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Diesmal berichten wir über den falsch verstandenen Hype um die Kernfusion: Nach Fortschritten in den USA und Ankündigungen zweier Start-ups, bis 2030 ein Kraftwerk ans Netz zu bringen, ist in Deutschland die politische Debatte über das Potenzial der Kernfusion aufgeflammt. Christian Schwägerl analysiert die Forschungslage.
Entstanden ist der Hype durch den Durchbruch an der amerikanischen National Ignition Facility. Aber wie sind die Ergebnisse einzuordnen? Welche Schlüsse sollte man daraus ziehen? Und welche eben nicht? Tim Gabel hat mit Sibylle Günter gesprochen. Die Wissenschaftliche Direktorin des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik schildert, was die Forschung in Deutschland jetzt statt markiger Worte bräuchte.
Mitten in die Debatte platzte am Anfang der Woche dann auch noch der Gesetzesvorstoß der FDP für mehr “Technologieoffenheit in der Forschung”, etwa in der Kernfusion, Kernenergie und beim Fracking. Wichtiger Schritt oder nur ein Ablenkungsmanöver? Wir haben Politiker der Ampel und Vertreter der Opposition gefragt, wie sie den Vorstoß beurteilen.
Kathrin Zinkant berichtet über den Showdown für die europäische Pflanzenforschung, der frühere BMBF-Staatssekretär Thomas Sattelberger stellt im Gastbeitrag klar: Gute Wissenschaft braucht Leadership!
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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) plant für die Energiewende, die Deutschland bis 2045 klimaneutral machen soll, bisher mit exakt null Kilowattstunden aus Kernfusion. Doch seit kurzem liegt in Berlin ein ganz anderes Szenario auf den Tischen: Mit einem Präsidiumsbeschluss der FDP aus dieser Woche könnte die Forschung zur Kernfusion zu einem prägenden Thema von Bundesforschungsministerin Stark-Watzinger werden. Ziel ist wohl auch die Profilschärfung bei den Themen Klima und Energie. Auf Twitter verkündete die FDP-Chefin: lieber Fortschritt als Proteste.
In dem FDP-Präsidiumsvorstoß für ein neues Technologiefreiheitsgesetz ist die Kernfusion das zentrale Thema. Die Partei will “gesetzgeberische Möglichkeiten für die Entwicklung der Kernfusion schaffen und die Förderung der Fusionsforschung gezielt stärken”, heißt es dort. Doch warum gerade jetzt?
Zwei konkurrierende Start-ups – die deutsche Firma Marvel Fusion mit Sitz in München und Focused Energy mit Sitz in Austin/Texas und einer Tochter-GmbH in Darmstadt – hatten kürzlich angekündigt, dass sie bereits in den 2030ern in Deutschland erste Kraftwerke in Betrieb nehmen wollen. Sie setzen auf unterschiedliche Verfahren der Laserfusion, bei denen kurze, starke Energiepulse im Sekundentakt den Fusionsprozess initiieren.
Anfang 2023 gab dann der deutsche Hightech-Unternehmer Frank Laukien bekannt, er wolle mit einem Industriekonsortium und der neu gegründeten Firma Gauss Fusion mit Sitz in Hanau bei Frankfurt bis 2045 ein erstes deutsches Fusionskraftwerk bauen. Laukien verfolgt statt der Laserfusion das Verfahren, das Millionen Grad heiße Plasma in einem sehr starken Magnetfeld einzuschließen. Während alle Start-ups namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufbieten, ist sein Konsortium den anderen Playern bei der Erfahrung in Anlagenbau und Fertigung überlegen.
Mit Bettina Stark-Watzinger hat sich nun ein Kabinettsmitglied an die Spitze der Bewegung gesetzt und sich die ambitionierte Zielsetzung der Start-ups zu eigen gemacht. Auf die Frage, wann zum ersten Mal Strom aus einem Fusionskraftwerk ins deutsche Stromnetz fließen wird, sagte sie Mitte Dezember – zur Überraschung vieler Expertinnen und Experten – im heute-journal: “Ich sag’ mal zehn Jahre, es kann auch etwas länger dauern, aber wir müssen uns ja Ambitionen setzen.”
Seither strebt Stark-Watzinger eine massive Steigerung der Forschungsmittel für die Kernfusion an. Und schon im Frühjahr soll eine siebenköpfige Expertengruppe nicht nur Vorschläge machen, sondern gleich ein Memorandum vorlegen, wie der Weg zum ersten deutschen Fusionskraftwerk geebnet werden kann. Die Leitung übertrug die Forschungsministerin dem Physiker Constantin Häfner, Chef des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik in Aachen.
Dass die Wahl auf Häfner fiel, ist aus zwei Gründen bemerkenswert: Der Laserexperte war bis vor wenigen Jahren an der National Ignition Facility (NIF) in den USA tätig. Dort wurde am 13. Dezember 2022 mit großer Show ein Erfolg in der Fusionsforschung bekannt gegeben , der weltweit Schlagzeilen machte. Häfner feierte die Bekanntgabe mit den Worten, auf der Erde sei ein “Mini-Stern gezündet worden” und rechnete vor, für den Laserpuls seien 2,05 Megajoule eingesetzt und durch die Fusion 3,15 Megajoule freigesetzt worden. Dieser Netto-Energiegewinn stelle “den ersten international lang erwarteten Durchbruch in der Fusionsforschung dar.”
Doch fast die gesamte deutsche Fusionsforschung zielt bisher nicht auf die Laser-, sondern auf die Magnetfusion ab. 134 Millionen Euro pro Jahr bekommt das von der Max-Planck-Gesellschaft getragene und mit der Helmholtz-Gemeinschaft assoziierte Institut für Plasmaphysik in Garching bei München pro Jahr dafür. Erst vor wenigen Jahren sind mit der Bundesregierung als Hauptgeldgeber eine Milliarde Euro in die Plasma-Versuchsanlage “Wendelstein 7-X” in Greifswald geflossen, in deren Zentrum ein starker Magnet arbeitet. Und auch das bisher von der Regierung hochgehaltene Fusions-Megaprojekt “Iter” in Südfrankreich beruht auf Magnetfusion.
Ist Stark-Watzingers Ernennung des Laserexperten Häfners zum Chefberater in Sachen Kernfusion zugleich ein Signal dafür, dass Deutschland die Magnetfusion künftig hintanstellt? Der Gründer von Gauss Fusion, Frank Laukien, blickt sehr kritisch auf die alternative Lasertechnik und zweifelt an, wie bahnbrechend das Experiment in den USA wirklich war: “Es hieß ja, dass mehr Energie erzeugt als eingesetzt wurde, aber das stimmt nur, wenn man den Energiebedarf der Testanlage ausblendet”, sagt er. In Wirklichkeit seien an der NIF 300 Megajoule Laserpower dafür eingesetzt worden, “um ganz kurz ein Megajoule Hitze zu erzeugen”. Die Laserfusion stecke “noch in den Kinderschuhen”.
Einer der bekanntesten deutschen Fusionsforscher, Karl Lackner, Emeritus am IPP, lässt zudem kein gutes Haar an dem speziellen Ansatz der Firma Marvel Fusion, das Element Bor einzusetzen: Die “neuen, optimistischen Vorhersagen” der Firma beruhten nicht auf strengen Abschätzungen, sondern auf “Hochrechnungen weit jenseits anerkannter Grenzen der Gültigkeit“, ihr Modell enthalte “intrinsische Widersprüche”, schrieb er in einem wissenschaftlichen Kommentar auf dem Preprint-Server Arxiv. Die Firma hat eine Erwiderung angekündigt, aber noch nicht bei Arxiv hinterlegt.
Fest steht allerdings, dass erstmals seit langem wieder Bewegung in die Debatte um die Kernfusion gekommen ist. Für Stark-Watzinger bietet das Thema die Chance, sich in der alles entscheidenden Energiepolitik mit einem eigenen Projekt zu profilieren. Die FDP will sich als “technologieoffen” präsentieren und eine Alternative oder Ergänzung zu den von den Grünen repräsentierten Ökoenergien anzubieten, die weder CO₂ freisetzt noch langlebigen Atommüll produziert.
Sollte die Forschungsministerin beabsichtigen, sich gegen die Grünen in Stellung zu bringen, so könnte das misslingen: Kai Gering als Vorsitzender des Forschungsausschusses im Bundestag hat sich in der aktuellen Debatte ganz anderes geäußert als es für die Grünen bisher typisch war. Es bestehe die Chance, “über Grundlagenforschung unsere Handlungsoptionen möglicherweise zu erweitern”, sagte er.
Während auch Unionspolitiker eine forcierte Fusionsforschung fordern, bremst die SPD. Die energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Nina Scheer, meint: “Bis Kernfusion je zur Stromgewinnung einsetzbar wäre, wird der Umstieg auf erneuerbare Stromgewinnung geleistet sein, zumal Erneuerbare Energien bereits heute die kostengünstigste Form der Stromgewinnung bieten.”
Geht es nach dem Durchbruch am NIF (National Ignition Facility) in Kalifornien jetzt ganz schnell mit dem ersten Fusionskraftwerk? Wie nah sind Start-ups wie “Marvel Fusion” und “Focused Energy” dem Ziel wirklich? Wo wird die erste Anlage gebaut, die durch die Verschmelzung von Atomkernen Strom liefert? Wer wissenschaftliche Antworten auf diese Fragen sucht, der sollte ein Gespräch mit Sibylle Günter führen. Sie versucht den Drahtseilakt zu bewältigen, die Debatte zu versachlichen und gleichzeitig – angesichts neuer politischer Vorstöße der Forschungsministerin und ihrer Partei – nicht in die Rolle der Euphorie-Bremse gedrängt zu werden.
Während manche schon den baldigen Start erster Kraftwerke verkünden, erinnert Günter an die vielen Hürden, die es noch zu überwinden gilt, bis Menschen tatsächlich Energie aus Kernfusion gewinnen können. So seien die Erkenntnisse am NIF für die Wissenschaft, die Militärforschung und die Plasmaphysik absolut ein Durchbruch. “Aber kein ganz so großer Durchbruch auf dem Weg zu einem Fusionskraftwerk“, sagt Günter. “Es gibt für die Laserfusion bislang kein durchdachtes Kraftwerkskonzept”. Das sei aber auch nicht das Ziel der Forschung am NIF gewesen, sagt Günter.
