„Singeli 2 the World“ steht auf seinem T-Shirt, und das ist es, was Meneja Kandor will: Singeli, den Musikstil, der zurzeit die Jugend in Tansania begeistert, in die Welt bringen. Es ist noch offen, ob der frenetische, energiegeladene, aber für hiesige Ohren recht gewöhnungsbedürftige Rhythmus mit bis zu 300 Beats pro Minute den internationalen Durchbruch schafft. Vielleicht spielen doch bekannte Zugpferde wie Afro Beat und Bango Flavo weiter die größere Rolle im globalen Geschäft. Eins jedenfalls ist unbestritten: Musik aus Afrika ist ein Motor für Entwicklung und Wirtschaft geworden.
Diese Bilanz zogen rund 1500 Branchenvertreter, die in Daressalam zur „Acces 2023“ gereist waren. Es ist die größte Musikmesse auf dem Kontinent. Die Konferenz versammelt Künstler, Manager, Produzenten und Vermarkter aus dem Kontinent wie auch internationale Akteure der Branche, um neueste Trends zu diskutieren. Organisiert wird die Acces von der „ Music in Africa Foundation “ – einem Netzwerk, das vor zehn Jahren mit Unterstützung durch das Goethe-Institut und die Siemens-Stiftung gegründet wurde.
„Wir leben in aufregenden Zeiten“, meint Eddington Hatitye, Geschäftsführer von Music in Africa. Rund 100.000 Songs werden laut Hatitye jeden Tag weltweit produziert, rund sechsunddreißig Millionen jährlich – ein wachsender Teil davon kommt aus Afrika, zum größten Teil aus Südafrika. Den Hit dieses Sommers „Calm Down“ jedoch hat der nigerianische Sänger Rema veröffentlicht. Kein anderes Afro-Beat-Stück haben Musikfans bei Spotify so oft abgerufen oder als Video bei Youtube angeklickt.
Kultur und Musik zählen in Afrika zu den größten Arbeitgebern für junge Menschen, schätzt Hatitye und verweist auf Studien der Unesco. Und doch muss das enorme Potenzial für unternehmerisches Wachstum, Vermarktung und Monetarisierung auf dem afrikanischen Kontinent noch erschlossen werden.
„Wir brauchen in Afrika einen neuen Künstlertyp, der strategisch denkt“, sagt Hatitye. Ein jüngst erstellter Report über Einkommensquellen für Musiker aus Südafrika zeigt: Fast alle Musiker, 98 Prozent, arbeiten in Teilzeit. Das durchschnittliche Einkommen durch Auftritte liegt bei 500 US-Dollar monatlich, so dass die Künstler ihre Einkünfte anderweitig, etwa durch den Verleih ihres technischen Equipments oder Lehrtätigkeiten, aufbessern müssen.
Wissbegierig und Neuen gegenüber aufgeschlossen ist die Branche jedenfalls. Künstliche Intelligenz wird als Chance gesehen. „AI nimmt uns die langweiligen Arbeiten ab, und wir können uns auf Kreatives konzentrieren“, lautete das Credo in Daressalam.
Das einträgliche Geschäft durch Lizenzeinnahmen geht an der afrikanischen Musikbranche noch weitgehend vorbei. Von den etwa zwölf Milliarden Euro Nutzungsgebühr, die weltweit jährlich generiert werden, fließen laut Music in Africa nur 74 Millionen Euro auf den Kontinent – in erster Linie nach Südafrika, das mit 50 Prozent den größten Teil vom Kuchen abbekommt. „Aber Afrika hat 54 Länder“, ruft Hatitye in Erinnerung. „Da kann man sich vorstellen, was für die anderen übrigbleibt.“
Samuel Sangwa, Regionaldirektor Afrika von Cisac, dem internationalen Dachverband der Verwertungsgesellschaften, in der auch die deutsche Gema vertreten ist, will das ändern. „Wir müssen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass die korrekte Zahlung der Nutzungsgebühren einen wirtschaftlichen Mehrwert hat“, so Sangwa. Die Idee: Ein Label zu entwickeln, das Unternehmen auszeichnet, die sich an das Urheberrecht halten. Ein „copyright-freundliches“ Festival gab es jüngst bereits auf Kap Verde. Ende November in Marokko sollen erneut Bars, Hotels und andere Event-Beteiligte beim Festival „Visa for Music“ eine solche Bezeichnung bekommen, wenn sie die Gebühren bezahlen.
Außer dem Urheberrecht plagt Musiker in Afrika der Mangel an Stätten für Live-Auftritte. Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung sind ebenfalls rar. Diese Lücke will die Acces füllen. „Unsere Konferenz soll kreativ und bildend und zugleich zugänglich für alle sein“, sagt Claire Metais, zuständig für das Programm. „Kein Musiker soll denken, er sei nicht berühmt genug, um hierher zu kommen und zu lernen“, so Metais weiter. Vielmehr gehe es darum, von den prominenten Künstlern zu lernen. Die Stars der Branche waren zahlreich vertreten: Südafrikas Shootingstar Sho Madjozi war angereist, auch ihre Landsfrau Zolani Mahola mit der Band The Feminine Force oder der tansanische Sänger Damian Soul. Monika Hoegen