Table.Briefing: Security

Münchner Sicherheitskonferenz + Chinas globales Ballon-Programm + Feministische Außenpolitik

  • MSC – eine offizielle Konferenz für inoffizielle Treffen
  • Christoph Heusgen – Transatlantisch vernetzter MSC-Chef
  • Feministische Außenpolitik: Keine Einigkeit in der Ampel-Koalition
  • Große Ballonflotten auf globaler Mission – im Auftrag Xis
  • Nato-Partner vernetzen sich im All
  • Oslo: 7 Milliarden Euro für die Ukraine
  • Russland weist österreichische Diplomaten aus
  • Standpunkt: Feministische Außenpolitik muss nicht wehrlos sein
Liebe Leserin, lieber Leser,

hier sind informelle Gespräche möglich, die offiziell gar nicht bekannt werden: auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Erstmals seit dem Ausbruch von Corona kommen wieder Vertreterinnen und Vertreter aus fast 100 Staaten zusammen. Der Krieg in der Ukraine, der Klimawandel und die neuen Machtansprüche Chinas sind nur einige Themen, die breit diskutiert werden.

Das Team von Security.Table gibt Ihnen einen Einblick in die Konferenz in diesem Sonder-Briefing. Thomas Wiegold stellt zudem den MSC-Chef Christoph Heusgen vor.

Die ominösen, chinesischen Ballons, die nicht nur über den USA gesichtet werden, dürften auch in München ein Thema sein. Michael Radunski hat rausgefunden, wie diese Ballons mit dem chinesischen Luftfahrtprogramm zusammenhängen.

Ob die globale Sicherheit in der Zukunft ohne die Feministische Außenpolitik gedacht werden kann, bezweifelt zumindest die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. Am 1. März stellt sie voraussichtlich die Leitlinien für eine neue deutsche Feministische Außenpolitik vor. Gegenwind kommt derweil vom Koalitionspartner FDP.  Nana Brink hat die ganze Geschichte.

Oft wird Feministischer Außenpolitik der Vorwurf gemacht, sie sei ideologisch und weltfremd. Dazu schreibt Rachel Tausendfreund vom German Marshall Fund in ihrem Standpunkt: Sie kann auch “wehrhaft” sein!

Wir behalten die Münchner Sicherheitskonferenz für Sie im Blick und berichten ausführlich, was dort über die Sicherheit der Welt von morgen gesagt wird.

Wenn Ihnen der Security.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Und wenn Ihnen diese Mail zugeleitet wurde: Hier können Sie sich für das Security-Briefing und weitere Themen anmelden

Ihre
Nana Brink
Bild von Nana  Brink

Analyse

MSC – eine offizielle Konferenz für inoffizielle Treffen

Kamala Harris in München. Der bayerische Ministerpräsident empfängt die Vizepräsidentin der USA.

Er wird nicht dabei sein und dennoch stark die Gespräche auf der Münchner Sicherheitskonferenz bestimmen: der russische Präsident Wladimir Putin. 2007 hatte er in seiner berühmten Rede eben auf dieser Konferenz bereits gegen die seiner Meinung nach zu starke globale Dominanz der USA gewettert – und den russischen Machtanspruch schon damals deutlich gemacht.

Mit dem Krieg gegen die Ukraine hat sich Moskau stark isoliert, der Westen steht nahezu geschlossen gegen den Aggressor. Aber wie lässt sich Putin stoppen? Das ist die eine der wichtigsten Frage der Konferenz.

Gleich am Freitagnachmittag wird sich Bundeskanzler Olaf Scholz den Fragen der CNN-Interviewlegende Christiane Amanpour stellen, wenn es um “Deutschland in der Welt” geht. Scholz wird für seinen Kommunikationsstil, besonders im Zusammenhang mit der Ukraine, schon lange kritisiert. Amanpour ist nicht bekannt dafür, dass sie ausweichende Antworten akzeptiert.

Der Klimawandel bringt Konflikte

Die Verteidigung der regelbasierten internationalen Ordnung ist ein Kernthema der Konferenz. Politikerinnen und Politiker sowie diplomatische Vertretungen aus 96 Staaten werden Antworten auf die Frage suchen, wie die Ordnung aufrechterhalten werden kann, wenn Atommächte – wie Russland – diese willentlich brechen.

Trotzdem soll die regelbasierte Ordnung auch für Menschen jenseits des traditionellen Westens attraktiver werden. Gemeint sind damit vor allem die Länder des Globalen Südens. Nicht wenige von ihnen sind überdurchschnittlich stark vom Klimawandel betroffen, obwohl sie weniger als die Industrienationen dafür verantwortlich sind. Doch da, wo der Klimawandel sich am stärksten zeigt, ist das Konfliktpotenzial besonders groß.

Geladen sind viele Teilnehmer aus den BRICS-Staaten (außer Russland), sowie aus dem gesamten Afrika, Asien und Lateinamerika. Mit EU-Vertretern geht es in den gemeinsamen Gesprächen auch um die globale “Grüne Wende”. Vertreter aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Pakistan und Indonesien, sowie Energieminister Robert Habeck (Grüne) und Vizepräsident und Kommissar für Klimaschutz in der Europäischen Kommission, Frans Timmermans, werden dazu sprechen.

Chinas neue Machtansprüche

Mit großer Spannung erwarten wir vom Security.Table den Besuch von Chinas wichtigstem Außenpolitiker Wang Yi. Der langjährige Außenminister wurde vor kurzem ins Politbüro der Kommunistischen Partei Chinas befördert und wird damit nicht mehr nur die Außenpolitik Chinas ausführen, sondern maßgeblich mitgestalten. Wang wird am Samstag um 10:45 Uhr auf Wolfgang Ischinger treffen. Im Gespräch mit dem ehemaligen Leiter der Sicherheitskonferenz wird es um Chinas Rolle in der Welt gehen.

Doch auch abseits der Bühne ist Wangs Besuch wichtig. Nach dem Abschuss eines mutmaßlichen chinesischen Spionage-Ballons vor South Carolina haben sich die Beziehungen zwischen den USA und China nochmals verschlechtert. Insider spekulieren, dass es während der Sicherheitskonferenz zu einem Treffen Wangs mit US-Außenminister Antony Blinken kommen könnte.

Zimmerfluchten für persönliche Treffen reserviert

Solche bilateralen Treffen, die nicht im Programm stehen und oft genug auch gar nicht bekannt werden, sind neben den Auftritten auf der großen Bühne ein wesentliches Markenzeichen der Münchner Konferenz. Ganze Zimmerfluchten, sagt ihr Vorsitzender Christoph Heusgen, seien für diese persönlichen Begegnungen reserviert. Das ermöglicht Gespräche selbst dann, wenn sie derzeit politisch nicht opportun scheinen.

Eine weitere wichtige Besucherin aus China ist Fu Ying. Die ehemalige Vize-Außenministerin ist derzeit Vorsitzende des Auswärtigen Ausschuss im Nationalen Volkskongress. Fu soll auf einer Seiten-Veranstaltung der BMW Foundation zum Thema “In Need of China” über Chinas Klima- und Umweltpolitik vortragen.

Die größte Delegation stellen die USA, rund 60 Senatoren und Mitglieder des Repräsentatenhauses, angeführt von Vizepräsidentin Kamala Harris. Die Vizepräsidentin wird ebenso wie Scholz und Frankreichs Präsident Emanuel Macron sich Fragen stellen im Forma “Die USA in der Welt”, befragt vom Vorsitzenden der Münchner Konferenz, Christoph Heusgen.

Konflikt zwischen der Türkei und Schweden nicht ausgeräumt

Ein Thema für Hintergrundgespräche wird die Nato-Mitgliedschaft von Schweden und Finnland sein. Beide Staaten hatten ihren Beitritt im Mai als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine beantragt. Bis auf Ungarn und die Türkei haben alle Nato-Mitglieder zugestimmt. Die Türkei blockiert Schwedens Beitritt mit der Begründung, das Land würde kurdische “Terroristen” unterstützen.

Ende Januar hatte Finnlands Außenminister Pekka Haavisto für Irritationen gesorgt, als er andeutete, er könne sich auch einen alleinigen Beitritt Finnlands vorstellen. Die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin, die auch auf der MSC sprechen wird, dementierte solche Bestrebungen: Es sei “im Interesse aller, dass wir der NATO gemeinsam beitreten”. Sowohl Schweden wie Finnland senden große Delegationen.

Rüstungsbranche hofft auf Image-Wandel

Wie die Politik ist auch schon immer die Rüstungsindustrie bei der Sicherheitskonferenz dabei. Ihre Vertreter nutzen die Chance zum informellen Austausch mit potenziellen Kunden. Und seit Beginn des russischen Angriffskriegs können sie auch auf ein besseres öffentliches Image hoffen. Welche Gespräche sie führen, bleibt meist noch besser verborgen als die politischen Treffen.

Nur bisweilen werden Ergebnisse öffentlich: So hatte Armin Papperger, Chef von Deutschlands größtem Rüstungskonzern Rheinmetall, bereits Wochen angekündigt, auf der Münchner Sicherheitskonferenz unter anderem mit der US-Waffenschmiede Lockheed Martin einen Vertrag über die Lizenzproduktion von HIMARS-Raketenwerfern in Deutschland abschließen zu wollen. Die Waffensysteme, zuvor nur Fachleuten bekannt, haben durch ihren Einsatz bei den ukrainischen Streitkräften inzwischen weltweite Beachtung gefunden.
Nana Brink, Lisa-Martina Klein, Michael Radunski, Thomas Wiegold

  • Münchner Sicherheitskonferenz

Christoph Heusgen – Transatlantisch vernetzter MSC-Chef

Christoph Heusgen ist der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz.

