Diese Woche findet die Anhörung zur Reform des Lobbyregisters im Bundestag statt. Wir haben schon ein Lobbyregister. Wozu diese Reform?
Das bestehende Lobbyregister ist eigentlich erst der Anfang. Aus unserer Sicht ist es zwar ein wichtiges Element, aber eben nur ein Element, um den Lobbyismus wirklich transparenter zu gestalten. Schließlich geht es auch darum, politische Entscheidungsfindung nachvollziehbarer zu machen. Was wir erreichen wollen ist, dass die Bürgerinnen und Bürger verstehen, was entschieden wurde und warum. Es ist wichtig, dass man bei Gesetzgebungsverfahren nachvollziehen kann, welche Argumente eingeflossen sind und wer wie viel Macht ausgeübt hat. Unsere Aufgabe als Watchdog in der Gesellschaft ist es, diese Macht mit zu kontrollieren. Dafür brauchen wir Transparenz.
Was wird verändert?
Es geht darum, wie man die Finanzierungs-Offenlegungspflichten besser aufstellt. Einerseits beklagen sich zivilgesellschaftliche Organisationen, dass sie ihre Finanzierung nicht so offenlegen können, wie es das Gesetz derzeit vorsieht. Es gibt bestimmte Fristen, zu denen die Namen der Spenderinnen und Spender offengelegt werden müssen – außer man macht eine Ausnahme geltend und verweigert die Angaben. Dann wurde im Lobbyregister lediglich vermerkt, dass die Organisation die Angaben zu ihren Spenderinnen und Spender verweigert. Ab diesem Zeitpunkt lag es im Ermessen der Politikerinnen und Politiker, ob sie diese Leute trotzdem einladen. Die spendenbasierten Organisationen sehen diesen Vermerk deshalb als Blacklisting. Aus ihrer Sicht ruiniert es ihren Ruf, wenn sie diese Angaben verweigern. Viele zivilgesellschaftliche Organisationen, die spendenbasiert sind, haben sich an die Politik gewandt und gesagt: Das muss revidiert werden.
Sie auch?
Wir haben auch eine Revision gefordert im Hinblick auf die Ausnahmen bezüglich der Eintragung von bestimmten Organisationen, weil für uns dieselben Regeln für alle gelten müssen. Beispiel: Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) gehört zu den größten Lobbyisten. Sie machen tolle, wichtige Arbeit. Wir aber auch! Warum sind sie dann nicht verpflichtet, sich im Register einzutragen, obwohl wir es sind? Wir sind auch stolz drauf, dass wir eingetragen sind. Selbst in unserer Signatur steht, welche Lobby-Registriernummer wir haben. Trotzdem ist es seltsam, wenn man dann ganz große Player rausnimmt. Neben den Gewerkschaften sind auch die Arbeitgeberverbände von der Eintragungspflicht befreit. Die sind wiederum sehr nah an bestimmten Industrieverbänden. Das wirft Fragen auf. Wir versuchen uns sehr gewissenhaft einzutragen, während rechts und links die Kollegen es nicht tun. Schließlich müssen sich die Kirchenverbände ebenfalls nicht eintragen. Das geht aus unserer Sicht auch nicht. Macht und Geld spielen dort auch eine große Rolle, aber die Intransparenz ist enorm. Sie haben offensichtlich nach wie vor eine starke Lobby. Deshalb ist es aus unserer Sicht notwendig, dass der Gesetzgeber hier nachbessert. Deswegen gab es auch die Anhörung.
„Je früher man in so einen Prozess reinkommt, desto mehr Macht hat man.”
Werden wir nach dieser Reform wissen, welcher Abgeordnete mit welchen Lobbyisten gesprochen hat?
Nein, dafür ist das Lobbyregister gar nicht geeignet. Hierfür bräuchten wir den exekutiven bzw. legislativen Fußabdruck. Den gibt es noch nicht. Das sind so komplizierte Begrifflichkeiten, dass keiner so genau versteht, was darunter zu verstehen ist. Generell rede ich gerne vom legislativen Fußabdruck, weil es dabei um den gesamten Gesetzgebungsprozess geht, inklusive der Bundesregierung. Es ist wichtig, dass man nachvollziehen kann, wer in diesem Prozess mit einbezogen wurde. In Deutschland haben wir die Situation, dass circa 80 Prozent der Gesetze in der Exekutive entstehen, also in der Bundesregierung, in den verschiedenen Ministerien. Je früher man in so einen Prozess reinkommt, desto mehr Macht hat man.