Es lohnt sich, auf die tatsächlichen Ergebnisse zu schauen. “Das mit dem Netto-Energiegewinn ist nicht richtig. Richtig ist, dass bei der Fusion am NIF zum ersten Mal mehr Energie entstanden ist, als der Laser eingestrahlt hat.” Es seien 150 Prozent der Laserenergie durch Kernfusion wieder freigeworden, was ein großartiges Ergebnis sei. Doch für die Erzeugung der Laserenergie ist etwa 150-mal mehr Energie notwendig als in der Reaktorkammer ankam. “Also ist die eingesetzte Energie um mehr als einen Faktor 100 höher als das, was an Wärmeenergie frei wurde. Und davon könnte wiederum nur ein Teil in Strom umgewandelt werden”, erklärt Günter. Das hätten die Kollegen in den USA bei einer Pressekonferenz auch deutlich gemacht – beim BMBF kam das wohl nicht an.
Günter gibt einen Hinweis an alle, die sich nun dem laserbasierten Weg zur Kernfusion anschließen wollen. “Deutschland ist vor vielen Jahren aus der Laserfusion ausgestiegen – aufgrund des Dual-Use-Charakters. Man muss sich nur bewusst darüber sein, dass die Amerikaner uns in diesem Bereich 30 Jahre voraus sind. Deutschland kann da nicht sofort mithalten.” Günter rechnet vor: Die Forscher in den USA erhielten jährlich etwa 600 Millionen Dollar. Sie sei niemals gegen die Förderung von Wissenschaft und würde auch keine Forschungsansätze kategorisch ausgrenzen. “Was ich allerdings für unwissenschaftlich halte, ist der Glaube, dass durch die Förderung von laserbasierten Verfahren in den nächsten zehn Jahren ein Fusionskraftwerk den Betrieb aufnimmt.“
Wo das erste Kraftwerk irgendwann seinen Betrieb aufnehmen wird, vermag Günter nicht zu sagen, doch sie ist überzeugt, “dass wir in Deutschland und Europa momentan wissenschaftlich noch näher dran sind als die Amerikaner. Aber wenn wir diesen Vorsprung in ein Kraftwerk umsetzen wollen, dann müssen wir jetzt damit anfangen.” Statt Technologiefreiheit brauche es eine politische Agenda, 20 Jahre und 20 Milliarden Euro. Es lohne sich vielversprechende deutsche Start-ups wie Gauss Fusion zu unterstützen, die auf die magnetbasierte Kernfusion setzen. In den USA sei das Start-up Commonwealth Fusion Systems, das auch auf Magnetfusion setzt, in aussichtsreicher Position. “Die haben jetzt 1,8 Mrd. Dollar eingesammelt, damit sind sie unternehmerisch ein Stück voraus. Es wird ein enges Rennen.”
Das ganze Interview mit Sibylle Günter lesen Sie hier.
Es gab Studien und Konsultationen, die gegenwärtige Rechtslage in Europa wurde eingehend beleuchtet. Im zweiten Quartal 2023 will die EU-Kommission nun ihre Pläne für ein novelliertes Gentechnikgesetz vorstellen. Es soll eine rechtliche Grundlage für die Anwendung der neuen genomischen Techniken in der Pflanzenzüchtung schaffen. Es gibt zwei Optionen:
Egal, wie diese Frage entschieden wird – die Mitgliedsstaaten werden die Entscheidung vermutlich im Rahmen einer Verordnung direkt umsetzen müssen. Experten vermuten, dass die EU anders als zuvor keine Richtlinie erlassen wird, deren Ausgestaltung dann den Mitgliedsstaaten obliegt.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina appellieren in einem gemeinsamen Papier an die europäische Politik, die Gentechnik in der EU künftig wissenschaftlich fundiert zu regulieren. Die Produkte der neuen Züchtungstechniken seien von Produkten herkömmlicher Züchtungsverfahren nicht zu unterscheiden. “Eine nachhaltige Landwirtschaft bedarf insbesondere in Zeiten des Klimawandels der Anwendung eines breiten Methodenspektrums”, sagt Gerald Haug, Präsident der Leopoldina. “Die Züchtungsforschung hat mit der Genomeditierung ein sehr präzises Instrument zur Verfügung, welches nicht pauschal bewertet werden sollte.” Potenziale und Risiken neuer Pflanzensorten sollten produktbasiert eingeschätzt werden.
Die neuen Züchtungstechniken – das sind molekularbiologische Methoden wie die Genschere Crispr-Cas. Darunter fällt aber auch eine Gruppe anderer Verfahren, die im Gegensatz zur alten Gentechnik vergleichsweise schnell auch kleine, gezielte, Veränderungen in Pflanzen einführen können.
Diese Veränderungen sind dabei meist an natürlich auftretenden Merkmalen der jeweiligen Pflanzenart orientiert, wie sie etwa in alten Sorten oder Wildformen der Pflanze vorkommen. Dazu gehören vor allem Trockentoleranzen und Krankheitsresistenzen, von denen sich nicht nur Forscher einen Beitrag zur dringend nötigen Anpassung der Landwirtschaft an das globale Bevölkerungswachstum und die Folgen des Klimawandels erhoffen.
Viele der angedachten Züchtungen können zwar mit vergleichbarem genetischem Ergebnis auch anhand von herkömmlichen, nicht gentechnischen, Verfahren entwickelt werden. Allerdings würde das oft zehn bis fünfzehn Jahre dauern, bei manchen Arten wie dem biologisch sehr komplexen Weizen eher noch länger. Dabei gibt es keine Garantie, dass eine neue Sorte am Ende neben gewünschten neuen Eigenschaften nicht auch unerwartete Schwächen offenbart. Eine solche Garantie gibt es zwar auch nicht für Pflanzen, die mit Crispr-Cas und Co. gezüchtet wurden. Nur zeigt sich eben deutlich schneller, ob die Sorten halten, was sie versprechen.
So haben etwa Wissenschaftler des in Niedersachsen ansässigen Saatgutherstellers KWS mithilfe neuer genomischer Techniken binnen zwei Jahren einen Sommerweizen gezüchtet, der mehrere klimabedingt häufiger auftretende Pilzinfektionen toleriert. Ziel ist, den Einsatz von Fungiziden massiv zu reduzieren oder sogar ganz auf solche Pflanzenschutzmittel verzichten zu können – bei gleichem Ertrag. Im Rahmen des Projekts, das PILTON heißt, wird nach Aussage von KWS nun ein entsprechender Winterweizen gezüchtet. Bis zum Projektende in zwei Jahren soll die Sorte fertig sein.
PILTON würde dann einerseits das Potenzial der neuen Methoden demonstrieren. Auf der anderen Seite unterstreicht das Projekt schon jetzt die gravierenden Folgen des EuGH-Urteils von 2018 für die Pflanzenzüchtungsforschung. Da ist zunächst einmal das Geld. Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger setzt wie schon Vorgängerin Anja Karliczek zwar klar auf die “fortschrittlichen Technologien”. Für die nötige unabhängige Forschung an den neuen Methoden gibt es aber seit dem Urteil aus Luxemburg keine Programmförderung mehr. Vor dem europäischen Richterspruch 2018 war die Arbeit an editierten Pflanzen noch in einem Programm mit 26 Projekten finanziert worden.
Am pilzresistenten Weizen im PILTON-Projekt wird vielmehr seit 2021 mit Geld der Gemeinschaft zur Förderung von Pflanzeninnovation (GFPi) geforscht. Dem Verein gehören 54 kleine, mittelständische und große Saatguthersteller an. Zwischenergebnisse der Forschungen bleiben, wie für die unternehmerische Forschung üblich, unveröffentlicht. Sollte die GFPi schließlich Freilandversuche unternehmen, die entweder im Ausland oder – wegen drohender Zerstörung durch Gentechnikgegner – unter strenger Bewachung der Anbauflächen stattfinden müssten, wäre der pilztolerante Weizen nur unter großem finanziellem und bürokratischem Aufwand auf den Markt zu bringen.
Für die öffentlich finanzierte Forschung sind die bestehenden Rahmenbedingungen eine fast unüberwindbare Hürde. Da Pflanzenzüchtungen, die mithilfe der neuen genomischen Techniken entstehen, nach geltendem Recht als GVO gelten, ist ihre Aussicht auf eine Anwendung gering. Und die Forschungsförderung in Deutschland ist anwendungsorientiert. Das haben die PflanzenforscherInnen in den vergangenen Jahren deutlich zu spüren bekommen.
Umso größer die Hoffnung der Forschenden, dass sich die EU in Bezug zur Gentechnik jetzt grundlegend neu orientiert.
“Der Angriff auf die Ukraine ist ein eklatanter Verstoß gegen allgemeines Völkerrecht und gegen unser Zusammenwirken. Auch wenn Wissenschaft oft als diplomatische Brücke fungiert, bin ich der Auffassung, dass dieser Schritt absolut richtig war”, sagt Otmar D. Wiestler. Zusammen mit den anderen Wissenschaftsorganisationen in Deutschland hat Helmholtz bereits am 25. Februar 2023 alle offiziellen Kooperationen sofort eingefroren. Dem Präsidenten der Helmholtz-Gemeinschaft, die seit Jahrzehnten eng mit Russland verbunden ist, war sofort klar, dass diese Entscheidung “eine Reihe von durchaus gravierenden Auswirkungen hat.”
Wiestler nennt die Physik, die sich großer Infrastrukturen bedient, etwa der Röntgenlaser XFEL in Schenefeld, das Forschungszentrum DESY in Hamburg oder der Teilchenbeschleuniger FAIR in Darmstadt. Auch die Umweltforschung ist betroffen. “Wir führen seit Jahrzehnten langfristige Untersuchungen zum Permafrost in Sibirien durch, diese Untersuchungsreihen sind komplett unterbrochen. Die Erhebung von Langzeitdaten lässt sich auch nicht nachholen.” Ebenfalls betroffen sind gemeinsame Forschungseinrichtungen in Sibirien und in St. Petersburg. “Alles das ist jetzt Geschichte.”
Die durch den Krieg entstandenen Krise müsse man mit einer neuen Qualität von Energieforschung begegnen, sagt der Helmholtz-Chef. “Noch Ende Februar 2022 wurde beschlossen, dass wir einzelne Projekte identifizieren müssen, die in der Entwicklung so weit sind, dass wir sie in den nächsten zwei bis vier Jahren mit der Industrie gemeinsam ausrollen können.” Die nächste Generation von Solarzellen sei ein Beispiel, an denen arbeitet Helmholtz konkret. Wasserstoff und Geothermie seien weitere wichtige Felder. “Wenn wir jetzt keine Energiewende oder keine Transformation des Energiesystems schaffen, wann denn dann?”
Wiestler sieht hier eine “echte Chance” und die Bundesregierung in der Pflicht. Die USA hätten einen Plan und investierten massiv in alternative Energieentwicklung. “Wir brauchen jetzt eine Initiative, in der wir die stärksten Kräfte, die es in der Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft gibt, bündeln. Etwa für Entwicklungen in der Fotovoltaik. Es braucht neue Lösungen für die Speicherung der Energie. Dazu gibt es hierzulande viel Know-how in der Wissenschaft, wir können es aber nicht allein in neue Produkte überführen. Erfolgreich werden wir nur in einer konzertierten Aktion sein.”
