zwei Wochen später als geplant stellt Eva Högl, Wehrbeauftragte des Bundestages, heute Vormittag ihren Jahresbericht vor. Er dürfte nicht viel besser aussehen als der der vergangenen Jahre. Der Bundeswehr fehle es weiterhin an allem, wurde sie gestern in den Medien zitiert.
Das Future Combat Air System (FCAS) ist ein hauptsächlich deutsch-französisches Prestigeprojekt – und es ist ein zähes. Die Zusammenarbeit zwischen Airbus und Dassault war nie einfach. Am 20. März soll aber nun endlich die Phase 1B beginnen, die eigentliche Phase der Technologieentwicklung, die dann, so der Plan, 2028/2029 in der Fertigstellung der Demonstratoren mündet. Nana Brink hat mit Michael Schöllhorn, CEO von Airbus Defence and Space über die wichtige Phase 1B, die Rolle Frankreichs und KI als Entscheidungsfinder gesprochen.
Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine schürt auch hierzulande Ängste. Doch sie scheinen innerhalb der Zivilgesellschaft weitestgehend folgenlos zu bleiben. Es fand im vergangenen Jahr vor allem eine politische Zeitenwende statt, wie Sie in meiner Analyse nachlesen können.
Generalleutnant Carsten Breuer soll neuer Generalinspekteur der Bundeswehr werden. Der 58-Jährige ist derzeit Befehlshaber des neuen Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr. Wer noch seinen Posten räumen muss, lesen Sie in den News.
Wenn Ihnen der Security.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Und wenn Ihnen diese Mail zugeleitet wurde: Hier können Sie sich für das Security-Briefing und weitere Themen anmelden.
Eine spannende Lektüre wünscht Ihnen
Vorgestellt wurde das Projekt gestern Abend zum ersten Mal einem größeren Kreis von Vertretern aus Politik und Rüstung. Vielen Experten gilt FCAS als Europas letzte Chance, ein gemeinsames Verteidigungsprojekt auf den Weg zu bringen. Das 2017 von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron initiierte Projekt galt als “politisch” gewollt.
Die beiden größten Industriepartner, Airbus Defence and Space (für Deutschland) und Dassault Aviation (für Frankreich), eigentlich Konkurrenten, konnten sich lange nicht auf einen Vertrag zur Fertigstellung eines sogenannten Demonstrators einigen. Man stritt um die Frage, wer die Führung in den komplexen Teilen dieses Kampfjetsystems einnehmen soll. Der Streit scheint mit Vertragsunterzeichnung zumindest nach außen hin geschlichtet.
Dassault Aviation übernimmt die Entwicklung des Next Generation Fighters (NGF) und Airbus unter anderem die Führung im Bereich der Remote Carrier. Diese unbemannten Plattformen übernehmen sowohl Aufklärungs- wie Verteidigungsaufgaben. Sie machen mithilfe von KI der 3. Generation den NGF zu einem komplexen Verteidigungssystem, das es so noch nie gegeben hat. Viele Insider allerdings sehen den Erfolg des 100-Milliarden-Projektes über die jetzt beginnende Phase 1B hinaus nicht als gesichert.
Herr Schöllhorn, die Phase 1B beginnt – warum ist sie so wichtig für das Projekt FCAS?
Nach Jahren der konzeptionellen Vorarbeit steigen wir jetzt in die Technologieentwicklung ein. Das ist ein wichtiger Meilenstein für alle Beteiligten. Unser Ziel ist es, bis 2028/2029 eine Reihe von flugfähigen und bodengestützten Demonstratoren zu entwickeln, mit denen wir wichtige Komponenten des FCAS erproben werden. Unbemannte Remote-Carrier-Demonstratoren etwa, mit denen wir das Zusammenspiel bemannter und unbemannter Flugzeuge testen, oder den Kampfflugzeug-Demonstrator für den New Generation Fighter. Durch diese Herangehensweise reduzieren wir das Risiko, dass später etwaige technologische und konzeptionelle Komplikationen auftreten.
Die Verhandlungen waren in der Vergangenheit enorm schwierig. Das Projekt stand mehrfach auf der Kippe – worauf kommt es jetzt in der Zusammenarbeit zwischen den Partnern besonders an?
Es geht jetzt darum, gemeinsam an den technischen Lösungen zu arbeiten und sowohl das Vertrauen ineinander als auch die gegenseitige Wertschätzung weiter auszubauen.
Es wird immer wieder in den Medien geschrieben, Frankreich habe die “Führung”, was ist damit gemeint?
Für uns zählt, dass sich alle drei Partnernationen – Deutschland, Frankreich und Spanien – zu gleichen Teilen im Programm engagieren und entsprechende Arbeitsanteile für ihre Industrien erhalten, quantitativ wie auch qualitativ. Bei FCAS haben wir einen Rahmen für die Zusammenarbeit mit Partnern auf gleicher Ebene, der in einzelne Arbeitspakete unterteilt ist. Die Rollen und Verantwortlichkeiten sind klar definiert: Für jeden Bereich gibt es ein führendes Unternehmen, einen sogenannten “Prime”, der die Richtung vorgibt, und “Main Partner”, die auf Augenhöhe in die Entwicklungen involviert sind. Airbus, etwa, verantwortet die Remote Carrier, Combat Cloud und Stealth-Technologien. Zudem dürfen alle Partner das, was in Demonstrator Phase 1B gemeinsam entwickelt wird, gleichermaßen nutzen.
Sollte FCAS scheitern, was natürlich passieren kann: Welchen Nutzen zieht Airbus aus diesem Projekt, das mit beträchtlichen Steuermitteln finanziert wird und was bringt es für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands?
Es gibt den politischen Wunsch in Europa, die eigene Industrie wettbewerbsfähig zu halten und ihre Technologieentwicklung zu fördern. Dazu braucht man ein Projekt wie FCAS. Insofern sind wir zuversichtlich, dass FCAS ein Erfolg wird. Dazu werden wir unseren Beitrag leisten. FCAS wird nicht nur die Zukunft von Airbus wesentlich prägen, sondern ist auch für ganz Europa ein großer, wichtiger Schritt nach vorne: Das Programm vereint das Fachwissen der führenden europäischen Unternehmen in den Bereichen bemannte und unbemannte Flugzeuge, Raumfahrt und Aufklärung, wird tausende neue Jobs in Europa schaffen und die europäische Souveränität sicherstellen.
Welche Rolle wird Künstliche Intelligenz (KI) in einem FCAS spielen?
KI wird eine herausragende Rolle spielen. Zum Beispiel bei der Informationsgewinnung, Lagebild-Erstellung, Entscheidungsfindung und Steuerung der Luftfahrzeuge.
Erfordert die Rolle von KI in Waffensystemen nicht eine breite öffentliche Diskussion?
Diese Debatte ist in der Tat wichtig, und deshalb führen wir sie auch. So haben wir schon 2019 mit der Fraunhofer-Gesellschaft eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, in der sich führende Expertinnen und Experten damit beschäftigen, wie sich KI in einem System wie FCAS verantwortlich nutzen lässt. Darüber hinaus entwickeln wir gemeinsam ein KI-Demonstrations-Tool, das uns dabei helfen soll, ethische Aspekte in Entwicklung und Betrieb des FCAS zu berücksichtigen. Das hat es meines Wissens in einem Verteidigungs-Programm so noch nicht gegeben. Die Diskussion kann übrigens jeder, der sich dafür interessiert, mitverfolgen.
Wie unterscheidet sich die Kooperation bei FCAS von der Zusammenarbeit in anderen transnationalen Programmen, zum Beispiel beim Eurofighter oder dem Transportflugzeug A400M?