Wie läuft das?
Je früher man als Lobbyist in den Gesetzgebungsprozess eingebunden wird, desto größer sind die Möglichkeiten, bestimmte Argumente einzubringen. Deswegen ist es wichtig, dies frühzeitig auch zu dokumentieren. Es müsste dann bis zur ersten Lesung im Parlament und bis zur Verabschiedung des Gesetzes durchgezogen werden. Leider ist der exekutive beziehungsweise legislative Fußabdruck nicht Teil der jetzigen Reform des Lobbyregisters. Er wurde ausgeklammert, wobei wir den zwingend bräuchten.
Wenn dieser exekutive oder legislative Fußabdruck jetzt ausgeklammert wurde, wie stehen dann die Chancen, dass wir erfahren, wer wie Einfluss auf die Gesetze genommen hat?
Das ist die große Frage. Aus meiner Sicht wäre es fairer gewesen, dass wir uns alle gleichzeitig verpflichten, Lobbyisten und Politik, denn es geht um gemeinsame Prozesse. Wir Lobbyisten auf der einen Seite haben gesagt: Jawohl, wir sehen den Sinn von Transparenz. Wir sehen es auch als unsere Verpflichtung, die Demokratie zu stärken. Deshalb müssen wir offenlegen, wofür wir uns einsetzen und von wem wir finanziert werden. Gleichzeitig hätte sich auch die Politik verpflichten müssen. Wir sind einfach unterschiedliche Seiten der gleichen Medaille. Das ist nicht passiert, weil die Politik hier zu zögerlich war.
Wann soll das kommen?
Jetzt soll es wohl nächstes Jahr kommen. So wurde es zumindest in der Anhörung angekündigt. Das ist schade. Die Motivation unter den Lobbyisten leidet natürlich darunter, wenn wir merken, dass nur wir uns verpflichten. Weiterhin ist es unklar, ob es überhaupt kommen wird. Wir wissen alle, wie es im politischen Geschäft ist. Manchmal gibt es plötzlich etwas Wichtigeres und schon fällt etwas von der Tagesordnung. Sollte es tatsächlich kommen, muss es aus unserer Sicht als Gesetz kommen, um den gleichen Stellenwert wie das Lobbyregister-Gesetz zu haben. Wir bräuchten dann ein „Exekutive-Fußspur-Gesetz“. Gerade deshalb, weil Gesetze wesentlich schwieriger zu ändern sind. Somit schaffen wir Stabilität. Was wir jetzt hören ist, dass es durch eine Geschäftsordnungs-Änderung eingeführt werden soll. Da frage ich mich: Warum diese ungleiche Behandlung? Warum wird dieser gleiche Sachverhalt auf der einen Seite strenger behandelt als auf der anderen? Das Gesamtbild hat man erst, wenn man beide Seiten gesehen hat.
„Mir leuchtet das überhaupt nicht ein.”
Sie haben die Ausnahmen für Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände und Kirchen angesprochen. Im Lobbyregister der EU gibt es diese Ausnahme nicht. Warum bei uns?
Das liegt an einer Auslegung unseres Grundgesetzes, die wir bei Transparency Deutschland nicht teilen. Aber es gibt Expertinnen und Experten, die meinen, diese Gruppen könne man nicht verpflichten, sich einzutragen, weil das Vereinigungsrecht des Artikel 9 Grundgesetz dies verbiete. Deswegen könne man die gar nicht einbeziehen, weil dadurch dieses Recht und diese Freiheit eingeschränkt würde. Mir leuchtet das überhaupt nicht ein. Vielen Juristinnen und Juristen leuchtet es ebenfalls nicht ein. Letzten Endes läuft alles darauf hinaus, wie man die Verfassung liest. Zum Beispiel sagt die SPD ganz klar: Nein, da können wir nichts machen. Für uns ist das Quatsch, weil Transparenz die Freiheit und das Recht dieser zurecht mächtigen Organisationen nicht einschränkt.
