Analyse
Erscheinungsdatum: 17. September 2023

3,5 Milliarden Euro für KI – aber ohne abgestimmte Strategie

Re:publica DEU, Deutschland, Germany, Berlin, 07.06.2023 Teilnehmer vor Logo Kuenstliche Intelligenz KI vom Bundenministerium fuer Digitals auf der Re:publica 23 2023 Kongress unter dem Motto Cash in der Arena Berlin und dem Festsaal Kreuzberg in Berlin, Deutschland . Die Konferenz republica ist ein Event, Festival und Diskussionsforum zum Thema digitale Gesellschaft. Blogger Media Aktivisten Menschenrechtler diskutieren die Zukunft der digitalen Medien und vom Internet Republica en: Participants in front of the Artificial Intelligence Künstliche Intelligenz KI AI logo from the Federal Ministry for Digital at the Re:publica 23 2023 convention under the slogan Cash at the Arena Berlin and Festsaal Kreuzberg in Berlin, Germany . The republic
Alle Bundesministerien haben mehr oder weniger ausdifferenziert eigene Strategien für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) entwickelt. Diese unterscheiden sich erheblich voneinander – das geht aus einer Anfrage von Berlin.Table bei den verschiedenen Häusern hervor.

Für ihre KI-Strategie hat die Bundesregierung für den Zeitraum 2018 bis 2025 bislang ingesamt 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Mit Stand vom Mai 2023 wurden 1,28 Milliarden Euro ausgegeben, weitere 1,5 Milliarden sind schon verplant. Das geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken hervor. Wie die einzelnen Ministerien mit den Chancen und Herausforderungen der neuen Technologie umgehen, ist dabei sehr unterschiedlich.

Zwar nutzt das BMWK aufgrund von „Vertraulichkeitsanforderungen” selbst keine generative KI, trotzdem fördert das Haus insgesamt 25 Maßnahmen und ist sogar federführend bei der Fortentwicklung der Strategie der Bundesregierung. „Künstliche Intelligenz bietet viele Chancen”, sagte eine Sprecherin zu Table.Media. Eine Herausforderung sei allerdings die viel höhere Summe privater Investitionen, die entsprechenden US-Unternehmen zur Verfügung stünden. Hier müsse man Wege finden, die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands sicherzustellen. Die Entwicklung und der Einsatz sicherer und vertrauenswürdiger KI „made in Europe“ seien entscheidend für die zukünftige deutsche und europäische Wettbewerbsfähigkeit, „und zwar über alle Branchen hinweg”. Zu den BMWK-geförderten Projekten gehören etwa KI-Trainer für den Mittelstand, die Förderung von KI in der Raum- und Luftfahrt und ein „KI Reallabor” zur Erforschung der KI-Auswirkungen in realen industriellen Produktionsumgebungen.

Das Ministerium mit dem Digitalen im Namen sieht in Künstlicher Intelligenz eine Chance, bestehende Kapazitäten und Infrastrukturen effektiver auszulasten sowie Verkehrsträger und -wege besser zu verknüpfen, gleichzeitig die Sicherheit zu erhöhen und die Emissionsbelastung zu reduzieren. Aus den insgesamt 41 KI-Vorhaben des Hauses sticht die „Nationale Initiative zur KI-basierten Transformation in die Datenökonomie” (NITD) hervor. Das Ziel des Großprojekts ist es, die Datenbasis für KI zu verbessern, einheitlich Qualitäts- und Prüfansätze zu ermöglichen und das Wachstum von KI-Innovationen zu unterstützen. Hierzu soll demnächst auch ein sogenannter „KI-Showroom” in Berlin eröffnen. Dem BMDV stehen für KI-Projekte 236 Millionen Euro zur Verfügung, 2023 kamen weitere 30 Millionen Euro als Verpflichtungsermächtigung zur Unterstützung von KI-Anwendungen hinzu. Bei der Verarbeitung von Klima-, Wetter- und Fernerkundungsdaten greife das Ministerium bereits jetzt auf KI-gestützte Instrumente zurück, sagte ein Sprecher gegenüber Table.Media.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sieht in der Künstlichen Intelligenz „die Zukunftstechnologie für die Industrienation Deutschland”. Bis 2035 werde es keinen Arbeitsplatz geben, der nicht von KI betroffen ist, prognostiziert der Minister. Table.Media sagte er: „KI kann die Arbeit besser, sicherer und attraktiver machen.” Davon sei auch eine Mehrheit der Beschäftigten überzeugt. Allerdings nutzen derzeit nur zehn Prozent der kleinen und mittelständischen Unternehmen KI. Um das zu ändern, versucht das BMAS beispielsweise mit KI-Erlebniswerkstätten die Technologie auch diesen Betrieben näher zu bringen. „Neben den Entscheidern in den Betrieben sollen auch die Beschäftigten für positive Potenziale und Risiken sensibilisiert werden.“