Das ganze Interview lesen Sie in “Was jetzt, Forschung?”. Die Publikation enthält Impulse aus den Gesprächen u. a. mit Martina Brockmeier (Leibniz), Jan Wörner (Acatech), Heyo Kroemer (Charité), Rafael Laguna de la Vera (Sprind), Volker Meyer-Guckel (Stifterverband), Georg Schütte (VolkswagenStiftung), Otmar D. Wiestler (Helmholtz-Gemeinschaft) und Dorothea Wagner (Wissenschaftsrat). Den kostenlosen Reader erhalten Sie hier.
Im Wahlprogramm 2021 fordert die FDP Technologieoffenheit etwa für eine nachhaltige Landwirtschaft, gleiches für den Klimaschutz. “Technologieoffenheit ist für uns ein zentraler Wert”, erklärte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Saraiim dann auch im vergangenen Juli. Parteichef Christian Linder pflichtete ihm per Tweet bei.
Am Montag verabschiedete das FDP-Präsidium nun einen Beschluss, der ein Gesetz für mehr Technologieoffenheit in der Wissenschaft bringen soll: Es soll künftig offener an Technologien wie Kernkraft und Fracking geforscht werden. “Um aktuelle Krisen zu bewältigen und unser Land zukunftsfähig zu machen, müssen wir die vorhandenen technischen Möglichkeiten ausschöpfen und die Entwicklung neuer Technologien fördern. Für Innovationen und Fortschritt braucht es vor allem eins: Freiheit“, heißt es im Beschluss, den das FDP-Präsidium am Montag gefasst hat.
Deutschland habe sich “viele Chancen verbaut”, sagte dazu Generalsekretär Djir-Sarai im Vorfeld. Ein gesetzlich verankertes Technologiefreiheitsprinzip soll das nun ändern. “Noch mehr kleinlaute Kehrtwenden wie etwa zuletzt beim Thema CCS (Carbon Capture and Storage) kann sich unser Land im Wettbewerb mit den Technologienationen dieser Welt nicht leisten”. Und: Technologiefreiheit sei “eine Brandmauer gegen voreilige Verbotsdiskurse”.
Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger ergänzt: “Technologieoffenheit muss das Prinzip unserer Politik sein, und deswegen ist es wichtig, dass wir es gesetzlich verankern.”
Das steht im Beschluss “Technologieoffen in die Zukunft” der FDP (23.1.2023).
Kernenergie: Zur Sicherung der Energieversorgung und für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts gehöre auch die Kernkraft. Eine Expertenkommission soll über die Verlängerung der drei verbliebenen Kraftwerke entscheiden.
Kernfusion: Die FDP will “gesetzgeberische Möglichkeiten für die Entwicklung der Kernfusion schaffen und die Förderung der Fusionsforschung gezielt stärken. Die internationale Expertengruppe des BMBF wird begrüßt. Ziel soll sein: Der erste Kernfusionsreaktor, der Strom für Unternehmen und Haushalte produziert, soll in Deutschland gebaut werden.
Gasvorkommen: Gas aus Deutschland, etwa in Nordsee und Niedersachsen, soll genutzt werden. Insgesamt gibt es hierzulande mehr als 32 Milliarden Kubikmeter Erdgasreserven, die als sicher oder wahrscheinlich förderbar gelten, schreibt die FDP. Wo es sinnvoll, machbar und ökologisch vertretbar ist, sollten Erdgasvorkommen auch durch Fracking genutzt werden. Man setzt sich für eine Aufhebung des Fracking-Verbots in Deutschland ein.
Klimaneutrale E-Fuels: Die FDP setzt sich dafür ein, dass der Einsatz von E-Fuels im Straßenverkehr vorangebracht wird. Auf dem Weg hin zur klimaneutralen Mobilität der Zukunft müssten alle Technologie-Optionen offengehalten werden.
Biotechnologie : Deutschland und die EU sollen die Forschung im Bereich der Neuen Züchtungstechniken stärken, dazu brauche es eine rechtliche Modernisierung. Die Freien Demokraten sind für eine risikoangepasste Novellierung des EU-Gentechnikrechts an den Stand der Wissenschaft.
Carbon Capture and Storage-Technologien (CCS): Mittels CCS könnten nicht vermeidbare Prozessemissionen in der Industrie eingefangen und anschließend unterirdisch gespeichert werden. CCS-Verfahren ermöglichen ebenfalls, CO2 aus der Luft zu filtern und zu binden. Deutschland soll auch auf diesem Feld die eigenen Potenziale nutzen und darf sich nicht nur auf andere Länder verlassen, wie zum Beispiel Norwegen.
Künstliche Intelligenz: KI nennt die FDP als eine Schlüsseltechnologie für die digitale Transformation. Deutschland müsse in enger Kooperation mit seinen Wertepartnern technologische Souveränität erlangen, man setze sich dafür ein, dass “Verfügbarkeit und Nutzbarkeit von Daten verbessert werden.”
Bei den weiteren Mitgliedern der Ampel stößt das FDP-Papier auf wenig Begeisterung. “Die Bundesförderung ist schon technologieoffen, der Haushaltsrahmen und die vor uns liegende Transformation erfordert aber eine Prioritätensetzung. Insofern fällt das Papier aus der Zeit und flieht vor notwendigen Entscheidungen in Scheinlösungen”, kritisiert Holger Mann (SPD). Die FDP nutze das Schlagwort der Technologieoffenheit, um Technologien von gestern zu befördern.
“Es gibt gute Gründe, warum die Bundesregierung Atomkraft und Fracking ablehnt. Auch die Kernfusion wird in absehbarer Zukunft keine Antworten für die Energieversorgung liefern.”
Der Klimawandel sei längst da und die Energiewende in vollem Gange und müsse jetzt gestaltet werden. Daher verwundere es, warum das FDP-Papier keine Aussagen zu Energiespeichertechnologien, der neuen Generation von Photovoltaik, zu Gleichstromnetzen oder Kreislaufwirtschaft enthalte.
“Wissenschaftsfreiheit steht zu Recht in unserem Grundgesetz, dafür braucht es kein Gesetz”, sagt Anna Christmann (Bündnis 90 / Die Grünen). Für einen innovativen Technologiestandort brauche es tatsächlich mehr Engagement als in den letzten Jahren, das habe man sich als Koalition gemeinsam vorgenommen. “Als Grüne haben wir das größte Interesse, unsere Wirtschaft zu erneuern und gerade für Klimaschutztechnologien beste Bedingungen zu schaffen. Welche Technologien wir am Ende einsetzen, müsse letztlich immer auf der Grundlage von Chancen und Risiken entschieden werden.”
Auch die Opposition spart nicht an Kritik. “Was Fracking betrifft, hat das FDP-Präsidium hier wieder einmal einen Beschluss fürs Schaufenster geschrieben. Sie sprechen sich für Fracking aus, gehen aber nicht ernsthaft an das Thema ran”, sagt Lars Rohwer (CDU). Technologieoffenheit bedeute zudem auch, eine Technologie nicht nur wirtschaftlich zu bewerten, sondern auch eine Bewertung der Risiken für Mensch und Umwelt vorzunehmen. “Innovation und Fortschritt sollten keine ideologischen Grenzen kennen, jedoch ethisch und sozial vertretbar sein und die Umweltrisiken genau abwägen.”
Parteikollege Thomas Jarzombek vermisst eine Priorisierung der genannten, zukünftig wichtigen Forschungsprojekte. “Die FDP hat Recht, dass intensiv und offen geforscht werden muss”, sagt der forschungspolitische Sprecher der CDU. Aber die FDP scheue sich davor, Prioritäten zu setzen. Dies erinnere ihn an den Stand der durch das BMBF vorgestellten Forschungsstrategie. Dort finden sich gleich sechs Missionen – dabei werden jedoch so viele Themen adressiert, dass nicht klar ist, ob und wo Budgets priorisiert werden. Die Diskussion über Verbote, die es gar nicht gibt, soll von fehlenden und dringend nötigen Entscheidungen ablenken.
Petra Sitte (Die Linke) treibt noch eine andere Frage um: “Was bitte ist an dem FDP-Papier noch technologieoffen, wenn in der Folge dieses Präsidiumsbeschlusses die Technologien benannt werden, auf die man setzen will?”
Im Schatten der Energiekrise als Folge des Überfalls Russlands auf die Ukraine und der Sanktionspolitik, sollen Technologien gepuscht werden, die sehr begrenzt die aktuelle Krisensituation entspannen. “Es steht dagegen zu befürchten, dass sie mittelfristig neue schwerere Probleme hervorrufen können.”
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Das Vertrauen in Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist 2023 weiterhin deutlich höher als beispielsweise das Vertrauen in Regierungsvertreter, CEOs oder in die eigenen Nachbarn und Kollegen. Das zeigt sich im neuen Edelmann Trust Barometer 2023, für das im November 2022 mehr als 32.000 Menschen in 27 Ländern befragt wurden.
Im generellen Trust Index, der sich aus dem gemittelten Vertrauen in verschiedene Institutionen (NGOs, Regierung, Unternehmen, Medien) ergibt, zeigt sich über die 27 Nationen hinweg ein stabiles Vertrauen im Vergleich zu 2021. Die größte Zunahme im Vergleich zum Vorjahr gab es mit einem Zuwachs von 43 auf 48 Prozent in den USA. Deutschland liegt mit 46 Prozent knapp dahinter. Der Trust Index beider Länder liegt damit im unteren Drittel der 27 Nationen, die in die Studie einbezogen wurden.
In der Studie wurde auch die von den Befragten wahrgenommene Polarisierung der Gesellschaft erfasst. Hier zeigten sich hohe Werte in den USA, die damit in die extrem polarisierten Länder eingeordnet werden. Auch Deutschland liegt nach Einschätzung der Befragten an der Schwelle zu dieser Einstufung.
Die Befragung ergab weiterhin, dass es vor allem in extrem polarisierten Gesellschaften eine Mehrheit kritisch sieht, wenn sich Unternehmen in gesellschaftliche Debatten einbringen und Stellung beziehen. Aber auch diejenigen, die sich ein Engagement wünschen, knüpfen dieses an Bedingungen: Evidenz- und wertebasiert sollte das Handeln sein. Und es sollte nicht einseitig die Position einer politischen Richtung widerspiegeln. mw
Forschungs- und Innovationsthemen standen im Bundestag und den Ausschüssen in dieser Woche auf der Agenda. Research.Table gibt Ihnen einen Überblick zu den wichtigsten Entwicklungen aus Plenum und Ausschüssen.
