Die Sonne prallt senkrecht auf Plakate, von denen „unser Krahnzler“, „mehr Demokrahtie“ und „volle Krahft voraus“ prangt. Während die AfD-Führung noch damit hadert, wie sie sich zu ihrem skandalumwobenen Europa-Spitzenkandidaten Maximilian Krah verhalten soll, sind bei ihrer Jugendorganisation am 1. Mai längst alle Fragen geklärt. Vor Dresdens prominentester Kulisse, der Frauenkirche, baut sich die JA in Eigenregie mit Wortspiel-Stunts und lautstarker Solidaritäts-Geste auf. Gerade erst hat Krah seinen Mitarbeiter in Brüssel eingebüßt, weil der für China spioniert haben soll. Tino Chrupalla versucht an diesem Tag in Dresden einen Spagat. Gemeinsame Bilder mit seinem Vorredner Krah auf der Bühne will Chrupalla offenbar verhindern. Zugleich kann er nicht ganz fehlen; einen kompletten Solidaritätsentzug würde auch seinen eigenen sächsischen Landesverband, dem Krah angehört, zu sehr gegen ihn aufbringen.
Die JA beantwortet heikle Fragen, bevor die Partei sie auch nur halbwegs durchdiskutiert hat. Und sie beantwortet sie im Zweifel für den Skandal-Träger. Je radikaler, desto mehr Heldenpotenzial. Das ist die verbreitete Sichtweise in der Jungen Alternative.
Lange hat die AfD debattiert, wie sie mit ihrer Jugendorganisation umgehen soll. Der Verfassungsschutz hat sie längst als rechtsextrem eingestuft, mehrere Gerichte in verschiedenen Instanzen folgten dieser Deutung. Appelle von der Führung, sich zu disziplinieren, ignorierte die JA trotzig. Grenzen gibt es kaum. Nicht zur Identitären Bewegung, nicht zu rechtsextremen Burschenschaftern, personelle Übergänge verschwimmen.
Gravierender noch: Wer auch immer der AfD wegen besonders provozierender Ausfälle zum Problem wird, darf auf die Solidarität der JA hoffen. Ein Parteiausschlussverfahren garantiert in der JA besondere Verehrung. Auf dem Parteitag in Essen verkaufte sie nicht nur Solidaritäts-Sticker für Krah, sondern auch für Matthias Helferich, der sich als „freundliches Gesicht des NS“ bezeichnet haben soll. Aktuell demontiert er öffentlich den eigenen Landesvorsitzenden (Table.Briefings berichtete), um dem eigenen Parteiausschussverfahren entgegenzuwirken. Zum Unmut selbst einst enger Wegbegleiter.
Auf eine natürliche Deradikalisierung der JA kann die AfD nicht mehr hoffen. Spätestens nach den Urteilen aus dem Frühjahr war der AfD-Führung klar, dass sie ihr JA-Problem lösen muss. In fraktionsinternen Gesprächen räumte selbst JA-Chef und Bundestagsabgeordneter Hannes Gnauck aus Brandenburg ein, den Image-Schaden zu erkennen.
Die Führungsebene soll ihm bedeutet haben, dass er Vorschläge zur engeren Anbindung und Kontrollierbarkei t unterbreiten muss. Auch Gnauck hat nach der Verhaftung von Krahs Mitarbeiter in einer Fraktionssitzung kritisiert, die AfD verlöre Glaubwürdigkeit, wenn ihr eigenes Spitzenpersonal sich verdächtig macht, im Sinne anderer Staaten zu agieren. Gnauck nimmt eine Bindeglied-Rolle ein, die sich seit dem Parteitag in Essen manifestiert hat. Zwar brauchte er als einziger drei Anläufe, aber am Ende wählte die Partei ihn doch in den Bundesvorstand und damit in ein zusätzliches Verantwortungs-Dilemma.
Die Mitglieder seiner JA provozierten weiter; allen voran Anna Leisten, Vorsitzende der JA Brandenburg und einzige Frau im JA-Vorstand. Sie positioniert sich beim Krah-Event in Dresden gewohntermaßen in erster JA-Reihe, gilt parteiintern als schwer kontrollierbar, radikal und fleißig; manche sagen über Leisten, dass sie einen Mangel an eigenem Leben mit umso radikalerem Dauer-Engagement fülle. Die „White Power“-Geste gehört zum gängigen Repertoire des Kalbitz-Zöglings, den der Brandenburger AfD-Verband schon abmahnte.