Ein Leuchtturm-Projekt des BMAS bei der BG Bau soll zeigen, wie sich mithilfe von KI Arbeitsunfälle vermeiden lassen. Insgesamt stehen dem Haus 213,3 Millionen Euro für Projekte dieser Art zur Verfügung. Intern verwendet die Zentralabteilung den digitalen Suchassistenten CAI, „eine KI-basierte Organisationssuche im BMAS”. Das Ministerium verweist zudem auf die „Selbstverpflichtenden Leitlinien für den KI-Einsatz in der behördlichen Praxis der Arbeits- und Sozialverwaltung“. Leitlinien, die Vertreter aus 20 Behörden gemeinsam entwickelt haben, um „die Potentiale von KI zu nutzen und zugleich der besonderen Verantwortung der Arbeits- und Sozialverwaltung gerecht zu werden”.

DAs BMBF fördert aktuell mehr als 400 Projekte zur Entwicklung und Anwendung von KI-Modellen. Alleine für 2023 sind hierfür knapp 320 Millionen Euro im Haushalt eingestellt. Kern der Aktivitäten ist die Weiterentwicklung von sechs KI-Kompetenzzentren an den Standorten Berlin, Dresden/Leipzig, München, Tübingen und Dortmund/Bonn, darunter auch das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Nach Angaben des Ministeriums wurden zudem mehr als 100 zusätzliche KI-Professuren eingerichtet. Für den Einsatz konkreter KI-Lösungen wie ChatGPT hat das BMBF eine Handreichung entwickelt, unter Berücksichtigung von Vorgaben des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Intern werden Machine Learning-Techniken vom Sicherheitsmanagement für Anomalieerkennung eingesetzt. Das Haus evaluiert außerdem unterschiedliche Szenarien für KI-Modelle in der Verwaltung.

Das Außenministerium gehört zu den aktivsten Nutzern von Künstlicher Intelligenz und arbeitet dazu mit unterschiedliche Anbietern zusammen. Im Bereich der Krisenfrüherkennung nutzt das AA sogenannte Schwache KI. Mit einem Machine Learning Mode werden eine Vielzahl an Datenquellen zu Ländern und Regionen verarbeitet, „um tiefergehende Analysen vorzubereiten”, teilte das Amt Table.Media mit. Daneben erprobe das Ministerium aktuell Large Language-Modelle bei internationalen Textverhandlungen im Gesundheitsbereich. Unter anderem soll KI dabei helfen, die Echtheit von Dokumenten zu prüfen. Für die Visa-Digitalisierung wird der Einsatz von KI in verschiedenen Konstellationen erwogen. Denkbar wären einfachere Prozessassistenten zur Unterstützung beim Ausfüllen und Vorprüfen des Visumantrags, heißt es. Bis hin zu komplexeren Anwendungen, bei denen Visumanträge nach diversen Kriterien sortiert und verschiedene inhaltliche Aspekte herausgearbeitet werden könnten. Die Grundlagen sind in der Digitalisierungsstrategie „Bessere Außenpolitik durch digitale Unterstützung“ festgehalten.

Im Geschäftsbereich des BMI sind laut eines Sprechers bereits „eine Vielzahl” an KI-Anwendungen in Betrieb oder in Planung. In der Antwort der Bundesregierung werden konkret fünf genannt, an denen das Innenministerium direkt beteiligt ist. Betroffen sind sowohl Bereiche der klassischen öffentlichen Verwaltung, als auch der Sicherheitsbehörden, die so bei der Analyse von Massendaten unterstützt werden. Das Ministerium nennt beispielsweise Videomaterial nach einem Anschlagsszenario oder sexualisierte Gewalt gegen Kinder. Bei der Verwaltungsdigitalisierung werde auch die Unterstützung der Mitarbeitenden mit „kleinen Alltagshelfern” erprobt, so eine Sprecherin. Eines dieser Projekte nennt sich GIRAFFE und soll zum Beispiel bei Textarbeit und Arbeitsorganisation unterstützen.