Wenn es verfassungsrechtliche Bedenken gibt, braucht dann das Grundgesetz eine Reform? Oder müssen die umdenken, die mehr Transparenz fordern?
Ich glaube, das zweite. Ich komme aus Finnland und bin ein großer Fan des deutschen Grundgesetzes. Ich habe es tatsächlich immer in meinem Rucksack dabei. Das ist ein fantastisches, ausbalanciertes Werk, dessen Einzelelemente ineinandergreifen. Was wir brauchen, ist eher eine offene Debatte hierüber. Wenn man diese Gruppen außen vor lässt, riskiert man, die gesellschaftliche Akzeptanz für diese Regelwerke zu verlieren. Wir müssen alle mit in einem Boot sitzen. Daher würde ich sagen: Nein, das Grundgesetz ist wunderbar. Aber die Macht und die Finanzen sollten im Kontext des Lobbyismus offengelegt werden, ohne Ausnahmen.
Misereor und Caritas machen das freiwillig.
Ja, das begrüßen wir sehr. Manchmal ist es tatsächlich so, dass bestimmte Gruppen eher bereit sind, Reformen anzunehmen, als die sie vertretenden Organisationen vermuten. Daher ist die Eintragung von manchen Organisationen, die jetzt von der Eintragungspflicht herausgenommen worden sind und die dadurch „geschützt“ werden sollen, gar nicht gewollt. Und das ist kein Schutz, sondern dadurch werden sie ja auch oft Ziel von Anfeindungen. Das kann daher auch ein Bärendienst sein.
„Es gibt leider keine Partei, die unsere Position hier klar unterstützt.”
Wie sieht es bei den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden aus?
Bei Gewerkschaften gab es unter anderem die Diskussion, inwiefern eine Eintragung auch das Offenlegen ihrer Streikkasse bedeuten würde. Das ist natürlich im Tarifkampf entscheidend, dass die Arbeitgeberseite den Inhalt dieser Kasse nicht kennt. Man könnte dieses Problem lösen, in dem Gewerkschaften, nur den Teil offenlegen, die sie tatsächlich für Interessenvertretung ausgeben. Selbst da kamen wir bisher nicht weiter. Es gibt leider keine Partei, die unsere Position hier klar unterstützt. Daher ist es derzeit schwierig, für diese Position effektiv zu lobbyieren.
Bei der aktuellen Anhörung im Bundestag zur Reform gab es einen öffentlichen Teil, aber auch einen nicht-öffentlichen Teil. Wie passt das zusammen: über Transparenz im Geheimen zu beraten?
Das ist gerade bei diesem Gesetz tatsächlich nicht gut gelaufen. Es wurden Räume geschaffen, die abgetrennt von dem Gesamtprozess waren, wodurch Informationsvorsprünge entstanden sind. Was genau diskutiert wurde, bleibt im Verborgenen, da kein Protokoll zu der Sitzung herausgegeben wird. Erstaunlicherweise waren diejenigen, die an dem nichtöffentlichen Teil teilgenommen, dann in der öffentlichen Anhörung nicht mehr dabei. Genau das gilt es zu vermeiden. Alle Organisationen müssen gleichberechtigt behandelt werden und an einem Tisch sitzen. Dafür brauchen wir einen gemeinsamen Umgang mit diesem Thema.
Hat Lobbyismus ein schlechtes Image?
Leider ist das so. Ich unterrichte an der HWR politische Entscheidungsfindung und Interessenvertretung. Wenn ich die Studierenden frage, was sie von Lobbyismus halten, gibt es ein ganz großes Buh-Raunen und alle wollen erklären, warum das schlecht ist. Wenn ich aber über das Thema der Interessenvertretung spreche, ist die Stimmung ganz anders. Ich muss dann immer erklären, dass es sich eigentlich um Synonyme handelt und es für unsere Demokratie sehr wichtig ist. Ich finde es schade, weil mit dem bekannten schlechten Lobbyismus-Beispielen das Kind mit dem Badewasser ausgeschüttet wird. Wie in allen gesellschaftlichen Bereichen, gibt es auch unter uns Lobbyisten solche und solche.
Inwiefern ist das schlechte Image von Lobbyismus ein Teil des Akzeptanzproblems von Politik generell?