Die Fachkräftestrategie der Bundesregierung wurde am 20. Januar im Bundestag beraten. Die Bedarfe in Wissenschaft und Forschung werden dort durchaus widersprüchlich dargestellt. Dies hängt vermutlich damit zusammen, dass die sogenannte Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit die Berufsgruppen des Wissenschaftssystems kaum im Blick hat und somit aussagekräftige Daten fehlen.
Klar ist aber, dass insbesondere die MINT-Fächer auf ein Problem zusteuern. Der Rückgang der Studienanfänger hier betrug 6,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das liegt noch über dem allgemeinen Rückgang der Studienanfänger von vier Prozent. Der in der Fachkräftestrategie erwähnte MINT-Aktionsplan des BMBF zeigt also hier noch keine Wirkung.
Bereits am 18. Januar war die Start-up-Strategie der Bundesregierung Thema im Plenum. Im Förderprogramm EXIST sollen in Zukunft über die Förderrichtlinie “EXIST Women” gezielt Gründerinnen gefördert werden. Darüber hinaus möchte das BMWK ein Reallabore-Gesetz auf den Weg bringen. Das Gesetz, das im Konzept vorliegt, möchte “bundesweit einheitliche und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen für Reallabore bieten und neue Freiräume zur Erprobung von Innovationen ermöglichen.”
Thomas Jarzombek (CDU) mahnte in der Debatte eine weitere Entbürokratisierung von Ausgründungen an und betonte, dass Dati (“ein Phantom”) und Sprind vorankommen müssten, um auch darüber dem Gründungssektor einen Schub zu geben.
Im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung stand ebenfalls am 18. Januar der Antrag der CDU/CSU zu einer “Technologieagenda neue Energien” auf der Agenda. Die geladenen Experten waren sich einig, dass es das Ziel sein müsse, “Deutschland als Champion für nachhaltige Energietechnologien” (Helmholtz-Präsident Otmar D. Wiestler) zu positionieren und Wertschöpfung für alle Schlüsseltechnologien im Land zu behalten. Claudia Kemfert vom DIW betonte, dass die wissenschaftliche Basis für die Energiewende vorhanden sei.
Letztlich – und darin waren sich die Experten einig – gehe es darum, in die Umsetzung zu kommen. Dafür brauche es einen auf einer guten Analyse beruhenden und konzertierten Plan. Otmar D. Wiestler wies darauf hin, dass es in anderen Ländern bereits derartige Pläne gibt und mahnte strategische Investitionen auch in Deutschland an. Erste Schritte könnten laut der Experten in Modellregionen oder Reallaboren gemacht werden. Letztlich gehe es vor allem um Schnelligkeit und Effizienz – und möglichst wenig bürokratische Hürden. mw
Tagesspiegel.de – Knappe Kassen: Durch den Pakt für Forschung und Innovation bekommen außeruniversitären Forschungsinstitute jedes Jahr drei Prozent Aufwuchs vom Staat garantiert. In normalen Zeiten schielten die Universitäten immer neidisch darauf. Doch durch die hohe Inflation werden die drei Prozent zum Fluch. Derweil werden in den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst Gehaltserhöhungen von um die fünf Prozent erwartet. Drohen nun Entlassungen? Mehr
Nature – Largest-ever study of journal editors highlights ,self-publication’ and gender gap: Wenn Forscher in Redaktionen von wissenschaftlichen Fachzeitschriften arbeiten, publizieren viele eine beträchtliche Anzahl ihrer Arbeiten im eigenen Magazin. Das kann, muss aber nicht problematisch sein. Solange ethische Standards eingehalten werden. Für die Studie wurden Profile von 80.000 Redakteuren von 1100 Fachzeitschriften aus 15 Disziplinen und fünf Dekaden analysiert. Weiteres Ergebnis: Frauen kommen in den Redaktionen kaum vor. Mehr
idw online – Narzissmus ist ein zweischneidiges Schwert für Gründer: In der Anfangsphase eines Unternehmens kann ein narzisstischer Gründer positive Effekte erzielen. Die Überlebensrate von innovativen Start-ups korreliert mit einer narzisstischen Unternehmerpersönlichkeit. In den späteren Phasen eines Unternehmens kehrt sich das um. Der Narzissmus habe dann mitunter “überwältigend negative Auswirkungen”, erklären Forscher der Handelshochschule Leipzig. Mehr
The Economist – Which firm will win the new Moon race?: Drei Missionen wollen Landegeräte und Messinstrumente zum Mond bringen. Eine ist bereits auf dem Weg, zwei folgen in Kürze. Billige Raketen und neue Technologien bringen den Mond und seine Ressourcen wieder stärker in den Fokus von Regierungen und Privatunternehmen. Die Frage “Wem gehört der Mond” wird sich also bald wieder nachdrücklicher stellen. Mehr
Financial Times – Science collaborations are Britain´s springboard to the world: Wissenschaftsminister George Freeman plädiert nachdrücklich für die Assoziierung des UK zu Horizon Europe. In seinem Beitrag begrüßt Hugh Brady, Präsident des Imperial College London, dieses Statement und macht deutlich, dass von Horizon Europe nicht nur die Netzwerke mit europäischen Partnern profitieren. Auch viele außereuropäische Verbindungen der britischen Wissenschaft kommen über EU-Projekte zustande. Mehr
Bei Helmut Schönenberger ist nicht viel von der oft zitierten bayerischen Gemütlichkeit zu spüren: “Anpacken, das ist das Mindset.” Als Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH UnternehmerTUM haben er und sein Team von 400 Kollegen alle Hände voll zu tun. Pro Jahr assistieren sie um die 6.000 hungrigen Studierenden auf ihrem Weg in die Welt der Start-ups. Doch der Aufwand, da zweifelt der gebürtige Münchener keine Sekunde, macht sich bezahlt: “Wenn du eine Studentin auf ihrem Weg begleitest, die fünf Jahre später eine der Superstars im deutschen Gründungsumfeld ist – das ist der Hammer.”
Eine Vorliebe für Senkrechtstarter hatte er schon in seiner Jugend, auch wenn das damals noch etwas anders gelagert war. Denn sein Studium widmete er der Luft- und Raumfahrttechnik, was ihn bis nach Kalifornien für ein Projekt der NASA führte. Dort zeigte sich Schönenberger schwer beeindruckt von der Fähigkeit des Silicon Valley, “damals schon die Vorzeigeregion”, Technologie in neue Lebensrealitäten übersetzen zu können. Kaum zu Hause angekommen, verfasste er eine vergleichende Arbeit über die Startup-Kaderschmiede Stanford und die TUM, die ihren Weg bis zum Universitätspräsidenten und über diesen zu Susanne Klatten fand. Prompt fiel 2002 der Startschuss für das Projekt UnternehmerTUM.
Schönenberger hat keine Scheu vor den großen Titeln, nennt UnternehmerTUM “Europas größtes Gründer- und Innovationszentrum”. Schließlich ließe sich das mit Zahlen belegen. 2021 flossen drei Milliarden Euro Venture-Capital in studentische Projekte, 2022 knapp 2 Milliarden. Dazu kommt ein hauseigener Fonds, aus dem jährlich um die 50 Millionen investiert werden. Stolz ist er darauf, dass die Junggründer der TUM 20 Prozent allen Kapitals in Deutschland gewinnen, obwohl sie nur 1,7 Prozent der Studierenden ausmachen – wohlgemerkt dann, wenn man alle Fachrichtungen miteinbezieht.
Entscheidend sei letztlich immer die Skalierbarkeit der Projekte: “Die Finanzierungsrunden sind der harte Indikator für den Erfolg der Start-ups.” Der Standort München biete hier eindeutige Vorteile. Das “gute Umfeld aus führenden Universitäten, frischen Start-ups und etablierten Unternehmen” helfe bei der Kultivierung des nötigen “Mindsets”. Herumzusitzen und zu warten, bis man um fünf Uhr heimgehen kann, das reiche nicht.
Ein Konkurrenzverhältnis zu anderen Forschungsorganisationen wie Max-Planck oder Helmholtz, die ihren Forschungsauftrag nicht als Leitsystem in die wirtschaftliche Verwertbarkeit verstehen, sieht er nicht. Dennoch: wenn es nach ihm geht, landen so viele Talente wie irgend möglich in Garching.
“Der Schatz, das sind die jungen Leute”, sagt Schönenberger. Und was die so umtreibt, beschäftigt dann auch ihn. Das sind in letzter Zeit vor allem Beiträge zur Nachhaltigkeit. Alle studentischen Ideen müssen sich dabei aber drei Kriterien stellen können – ökologischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit. Fehlt eines, fällt alles: “Wenn deine Firma einen gesellschaftlichen Impact hat, sich aber nicht trägt, dann ist das halt nichts.” Die unternehmerische Kunst liege in der sorgsamen Austarierung dieser Faktoren.
In den nächsten zehn Jahren plant Schönenberger zu expandieren, “unseren Impact zu verzehnfachen”. Darunter macht er es nicht. In Planung sind dafür die TUM Venture Labs, eine Kooperation mit der Familie Strüngmann und Industriepartnern. Anvisiert ist die weitere Spezialisierung der bestehenden Start-up-Fabrik. Elf Technologiefelder sollen es werden, von Aerospace bis Health Care. In diesem Projekt sieht er ein Vorbild für die restliche Forschungslandschaft: “Wenn wir Universitäts- und Wirtschaftswelt miteinander verbinden wollen, dann müssen wir eines – Kräfte bündeln.” Julius Schwarzwälder
Nemat “Minouche” Shafik übernimmt als erste Frau das Präsidentenamt von New Yorks Elite-Universität Columbia. Derzeit ist sie noch Direktorin der London School of Economics. Die in Ägypten geborene 60-jährige Wirtschaftswissenschaftlerin wird zum 1. Juli 2023 Nachfolgerin des derzeitigen Präsidenten Lee Bollinger.
Eva Martha Eckkrammer wird neue Präsidentin der Universität Trier. Die Romanistin der Universität Mannheim tritt am 1. September 2023 die Nachfolge von Michael Jäckel an, der nach zwei Amtsperioden nicht erneut kandidiert hatte. Nach fünf männlichen Amtsinhabern wird sie die erste Frau in der höchsten Leitungsposition der Universität Trier.
Klaus Nassenstein ist neuer Präsident des Forschungs- und Transfernetzwerkes des Mittelstands AiF. Nassenstein wurde am 18. Januar 2023 zum 14. Präsidenten des AiF gewählt. Er folgt auf Professor Sebastian Bauer, dessen Amtszeit turnusgemäß endete. Der neue AiF-Präsident ist Geschäftsführer und Mitinhaber der GTV Automotive GmbH.
Julia C. Arlinghaus, Nicole Dreyer-Langlet, Katharina Hölzle, Daniel Hug, Dieter Meuser und Björn Sauter sind neue Mitglieder im Forschungsbeirat Industrie 4.0. Sie wurden in das von acatech koordinierte Gremium berufen. Die insgesamt 32 Vertreterinnen und Vertreter sind Berater und Impulsgeber für das BMBF.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie uns gerne einen Hinweis für diese Rubrik an research@table.media!