Bei FCAS werden die Ingenieurinnen und Ingenieure der beteiligten Unternehmen in integrierten Arbeitsbereichen zusammenarbeiten, zum Beispiel bei Airbus in Manching bei Ingolstadt, in Friedrichshafen am Bodensee, in Getafe nahe Madrid oder in Elancourt bei Paris. Diese Plateaus, in denen wir an Remote Carriern, Stealth-Technologien, der Combat Cloud oder dem New Generation Fighter arbeiten, sind für uns alle eine ganz neue Erfahrung, auf die ich mich freue.
Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine hat das persönliche Sicherheitsempfinden der meisten Menschen in Deutschland nachhaltig verändert. Nicht nur steigende Preise, Energieunsicherheit und Inflation sorgen für Verunsicherung.
63 Prozent der Befragten einer Studie des Allensbacher Instituts gaben an, sich Sorgen zu machen, dass Deutschland in einen militärischen Konflikt hineingezogen werden könnte (Stand Januar 2023). Zu einem noch höheren Ergebnis (69 Prozent) kam eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, die die Kriegsangst in vier EU-Staaten untersuchte.
Die Studie des Allensbacher Instituts stellt aber auch fest: Fragt man die Menschen, ob sie eine militärische Auseinandersetzung, in die Deutschland verwickelt ist, als eine ganz persönliche Bedrohung wahrnehmen, beantworten dies 47 Prozent der Befragten mit Ja. Das ist zwar eine deutliche Steigerung des persönlichen Bedrohungsgefühls im Vergleich zum Vorjahr ist (21 Prozent), doch die Angst der Menschen in Deutschland bleibt weiterhin eher diffus.
Auch Gabriele Woidelko, Leiterin Bereich Geschichte und Politik bei der Körber-Stiftung, stellt eine gestiegene Angst vor einem Krieg in Deutschland fest. “Ich denke aber, dass diese Realität, was Krieg bedeuten kann und welche Vorsorge man treffen muss, noch nicht ganz bei den Deutschen angekommen ist”, sagt Woidelko.
Der Krieg rufe zwar bei Älteren Erinnerungen wach, doch es gebe kaum Hinweise darauf, dass Menschen sich gezielt auf eine Flucht vorbereiteten. Stattdessen seien es eher Naturkatastrophen oder ein möglicher Blackout, der dafür sorgt, dass Menschen aktiv würden und zum Beispiel Notvorräte anlegten. Das Ansehen der Bundeswehr ist in den vergangenen Monaten dagegen gestiegen, stellt Woidelko fest.
Direkte Folgen für die Truppe hat dies bislang kaum. Eine Sprecherin der Bundeswehr in Köln teilte auf Nachfrage von Table.Media mit: “Im März 2022 stieg die Zahl der Erstberatungen kurzfristig an. Schon ab April lagen die Zahlen wieder auf dem durchschnittlichen Vorkriegs-Niveau von etwa 7.000 Erstberatungen pro Monat.” Die Bewerbungszahlen für den Dienst in der Bundeswehr seien tendenziell rückläufig.
Das Verteidigungsministerium teilte vergangene Woche mit, die Rekrutenzahlen seien zwar im Vergleich zum Vorjahr um 12 Prozent angestiegen (insgesamt 18.775 neue Soldaten) – das Vor-Corona-Niveau wurde damit aber noch nicht erreicht (20.170 Soldaten). Eine Rückkehr zur Wehrpflicht, wie etwa in Lettland, ist in Deutschland bislang nicht vorgesehen.
Betrachtet man die organisierte Hilfe, zum Beispiel durch gemeinnützige Unternehmen, Vereine oder Stiftungen, zeichne sich bereits seit mehreren Jahren ein Trend ab: “Wenn es darum geht, als Zivilgesellschaft den akuten Herausforderungen zu begegnen, die Ärmel hochzukrempeln und anzupacken, wenn es drauf ankommt, ist auf die Zivilgesellschaft Verlass. Das beständige ehrenamtliche Engagement allerdings lässt nach. Die Menschen wollen sich immer weniger verbindlich engagieren”, sagt Birthe Tahmaz, Projektleiterin bei Zivilgesellschaft in Zahlen (ZiviZ) im Stifterverband. Veränderungen durch den Ukraine-Krieg seien nicht absehbar.
Am Alltag der meisten ändert sich also nichts. Konkret wirkt sich die fundamental veränderte Sicherheitslage vor allem auf politischer Ebene aus. “Das, was Bundeskanzler Scholz vor einem Jahr Zeitenwende genannt hat, war für Deutschland ein vollständiger Paradigmenwechsel. Deutschland als Land der Mitte muss sich völlig neu finden”, sagt Woidelko.
Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte sei es verständlich, dass Deutschland hier zögere und zaudere. Auch die Kritik an der schlechten Kommunikation von Scholz kann Woidelko nachvollziehen. “In Krisenzeiten sehnen sich Menschen nach Orientierung, nach Führung im Sinne eines lösungsorientierten Vorgehens.”
Mit Boris Pistorius stehe jetzt jemand an der Spitze des Verteidigungsministeriums, der die Probleme benenne und sage, wie sie behoben werden. “Das ist das, worauf viele Menschen gewartet haben. Das hat viel mit dem neuen Bedrohungsgefühl zu tun”, erklärt Woidelko.
Trotzdem gebe es in Deutschland keinen Trend zum Heldentum, wie etwa Wolodymyr Selenskyj zuweilen international als einer dargestellt wird: “Wir sehen rundherum in der Welt, dass die Länder, die reihenweise Erzählungen über Helden und Heldentum produzieren, nicht unbedingt besonders fest auf dem Boden der Demokratie stehen.”
Was sich für Zivilgesellschaft und Politik gemeinsam geändert hat, ist der neue Blick auf Russland sowie die Ukraine. Laut des Munich Security Report 2023 ist die Gefahr, die von Russland ausgeht, auf Platz 1 des Index (Zunahme von 25 Punkten), noch vor Masseneinwanderung, einer Wirtschafts- oder Finanzkrise und Cyberattacken. China ist ebenfalls im oberen Drittel der Risikoskala. Auch der Blick auf die Ukraine hat sich geändert, so Woidelko, man spreche jetzt viel mehr mit statt über die Ukrainer.
Generalleutnant Carsten Breuer (58) soll neuer Generalinspekteur der Bundeswehr werden und damit General Eberhard Zorn ablösen. Auch die mit der weitgehend erfolglosen Ex-Ministerin Christine Lambrecht ins Ministerium gekommene Staatssekretärin Margaretha Sudhof soll ihren Posten räumen.
Breuer ist derzeit Befehlshaber des neuen Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr, das er aufgebaut hat. Öffentliches Interesse fand auch seine Aufgabe als Leiter des Corona-Krisenstabs im Kanzleramt. Er hatte die Koordinierung behördlicher Maßnahmen übernommen. Seitdem hat er enge Drähte ins Kanzleramt.
Ende Februar hatte sich Kanzler Olaf Scholz zufrieden mit der bisherigen Arbeit des Führungskommandos gezeigt. Er habe den Eindruck, “dass alle innerlich motiviert sind und jetzt mit größerem Tempo, als es vielleicht früher mal der Fall war, Dinge voranbringen, die auch wirklich schnell realisiert werden müssen”, sagte der SPD-Politiker bei einem Besuch des Kommandos in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin.
Breuer hatte im September vergangenen Jahres erklärt, er wolle die Reaktionsfähigkeit auf eine gezielte Destabilisierung zügig verbessern. Ihm kommt nun die Aufgabe zu, aus der jahrelang vernachlässigten Bundeswehr eine breit gefechtstaugliche Truppe zu machen.