Es ist die erste Münchner Sicherheitskonferenz seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Februar 2022. Und es ist die erste, die Christoph Heusgen leitet – ein Ex-Diplomat, der in der EU, als Berater von Kanzlerin Angela Merkel und zeitweiser deutscher Vertreter im UN-Sicherheitsrat die Kenntnisse wie auch das Selbstbewusstsein mitbringt, in einer Welt der Krisen zu agieren.

Im April 2019 schrieb Heusgen im wichtigsten Gremium der Vereinten Nationen Geschichte. Deutschland ist kein ständiges Mitglied des Sicherheitsrats und hat kein Veto-Recht. Aber als der deutsche Diplomat für einen Monat den Vorsitz übernahm, geschah Unerhörtes: Heusgen ließ die schweren Vorhänge aufziehen, die seit Jahrzehnten – aus vorgeblichen Sicherheitsgründen – die Fenster des Sitzungssaals ver- und das Tageslicht aussperrten. “Danke Deutschland für die Reform – mehr Transparenz und Licht!”, jubelte der damalige kanadische UN-Botschafter Marc-Andre Blanchard. Zugleich stellte Heusgen eine Sanduhr auf, um die Redner zur Disziplin zu zwingen.

Unkonventionelle Ansätze

Seine Bereitschaft zur Veränderung und zu unkonventionellen Ansätzen wird der 67-Jährige, der 2021 aus dem diplomatischen Dienst ausschied, bei der Steuerung der ersten Münchner Sicherheitskonferenz in europäischen Kriegszeiten an diesem Wochenende brauchen.

Das Gespräch über trennende Ansichten und Gräben hinweg, in München jahrelang durch den russischen Außenminister Sergej Lawrow als ständigen Gast symbolisiert, ist seit dem 24. Februar vergangenen Jahres schwieriger denn je. Nicht nur Russland, auch Iran fallen inzwischen als zwar problematische, aber bislang irgendwie selbstverständliche Gesprächsteilnehmer aus. Und auch mit China dürfte der Dialog im Bayerischen Hof noch weniger glattlaufen als in den Jahren zuvor.

Russischer Außenminister nicht geladen

Heusgen kennt sie alle, die auf westlicher Seite, in der Nato oder EU ohnehin, aber auch die auf der Gegenseite. Zugleich muss er sich natürlich die Frage gefallen lassen, wie viel Anteil er als Berater und Diplomat an westlichen Fehleinschätzungen hatte, die auch zur aktuellen konfliktgeladenen Situation geführt haben. Als größte Niederlage der Kanzlerschaft der von ihm außenpolitisch beratenen Regierungschefin Merkel, räumte er ein “dass es nicht gelungen ist, die europäische Sicherheitsordnung weiterzuentwickeln und diesen Krieg zu verhindern”.

Das Verhältnis zu Russland sei inzwischen so belastet, dass es auch keinen Sinn mehr mache, mit dem russischen Außenminister zu sprechen: Nachdem Lawrow zur Konferenz im vergangenen Jahr zwar eingeladen war, aber nicht kam, habe er ihn “ausdrücklich nicht eingeladen. Der war immer ein Sprachrohr des Kreml.”

Vom “Chairman” der “Munich Security Conference”, wie das vor 60 Jahren als “Wehrkundetagung” gestartete Münchner Treffen inzwischen internationalisiert heißt, wird in diesem Jahr allerdings eher Heusgens transatlantische Vernetzung gefragt sein. Die wird der gebürtige Rheinländer brauchen, wenn die Europäer auf politisches Gewicht und Eigenständigkeit ihres Kontinents pochen – was vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron wie von Bundeskanzler Olaf Scholz zu erwarten sein dürfte. Thomas Wiegold

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Feministische Außenpolitik: Keine Einigkeit in der Ampel-Koalition

Es war ein Reizwort, schon in den Koalitionsverhandlungen: Feministische Außenpolitik (FA). Vor allem auf Betreiben der Grünen wurde sie im Koalitionsvertrag mit einem eigenen Absatz verankert. So sollte die deutsche feministische Sicherheitspolitik die von Schweden entwickelte “3R”-Formel aufgreifen: die “Stärkung der Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen und Mädchen”. Klar ist: Außenministerin Annalena Baerbock will ihre FA um ein “D” für gesellschaftliche Diversität erweitern.

Noch bevor Details der neuen deutschen FA bekannt werden, hat sich der Streit in der Koalition vor allem zwischen grüner und liberaler Bundestagsfraktion verschärft. Die grüne Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger, stellvertretende Vorsitzende ihrer Fraktion, wollte einen gemeinsamen Koalitions-Antrag zur FA in den Bundestag einbringen. Während die SPD dem zustimmte, kam vonseiten der FDP Widerstand. So erklärte FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff – designierter Botschafter in Moskau – im “Spiegel”: “Ein Antrag zur erfolgreichen Beschaffung ist aus unserer Sicht einfach wichtiger als ein Papier zur feministischen Außenpolitik.”

Einbeziehung von Frauen ist “selbstverständlich”

“Wir haben noch über zwei Jahre Zeit in der Ampel, ein Papier zur Feministischen Außenpolitik zu entwickeln”, sagt der FDP-Bundestagsabgeordnete Marcus Faber, Mitglied im Verteidigungsausschuss. Während vor allem viele ältere liberale Abgeordnete eine FA zum Teil offen ablehnen, ist sie für den 39-jährigen Verteidigungspolitiker Teil einer modernen Sicherheitspolitik: “Für uns ist die Einbeziehung von Frauen, zum Beispiel in der Entwicklungspolitik, selbstverständlich. Darüber muss man nicht streiten.”

Nicht gestritten, aber lange gerungen hat man im Außenministerium um diese neuen feministischen Leitlinien. In einem ersten Teil wird der Anspruch formuliert, die Außenpolitik um einen neuen Fokus zu erweitern. Im Mittelpunkt soll nicht allein die traditionelle Sicherheitspolitik stehen. Bereiche wie Klima- und Gesundheitspolitik werden in den Vordergrund rücken. Darüber hinaus erkennt die neue FA strukturelle Ungleichheiten an. So sind vor allem im globalen Süden Frauen ungleich stärker von den Folgen von sexueller Gewalt und wirtschaftlicher Not betroffen.

Außenministerin Baerbock betont jedoch, dass die deutsche FA eine “inklusive, intersektionale Außenpolitik ist, die die Bedürfnisse der gesamten Gesellschaft reflektiert”. Wesentliche Ansätze einer deutschen FA sollen auch Eingang in die Nationale Sicherheitsstrategie finden, die demnächst ebenfalls vorgestellt werden soll. “Natürlich gehört die Feministische Außenpolitik auch in die Nationale Sicherheitsstrategie”, erklärt die grüne Verteidigungspolitikerin Brugger.

Expertin fordert ressortübergreifende FA

In einem zweiten Teil sollen die neuen Leitlinien auch die Strukturen innerhalb des Auswärtigen Amtes (AA) verändern. Dies könnte sich auf den Auswahlprozess für Diplomatinnen und die Besetzung von Stellen und Botschaftsposten beziehen. “Feministische Außenpolitik braucht auch Strukturen wie ein eigenes Referat und entsprechende Haushaltsmittel. Die Idee einer Beauftragten finde ich gut, damit die Feministische Außenpolitik ein Gesicht bekommt”, sagt die Grüne Brugger.

Kritikerinnen bemängeln, dass die Leitlinien des AA zu kurz greifen. Claudia Zilla, Expertin für FA bei der Stiftung Wissenschaft und Politik sagt: “Eine kohärente deutsche Feministische Außenpolitik kann es nur geben, wenn alle Ressorts daran beteiligt sind.” Bislang haben nur das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ansätze feministischer Sicherheitspolitik formuliert. “Will deutsche Außenpolitik feministisch sein, muss auch das Verteidigungs- oder Wirtschaftsministerium dabei sein.”

FA muss realitätsnah sein

Erst wenige Länder wie Schweden, Kanada und Mexiko haben sich zu einer Feminist Foreign Policy (FFP) bekannt. Die schwedische Außenministerin Margot Wallström hat 2014 eine FFP als Erste salonfähig gemacht. In vielen sicherheitspolitischen Kreisen hat sie allerdings bis heute einen schlechten Ruf. Sie gilt als pazifistisch, realitätsfern und polarisierend. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges in der Ukraine wird es interessant zu sehen, wie praxistauglich eine deutsche FA sein wird.

Dass sie durchaus “wehrhaft” sein kann, erklärt die Politikwissenschaftlerin Rachel Tausendfreund in ihrem Standpunkt (siehe unten): “Sich auf die Seite von Verbündeten zu stellen, die sich verteidigen oder gegen Unterwerfungsversuche kämpfen, muss mit einer modernen FA vereinbar sein.”

Das sieht auch Verteidigungspolitikerin Brugger so. Ein gemeinsamer Antrag im Bundestag als Signal wäre wichtig: “Wir als Ampel-Koalition sollten im Bundestag ein gemeinsames Verständnis von FA entwickeln. Dafür gehe ich auch mit meinem lieben Kollegen Alexander Graf Lambsdorff und Herrn Kubicki einen trinken.”

