Rigorosum
Erscheinungsdatum: 21. September 2023

Projektträger: Wenn Platzhirsche ihren Futtertrog bedroht sehen

Dem Vorstoß der Projektträger, ein an sie angepasstes Freiheitsgesetz haben zu wollen – wie die Sprind –, erteilt Thomas Sattelberger eine klare Absage. Diese etablierten Organisationen müssten zuvor unter Beweis stellen, dass sie sich wesentlich verändert haben.

Jetzt, da die mageren Früchte des magersüchtigen Sprind-Freiheitsgesetzes sichtbar werden, versuchen sich gleich die Trittbrettfahrer. Wenn es eine Melodie gibt, die im staatlich finanzierten Wissenschafts-, Forschungs- und Transfersystem alle beherrschen, dann beginnt die mit „Ich will auch …“.

Es ist unbestritten: Wenn man bei der alten, jahrzehntelang verfeinerten Förderlogik bleibt, dann braucht es einige inkrementelle Reformen für die Projektträger. Wenn es aber um die fundamentale Erneuerung unseres immer ineffizienteren und für unsere gesellschaftlichen Herausforderungen zunehmend dysfunktionaleren Förder- und Transfersystems geht, dann müssen auch die Projektträger existentiell infrage gestellt werden.

Ich habe an dieser Stelle schon einige weitreichende Vorschläge gemacht: Von der Auflösung Fraunhofers und Leibniz, ihrer Rückführung an die Hochschulen über die Dezentralisierung und das Filetieren von Forschungsmonstren wie dem Forschungszentrum Jülich bis hin zur Ermöglichung freiheitlicher Innovationsarchitekturen nur mit Rechtsaufsicht und ohne Fachaufsicht von Ministerien. Also so wie anfangs bei der Sprind geplant und damit wesentlich konsequenter als jetzt. Und alle mit tüchtigen Aufsichtsratsgremien, die ihrem Namen alle Ehre machen.

Wenn es eines gibt, was das Vereinigte Projektträger-Netzwerk lernen muss, dann, dass alter Wein in neuen Schläuchen selten funktioniert. Etablierten Organisationen nur einen neuen Freiheitsrahmen zu geben, ohne dass sie zuvor unter Beweis gestellt haben, dass sie sich auch in ihrer Substanz, ihrer DNA, verändert haben, wäre sträflich. Ich kenne Projektträger, die den Muff von Amtsstuben atmen und aufgelöst gehören.

Ich kenne ganz wenige Projektträger, denen ich attestieren würde, dass sie nach wenigen Reformen rasch zu einer agilen Agentur mutieren können. Und ein guter Teil der Projektträger muss nach vielen Jahren der „Learnt Helplessness“ im politischen Spiel erst seinen längeren Organisationsentwicklungsprozess starten – mit unsicherem Ausgang. Die Change-Theorie nennt das „Excruciating Adaptation“. Diese quälende Anpassung an neue Spielregeln ist den allermeisten Organisationen, die aus einer alten Welt in eine neue kommen wollen, zu eigen. Und das Risiko des Scheiterns ist außerordentlich hoch. Deshalb oft die Entscheidung, lieber Geld in neue Strukturen zu stecken.

Die Innovationsarmut Deutschlands ist nicht alleine den Projektträgern zuzurechnen. Zu lange wurden sie an der kurzen Leine gegängelt. Doch zu viele haben sich auch in der Amtsstuben-Kultur eingerichtet und wohlgefühlt. Clayton Christensen hat in seinem Buch „The Innovator’s Dilemma“ trefflich beschrieben, dass man in so einer Lage Investitionen in ein erodierendes altes Geschäftsmodell verringern und mit den frei werdenden Mitteln Investitionen in neue Geschäftsmodelle in neuen Strukturen tätigen muss. In ihrer Angst vor Bedeutungsverlust versuchen die Vertreter der alten Welt, dies mit aller Kraft zu verhindern.