Staatssekretärin Sudhof muss ihren Stuhl nach dpa-Informationen räumen. Der “Spiegel” berichtete am Montag, Pistorius werde seinen engen Vertrauten Nils Hilmer als Staatssekretär im Bendlerblock installieren. Die Verwaltungsjuristin Sudhof war zuvor unter Lambrecht schon im Justizministerium gewesen. klm/dpa
Die Ankündigung hochrangiger Vertreter Saudi-Arabiens und Irans, nach sieben Jahren Eiszeit wieder diplomatische Beziehungen aufzunehmen, hat die israelische Führung kalt erwischt. Aus dem Umfeld Ministerpräsident Benjamin Netanjahus wurde dessen Vorgänger Jair Lapid für die Annäherung verantwortlich gemacht. Israel warnt seit Jahren vor wachsendem Einfluss Irans im Nahen Osten und hat der Führung in Teheran wiederholt mit Militärschlägen gedroht.
Zudem strebte Netanjahu zuletzt ein Friedensabkommen Israels mit Saudi-Arabien an, das durch die Einigung Riads mit Teheran nun infrage gestellt sein könnte. Am vergangenen Freitag hatten Vertreter Saudi-Arabiens und Irans in Peking bekanntgegeben, in den kommenden beiden Monaten ihre Botschaften neu zu eröffnen und die diplomatischen Beziehungen wieder aufzunehmen.
Die vom Iran aufgebaute libanesische Hisbollah begrüßte das Abkommen, ihr Generalsekretär Hassan Nasrallah bezeichnete es am Wochenende als “gute Entwicklung”, die “nicht auf unsere Kosten gehen” werde. Auch die palästinensische Hamas, die ebenfalls vom Iran unterstützt wird, äußerte sich positiv über die Annäherung zwischen den beiden rivalisierenden Hegemonialmächten. “Wir hoffen, dass das Abkommen zu Stabilität führt und die positive Atmosphäre in der Region verbessert”, hieß es in einem Statement.
Auch im Jemen, wo sich Verbündete Saudi-Arabiens und Irans seit 2015 in einem Stellvertreterkrieg gegenüberstehen, traf die Einigung auf Zustimmung. “Die Region muss zurückkehren zu normalen Beziehungen zwischen Staaten”, sagte ein Sprecher der vom Iran unterstützten Houthi-Rebellen. mrb
Am kommenden Samstag endet das UN-Getreideabkommen zwischen der Ukraine, Türkei und Russland. Eine Verlängerung ist noch nicht in Sicht. Zugleich berichtet die stellvertretende ukrainische Ministerin für Handel und Landwirtschaft, Julia Swyrydenko, dass ihr Land dringend eine Initiative zur Minenräumung brauche, um vermintes Gelände, darunter landwirtschaftliche Gebiete, freizuräumen.
Müsste die Ukraine nur mit den eigenen Ressourcen die gesamte verminte Fläche räumen, würde das nach Aussagen Swyrydenkos 70 Jahre dauern. “Wir brauchen eine Art Ramstein gegen Minen“, bat Swyrydenko kürzlich in einem Gespräch mit Vertretern des kanadischen Parlaments.
Wie viel Fläche der Ukraine tatsächlich vermint oder wegen nicht detonierter Kampfmittel nicht nutzbar ist, lässt sich nur schwer schätzen. Regierungschef Denys Schmyhal sprach Anfang Januar von 40 Prozent der Landesfläche. Das wäre mehr als die Hälfte Deutschlands.
Die Folgen des Krieges, darunter Landminen und Kampfmittelreste, behindern massiv die Landwirtschaft. Nach Untersuchungen der Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen mussten in den Kampfgebieten 38 Prozent der Landwirte ihre Arbeit einstellen oder einschränken. In der gesamten Ukraine sind es im Durchschnitt 25 Prozent. Diese Daten vom Dezember 2022 beziehen sich auf das erste Kriegsjahr. Für dieses Jahr erwartet die größte landwirtschaftliche Vereinigung der Ukraine 20 Prozent weniger Mais-Aussaat, berichtet Reuters.
Laut der Kyiv School of Ecomomics betragen die Schäden in der ukrainischen Landwirtschaft infolge des Krieges bereits jetzt rund 4,20 Milliarden Euro. Allein für die Untersuchung und Säuberung der von Kämpfen erfassten landwirtschaftlichen Flächen brauche die Ukraine 430 Millionen Euro, schreiben die Wissenschaftler.
Noch 2021 belegte die Ukraine beim Weizenexport den sechsten Platz weltweit und beim Mais den dritten. Russlands Krieg stoppte den Export für gut fünf Monate ganz, trieb die Lebensmittelpreise weltweit stark in die Höhe, bis das Getreideabkommen ausgehandelt wurde. Aktuell versuchen die Vereinten Nationen in Genf eine Verlängerung des Abkommens zu erreichen.
Kiew hat seine Bereitschaft signalisiert und würde das Abkommen statt wie bisher für jeweils 120 Tage lieber für ein Jahr vereinbaren. Moskau will dagegen nur einer Verlängerung von 60 Tagen zustimmen und fordert etwa die Aufhebung der Blockade des russischen Düngemittels, das in baltischen Häfen festgesetzt ist. Die erste Verlängerung des Abkommens endet am 18. März. vf
US-Präsident Joe Biden, Australiens Premierminister Anthony Albanese und der britische Premierminister Rishi Sunak haben gestern Einzelheiten zu U-Boot-Lieferungen an Australien im Rahmen des Militärbündnisses AUKUS (Australien, Vereinigtes Königreich, USA) verkündet. Die drei Regierungschefs hatten sich in San Diego in Kalifornien getroffen.
In drei Phasen soll AUKUS voranschreiten:
Albanese betonte die historische Bedeutung für sein Land. “Heute beginnt ein neues Kapitel zwischen unseren Nationen.” Das Abkommen werde dafür sorgen, “die Meere für Jahrzehnte frei und offen zu halten”, sagte Sunak.
Der Pakt kann als Reaktion auf Chinas Aufrüstung im Indopazifik gesehen werden. Nach Unterzeichnung des Vertrages 2021 hatte es Verstimmungen zwischen Frankreich und den AUKUS-Ländern gegeben, weil ein Vertrag über französische U-Boot-Lieferungen über mehr als 50 Milliarden Dollar nach Australien geplatzt war.
Washington und London hatten in den Tagen vor der Verkündigung Einblicke in die kommenden Militärbudgets gegeben. Das Vereinigte Königreich will seine Verteidigungsausgaben in den kommenden zwei Jahren um rund 5,5 Milliarden Euro erhöhen. 2022 hatten die britischen Verteidigungsausgaben knapp 65 Milliarden Euro betragen.
Das Weiße Haus teilte vergangene Woche mit, es wolle im kommenden Jahr 827 Milliarden Euro für die Nationale Sicherheit ausgeben, von denen 785,6 Milliarden Euro dem US-amerikanischen Verteidigungsministerium zugutekommen sollen – 3,2 Prozent mehr als für 2023 vorgesehen.
Die US-amerikanischen Pläne sehen unter anderem vor, 172,9 Milliarden Euro für die Army, 241,8 Milliarden Euro für die Air Force und 238,7 Milliarden Euro für die Navy auszugeben. bub
ZDF – Wir Deutschen und die Bundeswehr: Alte Fragen werden vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine wieder aktuell: Was ist uns unsere Freiheit wert? Wie steht unsere Gesellschaft zur Bundeswehr? Die Terra-X-History-Dokumentation beleuchtet “die Geschichte einer schwierigen Beziehung”, mit Expertinnen und Experten wie Ulrike Franke, Sönke Neitzel, Christian Mölling und weiteren. 45 Minuten.
Crisis Group – The Global South and the Ukraine War at the UN: Hinter der nüchternen Überschrift verbirgt sich eine komplexe Mischung verschiedener Positionen asiatischer, lateinamerikanischer und afrikanischer Staaten in ihrer Haltung zum russischen Krieg gegen die Ukraine. So geeint die Staaten den Überfall auf die Ukraine verurteilen, so uneinig sind sie darüber, wie der Krieg gestoppt werden kann. Eine gute Übersicht über die schwierige Suche nach einem Weg zum Frieden in der Ukraine.