  • Bundesregierung
  • Feminismus

Große Ballonflotten auf globaler Mission – im Auftrag Xis

Wirkt so klein und harmlos, ist aber weder das eine noch das andere.

Der Durchbruch gelingt im Jahr 2019 – viele Jahre bevor die amerikanischen Streitkräfte einen mutmaßlichen chinesischen Spionage-Ballon vor South Carolina vom Himmel holen und die Weltöffentlichkeit Zeuge wird, wie umfassend Chinas technische Fähigkeiten längst sind.

Im August vor vier Jahren offenbart Professor Wu Zhe gegenüber der chinesischen Zeitung Nanfang Daily seinen Erfolg: Mit dem “Wolkenjäger” (追云 zhuiyun) habe erstmals ein unbemanntes Luftschiff in Höhen von 20 bis 60 Kilometern Höhe die Erde umkreist – inklusive Nordamerika. Der Dekan eines Forschungsinstituts in Peking hat eine klare Vision: lenkbare Ballons in den sogenannten nahen Weltraum schicken, um mit ihnen frühzeitig vor Naturkatastrophen zu warnen, Umweltverschmutzung zu überwachen oder auch Luftüberwachung durchzuführen.  

Mehr als 200 Höhenballons

Wu Zhe gehört zu den führenden Wissenschaftlern in der chinesischen Luft- und Raumfahrtforschung. Er forscht an der Beijing University of Aeronautics and Astronautics (Beihang, 北京航空航天大学). Seit fast zwei Jahrzehnten arbeitet er in der Luftschiffsentwicklung – einem Programm, das seit wenigen Wochen die Weltöffentlichkeit in Staunen versetzt.

Chinas Ballonprogramm umfasst mehr als 200 Höhenballons und wird von der Strategischen Kampfunterstützungstruppe der Volksbefreiungsarmee geleitet”, sagt Carl Schuster von der Hawaii Pacific University im Gespräch mit Table.Media. Die PLASSF wurde im Dezember 2015 gegründet und ist eine von fünf Teilstreitkräften der Volksbefreiungsarmee. Ihr Auftrag: die Fähigkeiten der Armee in “informationellen Kriegen” (信息化战争, xìnxīhuà zhànzhēng) verbessern, unter anderem mit Ballons. Schuster ist Ex-Militär und forscht heute zu internationalen Beziehungen.

Der nahe Weltraum als neues Schlachtfeld

Ein Jahr zuvor hatte Staats- und Parteichef Xi Jinping der chinesischen Luftwaffe eine radikale Modernisierung verordnet. Er forderte, “die Luft- und Weltraumintegration zu beschleunigen und ihre offensiven und defensiven Fähigkeiten zu schärfen”. Chinas Militärexperten machen daraufhin den “nahen Weltraum” als entscheidendes Bindeglied aus.

In einem langen Artikel der Militär-Zeitung “解放军报” aus dem Jahr 2018 heißt es: 临近空间也已经成为现代战争的一个新战场,是国家安全体系的一个重要环节. “Der nahe Weltraum ist zu einem neuen Schlachtfeld in der modernen Kriegsführung geworden.” Es gehe darum, den Raum in 20 bis 100 Kilometern Höhe zu beherrschen. Der Autor stellt fest: Diese Übergangszone zwischen Luft- und Raumfahrt ist abgesehen von gelegentlichen Durchflügen von Raketen ein bislang von Menschen unerforschter, leerer Raum.

Zivil-militärischer Komplex

Wie umfassend das Programm ist, zeigt ein Blick darauf, wie viele chinesische Unternehmen in Verbindung mit Chinas Ballon-Programm stehen sollen. Es handelt sich um einen umfassenden zivil-militärischen Komplex. Allein das US-Handelsministerium hat als Reaktion auf den Ballon-Vorfall sechs Unternehmen und ein Forschungsinstitut auf seine Sanktionsliste gesetzt:

  • Beijing Nanjiang Aerospace Technology Co.
  • China Electronics Technology Group Corporation 48th Research Institute
  • Dongguan Lingkong Remote Sensing Technology Co.
  • Eagles Men Aviation Science and Technology Group Co.
  • Guangzhou Tian-Hai-Xiang Aviation Technology Co.
  • Shanxi Eagles Men Aviation Science and Technology Group Co.

Und hier schließt sich der Kreis zu Professor Wu Zhe, dem führenden chinesischen Wissenschaftler. Beijing Nanjiang Aerospace Technology gehört zum Immobilienkonzern Deluxe Family. Dieser wiederum ist ein enger Partner der Beihang Universität von Professor Wu. Auch Dongguan Lingkong soll über Umwege in die Beihang-Universität investiert haben. Und die ebenfalls genannte Firma Eagles Men wurde direkt von Wu Zhe mitbegründet.

Missionen in dutzenden Ländern

Wie wichtig China das Ballon-Programm ist, zeigt ein Artikel für das Magazin 环球 im März 2022. Dort heißt es: “Wer sich bei Fahrzeugen im nahen Weltraum einen Vorteil verschafft, wird in zukünftigen Kriegen die größere Initiative gewinnen können” 谁能在临近空间飞行器方面取得优势,谁也就能在未来战争中掌握更大的主动权.

Seit Xis Forderung im Jahr 2014 hat sich ein umfassendes Programm entwickelt. “Es handelt sich um eine beträchtliche Anstrengung, an der mindestens sechs Unternehmen und ein Forschungsinstitut beteiligt sind”, sagt Timothy Heath von der US-Denkfabrik Rand Corporation zu Table.Media. Das chinesische Programm sei derart groß, um mit unzähligen Überwachungsballons mehrere Jahre lang Geheimdienstmissionen in Dutzenden Ländern durchzuführen, erklärt der Verteidigungsexperte.

Ballons über drei Kontinenten

US-Brigadegeneral Patrick S. Ryder offenbarte diese Woche, dass man in den vergangenen Jahren chinesische Ballons über Lateinamerika, Südamerika, Südostasien, Ostasien und Europa gesichtet habe. “Das ist es, was wir als Teil eines größeren chinesischen Überwachungsballonprogramms bewerten”, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums.

Allein über Taiwan sollen in den vergangenen Jahren Dutzende chinesische Militärballons gesichtet worden sein. “Sie kommen sehr häufig, zuletzt vor ein paar Wochen”, sagte ein ranghoher taiwanischer Beamter der Zeitung “Financial Times”. Solche Übergriffe würden im Durchschnitt einmal im Monat stattfinden. Und auch aus Japan wird Ähnliches berichtet.

Nato zeigt sich besorgt

Die weite Streuung der Ballon-Sichtungen hat mit der Grundidee des Programms zu tun, von hohen Atmosphärenschichten aus die strategischen Rivalen im Blick zu behalten. “Chinas Ballon-Programm mit seinen 200 Höhenballons hat eine globale Mission”, sagt Carl Schuster. “Allerdings scheint die Priorität auf Gebiete und Regionen gerichtet zu sein, in denen strategische Ziele oder weltraumnahe Transitrouten zu diesen Zielen liegen.”

Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigte sich zuletzt besorgt. “Wir sehen, dass China in den vergangenen Jahren stark in neue militärische Fähigkeiten investiert hat, einschließlich verschiedener Arten von Überwachungs- und Geheimdienstplattformen.”

Auf die Frage, ob chinesische Ballons auch über Europa entdeckt wurden, sagte er: “Auch wir haben verstärkte chinesische Geheimdienstaktivitäten in Europa gesehen – auf verschiedenen Plattformen. Sie benutzen Satelliten, sie nutzen Cyber und, wie wir in den Vereinigten Staaten gesehen haben, auch Ballons.”

Nicht alle Ballons, die in den vergangenen Tagen über den USA abgeschossen wurden, gehörten zum chinesischen Spionage-Programm, sagte US-Präsident Joe Biden am Donnerstag. Er kündigte zugleich an, in der Sache selbst, bald mit dem chinesischen Staatschef Xi zu sprechen.

Startplätze in der Inneren Mongolei und auf Hainan

Forscher des Middlebury Institute of International Studies (MIIS) im amerikanischen Vermont haben auf Satellitenbildern mindestens zwei chinesische Militärbasen ausfindig gemacht, von denen die chinesischen Ballons offenbar starten: Erstens die Dorbod Banner Anlage nahe der Grenze zur Mongolei. Mitte 2016 gebaut, verfügt sie über eine Startrampe von 350 bis 400 Metern, erklärt Sam Lair im Magazin Rolling Stone.

Und zweitens eine Anlage auf der südchinesischen Insel Hainan. “Die gesamte Anlage ist von einem Sicherheitszaun umgeben und umfasst auch drei große Radarkuppelgebäude, in denen Radarantennen untergebracht sind”, erklärt Lair. Satellitenbilder von Mitte Januar zeigten zudem eine 140 Meter lange Startrampe samt Startausrüstung. Die US-Behörden sind überzeugt: Der inzwischen abgeschossene Ballon soll Mitte Januar von Hainan aus gestartet sein.

News

Nato-Partner vernetzen sich im All

16 Nato-Staaten – darunter Deutschland, die USA, die Türkei – plus die Beitrittskandidaten Finnland und Schweden haben am Mittwoch eine Absichtserklärung unterschrieben, die die Einrichtung eines Projekts zum Austausch von Satellitendaten vorsieht. Aus einer Mitteilung des britischen Verteidigungsministeriums geht hervor, dass die Allied Persistent Surveillance from Space Initiative (APSS) 2025 einsatzbereit sein soll.

