Analyse
Erscheinungsdatum: 04. Juni 2024

Blackout und Drohnen: Wie Kritis-Betreiber sich auf neue Gefahren einstellen

Drohnen über Bundeswehrgelände, Flughäfen oder Energieinfrastruktur können schnell gefährlich werden. Forschende stellen auf dem heutigen Drone Day des BDEW und BDI eine Technologie vor, mit der sie künftig rechtzeitig geortet werden könnten.

Kleine Drohnen über militärischem oder zivilem Gelände, meist über Kritischer Infrastruktur wie Flughäfen, Häfen oder Kraftwerken, werden zunehmend zum Sicherheitsproblem. Mitte Mai kollidierte in Manching ein Eurofighter mit einer Drohne, die unerlaubt in Flughafennähe flog. Über Standorten der Bundeswehr und der US-Streitkräfte in Deutschland, etwa der Ausbildungsstätte für ukrainische Soldaten in Grafenwöhr, sind Drohnen gesichtet worden, die mit russischen Geheimdiensten in Verbindung gebracht werden.

Die Betreiber Kritischer Infrastrukturen müssen sich auf die neue Bedrohung einstellen, haben aber in der Regel keine Mittel für eine dauerhafte Drohnendetektion über ihren Anlagen. „Eine Drohnenortungstechnologie muss energieeffizient sein und darf keine Wechselwirkung mit anderen Technologien im elektromagnetischen Spektrum verursachen. Und sie muss geeignet sein, autonome Drohnen, die keine eigenen Signale aussenden, orten zu können“, erklärt Mathias Böswetter. Er ist beim Bundesverband Deutscher Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zuständig für die IT-Transformation, Kritische Infrastrukturen und IT-Sicherheit. Und: Sie muss möglichst kosteneffizient sein.

Böswetter und ein Team des Fraunhofer-Instituts für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE) erforschten daher, wie Betreiber Kritischer Infrastruktur künftig kostengünstig autonom fliegende Drohnen über ihren Anlagen detektieren könnten. Ins Zentrum ihrer Forschung rückte dabei das neue 450-Megahertz-Mobilfunknetz und die Frage, inwiefern Passivradar auf Basis von Signalen dieses Funknetzes als Technologie für die Drohnenortung einsetzbar ist. Denn bisher werden zur Drohnenortung meist andere Frequenzbereiche benutzt.

Das Novum: Böswetter und sein Team konnten in experimentellen Tests nachweisen, dass sich für diese Art der Drohnenortung das LTE-Mobilfunknetz im Frequenzbereich bei 450 Megahertz generell eignet. Die Ergebnisse werden auf dem heutigen Drone Day, den der BDEW zusammen mit der New Space Initiative des Bundesverbandes Deutscher Industrie (BDI) ausrichtet, vorgestellt. Bei dem Event sollen Akteure aus der Industrie mit Betreibern Kritischer Energieinfrastruktur, Militär und Politik zusammengebracht werden.

Was sehr kompliziert klingt, hat einen entscheidenden Vorteil: Dieses Mobilfunknetz steht, seit der Zuteilung 2021 durch die Bundesnetzagentur, den Betreibern wichtiger oder kritischer Infrastrukturen bereits zur Verfügung. Es wird vom Netzbetreiber 450connect, einem Zusammenschluss von Gesellschaftern aus der Energie- und Wasserwirtschaft, bundesweit auf- und ausgebaut – und zwar eigentlich für den Fall eines großflächigen Stromausfalls, eines sogenannten Schwarzfalls oder Blackouts.

Denn gerade wenn der herkömmliche Mobilfunk und das Internet ausgefallen sind, müssen Betreiber in der Lage sein, ihre Anlagen zu steuern, und die Sprachkommunikation aufrechtzuerhalten, um die Versorgungssicherheit der Bevölkerung wieder herzustellen. Auch alle anderen für die Versorgung der Bevölkerung wichtigen Unternehmen und Dienstleister, etwa aus der Lebensmittel- und Mineralölversorgung, können das Netz daher nutzen.

Zwar lassen sich über das Mobilfunknetz nur niedrige Datenraten übertragen, für Videokonferenzen reicht die Bandbreite nicht. Dafür braucht das Netz aber nur wenige Funkmasten für eine hohe Abdeckung auch im ländlichen Raum. Bis Ende 2025 will 450connect bundesweit 1.600 bestehende Mobilfunkmasten mit eigenen Antennen und einer Notstromversorgung per Batterie für 72 Stunden nachrüsten.

Wer das Netz nutzen will, braucht einen Rahmenvertrag mit der 450connect, eine SIM-Karte und entsprechende Funkgeräte und Router. Wie viele Unternehmen bereits einen Rahmenvertrag abgeschlossen haben, darüber hält sich Frederik Giessing, Geschäftsführer von 450connect, bedeckt. In der Regel würden größere Konsortien und Arbeitsgemeinschaften aus der Energie- und Wasserwirtschaft unterzeichnen, sagt Giessing. Das Interesse und der Bedarf an der Technologie sei bei den Betreibern jedenfalls enorm, sagt er.

Es gibt aber auch Kritik an der Technologie. Denn unklar sei, wie ausfallsicher das Kommunikationsnetz wirklich ist. Manuel Atug, Gründer und Sprecher der unabhängigen AG Kritis, kritisiert die mangelnde Transparenz des Marktmonopolisten. Es sei nicht nachvollziehbar, wo die Masten stünden und wie groß erwünschte Überlappungen in der Abdeckung seien. Es sei entsprechend nicht absehbar, ob beim Ausfall eines oder mehrerer Masten, etwa nach einem Unglück wie im Ahrtal, das Funknetz weiterhin funktioniere.

Auch sei nicht bekannt, ob die Erdkabel zur Vernetzung der Basisstationen ausreichend geschützt seien. „Aus der Sicht der Versorgungssicherheit ist die derzeit vorhandene Intransparenz suboptimal, denn so mieten sich die Kritis-Betreiber eventuell in einen single point of failure ein“, sagt Atug. Die Gefahr bestünde, dass Kritis-Betreiber sich in falscher Sicherheit wiegen, wenn sie sich nur auf diese Technologie verließen und nicht ausreichend definierten, welchen Schutz sie brauchen.

Für das Projekt von Böswetter und dem Forscherteam ist der Ausbau des Mobilfunknetzes erst einmal von Vorteil. Die Ortung von Drohnen über dieses Funknetz wäre – neben der Sprachkommunikation und der Datenübertragung zur Steuerung von Maschinen – ein dritter und vielversprechender Nutzen des Netzes.

Bis es allerdings für die Drohnenortung genutzt werden kann, wird es noch weitere Tests brauchen: „Wir stehen hier ganz am Anfang. Die Nutzung der 450-Megahertz-Frequenz als Passivradar ist ein Baustein beim Schutz Kritischer Infrastruktur. Am Ende braucht es sicher mehrere Arten von Sensoren für die Detektion von Drohnen“, sagt Böswetter.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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