Süddeutsche Zeitung – Das fängt ja gut an (Paywall): Verteidigungsminister Boris Pistorius legt ein beeindruckendes Tempo in seinem neuen Amt vor. Die Begeisterung in der Truppe für ihn ist groß, das Risiko in diesem Amt zu scheitern ebenso. Was Pistorius von seinen Vorgängerinnen und Vorgängern unterscheidet? Er denkt nicht an den nächsten Karriereschritt. Das könnte hilfreich sein, die unzähligen Baustellen in der Bundeswehr anzugehen.
The Guardian – Russia has lost its soft power: Seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine steigt in Ländern wie Armenien, Georgien, Moldawien oder Kasachstan die Angst vor Russlands Aggression; Verbündete Russlands bewerten Moskaus Rolle als stabiler Partner neu. Allerdings verliert Russland immer mehr an “Soft Power”, an Einfluss, da vor allem Menschen, die nach dem Zerfall der Sowjetunion geboren wurden, sich offen dagegen auflehnen, wie man aktuell am Beispiel Georgien erkennt.
SIPRI – Surge in arms imports to Europe, while US dominance of the global arms trade increases: Russlands Krieg gegen die Ukraine verändert den Waffenhandel. Im aktuellen Bericht über den globalen Rüstungshandel legt das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI dar, dass Russlands Exporte stark gefallen sind, während Europa zunehmend mehr Waffen importiert. Die USA bleiben die mit Abstand größten Waffenexporteure und steigern ihren Anteil auf 40 Prozent. Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Insgesamt wurden im Zeitraum 2018-2022 global weniger Waffen gehandelt als im Zeitraum 2013-2017.
Niger ist derzeit die einzige Hoffnung der westlichen Partner in der Sahelregion, wo Dschihadisten, Putschisten und Russland auf dem Vormarsch sind. Das Land leidet wie Mali und andere Sahelstaaten unter schwacher Staatlichkeit, einem rasanten Bevölkerungswachstum und steigender Armut. Das alles spielt Dschihadisten und anderen kriminellen Gruppen in die Hände.
Anders als in Mali und in Burkina Faso mit seinen Militärregierungen gibt es mit Präsident Mohamed Bazoum in Niger einen gewählten Regierungschef, der auf den Westen als Partner setzt. Aber auch in Niger gibt es ein starkes antifranzösisches Sentiment, das pro-russische Trolls in den sozialen Medien ausnutzen, um Stimmung gegen Bazoums Kurs zu machen.
Die neue Niger-Mission soll eine Aufklärungseinheit der nigrischen Armee, eine technische Schule sowie weitere Kräfte ausbilden und basiert somit auf den Erfahrungen, der im Dezember ausgelaufenen deutschen Ausbildungsmission, wo die Bundeswehr in Tillia im Nordwesten des Landes eine Ausbildungsakademie gebaut hat. In der Hauptstadt wurde zudem eine Aufklärungseinheit ausgebildet und mit Drohnen und Nachtsichtgeräten ausgerüstet. Der Niger-Einsatz wird deutlich kleiner als die bisherige EU-Ausbildungsmission EUTM, die von 2013 bis 2022 tausende malische Soldaten ausgebildet hatte – ohne erkennbare Resultate.
Die malischen Streitkräfte sind immer noch in denkbar schlechtem Zustand – dies liegt zwar hauptsächlich an der Korruption innerhalb der malischen Armee. Die EU-Idee, wahllos Soldaten aus verschiedenen Einheiten in Grundfähigkeiten der Infanterie mit Spielzeuggewehren anstelle von richtigen Waffen auszubilden, war aber auch von Anfang an wenig erfolgversprechend. Trotzdem wurde das Mandat der Mission Jahr für Jahr erneuert und das Training erst beendet, als sich Mali russische Söldner als Partner ins Land holte.
Erfolge gab es hingegen bei der Ausbildung nigrischer Streitkräfte durch die Bundeswehr in den vergangenen Jahren – Deutschland hatte wie andere EU-Mitglieder jeweils eine Spezialkräfte-Einheit ausgebildet, die bessere Vorkenntnisse als die malischen Soldaten hatte. Man übte zudem mit scharfen Waffen und campierte zusammen in der Wüste.
Die Bundeswehr übergab zum Abschluss eine Ausbildungsakademie und ließ wie andere Europäer Personal da, um das Training und die über Jahre aufgebauten persönlichen Beziehungen fortzusetzen. Die nigrischen Kräfte einschließlich der Aufklärungseinheit werden seit ihrer Ausbildung im Dreiländereck mit Mali und Burkina Faso gegen Dschihadisten eingesetzt. Niger soll zudem Waffen und Ausrüstung im Wert von 40 Millionen Euro bekommen – dies wurde letzte Woche von ursprünglich 25 Millionen Euro heraufgesetzt.
Dieser Ansatz eines persönlichen Trainings mit geringem Personal soll der Leitgedanke der neuen EU-Mission werden. Der Einsatz geht zunächst mit zehn Mann an den Start – der erste deutsche Teilnehmer ist bereits in Niamey eingetroffen. Kommandeur ist ein Italiener und Chief of Staff ein Franzose. Die Mission wird viel mit mobilen Trainern arbeiten und daher mit einem Minimum an Personal erst einmal vor Ort auskommen – die Mission wird also viel kleiner als der Mali-Einsatz. Dort ist die Bundeswehr auch bis Mai 2024 noch mit 1200 Soldatinnen und Soldaten an einer Blauhelm-Mission beteiligt. Bei EUTM stellte die Bundeswehr bis 2022 bis zu 300 Mann.
Ein anderer wichtiger Grund, warum die EU mit einer kleinen Mission in Niger startet, ist eine zunehmende anti-französische Stimmung in der Bevölkerung. Die Opposition lehnt die Stationierung ausländischer Truppen ab, es gab bereits Demonstrationen. Mehr als 2000 französische Truppen sind schon im Land, die zum Teil aus Nord-Mali dorthin verlegt wurden.
Französische Offizielle hatten nach dem Ende des Anti-Terror-Einsatzes im Nachbarland leichtfertig eine Verlegung nach Niger angekündigt und dann schnell zurückgerudert nach einem Aufschrei der Opposition. Niger macht zudem ungern multilaterale Abkommen und wollte deswegen wohl auch keine größere EU-Mission akzeptieren. Die Bundeswehr baut parallel ein Lazarett für rund 50 Millionen Euro.
Bei der Entscheidung für eine kleine Mission mag auch eine Rolle gespielt haben, dass Niger derzeit mit ausländischen Hilfen überschüttet wird – militärische Unterstützung, humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit. Westliche Staaten fahren ihr Engagement in Mali und Burkina Faso wegen der dortigen Militärregierungen zurück und verlegen Personal und Hilfeprogramme nach Niger und Senegal, wo es demokratisch legitimierte Regierungen gibt.
In Niger, das zu den ärmsten Ländern der Welt gehört, hat dies den unerwünschten Nebeneffekt, dass Korruption in die Höhe schießt, da es kaum staatliche und zivilgesellschaftliche Akteure gibt, die die Hilfsprogramme umsetzen können. Weniger dürfte da eher mehr sein. Bei Bazoums Regierung verfestigt sich zudem die Einstellung, dass Niger als “die Guten” alles verlangen können.
Niger hat etwa zusätzlich zur EU-Hilfe per bilateraler Abkommen umfangreiche militärische Ausrüstung von westlichen Ländern bekommen – Diplomaten sagen offen, dass zum Teil Material doppelt geliefert wurde, man aber Niger nicht “vor den Kopf stoßen wollte”. Eine kleine EU-Mission dürfte auch an Niger das richtige Signal sein, erst mal abzuwarten, wie das Training anläuft, bevor mehr Soldaten kommen.
zwei Wochen später als geplant stellt Eva Högl, Wehrbeauftragte des Bundestages, heute Vormittag ihren Jahresbericht vor. Er dürfte nicht viel besser aussehen als der der vergangenen Jahre. Der Bundeswehr fehle es weiterhin an allem, wurde sie gestern in den Medien zitiert.