Im Rahmen von APSS solle die “virtuelle Konstellation” Aquila eingerichtet werden, die ermöglichen soll, wie es in einer Nato-Mitteilung heißt, zu jedem Zeitpunkt weltweit Informationen zu sammeln und den Austausch weltraumgestützter Erkenntnisse zu verbessern. Sowohl staatliche als auch kommerzielle Satelliten sollen in das System integriert werden und die Daten militärisch nutzbar machen. Der frühzeitige Zuschuss von 16,5 Millionen Euro von Luxemburg habe den Grundstein für die Initiative gelegt, heißt es in der Mitteilung. bub

Oslo: 7 Milliarden Euro für die Ukraine

In den kommenden fünf Jahren unterstützt Norwegen die Ukraine mit 75 Milliarden Kronen, umgerechnet rund 7 Milliarden Euro. Die Hälfte der Mittel aus dem Nansen Support Programm soll in die militärische Unterstützung (Technik und Ausbildung von Soldaten) fließen, die andere Hälfte ist für humanitäre Zwecke bestimmt.

Nach Angaben aus dem norwegischen Verteidigungsministerium erhält die Ukraine acht Leopard 2-Panzer sowie vier weitere Panzer, die nicht näher definiert sind. Hinzu kommen Munition und Ersatzteile. Die Ausbildung ukrainischer Soldaten für die Panzer soll in Polen stattfinden. Waffen und Munition kommen sowohl aus dem Bestand wie direkt von den Herstellern.

Norwegen stellt zudem mehr als 3,5 Milliarden Euro an Hilfen für Entwicklungsländer zur Verfügung, die infolge des Krieges in der Ukraine betroffen sind. Wegen des russischen Krieges müssen ärmere Länder höhere Preise für Lebensmittel, Dünger und Energieträger aufbringen. vf

  • Norwegen
  • Ukraine

Russland weist österreichische Diplomaten aus

Das russische Außenministerium kündigt die Ausweisung von vier österreichischen Diplomaten an. Laut dem Ministerium sei das eine Reaktion auf den Entzug diplomatischer Visa bei vier russischen Diplomaten Anfang Februar.

Der österreichische Botschafter in Moskau, Werner Almhofer, erhielt die Ausweisungsbescheide am Donnerstag, 16. Februar. Almhofer war in das russische Außenministerium einbestellt worden, wo ihm nach russischen Angaben auch eine Protestnote übergeben wurde.

Die österreichischen Diplomaten müssen Russland bis zum 23. Februar verlassen. In der Nacht vom 23. auf den 24. Februar hatte Russland im vergangenen Jahr die Ukraine überfallen. vf

  • Diplomatie
  • Österreich
  • Russland

Presseschau

ZDF Frontal – Digitale Söldner Uncovered: Eine Recherche von Journalisten aus über 30 Redaktionen zeigt, wie drei Männer aus einem Büro ohne Klingelschild in Tel Aviv Einfluss auf Wahlen in Kenia nehmen, sich in Telegram-Kanäle von Politikern hacken und eine Twitterflut auslösen, weil sie zur Machtdemonstration einen Emu für tot erklären. Die Hacker prahlen damit, von 33 Wahlen, 27 erfolgreich manipuliert zu haben. 29 Minuten zum Schauen. Und zum Lesen zum Beispiel bei Haaretz.

Welt – “Ukrainer können in bevorstehenden Offensiven der Russen die Oberhand behalten” (Paywall): Der Generalinspekteur der Bundeswehr fordert im Interview verlässlichere Planungsmöglichkeiten für die Rüstungsindustrie, sagt, unter welchen Bedingungen eine Wehrpflicht militärisch sinnvoll wäre und welche Fragen man sich im Verteidigungsministerium stellen sollte (z.B. wie man sich verkleinert).

Bloomberg – The World’s War Machine Is Running Low on Ammunition (Paywall): Rüstungsfabrikanten werden genauso wichtig wie Truppen, schreibt Bloomberg. Die Munitionsbestände gehen auf russischer und ukrainischer Seite zurück. Bei der Ukraine sei der Verbrauch deutlich höher, als die Nachproduktion, sagte Jens Stoltenberg kürzlich. Gute Übersicht, wie Rüstungshersteller auf beiden Konfliktseiten darauf reagieren.

Climate.Table – Klimaschutz dient auch der Sicherheit der Bundeswehr: In seinem Standpunkt für unsere Kolleginnen und Kollegen aus der Klima-Redaktion erörtert Hans-Jochen Luhmann, Mitglied der VDW-Studiengruppe zur Sicherheitspolitik, was die Bundeswehr davon hat, wenn sie mehr auf Photovoltaik- und Windkraftanlagen setzt. Erste Schritte seien in Mali und Niger getan worden.

Foundation for Defense of Democracies – Arsenal. Assessing the Islamic Republic of Iran’s Ballistic Missile Program: Der Iran baut seinen militärischen Einfluss massiv aus. Dieser Report wirft einen detaillierten Blick auf das iranische Raketenprogramm und welche Rolle sie in der Nationalen Sicherheitsstrategie spielen.

Standpunkt

Feministische Außenpolitik muss nicht wehrlos sein

Von Rachel Tausendfreund
Rachel Tausenfreund ist Senior Fellow am German Marshall Fund.

Seit Monaten arbeitet ein Team im Auswärtigen Amt an Leitlinien für eine deutsche Feministische Außenpolitik (FA). Die Erwartungen sind hoch, aber mindestens ebenso groß ist die Skepsis. Letzteres sieht man an den Reaktionen auf die Proteste im Iran: Wenn eine deutsche feministische Außenpolitik keine Antwort gibt, dann ist sie wohl schon gescheitert, noch bevor sie begonnen hat.

Als ob das Auswärtige Amt plötzlich so viel mehr Einfluss auf das Geschehen im Iran hätte und die Unterdrückung und Gewalt dort beenden könnte, nur weil es jetzt feministisch(er) agieren möchte. Es ist bereits FA, wenn die Außenministerin den Mut der Demonstrierenden lobt. Wenn sie Gewalt gegen Demonstrierende verurteilt. Wenn sie sich für mögliche legale Sanktionen einsetzt.

Deutschland hat auch zusammen mit Island erfolgreich eine Resolution im UN-Menschenrechtsrat eingebracht, die die Gewalt der iranischen Führung gegen friedlich Demonstrierende untersuchen soll. Das ist vielleicht viel zu wenig, um das Leid der mutigen Demonstrantinnen in Iran zu beenden. Aber FA hat – wie jede Art von wertegeleiteter Außenpolitik – nur begrenzte Möglichkeiten: Sie muss ständig darum kämpfen, Idealismus und Realismus in Einklang zu bringen.

Antworten auf bewaffnete Konflikte finden

Nicht anders verhält es sich beim Thema Abrüstung und Militär. Deutschlands FA in der Praxis wird einen differenzierteren Umgang mit militärischer Gewalt zeigen müssen. Hier haben die Theoretikerinnen Nachholbedarf gegenüber den politischen Entscheidungsträgerinnen, die verstehen, dass mehr Waffen nicht immer und überall mehr Gewalt bedeuten.

Sicherlich ist die Kriegsvermeidung bzw. die Konfliktprävention ein kluges und hehres Ziel deutscher Außenpolitik, das auch weiterhin betont und mit finanziellen Mitteln hinterlegt werden sollte. Aber die deutsche Außenpolitik muss auch Antworten finden in einer Welt, in der eine Seite Konflikte mit militärischen Mitteln lösen will.

Auch wenn es in dieser komplexen Welt keine einfache Pauschallösung gibt, so gibt es doch ein einfaches Leitprinzip, mit dem man beginnen kann: Es gibt einen Unterschied zwischen Angriff und Verteidigung. Friedensbewegungen, in der auch die FA ihren Ursprung hat, sind wichtig, auch heute noch. Zivilgesellschaftliche Akteure, die für Verständnis, Verhandlungen, und gegen Gewalt plädieren, sind unabdingbar.

Entschlossene Verteidigung, wenn nötig

Eine wohlüberlegte Zurückhaltung also bei der Anwendung von Gewalt ist von entscheidender Bedeutung, ebenso wie die Wachsamkeit gegenüber einer Vermischung von Aggression und Reaktionsmaßnahmen, zum Beispiel durch “präventive” Angriffe. Eine pauschale Ablehnung von Gewalt hingegen kann sowohl der Unterwerfung als auch dem Frieden dienen. Sich auf die Seite von Verbündeten zu stellen, die sich verteidigen oder gegen Unterwerfungsversuche kämpfen, muss mit einer modernen FA vereinbar sein. Wie würde das in der Praxis funktionieren?

Eine FA will die Rechte, die Repräsentanz, und die Ressourcen für Frauen und Mädchen stärken. Deutschlands feministische Sicherheitspolitik könnte zudem noch drei andere Rs beinhalten – nämlich ready, reluctant und resolved zu sein. Deutschland muss bereit (und ausgerüstet) sein, sich und andere auch militärisch zu verteidigen. Gleichzeitig muss Deutschland zurückhaltend sein, wenn es um die Eskalation oder den Eintritt in einen Konflikt geht.

Diese Zurückhaltung kann als nützliche Kontrolle für Verbündete dienen, die gelegentlich zu schnell zu militärischer Gewalt greifen. Wenn jedoch der Versuch der Unterwerfung eines Volkes vorliegt, das willens und in der Lage ist, sich zu verteidigen, sollte Deutschland entschlossen sein, diese Verteidigung tatkräftig zusammen mit seinen Verbündeten zu unterstützen. Und das kann durchaus dann auf feministische Art gemacht werden.