Da sind wir alle mit daran schuld, sowohl Politiker als auch Lobbyisten. Einerseits ist es natürlich für Politiker nicht einfach, weil die ganzen Regelwerke komplexer und komplizierter werden. Hinzukommt, dass alles miteinander zusammenhängt. Man muss ja unterschiedliche Krisen gleichzeitig managen, die oft auch eine internationale Dimension haben. Hier braucht man Unterstützung. Natürlich wendet sich man dann an Organisationen, von denen man denkt, dass sie Expertinnen und Experten sind. Viel anstrengender und zeitintensiver ist es natürlich, anstatt einiger weniger Experten zu hören, einen 360-Grad-Blick zu haben und zu schauen: Gibt es denn noch weitere relevante Experten? Ganz oft ist die Politik überfordert. Wir kriegen das als Lobbyisten mit, weil die Anfragen für Stellungnahmen zu bestimmten Gesetzen sehr kurzfristig, manchmal sogar von Samstagmorgen bis Montagmorgen erfolgen müssen. Ich ahne, dass es auf der anderen Seite genauso stressig aussehen muss. In diesem Konglomerat, finde ich, hat man zu wenig drauf geachtet, dass man trotzdem verpflichtet ist, alle relevanten Argumente ausgewogen zu berücksichtigen.
„Das ist lästig und es kostet Zeit und Geld. Aber nur so haben wir eine Chance, das Volk zurückzuholen.”
Inwiefern sorgt die Politik selbst dafür, dass wir den Eindruck bekommen, Lobbyisten seien etwas Schlimmes?
Ich gebe mal ein Beispiel: Es gab vor ein paar Jahren eine Pressekonferenz von Angela Merkel, wo die Automobilvertreter alle Fragen der Journalisten beantwortet haben. Da habe auch ich gedacht: Das ist eine Machtübernahme. So hat es sich angefühlt, und ich war bestimmt nicht die einzige, die sich gefragt hat: Wer hat hier eigentlich das Sagen? Natürlich gibt es Lobbyisten, die ihre Zugänge nutzen. Warum nicht schnell mal dafür sorgen, dass ihre Interessen durchgehen? Das dürfen wir nicht zulassen. Deswegen muss jeder von uns ein Stück weit die Transparenz aushalten und Rechenschaft ablegen. Das ist lästig und es kostet Zeit und Geld. Aber nur so haben wir eine Chance, das Volk zurückzuholen. Das müssen wir angesichts des AfD-Hochs und der Landtagswahlen im nächsten Jahr tun.
Um den Lobbyismus stärker als Teil der Demokratie zu begreifen?
Darüber muss man reden. Dass wir alle mutig sagen, dass wir Interessenvertreter sind. Natürlich sind wir das. Was ich ganz schwierig finde, ist bei uns in der Zivilgesellschaft, dass wir uns ganz schnell zu den Guten erklären. Ich finde, das gehört sich auch nicht, sich selber als gut zu deklarieren. Woher nehme ich die Macht, insbesondere die anderen als nicht gut zu deklarieren und was weiß ich schon. Auch ein Bankenverband kann gelegentlich mal eine gute Idee haben und bei uns passieren auch Fehler. Wir hatten bei Transparency International schon mal einen Korruptionsfall. So. Wir schweben nicht über den Dingen und deswegen müssen wir genauso geprüft werden wie alle anderen. Wir haben zwar nicht viel Geld, aber wir haben eine starke Marke, und das wiederum gibt uns Macht. Das geht aber auch mit einer großen Verantwortung einher. Und ich glaube, das ist ein Punkt, wo wir ehrlicher miteinander reden müssen. Wir müssen mehr über Macht und Geld als Instrumente reden. Das braucht man, um da tatsächlich etwas gestalten zu können. Aber das reicht nicht aus, dass wir nur darüber reden. Die Politik muss auch etwas tun.
Befördert nicht der Gesetzgeber mit dem Ausbleiben eines exekutiven Fußabdrucks diese Politikverdrossenheit?