Das Future Combat Air System (FCAS) ist ein hauptsächlich deutsch-französisches Prestigeprojekt – und es ist ein zähes. Die Zusammenarbeit zwischen Airbus und Dassault war nie einfach. Am 20. März soll aber nun endlich die Phase 1B beginnen, die eigentliche Phase der Technologieentwicklung, die dann, so der Plan, 2028/2029 in der Fertigstellung der Demonstratoren mündet. Nana Brink hat mit Michael Schöllhorn, CEO von Airbus Defence and Space über die wichtige Phase 1B, die Rolle Frankreichs und KI als Entscheidungsfinder gesprochen.
Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine schürt auch hierzulande Ängste. Doch sie scheinen innerhalb der Zivilgesellschaft weitestgehend folgenlos zu bleiben. Es fand im vergangenen Jahr vor allem eine politische Zeitenwende statt, wie Sie in meiner Analyse nachlesen können.
Generalleutnant Carsten Breuer soll neuer Generalinspekteur der Bundeswehr werden. Der 58-Jährige ist derzeit Befehlshaber des neuen Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr. Wer noch seinen Posten räumen muss, lesen Sie in den News.
Wenn Ihnen der Security.Table gefällt, leiten Sie uns bitte weiter. Und wenn Ihnen diese Mail zugeleitet wurde: Hier können Sie sich für das Security-Briefing und weitere Themen anmelden.
Eine spannende Lektüre wünscht Ihnen
Vorgestellt wurde das Projekt gestern Abend zum ersten Mal einem größeren Kreis von Vertretern aus Politik und Rüstung. Vielen Experten gilt FCAS als Europas letzte Chance, ein gemeinsames Verteidigungsprojekt auf den Weg zu bringen. Das 2017 von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron initiierte Projekt galt als “politisch” gewollt.
Die beiden größten Industriepartner, Airbus Defence and Space (für Deutschland) und Dassault Aviation (für Frankreich), eigentlich Konkurrenten, konnten sich lange nicht auf einen Vertrag zur Fertigstellung eines sogenannten Demonstrators einigen. Man stritt um die Frage, wer die Führung in den komplexen Teilen dieses Kampfjetsystems einnehmen soll. Der Streit scheint mit Vertragsunterzeichnung zumindest nach außen hin geschlichtet.
Dassault Aviation übernimmt die Entwicklung des Next Generation Fighters (NGF) und Airbus unter anderem die Führung im Bereich der Remote Carrier. Diese unbemannten Plattformen übernehmen sowohl Aufklärungs- wie Verteidigungsaufgaben. Sie machen mithilfe von KI der 3. Generation den NGF zu einem komplexen Verteidigungssystem, das es so noch nie gegeben hat. Viele Insider allerdings sehen den Erfolg des 100-Milliarden-Projektes über die jetzt beginnende Phase 1B hinaus nicht als gesichert.
Herr Schöllhorn, die Phase 1B beginnt – warum ist sie so wichtig für das Projekt FCAS?
Nach Jahren der konzeptionellen Vorarbeit steigen wir jetzt in die Technologieentwicklung ein. Das ist ein wichtiger Meilenstein für alle Beteiligten. Unser Ziel ist es, bis 2028/2029 eine Reihe von flugfähigen und bodengestützten Demonstratoren zu entwickeln, mit denen wir wichtige Komponenten des FCAS erproben werden. Unbemannte Remote-Carrier-Demonstratoren etwa, mit denen wir das Zusammenspiel bemannter und unbemannter Flugzeuge testen, oder den Kampfflugzeug-Demonstrator für den New Generation Fighter. Durch diese Herangehensweise reduzieren wir das Risiko, dass später etwaige technologische und konzeptionelle Komplikationen auftreten.
Die Verhandlungen waren in der Vergangenheit enorm schwierig. Das Projekt stand mehrfach auf der Kippe – worauf kommt es jetzt in der Zusammenarbeit zwischen den Partnern besonders an?
Es geht jetzt darum, gemeinsam an den technischen Lösungen zu arbeiten und sowohl das Vertrauen ineinander als auch die gegenseitige Wertschätzung weiter auszubauen.
Es wird immer wieder in den Medien geschrieben, Frankreich habe die “Führung”, was ist damit gemeint?
Für uns zählt, dass sich alle drei Partnernationen – Deutschland, Frankreich und Spanien – zu gleichen Teilen im Programm engagieren und entsprechende Arbeitsanteile für ihre Industrien erhalten, quantitativ wie auch qualitativ. Bei FCAS haben wir einen Rahmen für die Zusammenarbeit mit Partnern auf gleicher Ebene, der in einzelne Arbeitspakete unterteilt ist. Die Rollen und Verantwortlichkeiten sind klar definiert: Für jeden Bereich gibt es ein führendes Unternehmen, einen sogenannten “Prime”, der die Richtung vorgibt, und “Main Partner”, die auf Augenhöhe in die Entwicklungen involviert sind. Airbus, etwa, verantwortet die Remote Carrier, Combat Cloud und Stealth-Technologien. Zudem dürfen alle Partner das, was in Demonstrator Phase 1B gemeinsam entwickelt wird, gleichermaßen nutzen.
Sollte FCAS scheitern, was natürlich passieren kann: Welchen Nutzen zieht Airbus aus diesem Projekt, das mit beträchtlichen Steuermitteln finanziert wird und was bringt es für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands?
Es gibt den politischen Wunsch in Europa, die eigene Industrie wettbewerbsfähig zu halten und ihre Technologieentwicklung zu fördern. Dazu braucht man ein Projekt wie FCAS. Insofern sind wir zuversichtlich, dass FCAS ein Erfolg wird. Dazu werden wir unseren Beitrag leisten. FCAS wird nicht nur die Zukunft von Airbus wesentlich prägen, sondern ist auch für ganz Europa ein großer, wichtiger Schritt nach vorne: Das Programm vereint das Fachwissen der führenden europäischen Unternehmen in den Bereichen bemannte und unbemannte Flugzeuge, Raumfahrt und Aufklärung, wird tausende neue Jobs in Europa schaffen und die europäische Souveränität sicherstellen.
Welche Rolle wird Künstliche Intelligenz (KI) in einem FCAS spielen?
KI wird eine herausragende Rolle spielen. Zum Beispiel bei der Informationsgewinnung, Lagebild-Erstellung, Entscheidungsfindung und Steuerung der Luftfahrzeuge.
Erfordert die Rolle von KI in Waffensystemen nicht eine breite öffentliche Diskussion?
Diese Debatte ist in der Tat wichtig, und deshalb führen wir sie auch. So haben wir schon 2019 mit der Fraunhofer-Gesellschaft eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, in der sich führende Expertinnen und Experten damit beschäftigen, wie sich KI in einem System wie FCAS verantwortlich nutzen lässt. Darüber hinaus entwickeln wir gemeinsam ein KI-Demonstrations-Tool, das uns dabei helfen soll, ethische Aspekte in Entwicklung und Betrieb des FCAS zu berücksichtigen. Das hat es meines Wissens in einem Verteidigungs-Programm so noch nicht gegeben. Die Diskussion kann übrigens jeder, der sich dafür interessiert, mitverfolgen.
Wie unterscheidet sich die Kooperation bei FCAS von der Zusammenarbeit in anderen transnationalen Programmen, zum Beispiel beim Eurofighter oder dem Transportflugzeug A400M?