  • Bundeswehr
  • Deutschland
  • Sicherheit

Security.Table Redaktion

SECURITY.TABLE REDAKTION

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    • MSC – eine offizielle Konferenz für inoffizielle Treffen
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    • Nato-Partner vernetzen sich im All
    • Oslo: 7 Milliarden Euro für die Ukraine
    • Russland weist österreichische Diplomaten aus
    • Standpunkt: Feministische Außenpolitik muss nicht wehrlos sein
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    hier sind informelle Gespräche möglich, die offiziell gar nicht bekannt werden: auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Erstmals seit dem Ausbruch von Corona kommen wieder Vertreterinnen und Vertreter aus fast 100 Staaten zusammen. Der Krieg in der Ukraine, der Klimawandel und die neuen Machtansprüche Chinas sind nur einige Themen, die breit diskutiert werden.

    Das Team von Security.Table gibt Ihnen einen Einblick in die Konferenz in diesem Sonder-Briefing. Thomas Wiegold stellt zudem den MSC-Chef Christoph Heusgen vor.

    Die ominösen, chinesischen Ballons, die nicht nur über den USA gesichtet werden, dürften auch in München ein Thema sein. Michael Radunski hat rausgefunden, wie diese Ballons mit dem chinesischen Luftfahrtprogramm zusammenhängen.

    Ob die globale Sicherheit in der Zukunft ohne die Feministische Außenpolitik gedacht werden kann, bezweifelt zumindest die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. Am 1. März stellt sie voraussichtlich die Leitlinien für eine neue deutsche Feministische Außenpolitik vor. Gegenwind kommt derweil vom Koalitionspartner FDP.  Nana Brink hat die ganze Geschichte.

    Oft wird Feministischer Außenpolitik der Vorwurf gemacht, sie sei ideologisch und weltfremd. Dazu schreibt Rachel Tausendfreund vom German Marshall Fund in ihrem Standpunkt: Sie kann auch “wehrhaft” sein!

    Wir behalten die Münchner Sicherheitskonferenz für Sie im Blick und berichten ausführlich, was dort über die Sicherheit der Welt von morgen gesagt wird.

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    MSC – eine offizielle Konferenz für inoffizielle Treffen

    Kamala Harris in München. Der bayerische Ministerpräsident empfängt die Vizepräsidentin der USA.

    Er wird nicht dabei sein und dennoch stark die Gespräche auf der Münchner Sicherheitskonferenz bestimmen: der russische Präsident Wladimir Putin. 2007 hatte er in seiner berühmten Rede eben auf dieser Konferenz bereits gegen die seiner Meinung nach zu starke globale Dominanz der USA gewettert – und den russischen Machtanspruch schon damals deutlich gemacht.

    Mit dem Krieg gegen die Ukraine hat sich Moskau stark isoliert, der Westen steht nahezu geschlossen gegen den Aggressor. Aber wie lässt sich Putin stoppen? Das ist die eine der wichtigsten Frage der Konferenz.

    Gleich am Freitagnachmittag wird sich Bundeskanzler Olaf Scholz den Fragen der CNN-Interviewlegende Christiane Amanpour stellen, wenn es um “Deutschland in der Welt” geht. Scholz wird für seinen Kommunikationsstil, besonders im Zusammenhang mit der Ukraine, schon lange kritisiert. Amanpour ist nicht bekannt dafür, dass sie ausweichende Antworten akzeptiert.

    Der Klimawandel bringt Konflikte

    Die Verteidigung der regelbasierten internationalen Ordnung ist ein Kernthema der Konferenz. Politikerinnen und Politiker sowie diplomatische Vertretungen aus 96 Staaten werden Antworten auf die Frage suchen, wie die Ordnung aufrechterhalten werden kann, wenn Atommächte – wie Russland – diese willentlich brechen.

    Trotzdem soll die regelbasierte Ordnung auch für Menschen jenseits des traditionellen Westens attraktiver werden. Gemeint sind damit vor allem die Länder des Globalen Südens. Nicht wenige von ihnen sind überdurchschnittlich stark vom Klimawandel betroffen, obwohl sie weniger als die Industrienationen dafür verantwortlich sind. Doch da, wo der Klimawandel sich am stärksten zeigt, ist das Konfliktpotenzial besonders groß.

    Geladen sind viele Teilnehmer aus den BRICS-Staaten (außer Russland), sowie aus dem gesamten Afrika, Asien und Lateinamerika. Mit EU-Vertretern geht es in den gemeinsamen Gesprächen auch um die globale “Grüne Wende”. Vertreter aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Pakistan und Indonesien, sowie Energieminister Robert Habeck (Grüne) und Vizepräsident und Kommissar für Klimaschutz in der Europäischen Kommission, Frans Timmermans, werden dazu sprechen.

    Chinas neue Machtansprüche

    Mit großer Spannung erwarten wir vom Security.Table den Besuch von Chinas wichtigstem Außenpolitiker Wang Yi. Der langjährige Außenminister wurde vor kurzem ins Politbüro der Kommunistischen Partei Chinas befördert und wird damit nicht mehr nur die Außenpolitik Chinas ausführen, sondern maßgeblich mitgestalten. Wang wird am Samstag um 10:45 Uhr auf Wolfgang Ischinger treffen. Im Gespräch mit dem ehemaligen Leiter der Sicherheitskonferenz wird es um Chinas Rolle in der Welt gehen.

    Doch auch abseits der Bühne ist Wangs Besuch wichtig. Nach dem Abschuss eines mutmaßlichen chinesischen Spionage-Ballons vor South Carolina haben sich die Beziehungen zwischen den USA und China nochmals verschlechtert. Insider spekulieren, dass es während der Sicherheitskonferenz zu einem Treffen Wangs mit US-Außenminister Antony Blinken kommen könnte.

    Zimmerfluchten für persönliche Treffen reserviert

    Solche bilateralen Treffen, die nicht im Programm stehen und oft genug auch gar nicht bekannt werden, sind neben den Auftritten auf der großen Bühne ein wesentliches Markenzeichen der Münchner Konferenz. Ganze Zimmerfluchten, sagt ihr Vorsitzender Christoph Heusgen, seien für diese persönlichen Begegnungen reserviert. Das ermöglicht Gespräche selbst dann, wenn sie derzeit politisch nicht opportun scheinen.

    Eine weitere wichtige Besucherin aus China ist Fu Ying. Die ehemalige Vize-Außenministerin ist derzeit Vorsitzende des Auswärtigen Ausschuss im Nationalen Volkskongress. Fu soll auf einer Seiten-Veranstaltung der BMW Foundation zum Thema “In Need of China” über Chinas Klima- und Umweltpolitik vortragen.

    Die größte Delegation stellen die USA, rund 60 Senatoren und Mitglieder des Repräsentatenhauses, angeführt von Vizepräsidentin Kamala Harris. Die Vizepräsidentin wird ebenso wie Scholz und Frankreichs Präsident Emanuel Macron sich Fragen stellen im Forma “Die USA in der Welt”, befragt vom Vorsitzenden der Münchner Konferenz, Christoph Heusgen.

    Konflikt zwischen der Türkei und Schweden nicht ausgeräumt

    Ein Thema für Hintergrundgespräche wird die Nato-Mitgliedschaft von Schweden und Finnland sein. Beide Staaten hatten ihren Beitritt im Mai als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine beantragt. Bis auf Ungarn und die Türkei haben alle Nato-Mitglieder zugestimmt. Die Türkei blockiert Schwedens Beitritt mit der Begründung, das Land würde kurdische “Terroristen” unterstützen.

    Ende Januar hatte Finnlands Außenminister Pekka Haavisto für Irritationen gesorgt, als er andeutete, er könne sich auch einen alleinigen Beitritt Finnlands vorstellen. Die finnische Ministerpräsidentin Sanna Marin, die auch auf der MSC sprechen wird, dementierte solche Bestrebungen: Es sei “im Interesse aller, dass wir der NATO gemeinsam beitreten”. Sowohl Schweden wie Finnland senden große Delegationen.

    Rüstungsbranche hofft auf Image-Wandel

    Wie die Politik ist auch schon immer die Rüstungsindustrie bei der Sicherheitskonferenz dabei. Ihre Vertreter nutzen die Chance zum informellen Austausch mit potenziellen Kunden. Und seit Beginn des russischen Angriffskriegs können sie auch auf ein besseres öffentliches Image hoffen. Welche Gespräche sie führen, bleibt meist noch besser verborgen als die politischen Treffen.

    Nur bisweilen werden Ergebnisse öffentlich: So hatte Armin Papperger, Chef von Deutschlands größtem Rüstungskonzern Rheinmetall, bereits Wochen angekündigt, auf der Münchner Sicherheitskonferenz unter anderem mit der US-Waffenschmiede Lockheed Martin einen Vertrag über die Lizenzproduktion von HIMARS-Raketenwerfern in Deutschland abschließen zu wollen. Die Waffensysteme, zuvor nur Fachleuten bekannt, haben durch ihren Einsatz bei den ukrainischen Streitkräften inzwischen weltweite Beachtung gefunden.
    Nana Brink, Lisa-Martina Klein, Michael Radunski, Thomas Wiegold

    • Münchner Sicherheitskonferenz

    Christoph Heusgen – Transatlantisch vernetzter MSC-Chef

    Christoph Heusgen ist der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz.

