Analyse
Erscheinungsdatum: 31. Januar 2023

„GhostPlay“: KI-gestütztes Gefechtsfeld soll der Bundeswehr helfen

Ein Start-up aus München will der Bundeswehr helfen, ihre Fähigkeitslücken im Bereich der Drohnen-Abwehr zu beheben. Mithilfe des Bundes und des Rüstungskonzern Hensoldt wird an einem simulierten Gefechtsfeld gearbeitet. Im Vordergrund stehen dabei Künstliche Intelligenz der dritten Welle – und ein alter Panzer.

„GhostPlay“ erscheint auf den ersten Blick wie ein Computerspiel für Waffen-Nerds. Auf den zweiten Blick könnte es die Kriegsführung der Zukunft beeinflussen. Mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI) simuliert GhostPlay ein Gefechtsfeld, in dem Schützenpanzer einem Angriff von Drohnenschwärmen ausgesetzt sind.

Das Neue: „Die Systeme auf beiden Seiten lernen, neue Taktiken zu entwickeln“, erklärt Christian Brandlhuber, Technologie-Chef und Mitbegründer des Start-ups 21strategies, das GhostPlay maßgeblich entwickelt hat.

Vor allem bei der Abwehr von Drohnen hat die Bundeswehr große Fähigkeitslücken. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine zeigt, wie entscheidend es ist, sich gegen Drohnenangriffe verteidigen zu können. Damit GhostPlay nicht ein Spiel bleibt, hat 21strategies bereits bestehende Systeme genutzt und neu modelliert. „Wir wollten Realitätsnähe“, beschreibt Brandlhuber die Arbeit, „deshalb haben wir mit dem Flugabwehrkanonenpanzer Gepard ein altes System genutzt, dessen Leistungsparameter wir kennen“.

In der Entwicklungsphase seit 2021 mussten die Drohnen immer wieder Angriffe fliegen. Die Aufgabe der Schützenpanzer war es, diese Angriffe zu „überleben“. Beide Systeme, so Brandlhuber, „waren total dumm am Anfang“. Entscheidend für die Weiterentwicklung war der Einsatz von KI der sogenannten dritten Welle.

Bislang wird KI in der modernen Kriegsführung zum Beispiel bei der Auswertung von Bild- oder Wetterdaten eingesetzt. Die Forschungsbehörde des US-Verteidigungsministeriums „Defense Advanced Research Projects Agency“ (DARPA) fördert KI-Technologie für den militärischen Bereich. Sie definiert die KI der dritten Welle so: „Hier lernen Maschinen, in einem Kontext zu handeln und Entscheidungen zu denken.“

Seit 2020 beschäftigt sich 21strategies mit der Anwendung von KI, zuerst im Finanzsektor. Dort sicherte die Firma aus dem oberbayrischen Hallbergmoos mit KI-optimierten Entscheidungsfindungsprozessen Finanzrisiken ab (Hedging). In Zusammenarbeit mit dem „Defense AI Observatory“ (DAIO) der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr (HSU) findet die KI der dritten Welle nun erstmals Anwendung im militärischen Sektor. „Wir konkurrieren mit den Größen der Industrie“, meint Professor Gary Schaal, der das Forschungsprojekt an der HSU leitet. „Was uns auszeichnet: Wir können schnell Ergebnisse liefern.“

Über die DAIO, die den Einsatz von KI im Militär weltweit analysiert, wird GhostPlay auch vom Bund mitfinanziert. Beide Bundeswehr-Universitäten sind im Rahmen eines Konjunkturprogramms mit jeweils 250 Millionen Euro ausgestattet worden. Die Mittel werden zur Finanzierung von Forschungsprojekten und zur Förderung von Start-ups eingesetzt.

Mit Hensoldt ist seit Mitte Januar auch ein Unternehmen der Rüstungsindustrie bei GhostPlay eingestiegen. Für die Bundeswehr baut Hensoldt seit Jahrzehnten Hochleistungsradars für die Luftverteidigung. Erst Mitte Januar besuchte Kanzler Olaf Scholz das Unternehmen, das mehrere TRML-4D-Radare als Teil der Flugabwehrsystems IRIS-T SLM an die Ukraine liefert.

Der Sensorspezialist arbeitet bereits nach eigenen Angaben mit KI der zweiten Welle, um Aufklärungsdaten auszuwerten. „Mit GhostPlay sind wir im Bereich der dritten Welle der KI am Puls der Zeit“, erklärte Bettina Weber, Head of Sales Radar and Naval Solutions bei Hensoldt gegenüber Security.Table. Man müsse seinen Kunden „einen Mehrwert bieten“.

Für den stellvertretenden Inspekteur der Luftwaffe, Ansgar Rieks, ist GhostPlay bereits jetzt schon „richtungsweisend“. Entscheidend sei nicht nur, dass Systeme Taktiken selbst lernen. Bei einer Präsentation in einem kleinen Kreis von Fachleuten vergangene Woche sagte er: „GhostPlay ist darauf ausgelegt, ein ethisches Design mit einzubauen, um mögliche Fallstricke von vornherein auszuschließen.“ Wie das aussehen kann, ist noch offen. Die KI werde die Vorstellung von Führung in der Bundeswehr verändern. „Darauf müssen wir uns vorbereiten.“

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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