Bei FCAS werden die Ingenieurinnen und Ingenieure der beteiligten Unternehmen in integrierten Arbeitsbereichen zusammenarbeiten, zum Beispiel bei Airbus in Manching bei Ingolstadt, in Friedrichshafen am Bodensee, in Getafe nahe Madrid oder in Elancourt bei Paris. Diese Plateaus, in denen wir an Remote Carriern, Stealth-Technologien, der Combat Cloud oder dem New Generation Fighter arbeiten, sind für uns alle eine ganz neue Erfahrung, auf die ich mich freue.
Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine hat das persönliche Sicherheitsempfinden der meisten Menschen in Deutschland nachhaltig verändert. Nicht nur steigende Preise, Energieunsicherheit und Inflation sorgen für Verunsicherung.
63 Prozent der Befragten einer Studie des Allensbacher Instituts gaben an, sich Sorgen zu machen, dass Deutschland in einen militärischen Konflikt hineingezogen werden könnte (Stand Januar 2023). Zu einem noch höheren Ergebnis (69 Prozent) kam eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, die die Kriegsangst in vier EU-Staaten untersuchte.
Die Studie des Allensbacher Instituts stellt aber auch fest: Fragt man die Menschen, ob sie eine militärische Auseinandersetzung, in die Deutschland verwickelt ist, als eine ganz persönliche Bedrohung wahrnehmen, beantworten dies 47 Prozent der Befragten mit Ja. Das ist zwar eine deutliche Steigerung des persönlichen Bedrohungsgefühls im Vergleich zum Vorjahr ist (21 Prozent), doch die Angst der Menschen in Deutschland bleibt weiterhin eher diffus.
Auch Gabriele Woidelko, Leiterin Bereich Geschichte und Politik bei der Körber-Stiftung, stellt eine gestiegene Angst vor einem Krieg in Deutschland fest. “Ich denke aber, dass diese Realität, was Krieg bedeuten kann und welche Vorsorge man treffen muss, noch nicht ganz bei den Deutschen angekommen ist”, sagt Woidelko.
Der Krieg rufe zwar bei Älteren Erinnerungen wach, doch es gebe kaum Hinweise darauf, dass Menschen sich gezielt auf eine Flucht vorbereiteten. Stattdessen seien es eher Naturkatastrophen oder ein möglicher Blackout, der dafür sorgt, dass Menschen aktiv würden und zum Beispiel Notvorräte anlegten. Das Ansehen der Bundeswehr ist in den vergangenen Monaten dagegen gestiegen, stellt Woidelko fest.
Direkte Folgen für die Truppe hat dies bislang kaum. Eine Sprecherin der Bundeswehr in Köln teilte auf Nachfrage von Table.Media mit: “Im März 2022 stieg die Zahl der Erstberatungen kurzfristig an. Schon ab April lagen die Zahlen wieder auf dem durchschnittlichen Vorkriegs-Niveau von etwa 7.000 Erstberatungen pro Monat.” Die Bewerbungszahlen für den Dienst in der Bundeswehr seien tendenziell rückläufig.
Das Verteidigungsministerium teilte vergangene Woche mit, die Rekrutenzahlen seien zwar im Vergleich zum Vorjahr um 12 Prozent angestiegen (insgesamt 18.775 neue Soldaten) – das Vor-Corona-Niveau wurde damit aber noch nicht erreicht (20.170 Soldaten). Eine Rückkehr zur Wehrpflicht, wie etwa in Lettland, ist in Deutschland bislang nicht vorgesehen.
Betrachtet man die organisierte Hilfe, zum Beispiel durch gemeinnützige Unternehmen, Vereine oder Stiftungen, zeichne sich bereits seit mehreren Jahren ein Trend ab: “Wenn es darum geht, als Zivilgesellschaft den akuten Herausforderungen zu begegnen, die Ärmel hochzukrempeln und anzupacken, wenn es drauf ankommt, ist auf die Zivilgesellschaft Verlass. Das beständige ehrenamtliche Engagement allerdings lässt nach. Die Menschen wollen sich immer weniger verbindlich engagieren”, sagt Birthe Tahmaz, Projektleiterin bei Zivilgesellschaft in Zahlen (ZiviZ) im Stifterverband. Veränderungen durch den Ukraine-Krieg seien nicht absehbar.
Am Alltag der meisten ändert sich also nichts. Konkret wirkt sich die fundamental veränderte Sicherheitslage vor allem auf politischer Ebene aus. “Das, was Bundeskanzler Scholz vor einem Jahr Zeitenwende genannt hat, war für Deutschland ein vollständiger Paradigmenwechsel. Deutschland als Land der Mitte muss sich völlig neu finden”, sagt Woidelko.
Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte sei es verständlich, dass Deutschland hier zögere und zaudere. Auch die Kritik an der schlechten Kommunikation von Scholz kann Woidelko nachvollziehen. “In Krisenzeiten sehnen sich Menschen nach Orientierung, nach Führung im Sinne eines lösungsorientierten Vorgehens.”
Mit Boris Pistorius stehe jetzt jemand an der Spitze des Verteidigungsministeriums, der die Probleme benenne und sage, wie sie behoben werden. “Das ist das, worauf viele Menschen gewartet haben. Das hat viel mit dem neuen Bedrohungsgefühl zu tun”, erklärt Woidelko.
Trotzdem gebe es in Deutschland keinen Trend zum Heldentum, wie etwa Wolodymyr Selenskyj zuweilen international als einer dargestellt wird: “Wir sehen rundherum in der Welt, dass die Länder, die reihenweise Erzählungen über Helden und Heldentum produzieren, nicht unbedingt besonders fest auf dem Boden der Demokratie stehen.”
Was sich für Zivilgesellschaft und Politik gemeinsam geändert hat, ist der neue Blick auf Russland sowie die Ukraine. Laut des Munich Security Report 2023 ist die Gefahr, die von Russland ausgeht, auf Platz 1 des Index (Zunahme von 25 Punkten), noch vor Masseneinwanderung, einer Wirtschafts- oder Finanzkrise und Cyberattacken. China ist ebenfalls im oberen Drittel der Risikoskala. Auch der Blick auf die Ukraine hat sich geändert, so Woidelko, man spreche jetzt viel mehr mit statt über die Ukrainer.
Generalleutnant Carsten Breuer (58) soll neuer Generalinspekteur der Bundeswehr werden und damit General Eberhard Zorn ablösen. Auch die mit der weitgehend erfolglosen Ex-Ministerin Christine Lambrecht ins Ministerium gekommene Staatssekretärin Margaretha Sudhof soll ihren Posten räumen.
Breuer ist derzeit Befehlshaber des neuen Territorialen Führungskommandos der Bundeswehr, das er aufgebaut hat. Öffentliches Interesse fand auch seine Aufgabe als Leiter des Corona-Krisenstabs im Kanzleramt. Er hatte die Koordinierung behördlicher Maßnahmen übernommen. Seitdem hat er enge Drähte ins Kanzleramt.
Ende Februar hatte sich Kanzler Olaf Scholz zufrieden mit der bisherigen Arbeit des Führungskommandos gezeigt. Er habe den Eindruck, “dass alle innerlich motiviert sind und jetzt mit größerem Tempo, als es vielleicht früher mal der Fall war, Dinge voranbringen, die auch wirklich schnell realisiert werden müssen”, sagte der SPD-Politiker bei einem Besuch des Kommandos in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin.
Breuer hatte im September vergangenen Jahres erklärt, er wolle die Reaktionsfähigkeit auf eine gezielte Destabilisierung zügig verbessern. Ihm kommt nun die Aufgabe zu, aus der jahrelang vernachlässigten Bundeswehr eine breit gefechtstaugliche Truppe zu machen.