    Es ist die erste Münchner Sicherheitskonferenz seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Februar 2022. Und es ist die erste, die Christoph Heusgen leitet – ein Ex-Diplomat, der in der EU, als Berater von Kanzlerin Angela Merkel und zeitweiser deutscher Vertreter im UN-Sicherheitsrat die Kenntnisse wie auch das Selbstbewusstsein mitbringt, in einer Welt der Krisen zu agieren.

    Im April 2019 schrieb Heusgen im wichtigsten Gremium der Vereinten Nationen Geschichte. Deutschland ist kein ständiges Mitglied des Sicherheitsrats und hat kein Veto-Recht. Aber als der deutsche Diplomat für einen Monat den Vorsitz übernahm, geschah Unerhörtes: Heusgen ließ die schweren Vorhänge aufziehen, die seit Jahrzehnten – aus vorgeblichen Sicherheitsgründen – die Fenster des Sitzungssaals ver- und das Tageslicht aussperrten. “Danke Deutschland für die Reform – mehr Transparenz und Licht!”, jubelte der damalige kanadische UN-Botschafter Marc-Andre Blanchard. Zugleich stellte Heusgen eine Sanduhr auf, um die Redner zur Disziplin zu zwingen.

    Unkonventionelle Ansätze

    Seine Bereitschaft zur Veränderung und zu unkonventionellen Ansätzen wird der 67-Jährige, der 2021 aus dem diplomatischen Dienst ausschied, bei der Steuerung der ersten Münchner Sicherheitskonferenz in europäischen Kriegszeiten an diesem Wochenende brauchen.

    Das Gespräch über trennende Ansichten und Gräben hinweg, in München jahrelang durch den russischen Außenminister Sergej Lawrow als ständigen Gast symbolisiert, ist seit dem 24. Februar vergangenen Jahres schwieriger denn je. Nicht nur Russland, auch Iran fallen inzwischen als zwar problematische, aber bislang irgendwie selbstverständliche Gesprächsteilnehmer aus. Und auch mit China dürfte der Dialog im Bayerischen Hof noch weniger glattlaufen als in den Jahren zuvor.

    Russischer Außenminister nicht geladen

    Heusgen kennt sie alle, die auf westlicher Seite, in der Nato oder EU ohnehin, aber auch die auf der Gegenseite. Zugleich muss er sich natürlich die Frage gefallen lassen, wie viel Anteil er als Berater und Diplomat an westlichen Fehleinschätzungen hatte, die auch zur aktuellen konfliktgeladenen Situation geführt haben. Als größte Niederlage der Kanzlerschaft der von ihm außenpolitisch beratenen Regierungschefin Merkel, räumte er ein “dass es nicht gelungen ist, die europäische Sicherheitsordnung weiterzuentwickeln und diesen Krieg zu verhindern”.

    Das Verhältnis zu Russland sei inzwischen so belastet, dass es auch keinen Sinn mehr mache, mit dem russischen Außenminister zu sprechen: Nachdem Lawrow zur Konferenz im vergangenen Jahr zwar eingeladen war, aber nicht kam, habe er ihn “ausdrücklich nicht eingeladen. Der war immer ein Sprachrohr des Kreml.”

    Vom “Chairman” der “Munich Security Conference”, wie das vor 60 Jahren als “Wehrkundetagung” gestartete Münchner Treffen inzwischen internationalisiert heißt, wird in diesem Jahr allerdings eher Heusgens transatlantische Vernetzung gefragt sein. Die wird der gebürtige Rheinländer brauchen, wenn die Europäer auf politisches Gewicht und Eigenständigkeit ihres Kontinents pochen – was vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron wie von Bundeskanzler Olaf Scholz zu erwarten sein dürfte. Thomas Wiegold

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    Feministische Außenpolitik: Keine Einigkeit in der Ampel-Koalition

    Es war ein Reizwort, schon in den Koalitionsverhandlungen: Feministische Außenpolitik (FA). Vor allem auf Betreiben der Grünen wurde sie im Koalitionsvertrag mit einem eigenen Absatz verankert. So sollte die deutsche feministische Sicherheitspolitik die von Schweden entwickelte “3R”-Formel aufgreifen: die “Stärkung der Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen und Mädchen”. Klar ist: Außenministerin Annalena Baerbock will ihre FA um ein “D” für gesellschaftliche Diversität erweitern.

    Noch bevor Details der neuen deutschen FA bekannt werden, hat sich der Streit in der Koalition vor allem zwischen grüner und liberaler Bundestagsfraktion verschärft. Die grüne Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger, stellvertretende Vorsitzende ihrer Fraktion, wollte einen gemeinsamen Koalitions-Antrag zur FA in den Bundestag einbringen. Während die SPD dem zustimmte, kam vonseiten der FDP Widerstand. So erklärte FDP-Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff – designierter Botschafter in Moskau – im “Spiegel”: “Ein Antrag zur erfolgreichen Beschaffung ist aus unserer Sicht einfach wichtiger als ein Papier zur feministischen Außenpolitik.”

    Einbeziehung von Frauen ist “selbstverständlich”

    “Wir haben noch über zwei Jahre Zeit in der Ampel, ein Papier zur Feministischen Außenpolitik zu entwickeln”, sagt der FDP-Bundestagsabgeordnete Marcus Faber, Mitglied im Verteidigungsausschuss. Während vor allem viele ältere liberale Abgeordnete eine FA zum Teil offen ablehnen, ist sie für den 39-jährigen Verteidigungspolitiker Teil einer modernen Sicherheitspolitik: “Für uns ist die Einbeziehung von Frauen, zum Beispiel in der Entwicklungspolitik, selbstverständlich. Darüber muss man nicht streiten.”

    Nicht gestritten, aber lange gerungen hat man im Außenministerium um diese neuen feministischen Leitlinien. In einem ersten Teil wird der Anspruch formuliert, die Außenpolitik um einen neuen Fokus zu erweitern. Im Mittelpunkt soll nicht allein die traditionelle Sicherheitspolitik stehen. Bereiche wie Klima- und Gesundheitspolitik werden in den Vordergrund rücken. Darüber hinaus erkennt die neue FA strukturelle Ungleichheiten an. So sind vor allem im globalen Süden Frauen ungleich stärker von den Folgen von sexueller Gewalt und wirtschaftlicher Not betroffen.

    Außenministerin Baerbock betont jedoch, dass die deutsche FA eine “inklusive, intersektionale Außenpolitik ist, die die Bedürfnisse der gesamten Gesellschaft reflektiert”. Wesentliche Ansätze einer deutschen FA sollen auch Eingang in die Nationale Sicherheitsstrategie finden, die demnächst ebenfalls vorgestellt werden soll. “Natürlich gehört die Feministische Außenpolitik auch in die Nationale Sicherheitsstrategie”, erklärt die grüne Verteidigungspolitikerin Brugger.

    Expertin fordert ressortübergreifende FA

    In einem zweiten Teil sollen die neuen Leitlinien auch die Strukturen innerhalb des Auswärtigen Amtes (AA) verändern. Dies könnte sich auf den Auswahlprozess für Diplomatinnen und die Besetzung von Stellen und Botschaftsposten beziehen. “Feministische Außenpolitik braucht auch Strukturen wie ein eigenes Referat und entsprechende Haushaltsmittel. Die Idee einer Beauftragten finde ich gut, damit die Feministische Außenpolitik ein Gesicht bekommt”, sagt die Grüne Brugger.

    Kritikerinnen bemängeln, dass die Leitlinien des AA zu kurz greifen. Claudia Zilla, Expertin für FA bei der Stiftung Wissenschaft und Politik sagt: “Eine kohärente deutsche Feministische Außenpolitik kann es nur geben, wenn alle Ressorts daran beteiligt sind.” Bislang haben nur das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ansätze feministischer Sicherheitspolitik formuliert. “Will deutsche Außenpolitik feministisch sein, muss auch das Verteidigungs- oder Wirtschaftsministerium dabei sein.”

    FA muss realitätsnah sein

    Erst wenige Länder wie Schweden, Kanada und Mexiko haben sich zu einer Feminist Foreign Policy (FFP) bekannt. Die schwedische Außenministerin Margot Wallström hat 2014 eine FFP als Erste salonfähig gemacht. In vielen sicherheitspolitischen Kreisen hat sie allerdings bis heute einen schlechten Ruf. Sie gilt als pazifistisch, realitätsfern und polarisierend. Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges in der Ukraine wird es interessant zu sehen, wie praxistauglich eine deutsche FA sein wird.

    Dass sie durchaus “wehrhaft” sein kann, erklärt die Politikwissenschaftlerin Rachel Tausendfreund in ihrem Standpunkt (siehe unten): “Sich auf die Seite von Verbündeten zu stellen, die sich verteidigen oder gegen Unterwerfungsversuche kämpfen, muss mit einer modernen FA vereinbar sein.”

    Das sieht auch Verteidigungspolitikerin Brugger so. Ein gemeinsamer Antrag im Bundestag als Signal wäre wichtig: “Wir als Ampel-Koalition sollten im Bundestag ein gemeinsames Verständnis von FA entwickeln. Dafür gehe ich auch mit meinem lieben Kollegen Alexander Graf Lambsdorff und Herrn Kubicki einen trinken.”

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    Große Ballonflotten auf globaler Mission – im Auftrag Xis

    Wirkt so klein und harmlos, ist aber weder das eine noch das andere.

