung alkoholischer Getränke „sehr hohe Priorität“. Obwohl auch eine Überarbeitung des EU-Rechts zu Lebensmittelkontaktmaterialien längst im Zuge der Farm-to-Fork-Strategie angekündigt war, habe die Kommission immer noch nicht geliefert, rügt das Papier aus dem Kanzleramt.
Auch in der Industriepolitik macht die Bundesregierung Vorbehalte geltend. Sie will im Gegensatz zur Kommission weiter auf die Subventionierung für die Dekarbonisierung der Industrie setzen. Die entsprechenden Kapitel im befristeten Beihilferahmen TCTF will sie bis Ende 2027 verlängern. Derzeit sind die Abschnitte 2.5, 2.6. und 2.8 bis 2025 befristet. Die Kommission hatte sich erst vor wenigen Wochen dagegen entschieden, sie auszudehnen. Nur die Möglichkeit für Beihilfen zu gestiegenen Energiekosten wurde um ein halbes Jahr bis Mitte 2024 verlängert.
Unklar ist, ob die Antwort der Bundesregierung zu diesem Thema vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum deutschen Klima- und Transformationsfonds (KTF) formuliert wurde oder ob die Bundesregierung auf eine Entspannung der Haushaltslage nach 2025 spekuliert. Mitarbeit Manuel Berkel