Staatssekretärin Sudhof muss ihren Stuhl nach dpa-Informationen räumen. Der “Spiegel” berichtete am Montag, Pistorius werde seinen engen Vertrauten Nils Hilmer als Staatssekretär im Bendlerblock installieren. Die Verwaltungsjuristin Sudhof war zuvor unter Lambrecht schon im Justizministerium gewesen. klm/dpa
Die Ankündigung hochrangiger Vertreter Saudi-Arabiens und Irans, nach sieben Jahren Eiszeit wieder diplomatische Beziehungen aufzunehmen, hat die israelische Führung kalt erwischt. Aus dem Umfeld Ministerpräsident Benjamin Netanjahus wurde dessen Vorgänger Jair Lapid für die Annäherung verantwortlich gemacht. Israel warnt seit Jahren vor wachsendem Einfluss Irans im Nahen Osten und hat der Führung in Teheran wiederholt mit Militärschlägen gedroht.
Zudem strebte Netanjahu zuletzt ein Friedensabkommen Israels mit Saudi-Arabien an, das durch die Einigung Riads mit Teheran nun infrage gestellt sein könnte. Am vergangenen Freitag hatten Vertreter Saudi-Arabiens und Irans in Peking bekanntgegeben, in den kommenden beiden Monaten ihre Botschaften neu zu eröffnen und die diplomatischen Beziehungen wieder aufzunehmen.
Die vom Iran aufgebaute libanesische Hisbollah begrüßte das Abkommen, ihr Generalsekretär Hassan Nasrallah bezeichnete es am Wochenende als “gute Entwicklung”, die “nicht auf unsere Kosten gehen” werde. Auch die palästinensische Hamas, die ebenfalls vom Iran unterstützt wird, äußerte sich positiv über die Annäherung zwischen den beiden rivalisierenden Hegemonialmächten. “Wir hoffen, dass das Abkommen zu Stabilität führt und die positive Atmosphäre in der Region verbessert”, hieß es in einem Statement.
Auch im Jemen, wo sich Verbündete Saudi-Arabiens und Irans seit 2015 in einem Stellvertreterkrieg gegenüberstehen, traf die Einigung auf Zustimmung. “Die Region muss zurückkehren zu normalen Beziehungen zwischen Staaten”, sagte ein Sprecher der vom Iran unterstützten Houthi-Rebellen. mrb
Am kommenden Samstag endet das UN-Getreideabkommen zwischen der Ukraine, Türkei und Russland. Eine Verlängerung ist noch nicht in Sicht. Zugleich berichtet die stellvertretende ukrainische Ministerin für Handel und Landwirtschaft, Julia Swyrydenko, dass ihr Land dringend eine Initiative zur Minenräumung brauche, um vermintes Gelände, darunter landwirtschaftliche Gebiete, freizuräumen.
Müsste die Ukraine nur mit den eigenen Ressourcen die gesamte verminte Fläche räumen, würde das nach Aussagen Swyrydenkos 70 Jahre dauern. “Wir brauchen eine Art Ramstein gegen Minen“, bat Swyrydenko kürzlich in einem Gespräch mit Vertretern des kanadischen Parlaments.
Wie viel Fläche der Ukraine tatsächlich vermint oder wegen nicht detonierter Kampfmittel nicht nutzbar ist, lässt sich nur schwer schätzen. Regierungschef Denys Schmyhal sprach Anfang Januar von 40 Prozent der Landesfläche. Das wäre mehr als die Hälfte Deutschlands.
Die Folgen des Krieges, darunter Landminen und Kampfmittelreste, behindern massiv die Landwirtschaft. Nach Untersuchungen der Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen mussten in den Kampfgebieten 38 Prozent der Landwirte ihre Arbeit einstellen oder einschränken. In der gesamten Ukraine sind es im Durchschnitt 25 Prozent. Diese Daten vom Dezember 2022 beziehen sich auf das erste Kriegsjahr. Für dieses Jahr erwartet die größte landwirtschaftliche Vereinigung der Ukraine 20 Prozent weniger Mais-Aussaat, berichtet Reuters.
Laut der Kyiv School of Ecomomics betragen die Schäden in der ukrainischen Landwirtschaft infolge des Krieges bereits jetzt rund 4,20 Milliarden Euro. Allein für die Untersuchung und Säuberung der von Kämpfen erfassten landwirtschaftlichen Flächen brauche die Ukraine 430 Millionen Euro, schreiben die Wissenschaftler.
Noch 2021 belegte die Ukraine beim Weizenexport den sechsten Platz weltweit und beim Mais den dritten. Russlands Krieg stoppte den Export für gut fünf Monate ganz, trieb die Lebensmittelpreise weltweit stark in die Höhe, bis das Getreideabkommen ausgehandelt wurde. Aktuell versuchen die Vereinten Nationen in Genf eine Verlängerung des Abkommens zu erreichen.
Kiew hat seine Bereitschaft signalisiert und würde das Abkommen statt wie bisher für jeweils 120 Tage lieber für ein Jahr vereinbaren. Moskau will dagegen nur einer Verlängerung von 60 Tagen zustimmen und fordert etwa die Aufhebung der Blockade des russischen Düngemittels, das in baltischen Häfen festgesetzt ist. Die erste Verlängerung des Abkommens endet am 18. März. vf
US-Präsident Joe Biden, Australiens Premierminister Anthony Albanese und der britische Premierminister Rishi Sunak haben gestern Einzelheiten zu U-Boot-Lieferungen an Australien im Rahmen des Militärbündnisses AUKUS (Australien, Vereinigtes Königreich, USA) verkündet. Die drei Regierungschefs hatten sich in San Diego in Kalifornien getroffen.
In drei Phasen soll AUKUS voranschreiten:
Albanese betonte die historische Bedeutung für sein Land. “Heute beginnt ein neues Kapitel zwischen unseren Nationen.” Das Abkommen werde dafür sorgen, “die Meere für Jahrzehnte frei und offen zu halten”, sagte Sunak.
Der Pakt kann als Reaktion auf Chinas Aufrüstung im Indopazifik gesehen werden. Nach Unterzeichnung des Vertrages 2021 hatte es Verstimmungen zwischen Frankreich und den AUKUS-Ländern gegeben, weil ein Vertrag über französische U-Boot-Lieferungen über mehr als 50 Milliarden Dollar nach Australien geplatzt war.
Washington und London hatten in den Tagen vor der Verkündigung Einblicke in die kommenden Militärbudgets gegeben. Das Vereinigte Königreich will seine Verteidigungsausgaben in den kommenden zwei Jahren um rund 5,5 Milliarden Euro erhöhen. 2022 hatten die britischen Verteidigungsausgaben knapp 65 Milliarden Euro betragen.
Das Weiße Haus teilte vergangene Woche mit, es wolle im kommenden Jahr 827 Milliarden Euro für die Nationale Sicherheit ausgeben, von denen 785,6 Milliarden Euro dem US-amerikanischen Verteidigungsministerium zugutekommen sollen – 3,2 Prozent mehr als für 2023 vorgesehen.
Die US-amerikanischen Pläne sehen unter anderem vor, 172,9 Milliarden Euro für die Army, 241,8 Milliarden Euro für die Air Force und 238,7 Milliarden Euro für die Navy auszugeben. bub
ZDF – Wir Deutschen und die Bundeswehr: Alte Fragen werden vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine wieder aktuell: Was ist uns unsere Freiheit wert? Wie steht unsere Gesellschaft zur Bundeswehr? Die Terra-X-History-Dokumentation beleuchtet “die Geschichte einer schwierigen Beziehung”, mit Expertinnen und Experten wie Ulrike Franke, Sönke Neitzel, Christian Mölling und weiteren. 45 Minuten.
Crisis Group – The Global South and the Ukraine War at the UN: Hinter der nüchternen Überschrift verbirgt sich eine komplexe Mischung verschiedener Positionen asiatischer, lateinamerikanischer und afrikanischer Staaten in ihrer Haltung zum russischen Krieg gegen die Ukraine. So geeint die Staaten den Überfall auf die Ukraine verurteilen, so uneinig sind sie darüber, wie der Krieg gestoppt werden kann. Eine gute Übersicht über die schwierige Suche nach einem Weg zum Frieden in der Ukraine.