    Der Durchbruch gelingt im Jahr 2019 – viele Jahre bevor die amerikanischen Streitkräfte einen mutmaßlichen chinesischen Spionage-Ballon vor South Carolina vom Himmel holen und die Weltöffentlichkeit Zeuge wird, wie umfassend Chinas technische Fähigkeiten längst sind.

    Im August vor vier Jahren offenbart Professor Wu Zhe gegenüber der chinesischen Zeitung Nanfang Daily seinen Erfolg: Mit dem “Wolkenjäger” (追云 zhuiyun) habe erstmals ein unbemanntes Luftschiff in Höhen von 20 bis 60 Kilometern Höhe die Erde umkreist – inklusive Nordamerika. Der Dekan eines Forschungsinstituts in Peking hat eine klare Vision: lenkbare Ballons in den sogenannten nahen Weltraum schicken, um mit ihnen frühzeitig vor Naturkatastrophen zu warnen, Umweltverschmutzung zu überwachen oder auch Luftüberwachung durchzuführen.  

    Mehr als 200 Höhenballons

    Wu Zhe gehört zu den führenden Wissenschaftlern in der chinesischen Luft- und Raumfahrtforschung. Er forscht an der Beijing University of Aeronautics and Astronautics (Beihang, 北京航空航天大学). Seit fast zwei Jahrzehnten arbeitet er in der Luftschiffsentwicklung – einem Programm, das seit wenigen Wochen die Weltöffentlichkeit in Staunen versetzt.

    Chinas Ballonprogramm umfasst mehr als 200 Höhenballons und wird von der Strategischen Kampfunterstützungstruppe der Volksbefreiungsarmee geleitet”, sagt Carl Schuster von der Hawaii Pacific University im Gespräch mit Table.Media. Die PLASSF wurde im Dezember 2015 gegründet und ist eine von fünf Teilstreitkräften der Volksbefreiungsarmee. Ihr Auftrag: die Fähigkeiten der Armee in “informationellen Kriegen” (信息化战争, xìnxīhuà zhànzhēng) verbessern, unter anderem mit Ballons. Schuster ist Ex-Militär und forscht heute zu internationalen Beziehungen.

    Der nahe Weltraum als neues Schlachtfeld

    Ein Jahr zuvor hatte Staats- und Parteichef Xi Jinping der chinesischen Luftwaffe eine radikale Modernisierung verordnet. Er forderte, “die Luft- und Weltraumintegration zu beschleunigen und ihre offensiven und defensiven Fähigkeiten zu schärfen”. Chinas Militärexperten machen daraufhin den “nahen Weltraum” als entscheidendes Bindeglied aus.

    In einem langen Artikel der Militär-Zeitung “解放军报” aus dem Jahr 2018 heißt es: 临近空间也已经成为现代战争的一个新战场,是国家安全体系的一个重要环节. “Der nahe Weltraum ist zu einem neuen Schlachtfeld in der modernen Kriegsführung geworden.” Es gehe darum, den Raum in 20 bis 100 Kilometern Höhe zu beherrschen. Der Autor stellt fest: Diese Übergangszone zwischen Luft- und Raumfahrt ist abgesehen von gelegentlichen Durchflügen von Raketen ein bislang von Menschen unerforschter, leerer Raum.

    Zivil-militärischer Komplex

    Wie umfassend das Programm ist, zeigt ein Blick darauf, wie viele chinesische Unternehmen in Verbindung mit Chinas Ballon-Programm stehen sollen. Es handelt sich um einen umfassenden zivil-militärischen Komplex. Allein das US-Handelsministerium hat als Reaktion auf den Ballon-Vorfall sechs Unternehmen und ein Forschungsinstitut auf seine Sanktionsliste gesetzt:

    • Beijing Nanjiang Aerospace Technology Co.
    • China Electronics Technology Group Corporation 48th Research Institute
    • Dongguan Lingkong Remote Sensing Technology Co.
    • Eagles Men Aviation Science and Technology Group Co.
    • Guangzhou Tian-Hai-Xiang Aviation Technology Co.
    • Shanxi Eagles Men Aviation Science and Technology Group Co.

    Und hier schließt sich der Kreis zu Professor Wu Zhe, dem führenden chinesischen Wissenschaftler. Beijing Nanjiang Aerospace Technology gehört zum Immobilienkonzern Deluxe Family. Dieser wiederum ist ein enger Partner der Beihang Universität von Professor Wu. Auch Dongguan Lingkong soll über Umwege in die Beihang-Universität investiert haben. Und die ebenfalls genannte Firma Eagles Men wurde direkt von Wu Zhe mitbegründet.

    Missionen in dutzenden Ländern

    Wie wichtig China das Ballon-Programm ist, zeigt ein Artikel für das Magazin 环球 im März 2022. Dort heißt es: “Wer sich bei Fahrzeugen im nahen Weltraum einen Vorteil verschafft, wird in zukünftigen Kriegen die größere Initiative gewinnen können” 谁能在临近空间飞行器方面取得优势,谁也就能在未来战争中掌握更大的主动权.

    Seit Xis Forderung im Jahr 2014 hat sich ein umfassendes Programm entwickelt. “Es handelt sich um eine beträchtliche Anstrengung, an der mindestens sechs Unternehmen und ein Forschungsinstitut beteiligt sind”, sagt Timothy Heath von der US-Denkfabrik Rand Corporation zu Table.Media. Das chinesische Programm sei derart groß, um mit unzähligen Überwachungsballons mehrere Jahre lang Geheimdienstmissionen in Dutzenden Ländern durchzuführen, erklärt der Verteidigungsexperte.

    Ballons über drei Kontinenten

    US-Brigadegeneral Patrick S. Ryder offenbarte diese Woche, dass man in den vergangenen Jahren chinesische Ballons über Lateinamerika, Südamerika, Südostasien, Ostasien und Europa gesichtet habe. “Das ist es, was wir als Teil eines größeren chinesischen Überwachungsballonprogramms bewerten”, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums.

    Allein über Taiwan sollen in den vergangenen Jahren Dutzende chinesische Militärballons gesichtet worden sein. “Sie kommen sehr häufig, zuletzt vor ein paar Wochen”, sagte ein ranghoher taiwanischer Beamter der Zeitung “Financial Times”. Solche Übergriffe würden im Durchschnitt einmal im Monat stattfinden. Und auch aus Japan wird Ähnliches berichtet.

    Nato zeigt sich besorgt

    Die weite Streuung der Ballon-Sichtungen hat mit der Grundidee des Programms zu tun, von hohen Atmosphärenschichten aus die strategischen Rivalen im Blick zu behalten. “Chinas Ballon-Programm mit seinen 200 Höhenballons hat eine globale Mission”, sagt Carl Schuster. “Allerdings scheint die Priorität auf Gebiete und Regionen gerichtet zu sein, in denen strategische Ziele oder weltraumnahe Transitrouten zu diesen Zielen liegen.”

    Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigte sich zuletzt besorgt. “Wir sehen, dass China in den vergangenen Jahren stark in neue militärische Fähigkeiten investiert hat, einschließlich verschiedener Arten von Überwachungs- und Geheimdienstplattformen.”

    Auf die Frage, ob chinesische Ballons auch über Europa entdeckt wurden, sagte er: “Auch wir haben verstärkte chinesische Geheimdienstaktivitäten in Europa gesehen – auf verschiedenen Plattformen. Sie benutzen Satelliten, sie nutzen Cyber und, wie wir in den Vereinigten Staaten gesehen haben, auch Ballons.”

    Nicht alle Ballons, die in den vergangenen Tagen über den USA abgeschossen wurden, gehörten zum chinesischen Spionage-Programm, sagte US-Präsident Joe Biden am Donnerstag. Er kündigte zugleich an, in der Sache selbst, bald mit dem chinesischen Staatschef Xi zu sprechen.

    Startplätze in der Inneren Mongolei und auf Hainan

    Forscher des Middlebury Institute of International Studies (MIIS) im amerikanischen Vermont haben auf Satellitenbildern mindestens zwei chinesische Militärbasen ausfindig gemacht, von denen die chinesischen Ballons offenbar starten: Erstens die Dorbod Banner Anlage nahe der Grenze zur Mongolei. Mitte 2016 gebaut, verfügt sie über eine Startrampe von 350 bis 400 Metern, erklärt Sam Lair im Magazin Rolling Stone.

    Und zweitens eine Anlage auf der südchinesischen Insel Hainan. “Die gesamte Anlage ist von einem Sicherheitszaun umgeben und umfasst auch drei große Radarkuppelgebäude, in denen Radarantennen untergebracht sind”, erklärt Lair. Satellitenbilder von Mitte Januar zeigten zudem eine 140 Meter lange Startrampe samt Startausrüstung. Die US-Behörden sind überzeugt: Der inzwischen abgeschossene Ballon soll Mitte Januar von Hainan aus gestartet sein.

    News

    Nato-Partner vernetzen sich im All

    16 Nato-Staaten – darunter Deutschland, die USA, die Türkei – plus die Beitrittskandidaten Finnland und Schweden haben am Mittwoch eine Absichtserklärung unterschrieben, die die Einrichtung eines Projekts zum Austausch von Satellitendaten vorsieht. Aus einer Mitteilung des britischen Verteidigungsministeriums geht hervor, dass die Allied Persistent Surveillance from Space Initiative (APSS) 2025 einsatzbereit sein soll.