Momentan befindet sich ein Beratungszentrum für KI in der öffentlichen Verwaltung (BEKI) in der Abstimmung. Mit ihm soll der Verantwortung beim Einsatz der Technologie Rechnung getragen werden, auch im Hinblick auf eine zukünftig noch stärkere Vernetzung der verschiedenen Initiativen innerhalb der Bundesverwaltung. Als zentrales KI-Beratungszentrum liege der Fokus dabei auf „Befähigung, Vernetzung, Kompetenzaufbau und Koordinierung”. Im Hinblick auf die Gefahren von KI – genannt werden Propaganda, Deepfakes und das künstliche Verstärken demokratiefeindlicher Narrative – verweist das BMI auf gesetzliche Vorgaben wie klare Kennzeichnungspflichten, mindestens genauso wichtig seien aber Aufklärung und das Sensibilisieren der Gesellschaft.

Innerhalb des BMZ werden lediglich verschiedene Prototypen durch ein „Datenlabor" getestet, darunter das Projekt „ImpactAI”. Dabei geht es laut einer Sprecherin um die Verbesserung von Texten, sowie interaktive und quantitative Analyse von großen Textmengen, vor allem mit Open Data. Finanziert wird es über den Deutschen Aufbau- und Resilienzplan („NextGenerationEU"), unterstützt von Geldern der EU. Im Rahmen der Entwicklungspolitik setzt das BMZ die Initiative „FAIR Forward – Künstliche Intelligenz für alle" um. Diese hat zum Ziel, den Zugang zu KI-Technologien und zu offenen Trainingsdaten in Ländern des Globalen Südens zu verbessern, lokale KI-Kompetenzen aufzubauen und „die politischen Rahmenbedingungen für eine wertebasierte KI” und besseren Datenschutz zu schaffen. Partnerländer sind Kenia, Uganda, Südafrika, Ruanda, Ghana, Indien und Indonesien. Mit der Umsetzung ist die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) beauftragt.

Auch die übrigen Ministerien haben teilweise KI-Projekte angeschoben oder befinden sich in der Planungsphase. So sieht das Bundesgesundheitsministerium (BMG) in der KI großes Potenzial für das Gesundheitswesen und fördert derzeit 38 Zuwendungsempfänger mit rund 180 Millionen Euro. Das Bundesjustizministerium (BMJ) testet derzeit eine KI-gestützte Auswertung der Stellungnahmen von Ländern und Verbänden im Gesetzgebungsverfahren. Dazu wird eine in der Länderjustiz bereits genutzte KI-gestützte Software verwendet. Das Bundesfinanzministerium (BMF) teilte Table.Media mit, dass in der Zollverwaltung Chatbots eingesetzt werden, darüber hinaus werde „die Nutz- und Einsetzbarkeit von künstlicher Intelligenz” für die Bundesfinanzverwaltung „derzeit noch erprobt und evaluiert.”

Das Landwirtschaftsministerium (BMEL) sieht große Chancen, mit KI die Effizienz und Nachhaltigkeit über die gesamte Wertschöpfungskette der Agrar- und Ernährungswirtschaft zu erhöhen. Derzeit laufen 36 KI-Projekte mit einem Fördervolumen von insgesamt 40 Millionen Euro. Das Umweltministerium hat bereits 2019 im Rahmen eines Fünf-Punkte-Programms KI für Umwelt und Klima eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um Umweltsünden mit Hilfe von KI-Methoden zu begegnen. Derzeit richtet das BMUV ein Anwendungslabor für KI und Big Data ein. Das Ziel: interne und externe Datenquellen für die Entwicklung konkreter Umwelt- und Nachhaltigkeitsanwendungen zu nutzen. Das Familienministerium (BMFSFJ) nennt auf Anfrage 14 geförderte KI-Projekte und verweist auf das von ihm geförderte Civic Data Lab, ein gemeinwohlorientiertes Projekt, das sich allgemein der Rolle von Daten für KI-Systeme widmet. Das Bauministerium (BMWSB) hat als einziges nicht auf unsere Anfrage geantwortet. Unter dem Stichwort „Smart Cities“ fördert das Ministerium KI-basierte kommunale Anwendungen etwa beim Hochwasserschutz.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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