Süddeutsche Zeitung – Das fängt ja gut an (Paywall): Verteidigungsminister Boris Pistorius legt ein beeindruckendes Tempo in seinem neuen Amt vor. Die Begeisterung in der Truppe für ihn ist groß, das Risiko in diesem Amt zu scheitern ebenso. Was Pistorius von seinen Vorgängerinnen und Vorgängern unterscheidet? Er denkt nicht an den nächsten Karriereschritt. Das könnte hilfreich sein, die unzähligen Baustellen in der Bundeswehr anzugehen.
The Guardian – Russia has lost its soft power: Seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine steigt in Ländern wie Armenien, Georgien, Moldawien oder Kasachstan die Angst vor Russlands Aggression; Verbündete Russlands bewerten Moskaus Rolle als stabiler Partner neu. Allerdings verliert Russland immer mehr an “Soft Power”, an Einfluss, da vor allem Menschen, die nach dem Zerfall der Sowjetunion geboren wurden, sich offen dagegen auflehnen, wie man aktuell am Beispiel Georgien erkennt.
SIPRI – Surge in arms imports to Europe, while US dominance of the global arms trade increases: Russlands Krieg gegen die Ukraine verändert den Waffenhandel. Im aktuellen Bericht über den globalen Rüstungshandel legt das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI dar, dass Russlands Exporte stark gefallen sind, während Europa zunehmend mehr Waffen importiert. Die USA bleiben die mit Abstand größten Waffenexporteure und steigern ihren Anteil auf 40 Prozent. Ein kleiner Hoffnungsschimmer: Insgesamt wurden im Zeitraum 2018-2022 global weniger Waffen gehandelt als im Zeitraum 2013-2017.
Niger ist derzeit die einzige Hoffnung der westlichen Partner in der Sahelregion, wo Dschihadisten, Putschisten und Russland auf dem Vormarsch sind. Das Land leidet wie Mali und andere Sahelstaaten unter schwacher Staatlichkeit, einem rasanten Bevölkerungswachstum und steigender Armut. Das alles spielt Dschihadisten und anderen kriminellen Gruppen in die Hände.
Anders als in Mali und in Burkina Faso mit seinen Militärregierungen gibt es mit Präsident Mohamed Bazoum in Niger einen gewählten Regierungschef, der auf den Westen als Partner setzt. Aber auch in Niger gibt es ein starkes antifranzösisches Sentiment, das pro-russische Trolls in den sozialen Medien ausnutzen, um Stimmung gegen Bazoums Kurs zu machen.
Die neue Niger-Mission soll eine Aufklärungseinheit der nigrischen Armee, eine technische Schule sowie weitere Kräfte ausbilden und basiert somit auf den Erfahrungen, der im Dezember ausgelaufenen deutschen Ausbildungsmission, wo die Bundeswehr in Tillia im Nordwesten des Landes eine Ausbildungsakademie gebaut hat. In der Hauptstadt wurde zudem eine Aufklärungseinheit ausgebildet und mit Drohnen und Nachtsichtgeräten ausgerüstet. Der Niger-Einsatz wird deutlich kleiner als die bisherige EU-Ausbildungsmission EUTM, die von 2013 bis 2022 tausende malische Soldaten ausgebildet hatte – ohne erkennbare Resultate.
Die malischen Streitkräfte sind immer noch in denkbar schlechtem Zustand – dies liegt zwar hauptsächlich an der Korruption innerhalb der malischen Armee. Die EU-Idee, wahllos Soldaten aus verschiedenen Einheiten in Grundfähigkeiten der Infanterie mit Spielzeuggewehren anstelle von richtigen Waffen auszubilden, war aber auch von Anfang an wenig erfolgversprechend. Trotzdem wurde das Mandat der Mission Jahr für Jahr erneuert und das Training erst beendet, als sich Mali russische Söldner als Partner ins Land holte.
Erfolge gab es hingegen bei der Ausbildung nigrischer Streitkräfte durch die Bundeswehr in den vergangenen Jahren – Deutschland hatte wie andere EU-Mitglieder jeweils eine Spezialkräfte-Einheit ausgebildet, die bessere Vorkenntnisse als die malischen Soldaten hatte. Man übte zudem mit scharfen Waffen und campierte zusammen in der Wüste.
Die Bundeswehr übergab zum Abschluss eine Ausbildungsakademie und ließ wie andere Europäer Personal da, um das Training und die über Jahre aufgebauten persönlichen Beziehungen fortzusetzen. Die nigrischen Kräfte einschließlich der Aufklärungseinheit werden seit ihrer Ausbildung im Dreiländereck mit Mali und Burkina Faso gegen Dschihadisten eingesetzt. Niger soll zudem Waffen und Ausrüstung im Wert von 40 Millionen Euro bekommen – dies wurde letzte Woche von ursprünglich 25 Millionen Euro heraufgesetzt.
Dieser Ansatz eines persönlichen Trainings mit geringem Personal soll der Leitgedanke der neuen EU-Mission werden. Der Einsatz geht zunächst mit zehn Mann an den Start – der erste deutsche Teilnehmer ist bereits in Niamey eingetroffen. Kommandeur ist ein Italiener und Chief of Staff ein Franzose. Die Mission wird viel mit mobilen Trainern arbeiten und daher mit einem Minimum an Personal erst einmal vor Ort auskommen – die Mission wird also viel kleiner als der Mali-Einsatz. Dort ist die Bundeswehr auch bis Mai 2024 noch mit 1200 Soldatinnen und Soldaten an einer Blauhelm-Mission beteiligt. Bei EUTM stellte die Bundeswehr bis 2022 bis zu 300 Mann.
Ein anderer wichtiger Grund, warum die EU mit einer kleinen Mission in Niger startet, ist eine zunehmende anti-französische Stimmung in der Bevölkerung. Die Opposition lehnt die Stationierung ausländischer Truppen ab, es gab bereits Demonstrationen. Mehr als 2000 französische Truppen sind schon im Land, die zum Teil aus Nord-Mali dorthin verlegt wurden.
Französische Offizielle hatten nach dem Ende des Anti-Terror-Einsatzes im Nachbarland leichtfertig eine Verlegung nach Niger angekündigt und dann schnell zurückgerudert nach einem Aufschrei der Opposition. Niger macht zudem ungern multilaterale Abkommen und wollte deswegen wohl auch keine größere EU-Mission akzeptieren. Die Bundeswehr baut parallel ein Lazarett für rund 50 Millionen Euro.
Bei der Entscheidung für eine kleine Mission mag auch eine Rolle gespielt haben, dass Niger derzeit mit ausländischen Hilfen überschüttet wird – militärische Unterstützung, humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit. Westliche Staaten fahren ihr Engagement in Mali und Burkina Faso wegen der dortigen Militärregierungen zurück und verlegen Personal und Hilfeprogramme nach Niger und Senegal, wo es demokratisch legitimierte Regierungen gibt.
In Niger, das zu den ärmsten Ländern der Welt gehört, hat dies den unerwünschten Nebeneffekt, dass Korruption in die Höhe schießt, da es kaum staatliche und zivilgesellschaftliche Akteure gibt, die die Hilfsprogramme umsetzen können. Weniger dürfte da eher mehr sein. Bei Bazoums Regierung verfestigt sich zudem die Einstellung, dass Niger als “die Guten” alles verlangen können.
Niger hat etwa zusätzlich zur EU-Hilfe per bilateraler Abkommen umfangreiche militärische Ausrüstung von westlichen Ländern bekommen – Diplomaten sagen offen, dass zum Teil Material doppelt geliefert wurde, man aber Niger nicht “vor den Kopf stoßen wollte”. Eine kleine EU-Mission dürfte auch an Niger das richtige Signal sein, erst mal abzuwarten, wie das Training anläuft, bevor mehr Soldaten kommen.