Während Umfragen die AfD beflügeln, bereitet die Möglichkeit eines Parteiverbots vielen in der Partei Sorgen. Die JA liefert dem Verfassungsschutz regelmäßig Argumente dafür. Gleichzeitig ist die Jugend seit der Europawahl noch mehr in den Fokus der Parteiführung gerückt, stellte sie doch die relevanteste neue Wählergruppe. Selbst langjährige Fürsprecher der JA erzählen genervt, dass die Jugendorganisation der AfD nur noch schade und nicht mehr nutze. Ihr innovatives Potenzial, von dem manche sprechen, habe sie eingebüßt. Mit gut 2.000 Mitgliedern ist sie auch relativ betrachtet kleiner als die Jugendorganisationen anderer Parteien, verursacht aber ungleich mehr Rechtfertigungsdruck. Gerade wegen des großen Zuspruchs junger Wählerinnen und Wähler will die AfD-Führung eine zugkräftige Jugendorganisation, die Ideen liefert. Von der Idee, dass die JA dazu imstande ist, hat sich die Parteiführung offenbar verabschiedet.
Nach Table.Briefings-Informationen hat der Bundesvorstand die Jugend-Modelle aller anderen Parteien verglichen und ist zum Schluss gekommen, das „Juso-Modell“ der SPD zu favorisieren. Der Plan sieht vor, dass die AfD die JA abkoppelt. Die JA, vier Monate nach AfD-Gründung entstanden und 2015 als Jugendorganisation anerkannt, soll ihre Anerkennung verlieren.
Anstelle der JA soll eine neue Jugendorganisation entstehen, bei der alle Unter-36-Jährigen mit AfD-Parteibuch Mitglied werden. Damit würde die AfD sich einer Reihe Anhängsel entledigen, die momentan bleiern an ihr kleben: Wenn alle in der Jugendorganisation Parteimitglieder sind, zieht die Unvereinbarkeitsliste; Anhänger mit Vergangenheit in entsprechenden Organisationen fielen weg.
Die Jugendorganisation soll einen neuen Namen erhalten, der noch nicht feststeht. Ihre Mitglieder würden Beiträge bezahlen; für Minderjährige diskutiert die Führung geringere Summen. Der Vorschlag könnte es zum Satzungs-Parteitag im kommenden März auf das Programm schaffen.
Die Mehrheit der Anwesenden zu überzeugen, wird eine Herausforderung. Selbst von Vorfeldorganisationen wie der IB wollen viele sich nicht lossagen, demonstrieren trotz der rechtsextremen Ausrichtung regelmäßig ihre Solidarität und fordern selbige von der gesamten Partei ein. Auch hohe Parteifunktionäre setzen weiter auf das politische Vorfeld mit Kubitscheks Schnellroda-Truppen, Steins Einprozent-Initiative oder Elsässers Compact-Magazin. Ein paar Argumente sollen das breite AfD-Volk trotzdem von dem neuen Modell überzeugen. Neben einem drohenden Verbot und dem Imageschaden sprächen die Finanzen für das Modell: Die AfD würde ihre Einnahmen durch eine höhere Anzahl an zahlenden Mitgliedern steigern, auch über die Parteienfinanzierung könnte weiteres Geld hinzu kommen; Details dazu muss die AfD noch klären. Mitglieder der neuen Jugendorganisation wären nach diesem Modell auch der Parteischiedsgerichtsbarkeit unterworfen, eben weil sie Parteimitglieder wären.
E inen Beschluss gibt es dazu seitens des Bundesvorstands aber noch nicht. Die JA selbst trifft sich am 19. und 20. Oktober zum Bundeskongress und bemüht sich dann wahrscheinlich nochmal um Möglichkeiten, ihre Anerkennung durch die AfD zu retten; mehrere Bundesvorstandsmitglieder haben die Geduld allerdings längst verloren.
Auch die Krah-Plakate der JA aus Dresden haben ihren Weg denkbar rasch nach Berlin gefunden: Der Bundesvorstand diskutierte sie in seiner nächsten Sitzung – und musste feststellen: Die Junge Alternative schadet der Partei nicht nur durch Radikalität; teilweise empfindet die Parteiführung ihre eigene Jugend schlicht als peinlich und unterbelichtet.