Das wirft zumindest Fragen auf: Warum eigentlich? Warum will man nicht darlegen, mit wem man sich trifft? Ich glaube, dass das vielleicht tatsächlich eine Kulturfrage ist. Immer wenn wir Transparenz fordern, wird es als eine Unterstellung betrachtet. Wir unterstellen nichts, sondern sagen: Im Lobbyismus brauchen wir generell mehr Transparenz und zwar für alle, ohne jegliche Ausnahme. Deswegen trägt die Politik auch eine gewisse Verantwortung, sich zu erklären und Rechenschaft abzulegen. Es bietet eine Chance, Bürger mitzunehmen und Gesetzgebungsprozesse nachvollziehbarer zu gestalten. Wenn Menschen die Gesetze und die Intentionen dahinter nachvollziehen können, sind sie eher geneigt, diese gut umzusetzen statt nach Schlupflöchern zu suchen, um die Umsetzung zu umgehen.
„Leute, ihr seid nicht so spannend.”
Können Sie benennen, wo im Parlament die Förderer und Verhinderer sitzen?
Die Grünen würden wohl ziemlich weit gehen, auch mit den Verpflichtungen. Das kommt nah dran an das, was wir fordern: ein an das europäische Modell angelehntes Register mit Onlineplattform. Wir kriegen das aber nicht hin, weil die derzeitigen Digitalisierungsinstrumente dafür nicht ausreichen und es keine adäquate Digitalisierungsstrategie gibt. Ohne ausreichende Digitalisierung ist es ein Bürokratiemonster. Bei der SPD sehen wir, dass sie überall ansonsten ganz gut mitgehen, außer, dass sie an den Ausnahmen für Gewerkschaften, Arbeitgeber und Kirchen aus bekannten Gründen festhalten wollen. In der konservativeren Ecke müssen wir immer noch Überzeugungsarbeit leisten. Da hatte ich auch schon mal eine Diskussion mit einem alteingesessenen Abgeordneten, der wirklich vehement gegen unsere Forderungen opponierte. Ich habe meinen ganzen Mut zusammengenommen und ihn nach seinen Argumenten gefragt. Seine Antwort lautete: Es geht keinem was an. Mit solchen Gegenargumenten kommt man nicht weiter. Es ist etwas Kulturelles, ein Gefühl. Ich glaube, wir sollten die Ängste derjenigen, die ihre Kalender nicht offenlegen wollen, nicht unterschätzen. Ich habe das auch erlebt. In meinem früheren Job habe ich digitale Kalender eingeführt und alle Kolleginnen und Kollegen waren besorgt darüber, was jetzt alles zu Tage kommen würde. Doch es waren zum Teil sehr langweilige Dinge dabei. Deswegen muss man so etwas einfach tun. Auch wenn dann rauskommt: Leute, ihr seid nicht so spannend. Das hören gewählte Abgeordnete aber bestimmt nicht so gerne.
Fördern Sie mit Ihrer Forderung nach immer mehr Transparenz nicht – wenn auch ungewollt – den Eindruck, vieles würde im Geheimen mit Lobbyisten im Hinterzimmer ausgemacht? Weil diese geforderte Transparenz ja niemals aufgelöst wird.
Ein Stück weit mehr reicht auch erstmal. Das ist der Weg, nicht das Ziel. Wir werden eine korruptionsfreie Welt nicht sehen. Aber unsere strategische Zielsetzung ist die nachhaltige Eindämmung von Korruption in Deutschland und weltweit. Daher glaube ich, sollen wir dranbleiben. Es dauert manchmal Jahre. Aber ich bin jetzt neun Jahre hier und langsam sehe ich bestimmte Erfolge. Es sind dicke Bretter, die man hier bohren muss.
Und zur Frage..