    Im Rahmen von APSS solle die “virtuelle Konstellation” Aquila eingerichtet werden, die ermöglichen soll, wie es in einer Nato-Mitteilung heißt, zu jedem Zeitpunkt weltweit Informationen zu sammeln und den Austausch weltraumgestützter Erkenntnisse zu verbessern. Sowohl staatliche als auch kommerzielle Satelliten sollen in das System integriert werden und die Daten militärisch nutzbar machen. Der frühzeitige Zuschuss von 16,5 Millionen Euro von Luxemburg habe den Grundstein für die Initiative gelegt, heißt es in der Mitteilung. bub

    Oslo: 7 Milliarden Euro für die Ukraine

    In den kommenden fünf Jahren unterstützt Norwegen die Ukraine mit 75 Milliarden Kronen, umgerechnet rund 7 Milliarden Euro. Die Hälfte der Mittel aus dem Nansen Support Programm soll in die militärische Unterstützung (Technik und Ausbildung von Soldaten) fließen, die andere Hälfte ist für humanitäre Zwecke bestimmt.

    Nach Angaben aus dem norwegischen Verteidigungsministerium erhält die Ukraine acht Leopard 2-Panzer sowie vier weitere Panzer, die nicht näher definiert sind. Hinzu kommen Munition und Ersatzteile. Die Ausbildung ukrainischer Soldaten für die Panzer soll in Polen stattfinden. Waffen und Munition kommen sowohl aus dem Bestand wie direkt von den Herstellern.

    Norwegen stellt zudem mehr als 3,5 Milliarden Euro an Hilfen für Entwicklungsländer zur Verfügung, die infolge des Krieges in der Ukraine betroffen sind. Wegen des russischen Krieges müssen ärmere Länder höhere Preise für Lebensmittel, Dünger und Energieträger aufbringen. vf

    • Norwegen
    • Ukraine

    Russland weist österreichische Diplomaten aus

    Das russische Außenministerium kündigt die Ausweisung von vier österreichischen Diplomaten an. Laut dem Ministerium sei das eine Reaktion auf den Entzug diplomatischer Visa bei vier russischen Diplomaten Anfang Februar.

    Der österreichische Botschafter in Moskau, Werner Almhofer, erhielt die Ausweisungsbescheide am Donnerstag, 16. Februar. Almhofer war in das russische Außenministerium einbestellt worden, wo ihm nach russischen Angaben auch eine Protestnote übergeben wurde.

    Die österreichischen Diplomaten müssen Russland bis zum 23. Februar verlassen. In der Nacht vom 23. auf den 24. Februar hatte Russland im vergangenen Jahr die Ukraine überfallen. vf

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    Presseschau

    ZDF Frontal – Digitale Söldner Uncovered: Eine Recherche von Journalisten aus über 30 Redaktionen zeigt, wie drei Männer aus einem Büro ohne Klingelschild in Tel Aviv Einfluss auf Wahlen in Kenia nehmen, sich in Telegram-Kanäle von Politikern hacken und eine Twitterflut auslösen, weil sie zur Machtdemonstration einen Emu für tot erklären. Die Hacker prahlen damit, von 33 Wahlen, 27 erfolgreich manipuliert zu haben. 29 Minuten zum Schauen. Und zum Lesen zum Beispiel bei Haaretz.

    Welt – “Ukrainer können in bevorstehenden Offensiven der Russen die Oberhand behalten” (Paywall): Der Generalinspekteur der Bundeswehr fordert im Interview verlässlichere Planungsmöglichkeiten für die Rüstungsindustrie, sagt, unter welchen Bedingungen eine Wehrpflicht militärisch sinnvoll wäre und welche Fragen man sich im Verteidigungsministerium stellen sollte (z.B. wie man sich verkleinert).

    Bloomberg – The World’s War Machine Is Running Low on Ammunition (Paywall): Rüstungsfabrikanten werden genauso wichtig wie Truppen, schreibt Bloomberg. Die Munitionsbestände gehen auf russischer und ukrainischer Seite zurück. Bei der Ukraine sei der Verbrauch deutlich höher, als die Nachproduktion, sagte Jens Stoltenberg kürzlich. Gute Übersicht, wie Rüstungshersteller auf beiden Konfliktseiten darauf reagieren.

    Climate.Table – Klimaschutz dient auch der Sicherheit der Bundeswehr: In seinem Standpunkt für unsere Kolleginnen und Kollegen aus der Klima-Redaktion erörtert Hans-Jochen Luhmann, Mitglied der VDW-Studiengruppe zur Sicherheitspolitik, was die Bundeswehr davon hat, wenn sie mehr auf Photovoltaik- und Windkraftanlagen setzt. Erste Schritte seien in Mali und Niger getan worden.

    Foundation for Defense of Democracies – Arsenal. Assessing the Islamic Republic of Iran’s Ballistic Missile Program: Der Iran baut seinen militärischen Einfluss massiv aus. Dieser Report wirft einen detaillierten Blick auf das iranische Raketenprogramm und welche Rolle sie in der Nationalen Sicherheitsstrategie spielen.

    Standpunkt

    Feministische Außenpolitik muss nicht wehrlos sein

    Von Rachel Tausendfreund
    Rachel Tausenfreund ist Senior Fellow am German Marshall Fund.

    Seit Monaten arbeitet ein Team im Auswärtigen Amt an Leitlinien für eine deutsche Feministische Außenpolitik (FA). Die Erwartungen sind hoch, aber mindestens ebenso groß ist die Skepsis. Letzteres sieht man an den Reaktionen auf die Proteste im Iran: Wenn eine deutsche feministische Außenpolitik keine Antwort gibt, dann ist sie wohl schon gescheitert, noch bevor sie begonnen hat.

    Als ob das Auswärtige Amt plötzlich so viel mehr Einfluss auf das Geschehen im Iran hätte und die Unterdrückung und Gewalt dort beenden könnte, nur weil es jetzt feministisch(er) agieren möchte. Es ist bereits FA, wenn die Außenministerin den Mut der Demonstrierenden lobt. Wenn sie Gewalt gegen Demonstrierende verurteilt. Wenn sie sich für mögliche legale Sanktionen einsetzt.

    Deutschland hat auch zusammen mit Island erfolgreich eine Resolution im UN-Menschenrechtsrat eingebracht, die die Gewalt der iranischen Führung gegen friedlich Demonstrierende untersuchen soll. Das ist vielleicht viel zu wenig, um das Leid der mutigen Demonstrantinnen in Iran zu beenden. Aber FA hat – wie jede Art von wertegeleiteter Außenpolitik – nur begrenzte Möglichkeiten: Sie muss ständig darum kämpfen, Idealismus und Realismus in Einklang zu bringen.

    Antworten auf bewaffnete Konflikte finden

    Nicht anders verhält es sich beim Thema Abrüstung und Militär. Deutschlands FA in der Praxis wird einen differenzierteren Umgang mit militärischer Gewalt zeigen müssen. Hier haben die Theoretikerinnen Nachholbedarf gegenüber den politischen Entscheidungsträgerinnen, die verstehen, dass mehr Waffen nicht immer und überall mehr Gewalt bedeuten.

    Sicherlich ist die Kriegsvermeidung bzw. die Konfliktprävention ein kluges und hehres Ziel deutscher Außenpolitik, das auch weiterhin betont und mit finanziellen Mitteln hinterlegt werden sollte. Aber die deutsche Außenpolitik muss auch Antworten finden in einer Welt, in der eine Seite Konflikte mit militärischen Mitteln lösen will.

    Auch wenn es in dieser komplexen Welt keine einfache Pauschallösung gibt, so gibt es doch ein einfaches Leitprinzip, mit dem man beginnen kann: Es gibt einen Unterschied zwischen Angriff und Verteidigung. Friedensbewegungen, in der auch die FA ihren Ursprung hat, sind wichtig, auch heute noch. Zivilgesellschaftliche Akteure, die für Verständnis, Verhandlungen, und gegen Gewalt plädieren, sind unabdingbar.

    Entschlossene Verteidigung, wenn nötig

    Eine wohlüberlegte Zurückhaltung also bei der Anwendung von Gewalt ist von entscheidender Bedeutung, ebenso wie die Wachsamkeit gegenüber einer Vermischung von Aggression und Reaktionsmaßnahmen, zum Beispiel durch “präventive” Angriffe. Eine pauschale Ablehnung von Gewalt hingegen kann sowohl der Unterwerfung als auch dem Frieden dienen. Sich auf die Seite von Verbündeten zu stellen, die sich verteidigen oder gegen Unterwerfungsversuche kämpfen, muss mit einer modernen FA vereinbar sein. Wie würde das in der Praxis funktionieren?

    Eine FA will die Rechte, die Repräsentanz, und die Ressourcen für Frauen und Mädchen stärken. Deutschlands feministische Sicherheitspolitik könnte zudem noch drei andere Rs beinhalten – nämlich ready, reluctant und resolved zu sein. Deutschland muss bereit (und ausgerüstet) sein, sich und andere auch militärisch zu verteidigen. Gleichzeitig muss Deutschland zurückhaltend sein, wenn es um die Eskalation oder den Eintritt in einen Konflikt geht.

    Diese Zurückhaltung kann als nützliche Kontrolle für Verbündete dienen, die gelegentlich zu schnell zu militärischer Gewalt greifen. Wenn jedoch der Versuch der Unterwerfung eines Volkes vorliegt, das willens und in der Lage ist, sich zu verteidigen, sollte Deutschland entschlossen sein, diese Verteidigung tatkräftig zusammen mit seinen Verbündeten zu unterstützen. Und das kann durchaus dann auf feministische Art gemacht werden.

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    Security.Table Redaktion

    SECURITY.TABLE REDAKTION

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