Eine Sprind wurde von Beginn an so aufgebaut, dass sie mit exzellenten Technologie-Experten, die vergleichbar zur Darpa immer nur temporär in einer Sprind beschäftigt sind, hierarchiearm und mit agilen Prozessen hochriskante und gleichzeitig potenziell hoch bedeutsame disruptive Projekte schultern kann. Sie ist von unternehmerischem Geist beseelt, auch wenn von der Politik signifikante Abstriche – nach Kotaus des federführenden Forschungsministeriums vor fast jeder politischen Richtung – gemacht wurden. Sprind ist also eine Innovationsagentur im wahren Sinne, nicht eine Serviceagentur für Umsetzung, wie es Projektträger sind.

Insgeheim glauben die alten Spieler, dass es neue Plattformen, Organisationen und Formate gar nicht bräuchte und sie selbst gut genug wären, radikal neue Anforderungen anzupacken. Sascha Hermann, Geschäftsführer des VDI Technologiezentrums und Sprecher des Netzwerks der Projektträger, sagt dann auch ganz unverblümt: „Wir fühlen uns insofern angegriffen, als uns andere Förder-Institutionen Marktanteile wegnehmen, die aber nach ganz anderen Regeln spielen dürfen.“

Nach der Logik müsste dann Großbritannien seine „University Enterprise Zones“ für ausgewählte Universitäten einstampfen, die EU müsste die Hightech-Sonderwirtschaftszonen in Polen verbieten, die Kartellbehörden müssten neue globale Geschäftsmodelle und digitale Plattformen zur Zahnlosigkeit verkümmern lassen. Und das Forschungsministerium könnte seine Pläne zu Innovationsregionen gleich einpacken. Insofern ist es außerordentlich hilfreich, dass das BMBF die Projektträger-Klagen nicht nur nicht aufgreift, sondern quasi ignoriert. Es muss nicht immer besseres her, oft reicht es Schlimmeres zu verhindern.

Zumindest für die laufende Legislatur müssen die Projektträger keinen Verlust ihrer Marktanteile befürchten. Grüne à la Anna Christmann, Rote à la Wiebke Esdar und Gelbe à la BMBF sind weiterhin über das Dati-Konzept so zerstritten, dass die blockierte Deutsche Agentur für Transfer und Innovation nur zwei Projektförderlinien in alter ministerieller Logik aufzulegen vermochte. Man kaschiert den Konflikt, indem man das schon weichgespülte Dati-Konzept weiterhin als „nicht schlüssig“ bezeichnet. Die Wette gilt: In dieser Legislatur wird die Dati entweder Utopie oder zu einer Miniatur verzwergt oder sie wird eine Fake-Version.

Innovating Innovation: Clayton Christensens Verständnis der explorierenden Investitionen in neue Territorien, welches seine Wurzeln auch bei Organisationswissenschaftlern wie James March besitzt, gilt eben nicht nur für betriebswirtschaftliche Investitionen in potenzielle Sprung-Innovationen oder Geschäftsmodelle, sondern auch für Investitionen in innovative Ökosysteme und in High-/DeepTech-Regionen. Deshalb ist der britische Weg der „University Enterprise Zones“ und der französische wie polnische Weg von „DeepTech-Sonderwirtschaftsdistrikten“ viel erfolgversprechender als der Weg ministeriell in Projektträger delegierter Projektförderung. Mehrere freie Agenturen in diesem Lande sind deshalb auch die richtigen Brücken zu den im Koalitionsvertrag genannten „Innovationsregionen nach britischem Vorbild“.

Solange die deutsche Politik sich noch davor scheut, diesen Weg konsequent zu gehen und die Existenz der Projektträger radikal zu hinterfragen, sind minimalinvasive Reförmchen wie die Überjährigkeit oder ein Globalhaushalt sicher sinnvolle Brosamen für die PTs. Aber statt die verlängerten Werkbänke mit neuer Gesetzgebung und noch mehr Geld aufzumöbeln, sollten lieber ganz neue Innovations-Werkstätten aufgebaut werden.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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