Wer die Führungsmisere der deutschen Wissenschaft beschreiben will, kann Sebastian Thrun zuhören. Der Ex-Stanford-Professor und Multi-Gründer beschrieb mir die deutschen Wissensschafts-Granden als Halbgötter, die über Doktoranden und Postdocs sowie über Drittmittel und Großbauten herrschten, während Professoren und Entrepreneure in seiner kalifornischen Community bei ihren Zusammenkünften die Welt leidenschaftlich verbessern wollten. Die rigorose Frage: Können wir nicht auch in Kaiserslautern kalifornischer werden?
Bei Führungsthemen wird seit Jahrzehnten unterschieden zwischen Management und Leadership: Ersteres ein effizienzgetriebenes, eher technokratisches Führungsverständnis, zwar notwendig, aber erst hinreichend, wenn verzahnt mit Leadership: Vision kreieren, Menschen inspirieren, Kommittent schaffen – selbst Vorbild sein.
Für Techno- sowie Bürokraten ist weder Leadership noch Management ein Thema. Sie schert es nicht, ob sie ihre Organisation visionär nach vorne führen und die Mitarbeitenden engagiert sind oder nicht. Sie kümmert auch nicht, ob der Output oder Impact ihrer Organisation schlecht und der Throughput ineffizient ist. Hauptsache, sie werden gefüttert, der Input stimmt.
Deutsche Forschungsorganisationen haben trotz wachsender Budgets schlechten Output: Seit 2010 hält der Abstieg bei Weltklasse-Patenten an, wie eine Bertelsmann Studie aufzeigt. Es gibt Tiefstände bei DeepTech-und Hightech-Ausgründungen, wie die EFI-Kommission Jahr für Jahr belegt und schleichende Innovationsarmut im deutschen Mittelstand, wie das ZEW seit 2002 berichtet.
Gleichzeitig häufen sich die Belege für Führungs-Unkultur: Fraunhofers verfilzte Führungsspitze ist seit Jahren skandalgeschüttelt, Machtmissbrauch, Diskriminierung und Compliance-Verstöße bei Max-Planck, Acatechs nicht aufgearbeiteter Betrugsskandal seines früheren Präsidenten Hüttl. Im gleichermaßen veränderungsresistenten Universitätssektor sprechen wir ebenfalls kaum über Transformationserfolge.
Der legendäre emeritierte Präsident der TU München, Wolfgang Herrmann, schwieg auf meine Frage, ob er sich mit seinem Gründungskonzept für die TU Nürnberg das versprach, was ihm mit der TU München trotz aller Reformen letztlich verwehrt blieb. Die frühere Humboldt-Präsidentin und Rebellin Sabine Kunst scheiterte an der Politik, der kreative Sascha Spoun macht an der Leuphana Universität Sisyfos-Arbeit.
Die Aufzählung kann lange so weiter gehen: Der frühere FU-Präsident und Reformer Lenzen – ungemütlich für die Status Quo-Bewahrer – wurde damals ins Hamburger Exil vertrieben. Wenige, die den Kampf gegen die selbstzufriedene Gremienhochschule oder die an Ergebnissen desinteressierte Polit-Bürokratie aufnahmen.
Ansonsten meist blutarme Wissenschaftstechnokraten an der Spitze, die liebend gern die Gegenwart effizient managen, statt auch zukunftsorientiert zu führen. Wissenschaft und Forschung – eigentlich wunderbare Innovationsbiotope, würden sie nicht wie Abarbeitungsbürokratien geführt und von Bund und Ländern noch dazu mikropolitisch gegängelt. Gerade in solchen erstarrten Strukturen kommt es auf den einzelnen in seiner Verantwortung an.
Innovating Innovation: alles fängt mit Science Leadership an! Bringen Sie die nächste Gremiensitzung zum Schwingen mit der Frage, welchen Beitrag die Institution zu einer besseren Welt leisten will. Fordern Sie als Hochschulrat, dass mit gleichen Mitteln, aber mehr Kreativität das anspruchsvollere Ziel erreicht wird. Sorgen Sie als Präsident für die Messung des Impacts Ihrer Hochschule. Denn gute Wissenschaft braucht Leadership.
Thomas Sattelberger schreibt in Sattelbergers Rigorosum ab sofort und unregelmäßig Gastbeiträge für den Research.Table.
wir freuen uns sehr, Sie zu dieser zweiten Ausgabe des Research.Table zu begrüßen – das neue Professional Briefing für Wissenschaftspolitik, Forschungsstrategie, Innovationsmanagement und Research Funding. Wir möchten uns für die zahlreichen Rückmeldungen zu unserem Start bedanken. Wir nehmen Ihre Anregungen und Hinweise gerne auf. Unsere Bitte gilt weiterhin: Wir möchten Ihre Wünsche noch genauer kennenlernen, schreiben Sie Ihre Einschätzung an: research@table.media.
Diesmal berichten wir über den falsch verstandenen Hype um die Kernfusion: Nach Fortschritten in den USA und Ankündigungen zweier Start-ups, bis 2030 ein Kraftwerk ans Netz zu bringen, ist in Deutschland die politische Debatte über das Potenzial der Kernfusion aufgeflammt. Christian Schwägerl analysiert die Forschungslage.
Entstanden ist der Hype durch den Durchbruch an der amerikanischen National Ignition Facility. Aber wie sind die Ergebnisse einzuordnen? Welche Schlüsse sollte man daraus ziehen? Und welche eben nicht? Tim Gabel hat mit Sibylle Günter gesprochen. Die Wissenschaftliche Direktorin des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik schildert, was die Forschung in Deutschland jetzt statt markiger Worte bräuchte.
Mitten in die Debatte platzte am Anfang der Woche dann auch noch der Gesetzesvorstoß der FDP für mehr “Technologieoffenheit in der Forschung”, etwa in der Kernfusion, Kernenergie und beim Fracking. Wichtiger Schritt oder nur ein Ablenkungsmanöver? Wir haben Politiker der Ampel und Vertreter der Opposition gefragt, wie sie den Vorstoß beurteilen.
Kathrin Zinkant berichtet über den Showdown für die europäische Pflanzenforschung, der frühere BMBF-Staatssekretär Thomas Sattelberger stellt im Gastbeitrag klar: Gute Wissenschaft braucht Leadership!
Wir wünschen Ihnen eine inspirierende Lektüre!
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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) plant für die Energiewende, die Deutschland bis 2045 klimaneutral machen soll, bisher mit exakt null Kilowattstunden aus Kernfusion. Doch seit kurzem liegt in Berlin ein ganz anderes Szenario auf den Tischen: Mit einem Präsidiumsbeschluss der FDP aus dieser Woche könnte die Forschung zur Kernfusion zu einem prägenden Thema von Bundesforschungsministerin Stark-Watzinger werden. Ziel ist wohl auch die Profilschärfung bei den Themen Klima und Energie. Auf Twitter verkündete die FDP-Chefin: lieber Fortschritt als Proteste.
In dem FDP-Präsidiumsvorstoß für ein neues Technologiefreiheitsgesetz ist die Kernfusion das zentrale Thema. Die Partei will “gesetzgeberische Möglichkeiten für die Entwicklung der Kernfusion schaffen und die Förderung der Fusionsforschung gezielt stärken”, heißt es dort. Doch warum gerade jetzt?
Zwei konkurrierende Start-ups – die deutsche Firma Marvel Fusion mit Sitz in München und Focused Energy mit Sitz in Austin/Texas und einer Tochter-GmbH in Darmstadt – hatten kürzlich angekündigt, dass sie bereits in den 2030ern in Deutschland erste Kraftwerke in Betrieb nehmen wollen. Sie setzen auf unterschiedliche Verfahren der Laserfusion, bei denen kurze, starke Energiepulse im Sekundentakt den Fusionsprozess initiieren.
Anfang 2023 gab dann der deutsche Hightech-Unternehmer Frank Laukien bekannt, er wolle mit einem Industriekonsortium und der neu gegründeten Firma Gauss Fusion mit Sitz in Hanau bei Frankfurt bis 2045 ein erstes deutsches Fusionskraftwerk bauen. Laukien verfolgt statt der Laserfusion das Verfahren, das Millionen Grad heiße Plasma in einem sehr starken Magnetfeld einzuschließen. Während alle Start-ups namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufbieten, ist sein Konsortium den anderen Playern bei der Erfahrung in Anlagenbau und Fertigung überlegen.
Mit Bettina Stark-Watzinger hat sich nun ein Kabinettsmitglied an die Spitze der Bewegung gesetzt und sich die ambitionierte Zielsetzung der Start-ups zu eigen gemacht. Auf die Frage, wann zum ersten Mal Strom aus einem Fusionskraftwerk ins deutsche Stromnetz fließen wird, sagte sie Mitte Dezember – zur Überraschung vieler Expertinnen und Experten – im heute-journal: “Ich sag’ mal zehn Jahre, es kann auch etwas länger dauern, aber wir müssen uns ja Ambitionen setzen.”
Seither strebt Stark-Watzinger eine massive Steigerung der Forschungsmittel für die Kernfusion an. Und schon im Frühjahr soll eine siebenköpfige Expertengruppe nicht nur Vorschläge machen, sondern gleich ein Memorandum vorlegen, wie der Weg zum ersten deutschen Fusionskraftwerk geebnet werden kann. Die Leitung übertrug die Forschungsministerin dem Physiker Constantin Häfner, Chef des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik in Aachen.
Dass die Wahl auf Häfner fiel, ist aus zwei Gründen bemerkenswert: Der Laserexperte war bis vor wenigen Jahren an der National Ignition Facility (NIF) in den USA tätig. Dort wurde am 13. Dezember 2022 mit großer Show ein Erfolg in der Fusionsforschung bekannt gegeben , der weltweit Schlagzeilen machte. Häfner feierte die Bekanntgabe mit den Worten, auf der Erde sei ein “Mini-Stern gezündet worden” und rechnete vor, für den Laserpuls seien 2,05 Megajoule eingesetzt und durch die Fusion 3,15 Megajoule freigesetzt worden. Dieser Netto-Energiegewinn stelle “den ersten international lang erwarteten Durchbruch in der Fusionsforschung dar.”
Doch fast die gesamte deutsche Fusionsforschung zielt bisher nicht auf die Laser-, sondern auf die Magnetfusion ab. 134 Millionen Euro pro Jahr bekommt das von der Max-Planck-Gesellschaft getragene und mit der Helmholtz-Gemeinschaft assoziierte Institut für Plasmaphysik in Garching bei München pro Jahr dafür. Erst vor wenigen Jahren sind mit der Bundesregierung als Hauptgeldgeber eine Milliarde Euro in die Plasma-Versuchsanlage “Wendelstein 7-X” in Greifswald geflossen, in deren Zentrum ein starker Magnet arbeitet. Und auch das bisher von der Regierung hochgehaltene Fusions-Megaprojekt “Iter” in Südfrankreich beruht auf Magnetfusion.