...würde ich sagen: Nein. Das Problem ist ja schon da. Viele Menschen denken, dass die Regierenden sich nicht für sie interessieren. Transparenz ist kein Selbstzweck, das ist Mittel zum Zweck. Das ist ein Vehikel, um etwas nachvollziehbar zu machen, nicht um einzuschränken. Für Kontrolle braucht man auch Transparenz. Aber die erste Zielsetzung ist wirklich Nachvollziehbarkeit. Wenn wir das Spiel mal umdrehen könnten: Wir haben den Politikern Macht geliehen für eine bestimmte Zeit, und diese sollen sie in unserem Interesse anwenden. Weil es kein geborenes Recht ist, diese Macht zu besitzen, braucht es die Rechenschaftspflicht. Wenn es die Verpflichtung der Politik wäre, zu begründen, wenn etwas nicht öffentlich sein soll, hätten wir ein ganz anderes Framing. So sind wir immer gefordert, von unserer Seite gegen die geschlossenen Türen zu rennen und um die Öffnung zu bitten. Andersherum würde es mehr Sinn ergeben. So sieht es aus, als würden wir immer mehr und mehr nach Transparenz fragen. Deswegen fordern wir auch Transparenz-Gesetze anstelle von Informationsfreiheitsgesetze-Verfahren. Wir wollen Information nicht nur auf Nachfrage erhalten, sondern proaktiv ohne Nachfrage. Das ist vielleicht die Lösung. Wenn es dann noch digital gut umgesetzt ist und dadurch nicht tausende Daten-Friedhöfe entstehen, mit durchsuchbaren Dokumenten und so weiter, dann werden wir auch eine engagiertere Bürgerschaft haben. Dann werden wir in dieser Gesellschaft vielleicht auch einige Probleme beerdigen können. Und das ist keine Utopie, man muss es nur versuchen.
Der gläserne Abgeordnete?
Nein, auch die Politik braucht vertrauliche Räume. Die Parteien sollen ihre Gespräche untereinander in Ruhe führen können. Sonst bekommen wir nur Fensterreden und keine Lösungen. Es geht auch nicht darum, dass man alle möglichen kleinen Gespräche noch mal notieren muss. Aber wenn es im Kontext von bestimmten Regelungen ist und wenn durch diese Gespräche etwas initiiert wurde, dann ist es ja sinnvoll darzulegen, zu dokumentieren: Woher kam das denn? Und das ist ja auch in Brüssel gang und gäbe. Da werden sogar die Teilnehmer der Sitzungen aufgelistet. Und hier haben wir übrigens auch die Industrie-Lobbyisten auf unserer Seite, die mit uns das Gleich fordern. Sie wissen schon, wie es in der EU läuft und deswegen müssen sie nichts Neues installieren, sondern das einfach auch hier implementieren, was sie in Brüssel längst schon tun.
„Wir interessieren uns auch nicht für die Privatsphäre.”
Wo sind die Grenzen der Transparenz?
Transparenz muss immer begründbar sein. Weil es kein Selbstzweck ist, muss man immer in der Lage sein, zu erklären: Was erreicht man hier durch die Transparenz? Was bringt das denn tatsächlich? Und wenn es keine Begründung für Transparenz gibt? Da ist Transparenz überflüssig. Man kann auch Intransparenz durch zu viel Transparenz erzeugen. Das haben die Kollegen in den USA lernen müssen. Da gibt es Kollegen, die heißen Sunlight Foundation, und die haben ja ähnliche IFG-Regelungen wie bei uns. Sie haben einen Prozess geführt, haben Recht bekommen, haben ein Dokument erstritten und dann ist die Gegenseite gekommen, mit LKWs voller Papieren, haben sie abgekippt und haben gesagt: Das Dokument ist da drin. Das ist die Grenze der Transparenz. Wir wollen nicht alles: Was nicht interessant ist oder gar keinen Erklärungszusammenhang darstellt, brauchen wir nicht. Wir interessieren uns auch nicht für die Privatsphäre. Natürlich ist Datenschutz eine Grenze, die wird aber oft als ein Vehikel gegen Transparenz ausgelegt, wie jetzt im EuGH, wenn es um Geldwäsche-Gesetze und das Transparenzregister geht. Es muss gut begründet sein. Und wir sind total gerne bereit, über alle unsere Forderungen öffentlich zu streiten und zu diskutieren. Wir sind eine sehr streitlustige Organisation. Intern diskutieren wir immer. Und wenn wir merken: Nein, wir finden keinen Grund, warum es dort Transparenz geben soll, dann fordern wir keine Transparenz.
Oft weiß man erst im Nachhinein, was vorher interessant war. Ob dieser Brief für den Gesetzgebungsprozess am Schluss interessant ist. Oder jener Termin mit dem Banker in Hamburg. Wie löst man das auf?
