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Klimaschutz dient auch der Sicherheit der Bundeswehr

Von Hans-Jochen Luhmann
Hans-Jochen Luhmann, Emeritus am Wuppertal Institut und Mitglied der VDW-Studiengruppe zur Sicherheitspolitik.

Das Militär benötigt viel Energie. Die Bundeswehr ist da keine Ausnahme: Pro Jahr verbraucht sie 7,5 Terawattstunden, das entspricht etwa 15 Prozent des gesamten Energiebedarfs der öffentlichen Hand. Der Betrieb der Fahrzeuge verbraucht davon etwa die Hälfte; die andere Hälfte geht in die Heizung und den Betrieb der militärischen Liegenschaften – also vor allem der Kasernen. Dabei geben die offiziellen Zahlen des Verteidigungsministeriums nur wider, was im Inland verbraucht wird. Die Auslandseinsätze fehlen.

Doch auch bei der Bundeswehr steht die Energiewende an. Die Streitkräfte der USA sind führend darin, sich auf das nicht-fossile Zeitalter einzustellen, die NATO drängt. Die Bundeswehr verfügt bereits über ausgearbeitete, sinnvolle Konzepte. Jetzt kommt es darauf an, sie umzusetzen. Und dafür braucht es Geld.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat erklärt, dass die 100 Milliarden Euro extra aus dem Sondervermögen nicht reichen werden. Und der Mehr-Investitionsaufwand für die Energiewende ist darin noch gar nicht mit einberechnet. Wenn es um die Verteilung der knappen Mittel geht, stellt sich deshalb die Frage: Sind Energien aus erneuerbaren Quellen nur ein „nice to have“ oder ein Gewinn für die Sicherheit?

Verlässliche Energieversorgung durch Erneuerbare

Eine Antwort findet man, wenn man die Bedingungen der Auslandseinsätze näher betrachtet. Der Verbrauch zu Hause, unter Friedensbedingungen, wäre eine irreführende Größe, denn das Militär ist fürs Kämpfen da. Deshalb ist der Einsatz im Feld der richtige Maßstab. Dort kommt es vor allem darauf an, die sogenannten Einsatzliegenschaften – also die Basis der Soldatinnen und Soldaten – stabil und verlässlich mit Energie zu versorgen.

Bisher war die Stromproduktion und Heizung durch Diesel-Generatoren üblich. Doch der Diesel wird fernab produziert und muss – teils per Flugzeug und dann über Hunderte von Kilometern auf schlechten Pisten – ins Feldlager transportiert werden. Das verbraucht üblicherweise schon die Hälfte der Energie, die der Diesel dem Feldlager dann bringt – die Ineffizienz ist hoch. Hinzu kommt: Der Treibstofftransport ist die bei weitem riskanteste logistische Tätigkeit – solche Transporte sind ein häufiges Anschlagsziel. Was liegt also näher, als so weit wie möglich auf die dezentrale Nutzung von Sonnenenergie und Windkraft, zum Beispiel durch Photovoltaikanlagen zur Stromerzeugung, zu setzen?

Panzer brauchen E-Fuels

Bei den Fahrzeugen sieht es übrigens anders aus. Natürlich gibt es auch militärisch genutzte Kraftwagen, die wie ihre zivilen Pendants Batterie-elektrisch unterwegs sein werden. Für den Energieverbrauch des Militärs sind aber die Fahrzeuge für den Kampf am Boden, im Wasser und in der Luft weit wichtiger. Sie brauchen Energieträger höchster Energiedichte – und das werden auch weiterhin flüssige Kraftstoffe sein, nur dass sie in Zukunft nicht mehr aus fossilen Quellen kommen werden, sondern synthetisiert aus erneuerbaren Energien. Solche E-Fuels sind unersetzbar für den Antrieb von Kampfmaschinen, die ihren Treibstoff an Bord haben müssen.

Erste Schritte in Mali und Niger

Doch was die Liegenschaften im Auslandseinsatz angeht, so gilt: Hier ist die dezentrale Versorgung mit erneuerbaren Energien nicht nur wichtig für den Klimaschutz, sondern vor allem auch ein Sicherheitsgewinn. Sie vermindert das Risiko von Ausfällen aufgrund von Anschlägen.

Erste Schritte in die richtige Richtung sind bereits getan. Beim MINUSMA-Einsatz betreibt die Bundeswehr an den Standorten Mali und Niger Photovoltaik- und Windkraftanlagen. Daraus erzeugte sie dort in den Jahren 2020 und 2021 jeweils rund 1.400 Megawattstunden elektrische Energie und sparte etwa 450.000 Liter Diesel pro Jahr ein. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Versorgung der dortigen Einsatzliegenschaften der Bundeswehr lag im Jahre 2021 bei etwa zehn Prozent. Er muss in die Nähe von hundert Prozent kommen.

Völlige Autarkie zu Hause nicht möglich

Dasselbe steht zu Hause an. Die Bundeswehr nutzt in Deutschland 1.500 Liegenschaften, vulgo Kasernen, mit rund 33.000 Gebäuden. Sie sind energetisch auf keinem besseren Stand als andere Gebäude der öffentlichen Hand. Das bedeutet aber auch: Durch ihre Sanierung kann man wirtschaftlich viel gewinnen. Nicht umsonst hat das International Institute of Applied System Analysis (IIASA) schon 2012 in seinem Global Energy Assessment (GEA) Regierungsgebäude als „Goldmine“ bezeichnet.

Nun kann nicht alles abgerissen und neu errichtet werden. Ganz autark werden militärische Gebäude in Deutschland nicht funktionieren. Das heißt, sie bleiben von kritischer Infrastruktur abhängig. Doch auch hier kann eine zumindest teilweise dezentrale Energieversorgung die Sicherheit erhöhen. Die Bundeswehrliegenschaften sind selten verdichtet gebaut. Sie bieten Platz für Wind- oder Photovoltaik-Kleinanlagen, die Bedarfsspitzen in Krisenzeiten abzudecken vermögen.

Die erneuerbaren Energien schützen das Klima – doch weil sie durch kleine, modulare und dezentrale Anlagen erzeugt werden können, bringen sie dem Militär zusätzlich einen beachtlichen Gewinn an Sicherheit. Bei der Verteilung knapper Investitionsmittel aus dem Verteidigungshaushalt muss das eine Rolle spielen.

Hans-Jochen Luhmann ist Mitglied im Beirat der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) und in der VDW-Studiengruppe zur Sicherheitspolitik. Er ist Emeritus am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, an dem er 20 Jahre lang insbesondere zu umweltsteuerlichen Fragen gearbeitet hat. Zuvor war er zehn Jahre lang Chefökonom eines Ingenieurunternehmens mit Einsätzen im Jemen, Äthiopien und Brasilien.

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