Ist Stark-Watzingers Ernennung des Laserexperten Häfners zum Chefberater in Sachen Kernfusion zugleich ein Signal dafür, dass Deutschland die Magnetfusion künftig hintanstellt? Der Gründer von Gauss Fusion, Frank Laukien, blickt sehr kritisch auf die alternative Lasertechnik und zweifelt an, wie bahnbrechend das Experiment in den USA wirklich war: “Es hieß ja, dass mehr Energie erzeugt als eingesetzt wurde, aber das stimmt nur, wenn man den Energiebedarf der Testanlage ausblendet”, sagt er. In Wirklichkeit seien an der NIF 300 Megajoule Laserpower dafür eingesetzt worden, “um ganz kurz ein Megajoule Hitze zu erzeugen”. Die Laserfusion stecke “noch in den Kinderschuhen”.
Einer der bekanntesten deutschen Fusionsforscher, Karl Lackner, Emeritus am IPP, lässt zudem kein gutes Haar an dem speziellen Ansatz der Firma Marvel Fusion, das Element Bor einzusetzen: Die “neuen, optimistischen Vorhersagen” der Firma beruhten nicht auf strengen Abschätzungen, sondern auf “Hochrechnungen weit jenseits anerkannter Grenzen der Gültigkeit“, ihr Modell enthalte “intrinsische Widersprüche”, schrieb er in einem wissenschaftlichen Kommentar auf dem Preprint-Server Arxiv. Die Firma hat eine Erwiderung angekündigt, aber noch nicht bei Arxiv hinterlegt.
Fest steht allerdings, dass erstmals seit langem wieder Bewegung in die Debatte um die Kernfusion gekommen ist. Für Stark-Watzinger bietet das Thema die Chance, sich in der alles entscheidenden Energiepolitik mit einem eigenen Projekt zu profilieren. Die FDP will sich als “technologieoffen” präsentieren und eine Alternative oder Ergänzung zu den von den Grünen repräsentierten Ökoenergien anzubieten, die weder CO₂ freisetzt noch langlebigen Atommüll produziert.
Sollte die Forschungsministerin beabsichtigen, sich gegen die Grünen in Stellung zu bringen, so könnte das misslingen: Kai Gering als Vorsitzender des Forschungsausschusses im Bundestag hat sich in der aktuellen Debatte ganz anderes geäußert als es für die Grünen bisher typisch war. Es bestehe die Chance, “über Grundlagenforschung unsere Handlungsoptionen möglicherweise zu erweitern”, sagte er.
Während auch Unionspolitiker eine forcierte Fusionsforschung fordern, bremst die SPD. Die energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Nina Scheer, meint: “Bis Kernfusion je zur Stromgewinnung einsetzbar wäre, wird der Umstieg auf erneuerbare Stromgewinnung geleistet sein, zumal Erneuerbare Energien bereits heute die kostengünstigste Form der Stromgewinnung bieten.”
Geht es nach dem Durchbruch am NIF (National Ignition Facility) in Kalifornien jetzt ganz schnell mit dem ersten Fusionskraftwerk? Wie nah sind Start-ups wie “Marvel Fusion” und “Focused Energy” dem Ziel wirklich? Wo wird die erste Anlage gebaut, die durch die Verschmelzung von Atomkernen Strom liefert? Wer wissenschaftliche Antworten auf diese Fragen sucht, der sollte ein Gespräch mit Sibylle Günter führen. Sie versucht den Drahtseilakt zu bewältigen, die Debatte zu versachlichen und gleichzeitig – angesichts neuer politischer Vorstöße der Forschungsministerin und ihrer Partei – nicht in die Rolle der Euphorie-Bremse gedrängt zu werden.
Während manche schon den baldigen Start erster Kraftwerke verkünden, erinnert Günter an die vielen Hürden, die es noch zu überwinden gilt, bis Menschen tatsächlich Energie aus Kernfusion gewinnen können. So seien die Erkenntnisse am NIF für die Wissenschaft, die Militärforschung und die Plasmaphysik absolut ein Durchbruch. “Aber kein ganz so großer Durchbruch auf dem Weg zu einem Fusionskraftwerk“, sagt Günter. “Es gibt für die Laserfusion bislang kein durchdachtes Kraftwerkskonzept”. Das sei aber auch nicht das Ziel der Forschung am NIF gewesen, sagt Günter.
Es lohnt sich, auf die tatsächlichen Ergebnisse zu schauen. “Das mit dem Netto-Energiegewinn ist nicht richtig. Richtig ist, dass bei der Fusion am NIF zum ersten Mal mehr Energie entstanden ist, als der Laser eingestrahlt hat.” Es seien 150 Prozent der Laserenergie durch Kernfusion wieder freigeworden, was ein großartiges Ergebnis sei. Doch für die Erzeugung der Laserenergie ist etwa 150-mal mehr Energie notwendig als in der Reaktorkammer ankam. “Also ist die eingesetzte Energie um mehr als einen Faktor 100 höher als das, was an Wärmeenergie frei wurde. Und davon könnte wiederum nur ein Teil in Strom umgewandelt werden”, erklärt Günter. Das hätten die Kollegen in den USA bei einer Pressekonferenz auch deutlich gemacht – beim BMBF kam das wohl nicht an.
Günter gibt einen Hinweis an alle, die sich nun dem laserbasierten Weg zur Kernfusion anschließen wollen. “Deutschland ist vor vielen Jahren aus der Laserfusion ausgestiegen – aufgrund des Dual-Use-Charakters. Man muss sich nur bewusst darüber sein, dass die Amerikaner uns in diesem Bereich 30 Jahre voraus sind. Deutschland kann da nicht sofort mithalten.” Günter rechnet vor: Die Forscher in den USA erhielten jährlich etwa 600 Millionen Dollar. Sie sei niemals gegen die Förderung von Wissenschaft und würde auch keine Forschungsansätze kategorisch ausgrenzen. “Was ich allerdings für unwissenschaftlich halte, ist der Glaube, dass durch die Förderung von laserbasierten Verfahren in den nächsten zehn Jahren ein Fusionskraftwerk den Betrieb aufnimmt.“
Wo das erste Kraftwerk irgendwann seinen Betrieb aufnehmen wird, vermag Günter nicht zu sagen, doch sie ist überzeugt, “dass wir in Deutschland und Europa momentan wissenschaftlich noch näher dran sind als die Amerikaner. Aber wenn wir diesen Vorsprung in ein Kraftwerk umsetzen wollen, dann müssen wir jetzt damit anfangen.” Statt Technologiefreiheit brauche es eine politische Agenda, 20 Jahre und 20 Milliarden Euro. Es lohne sich vielversprechende deutsche Start-ups wie Gauss Fusion zu unterstützen, die auf die magnetbasierte Kernfusion setzen. In den USA sei das Start-up Commonwealth Fusion Systems, das auch auf Magnetfusion setzt, in aussichtsreicher Position. “Die haben jetzt 1,8 Mrd. Dollar eingesammelt, damit sind sie unternehmerisch ein Stück voraus. Es wird ein enges Rennen.”
Das ganze Interview mit Sibylle Günter lesen Sie hier.
Es gab Studien und Konsultationen, die gegenwärtige Rechtslage in Europa wurde eingehend beleuchtet. Im zweiten Quartal 2023 will die EU-Kommission nun ihre Pläne für ein novelliertes Gentechnikgesetz vorstellen. Es soll eine rechtliche Grundlage für die Anwendung der neuen genomischen Techniken in der Pflanzenzüchtung schaffen. Es gibt zwei Optionen:
Egal, wie diese Frage entschieden wird – die Mitgliedsstaaten werden die Entscheidung vermutlich im Rahmen einer Verordnung direkt umsetzen müssen. Experten vermuten, dass die EU anders als zuvor keine Richtlinie erlassen wird, deren Ausgestaltung dann den Mitgliedsstaaten obliegt.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina appellieren in einem gemeinsamen Papier an die europäische Politik, die Gentechnik in der EU künftig wissenschaftlich fundiert zu regulieren. Die Produkte der neuen Züchtungstechniken seien von Produkten herkömmlicher Züchtungsverfahren nicht zu unterscheiden. “Eine nachhaltige Landwirtschaft bedarf insbesondere in Zeiten des Klimawandels der Anwendung eines breiten Methodenspektrums”, sagt Gerald Haug, Präsident der Leopoldina. “Die Züchtungsforschung hat mit der Genomeditierung ein sehr präzises Instrument zur Verfügung, welches nicht pauschal bewertet werden sollte.” Potenziale und Risiken neuer Pflanzensorten sollten produktbasiert eingeschätzt werden.
Die neuen Züchtungstechniken – das sind molekularbiologische Methoden wie die Genschere Crispr-Cas. Darunter fällt aber auch eine Gruppe anderer Verfahren, die im Gegensatz zur alten Gentechnik vergleichsweise schnell auch kleine, gezielte, Veränderungen in Pflanzen einführen können.
Diese Veränderungen sind dabei meist an natürlich auftretenden Merkmalen der jeweiligen Pflanzenart orientiert, wie sie etwa in alten Sorten oder Wildformen der Pflanze vorkommen. Dazu gehören vor allem Trockentoleranzen und Krankheitsresistenzen, von denen sich nicht nur Forscher einen Beitrag zur dringend nötigen Anpassung der Landwirtschaft an das globale Bevölkerungswachstum und die Folgen des Klimawandels erhoffen.
Viele der angedachten Züchtungen können zwar mit vergleichbarem genetischem Ergebnis auch anhand von herkömmlichen, nicht gentechnischen, Verfahren entwickelt werden. Allerdings würde das oft zehn bis fünfzehn Jahre dauern, bei manchen Arten wie dem biologisch sehr komplexen Weizen eher noch länger. Dabei gibt es keine Garantie, dass eine neue Sorte am Ende neben gewünschten neuen Eigenschaften nicht auch unerwartete Schwächen offenbart. Eine solche Garantie gibt es zwar auch nicht für Pflanzen, die mit Crispr-Cas und Co. gezüchtet wurden. Nur zeigt sich eben deutlich schneller, ob die Sorten halten, was sie versprechen.
So haben etwa Wissenschaftler des in Niedersachsen ansässigen Saatgutherstellers KWS mithilfe neuer genomischer Techniken binnen zwei Jahren einen Sommerweizen gezüchtet, der mehrere klimabedingt häufiger auftretende Pilzinfektionen toleriert. Ziel ist, den Einsatz von Fungiziden massiv zu reduzieren oder sogar ganz auf solche Pflanzenschutzmittel verzichten zu können – bei gleichem Ertrag. Im Rahmen des Projekts, das PILTON heißt, wird nach Aussage von KWS nun ein entsprechender Winterweizen gezüchtet. Bis zum Projektende in zwei Jahren soll die Sorte fertig sein.
