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Nigers Mehrfronten-Einsatz und das Risiko der westlichen Militärpräsenz

Von Ulf Laessing
Porträtfoto von Ulf Laessing mit Brille und blau-weißem Hemd.
Ulf Laessing leitet bei der Konrad-Adenauer-Stiftung das Regionalprogramm Sahel in Mali.

2023 will die EU eine neue Mission in Niger starten, an der sich Deutschland beteiligen will. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte am Freitag bei einem Besuch in Niger, es gehe darum, die Krisenregion Sahel nach dem Abzug aus Mali nicht im Stich zu lassen. Die EU will Training an weiteren Standorten anbieten und im Rahmen der European Peace Facility Waffen und Munition für nigrische Kräfte liefern. Die Bundeswehr wird sich an der neuen Mission laut Lambrecht in „mindestens zweistelliger Anzahl“ beteiligen.

Der Ansatz, den die Bundeswehr und andere EU-Staaten für das Training nigrischer Spezialkräfte gewählt haben, ist realistisch gefechtsnah. Anders als in Mali trainieren die Soldaten in Tillia nahe der malischen Grenze mit scharfer Munition und im Gelände. Deutsche Soldaten haben persönliche Bindungen zu den nigrischen Soldaten aufgebaut, mit ihnen bei Übungen gezeltet, Unterkünfte für Soldaten und ihre Familien in Tillia wurden von Deutschland finanziert. Die nigrische Armee war bisher kaum in der Fläche präsent, die Akademie mit den Unterkünften und ähnliche Projekte anderer EU-Partner sollen das ändern.

Im Rahmen der „Operation Gazelle“, die 2018 begann, hat die Bundeswehr in Tillia eine Akademie für nigrische Spezialkräfte aufgebaut, die im Dezember übergeben werden soll. Etwa 30 Ausbilder aus Deutschland, Italien, Belgien und den Vereinigten Staaten bleiben vor Ort.

Grafik: Karte von Niger, zu sehen sind auch die Nachbarstaaten Mali, Algerien, Libyen, Tschad, Nigera, Benin, Burkina Faso

Das deutsche Engagement in Niger ist damit deutlich kleiner als in Mali, wo die Bundeswehr mit rund 1200 Soldatinnen und Soldaten vor Ort ist und bis Mai 2024 als Teil einer Blauhelm-Mission bleiben will. Allerdings nur dann, wenn Malis Militärregierung im Februar 2024 wie geplant Wahlen abhalten will, wie Lambrecht bei einem Besuch in Bamako sagte.

Eingreiftruppe stellt Arbeit ein

Die in Tillia ausgebildeten Kräfte werden vor allem im Grenzgebiet zu Mali und Burkina Faso eingesetzt, wo sich Islamischer Staat und andere Gruppen stark ausgebreitet haben. Dort ist es auf nigrischer Seite in letzter Zeit etwas ruhiger geworden. Sorge bereitet den Nigrern und westlichen Partnern allerdings, dass Terroristen den Norden von Burkina Faso als Ruhe- und Rückzugsraum nutzen. Es gab bisher eine militärische Kooperation zwischen Niger und Burkina Faso, diese wurde aber seit dem Putsch in Ouagadougou Ende September eingestellt.

Die einst mit deutscher und französischer Hilfe unterstützte, grenzüberschreitende Eingreiftruppe (Force Conjointe) der G5 Sahel-Staaten hat die Arbeit ebenfalls eingestellt. Mali ist ganz aus dem Bündnis ausgetreten. Frankreich hat Teile seiner aus Mali abgezogenen Soldaten und schwere Waffen in Niger stationiert, wo sie in Dossi und Ouallam nahe dem Dreiländereck mit Mali, Burkina Faso und den nigrischen Kräften Dschihadisten bekämpfen.

Niger will Stärke der Armee verdoppeln

Die Aufgabenteilung ist damit wieder so geregelt wie in Mali – die Franzosen kämpfen mit schwerem Gerät wie Hubschraubern und Jets, andere europäische Akteure legen den Schwerpunkt auf Training und Ausrüstung. Neben Deutschland trainieren Italien und die Vereinigten Staaten Einheiten der Spezialkräfte an verschiedenen Standorten. Die Amerikaner unterhalten eine Drohnenbasis in der nördlichen Stadt Agadez, um von dort dschihadistische Gruppen in Südlibyen zu überwachen.

Die Regierung von Präsident Mohamed Bazoum begrüßt die Kooperation mit westlichen Armeen, um die mehr als 800 Kilometer lange Grenze zu Mali in der Wüste besser kontrollieren zu können. Niger will bis 2025 die Stärke seiner Armee verdoppeln und benötigt dabei jede Hilfe, nicht nur bei der Ausbildung und Ausrüstung der künftigen Soldaten, sondern auch beim Bau von Kasernen und Militärkrankenhäusern.

Westliche Kooperation birgt Risiken für Niger

Die schnell wachsende westliche Militärpräsenz birgt aber auch Risiken. Niger hat zwar im Gegensatz zu anderen Sahelstaaten wie Mali und Burkina Faso eine demokratisch legitimierte Regierung, aber die staatlichen Institutionen sind fragil. Das Land kämpft mit einer rasant wachsenden Bevölkerung und Armut. Seit der Unabhängigkeit 1960 hat es immer wieder Putsche gegeben. Die Opposition im Parlament lehnt die Stationierung insbesondere aus der früheren Kolonialmacht Frankreich vehement ab. Ein Oppositionsbündnis hat bereits mehrfach zu Protesten aufgerufen, die meistens verboten wurden.

Die antifranzösischen Sentiments werden von pro-russischen Trolls und vom häufig undiplomatischen Auftreten französischer Vertreter befeuert. Die waren nach der Aufkündigung des Mali-Einsatzes vorgeprescht, um deren Verlegung nach Niger anzukündigen, offenbar bevor die Regierung in Niamey zugestimmt hatte. Ein gefundenes Fressen für pro-russische Influencer.

Frankreich steht in Niger ohnehin in der Kritik, weil ein französischer Staatskonzern seit Jahrzehnten fast den gesamten Uranbedarf Frankreichs aus dem Norden des Landes deckt. Lange Zeit bezahlte das Unternehmen nach Einschätzung von Experten sehr wenig dafür.

Nigers Regierungschef Bazoum versuchte zuletzt, sich von Frankreich zu distanzieren. Seine Regierung kaufte türkische Drohnen für die Streitkräfte, obwohl auch Paris stark für eigene Modelle geworben hatte. Im November besuchte eine russische Delegation Niamey, um eine Militärkooperation anzubieten. Niger hat nach Angaben von Diplomaten kein Interesse an der Entsendung von Wagner-Söldnern wie in Mali, könnte aber russische Waffen kaufen. Bazoum kann so der Opposition zeigen, dass das Land mit allen Seiten redet – und den Franzosen signalisieren, dass sie nicht zu forsch auftreten sollten.

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