Ja, das ist richtig. Cum-Ex war auch in der Anhörung ein großes Thema. Und das ist für uns auch ein Thema, auch wenn es nicht direkt Korruption ist. Aber das ist genau diese Ecke, wo wir auch von Machtmissbrauch sprechen. Beim exekutiven Fußabdruck, den wir fordern, ist es ganz wichtig, dass er nicht nur ex-post funktioniert. Deswegen sagen wir auch: Wir brauchen auch Kontakt-Transparenz, also wer mit wem, in einem bestimmten Kontext. Transparenz darf auch nicht nur auf bestimmte Formen beschränkt sein. Wenn wir sagen, alle Stellungnahmen sollen veröffentlicht werden, dann werden wir keine Briefe bekommen. Das ist ja dann ganz einfach zu umgehen. Auch da macht Brüssel vor, wie es gehen könnte. Dort gibt es eine Onlineplattform, wo wir Lobbyisten alle registriert sind. Und wenn der Politiker uns anfragt, kann man da auch notieren, dass wir uns getroffen haben.
Warum übernimmt der Bundestag nicht die Regeln aus Brüssel?
Die offizielle Erklärung ist, dass die Onlineplattform aufgrund von Digitalisierungsherausforderungen der Verwaltung derzeit nicht darstellbar ist. Man kriegt das technisch nicht hin. Das ist eine Bankrotterklärung. Man muss sich das irgendwie durch den Kopf gehen lassen. Wir sind hier in der Bundesrepublik Deutschland. Es gibt ganz viele Länder, nicht nur Finnland, die nach Deutschland aufschauen. Dass man das nicht hinbekommt, ist wirklich schwierig zu glauben.
Welche Verantwortung hat da die Politik?
Ich glaube, dass es nicht gut ist, dass im Hinblick auf die Stellungnahmen, so wie es jetzt im Lobbyregister vorgesehen ist, nur wir Lobbyisten berichtspflichtig sind. Der Grad der Transparenz hängt sozusagen davon ab, ob ich als einzelner Interessensvertreter das tue oder nicht. Wenn ich es tue, kann es sein, dass die anderen es nicht machen. Deswegen fände ich es wichtig, dass auch die andere Seite, dort wo alles zusammenläuft, die Politik eben, ebenfalls zur Veröffentlichung verpflichtet wird. Wir tragen uns in ein Register ein, sagen, wofür wir stehen, legen offen, was unsere Positionen sind und in welchen Prozessen wir beteiligt sind. Da wäre es doch interessant, herauszufinden, wie die konkreten Gesetzgebungsprozesse gelaufen sind, vielleicht auch, welche Prozesse aufgrund von welchen Argumenten von welchen Lobbyisten gescheitert sind. Aber wenn die Berichtspflicht nur ex-post gilt, wird man zum Beispiel nie wissen, wer eigentlich dafür gesorgt hat, dass bestimmte Gesetze gar nicht erst zustande gekommen sind. Diese komplexen Prozesse müssen irgendwie dargelegt werden, und das ist Aufgabe der Politik. Aus unserer Sicht in Form eines exekutiven Fußabdrucks.
Bis dahin – wie könnte eine Lösung aussehen?
Wir fordern einen Lobby-Beauftragten. Das wäre eine pragmatische Lösung für die Politik, um die Menschen abzuholen. Wenn man einen Beauftragten hätte, und diese Person einmal im Jahr einen Bericht vorlegen würde, dann hätten wir das Thema auf der politischen Agenda und auch eine Auflistung über die Lobbylandschaft in Deutschland. Wie verhalten sich die Lobbyisten? Wie viele Lobbyisten wurden zu welchen Treffen eingeladen? Was hat die Politik nachgefragt? Gab es Skandale? Gibt es viele Lobbyisten, die sich nicht eintragen? Regelverletzungen? Man kann ja wunderbar diese ganzen Auswertungen nutzen. Wenn man so einen Bericht machen muss, erhöht das natürlich den Druck, dass jemand das auch kontrolliert, ob und wie es umgesetzt wird. Das war ja auch in der Anhörung eine ganz große Kritik von Seiten der Lobbyisten. Wir sehen einerseits die Ausnahmen und andererseits sehen wir rechts und links auch Organisationen, bei denen Angaben fehlen. Sie riskieren aber derzeit fast nichts, weil die Kontrolle nicht ausreichend ist. Der Lobby-Beauftragte müsste schließlich auch Zugang zu allen möglichen Ecken, auch im Bundestag, haben, um die Umsetzung der Lobbyregelungen zu kontrollieren.