PILTON würde dann einerseits das Potenzial der neuen Methoden demonstrieren. Auf der anderen Seite unterstreicht das Projekt schon jetzt die gravierenden Folgen des EuGH-Urteils von 2018 für die Pflanzenzüchtungsforschung. Da ist zunächst einmal das Geld. Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger setzt wie schon Vorgängerin Anja Karliczek zwar klar auf die “fortschrittlichen Technologien”. Für die nötige unabhängige Forschung an den neuen Methoden gibt es aber seit dem Urteil aus Luxemburg keine Programmförderung mehr. Vor dem europäischen Richterspruch 2018 war die Arbeit an editierten Pflanzen noch in einem Programm mit 26 Projekten finanziert worden.
Am pilzresistenten Weizen im PILTON-Projekt wird vielmehr seit 2021 mit Geld der Gemeinschaft zur Förderung von Pflanzeninnovation (GFPi) geforscht. Dem Verein gehören 54 kleine, mittelständische und große Saatguthersteller an. Zwischenergebnisse der Forschungen bleiben, wie für die unternehmerische Forschung üblich, unveröffentlicht. Sollte die GFPi schließlich Freilandversuche unternehmen, die entweder im Ausland oder – wegen drohender Zerstörung durch Gentechnikgegner – unter strenger Bewachung der Anbauflächen stattfinden müssten, wäre der pilztolerante Weizen nur unter großem finanziellem und bürokratischem Aufwand auf den Markt zu bringen.
Für die öffentlich finanzierte Forschung sind die bestehenden Rahmenbedingungen eine fast unüberwindbare Hürde. Da Pflanzenzüchtungen, die mithilfe der neuen genomischen Techniken entstehen, nach geltendem Recht als GVO gelten, ist ihre Aussicht auf eine Anwendung gering. Und die Forschungsförderung in Deutschland ist anwendungsorientiert. Das haben die PflanzenforscherInnen in den vergangenen Jahren deutlich zu spüren bekommen.
Umso größer die Hoffnung der Forschenden, dass sich die EU in Bezug zur Gentechnik jetzt grundlegend neu orientiert.
“Der Angriff auf die Ukraine ist ein eklatanter Verstoß gegen allgemeines Völkerrecht und gegen unser Zusammenwirken. Auch wenn Wissenschaft oft als diplomatische Brücke fungiert, bin ich der Auffassung, dass dieser Schritt absolut richtig war”, sagt Otmar D. Wiestler. Zusammen mit den anderen Wissenschaftsorganisationen in Deutschland hat Helmholtz bereits am 25. Februar 2023 alle offiziellen Kooperationen sofort eingefroren. Dem Präsidenten der Helmholtz-Gemeinschaft, die seit Jahrzehnten eng mit Russland verbunden ist, war sofort klar, dass diese Entscheidung “eine Reihe von durchaus gravierenden Auswirkungen hat.”
Wiestler nennt die Physik, die sich großer Infrastrukturen bedient, etwa der Röntgenlaser XFEL in Schenefeld, das Forschungszentrum DESY in Hamburg oder der Teilchenbeschleuniger FAIR in Darmstadt. Auch die Umweltforschung ist betroffen. “Wir führen seit Jahrzehnten langfristige Untersuchungen zum Permafrost in Sibirien durch, diese Untersuchungsreihen sind komplett unterbrochen. Die Erhebung von Langzeitdaten lässt sich auch nicht nachholen.” Ebenfalls betroffen sind gemeinsame Forschungseinrichtungen in Sibirien und in St. Petersburg. “Alles das ist jetzt Geschichte.”
Die durch den Krieg entstandenen Krise müsse man mit einer neuen Qualität von Energieforschung begegnen, sagt der Helmholtz-Chef. “Noch Ende Februar 2022 wurde beschlossen, dass wir einzelne Projekte identifizieren müssen, die in der Entwicklung so weit sind, dass wir sie in den nächsten zwei bis vier Jahren mit der Industrie gemeinsam ausrollen können.” Die nächste Generation von Solarzellen sei ein Beispiel, an denen arbeitet Helmholtz konkret. Wasserstoff und Geothermie seien weitere wichtige Felder. “Wenn wir jetzt keine Energiewende oder keine Transformation des Energiesystems schaffen, wann denn dann?”
Wiestler sieht hier eine “echte Chance” und die Bundesregierung in der Pflicht. Die USA hätten einen Plan und investierten massiv in alternative Energieentwicklung. “Wir brauchen jetzt eine Initiative, in der wir die stärksten Kräfte, die es in der Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft gibt, bündeln. Etwa für Entwicklungen in der Fotovoltaik. Es braucht neue Lösungen für die Speicherung der Energie. Dazu gibt es hierzulande viel Know-how in der Wissenschaft, wir können es aber nicht allein in neue Produkte überführen. Erfolgreich werden wir nur in einer konzertierten Aktion sein.”
Das ganze Interview lesen Sie in “Was jetzt, Forschung?”. Die Publikation enthält Impulse aus den Gesprächen u. a. mit Martina Brockmeier (Leibniz), Jan Wörner (Acatech), Heyo Kroemer (Charité), Rafael Laguna de la Vera (Sprind), Volker Meyer-Guckel (Stifterverband), Georg Schütte (VolkswagenStiftung), Otmar D. Wiestler (Helmholtz-Gemeinschaft) und Dorothea Wagner (Wissenschaftsrat). Den kostenlosen Reader erhalten Sie hier.
Im Wahlprogramm 2021 fordert die FDP Technologieoffenheit etwa für eine nachhaltige Landwirtschaft, gleiches für den Klimaschutz. “Technologieoffenheit ist für uns ein zentraler Wert”, erklärte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Saraiim dann auch im vergangenen Juli. Parteichef Christian Linder pflichtete ihm per Tweet bei.
Am Montag verabschiedete das FDP-Präsidium nun einen Beschluss, der ein Gesetz für mehr Technologieoffenheit in der Wissenschaft bringen soll: Es soll künftig offener an Technologien wie Kernkraft und Fracking geforscht werden. “Um aktuelle Krisen zu bewältigen und unser Land zukunftsfähig zu machen, müssen wir die vorhandenen technischen Möglichkeiten ausschöpfen und die Entwicklung neuer Technologien fördern. Für Innovationen und Fortschritt braucht es vor allem eins: Freiheit“, heißt es im Beschluss, den das FDP-Präsidium am Montag gefasst hat.
Deutschland habe sich “viele Chancen verbaut”, sagte dazu Generalsekretär Djir-Sarai im Vorfeld. Ein gesetzlich verankertes Technologiefreiheitsprinzip soll das nun ändern. “Noch mehr kleinlaute Kehrtwenden wie etwa zuletzt beim Thema CCS (Carbon Capture and Storage) kann sich unser Land im Wettbewerb mit den Technologienationen dieser Welt nicht leisten”. Und: Technologiefreiheit sei “eine Brandmauer gegen voreilige Verbotsdiskurse”.
Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger ergänzt: “Technologieoffenheit muss das Prinzip unserer Politik sein, und deswegen ist es wichtig, dass wir es gesetzlich verankern.”
Das steht im Beschluss “Technologieoffen in die Zukunft” der FDP (23.1.2023).
Kernenergie: Zur Sicherung der Energieversorgung und für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts gehöre auch die Kernkraft. Eine Expertenkommission soll über die Verlängerung der drei verbliebenen Kraftwerke entscheiden.
Kernfusion: Die FDP will “gesetzgeberische Möglichkeiten für die Entwicklung der Kernfusion schaffen und die Förderung der Fusionsforschung gezielt stärken. Die internationale Expertengruppe des BMBF wird begrüßt. Ziel soll sein: Der erste Kernfusionsreaktor, der Strom für Unternehmen und Haushalte produziert, soll in Deutschland gebaut werden.
Gasvorkommen: Gas aus Deutschland, etwa in Nordsee und Niedersachsen, soll genutzt werden. Insgesamt gibt es hierzulande mehr als 32 Milliarden Kubikmeter Erdgasreserven, die als sicher oder wahrscheinlich förderbar gelten, schreibt die FDP. Wo es sinnvoll, machbar und ökologisch vertretbar ist, sollten Erdgasvorkommen auch durch Fracking genutzt werden. Man setzt sich für eine Aufhebung des Fracking-Verbots in Deutschland ein.
Klimaneutrale E-Fuels: Die FDP setzt sich dafür ein, dass der Einsatz von E-Fuels im Straßenverkehr vorangebracht wird. Auf dem Weg hin zur klimaneutralen Mobilität der Zukunft müssten alle Technologie-Optionen offengehalten werden.
Biotechnologie : Deutschland und die EU sollen die Forschung im Bereich der Neuen Züchtungstechniken stärken, dazu brauche es eine rechtliche Modernisierung. Die Freien Demokraten sind für eine risikoangepasste Novellierung des EU-Gentechnikrechts an den Stand der Wissenschaft.
Carbon Capture and Storage-Technologien (CCS): Mittels CCS könnten nicht vermeidbare Prozessemissionen in der Industrie eingefangen und anschließend unterirdisch gespeichert werden. CCS-Verfahren ermöglichen ebenfalls, CO2 aus der Luft zu filtern und zu binden. Deutschland soll auch auf diesem Feld die eigenen Potenziale nutzen und darf sich nicht nur auf andere Länder verlassen, wie zum Beispiel Norwegen.
Künstliche Intelligenz: KI nennt die FDP als eine Schlüsseltechnologie für die digitale Transformation. Deutschland müsse in enger Kooperation mit seinen Wertepartnern technologische Souveränität erlangen, man setze sich dafür ein, dass “Verfügbarkeit und Nutzbarkeit von Daten verbessert werden.”
Bei den weiteren Mitgliedern der Ampel stößt das FDP-Papier auf wenig Begeisterung. “Die Bundesförderung ist schon technologieoffen, der Haushaltsrahmen und die vor uns liegende Transformation erfordert aber eine Prioritätensetzung. Insofern fällt das Papier aus der Zeit und flieht vor notwendigen Entscheidungen in Scheinlösungen”, kritisiert Holger Mann (SPD). Die FDP nutze das Schlagwort der Technologieoffenheit, um Technologien von gestern zu befördern.
“Es gibt gute Gründe, warum die Bundesregierung Atomkraft und Fracking ablehnt. Auch die Kernfusion wird in absehbarer Zukunft keine Antworten für die Energieversorgung liefern.”
Der Klimawandel sei längst da und die Energiewende in vollem Gange und müsse jetzt gestaltet werden. Daher verwundere es, warum das FDP-Papier keine Aussagen zu Energiespeichertechnologien, der neuen Generation von Photovoltaik, zu Gleichstromnetzen oder Kreislaufwirtschaft enthalte.
“Wissenschaftsfreiheit steht zu Recht in unserem Grundgesetz, dafür braucht es kein Gesetz”, sagt Anna Christmann (Bündnis 90 / Die Grünen). Für einen innovativen Technologiestandort brauche es tatsächlich mehr Engagement als in den letzten Jahren, das habe man sich als Koalition gemeinsam vorgenommen. “Als Grüne haben wir das größte Interesse, unsere Wirtschaft zu erneuern und gerade für Klimaschutztechnologien beste Bedingungen zu schaffen. Welche Technologien wir am Ende einsetzen, müsse letztlich immer auf der Grundlage von Chancen und Risiken entschieden werden.”
Auch die Opposition spart nicht an Kritik. “Was Fracking betrifft, hat das FDP-Präsidium hier wieder einmal einen Beschluss fürs Schaufenster geschrieben. Sie sprechen sich für Fracking aus, gehen aber nicht ernsthaft an das Thema ran”, sagt Lars Rohwer (CDU). Technologieoffenheit bedeute zudem auch, eine Technologie nicht nur wirtschaftlich zu bewerten, sondern auch eine Bewertung der Risiken für Mensch und Umwelt vorzunehmen. “Innovation und Fortschritt sollten keine ideologischen Grenzen kennen, jedoch ethisch und sozial vertretbar sein und die Umweltrisiken genau abwägen.”
Parteikollege Thomas Jarzombek vermisst eine Priorisierung der genannten, zukünftig wichtigen Forschungsprojekte. “Die FDP hat Recht, dass intensiv und offen geforscht werden muss”, sagt der forschungspolitische Sprecher der CDU. Aber die FDP scheue sich davor, Prioritäten zu setzen. Dies erinnere ihn an den Stand der durch das BMBF vorgestellten Forschungsstrategie. Dort finden sich gleich sechs Missionen – dabei werden jedoch so viele Themen adressiert, dass nicht klar ist, ob und wo Budgets priorisiert werden. Die Diskussion über Verbote, die es gar nicht gibt, soll von fehlenden und dringend nötigen Entscheidungen ablenken.
Petra Sitte (Die Linke) treibt noch eine andere Frage um: “Was bitte ist an dem FDP-Papier noch technologieoffen, wenn in der Folge dieses Präsidiumsbeschlusses die Technologien benannt werden, auf die man setzen will?”
Im Schatten der Energiekrise als Folge des Überfalls Russlands auf die Ukraine und der Sanktionspolitik, sollen Technologien gepuscht werden, die sehr begrenzt die aktuelle Krisensituation entspannen. “Es steht dagegen zu befürchten, dass sie mittelfristig neue schwerere Probleme hervorrufen können.”
27. Januar 2023, 14:00 Uhr, Wissenschaftsforum Berlin/Online
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31. Januar 2023, 13:15-18:15 Uhr anschließend Empfang, Berlin
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AAAS – Annual Meeting “Science for Humanity”, Jahrestagung der American Association for the Advancement of Science. Mehr
Masterstudierende lösen Lehrermangel. Eine exklusive Bildung.Table-Umfrage zeigt: Fast alle Länder setzen mittlerweile Lehramtsstudenten im Unterricht ein. Doch sie wissen kaum, wie viele schon vor ihren Klassen stehen. Mehr
Lehrerverband gegen Verbot von ChatGPT. Der KI-Bot wird eine wichtige Rolle in Schulen spielen. Davon ist der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, überzeugt. Im Gastbeitrag schreibt er über den richtigen Umgang mit der Künstlichen Intelligenz – und warum ein Verbot illusorisch ist. Mehr
Roboter ermöglicht Schülern Unterricht von Zuhause. 13 Mal wird er in Berliner Schulen schon eingesetzt. Schüler können ihn aus der Distanz steuern – und erhalten ein wichtiges Tool für Inklusion. Mehr
Das Vertrauen in Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist 2023 weiterhin deutlich höher als beispielsweise das Vertrauen in Regierungsvertreter, CEOs oder in die eigenen Nachbarn und Kollegen. Das zeigt sich im neuen Edelmann Trust Barometer 2023, für das im November 2022 mehr als 32.000 Menschen in 27 Ländern befragt wurden.
Im generellen Trust Index, der sich aus dem gemittelten Vertrauen in verschiedene Institutionen (NGOs, Regierung, Unternehmen, Medien) ergibt, zeigt sich über die 27 Nationen hinweg ein stabiles Vertrauen im Vergleich zu 2021. Die größte Zunahme im Vergleich zum Vorjahr gab es mit einem Zuwachs von 43 auf 48 Prozent in den USA. Deutschland liegt mit 46 Prozent knapp dahinter. Der Trust Index beider Länder liegt damit im unteren Drittel der 27 Nationen, die in die Studie einbezogen wurden.
In der Studie wurde auch die von den Befragten wahrgenommene Polarisierung der Gesellschaft erfasst. Hier zeigten sich hohe Werte in den USA, die damit in die extrem polarisierten Länder eingeordnet werden. Auch Deutschland liegt nach Einschätzung der Befragten an der Schwelle zu dieser Einstufung.
Die Befragung ergab weiterhin, dass es vor allem in extrem polarisierten Gesellschaften eine Mehrheit kritisch sieht, wenn sich Unternehmen in gesellschaftliche Debatten einbringen und Stellung beziehen. Aber auch diejenigen, die sich ein Engagement wünschen, knüpfen dieses an Bedingungen: Evidenz- und wertebasiert sollte das Handeln sein. Und es sollte nicht einseitig die Position einer politischen Richtung widerspiegeln. mw
Forschungs- und Innovationsthemen standen im Bundestag und den Ausschüssen in dieser Woche auf der Agenda. Research.Table gibt Ihnen einen Überblick zu den wichtigsten Entwicklungen aus Plenum und Ausschüssen.
Die Fachkräftestrategie der Bundesregierung wurde am 20. Januar im Bundestag beraten. Die Bedarfe in Wissenschaft und Forschung werden dort durchaus widersprüchlich dargestellt. Dies hängt vermutlich damit zusammen, dass die sogenannte Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeit die Berufsgruppen des Wissenschaftssystems kaum im Blick hat und somit aussagekräftige Daten fehlen.
Klar ist aber, dass insbesondere die MINT-Fächer auf ein Problem zusteuern. Der Rückgang der Studienanfänger hier betrug 6,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das liegt noch über dem allgemeinen Rückgang der Studienanfänger von vier Prozent. Der in der Fachkräftestrategie erwähnte MINT-Aktionsplan des BMBF zeigt also hier noch keine Wirkung.
Bereits am 18. Januar war die Start-up-Strategie der Bundesregierung Thema im Plenum. Im Förderprogramm EXIST sollen in Zukunft über die Förderrichtlinie “EXIST Women” gezielt Gründerinnen gefördert werden. Darüber hinaus möchte das BMWK ein Reallabore-Gesetz auf den Weg bringen. Das Gesetz, das im Konzept vorliegt, möchte “bundesweit einheitliche und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen für Reallabore bieten und neue Freiräume zur Erprobung von Innovationen ermöglichen.”
Thomas Jarzombek (CDU) mahnte in der Debatte eine weitere Entbürokratisierung von Ausgründungen an und betonte, dass Dati (“ein Phantom”) und Sprind vorankommen müssten, um auch darüber dem Gründungssektor einen Schub zu geben.
Im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung stand ebenfalls am 18. Januar der Antrag der CDU/CSU zu einer “Technologieagenda neue Energien” auf der Agenda. Die geladenen Experten waren sich einig, dass es das Ziel sein müsse, “Deutschland als Champion für nachhaltige Energietechnologien” (Helmholtz-Präsident Otmar D. Wiestler) zu positionieren und Wertschöpfung für alle Schlüsseltechnologien im Land zu behalten. Claudia Kemfert vom DIW betonte, dass die wissenschaftliche Basis für die Energiewende vorhanden sei.
Letztlich – und darin waren sich die Experten einig – gehe es darum, in die Umsetzung zu kommen. Dafür brauche es einen auf einer guten Analyse beruhenden und konzertierten Plan. Otmar D. Wiestler wies darauf hin, dass es in anderen Ländern bereits derartige Pläne gibt und mahnte strategische Investitionen auch in Deutschland an. Erste Schritte könnten laut der Experten in Modellregionen oder Reallaboren gemacht werden. Letztlich gehe es vor allem um Schnelligkeit und Effizienz – und möglichst wenig bürokratische Hürden. mw
Tagesspiegel.de – Knappe Kassen: Durch den Pakt für Forschung und Innovation bekommen außeruniversitären Forschungsinstitute jedes Jahr drei Prozent Aufwuchs vom Staat garantiert. In normalen Zeiten schielten die Universitäten immer neidisch darauf. Doch durch die hohe Inflation werden die drei Prozent zum Fluch. Derweil werden in den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst Gehaltserhöhungen von um die fünf Prozent erwartet. Drohen nun Entlassungen? Mehr
Nature – Largest-ever study of journal editors highlights ,self-publication’ and gender gap: Wenn Forscher in Redaktionen von wissenschaftlichen Fachzeitschriften arbeiten, publizieren viele eine beträchtliche Anzahl ihrer Arbeiten im eigenen Magazin. Das kann, muss aber nicht problematisch sein. Solange ethische Standards eingehalten werden. Für die Studie wurden Profile von 80.000 Redakteuren von 1100 Fachzeitschriften aus 15 Disziplinen und fünf Dekaden analysiert. Weiteres Ergebnis: Frauen kommen in den Redaktionen kaum vor. Mehr
idw online – Narzissmus ist ein zweischneidiges Schwert für Gründer: In der Anfangsphase eines Unternehmens kann ein narzisstischer Gründer positive Effekte erzielen. Die Überlebensrate von innovativen Start-ups korreliert mit einer narzisstischen Unternehmerpersönlichkeit. In den späteren Phasen eines Unternehmens kehrt sich das um. Der Narzissmus habe dann mitunter “überwältigend negative Auswirkungen”, erklären Forscher der Handelshochschule Leipzig. Mehr
The Economist – Which firm will win the new Moon race?: Drei Missionen wollen Landegeräte und Messinstrumente zum Mond bringen. Eine ist bereits auf dem Weg, zwei folgen in Kürze. Billige Raketen und neue Technologien bringen den Mond und seine Ressourcen wieder stärker in den Fokus von Regierungen und Privatunternehmen. Die Frage “Wem gehört der Mond” wird sich also bald wieder nachdrücklicher stellen. Mehr
Financial Times – Science collaborations are Britain´s springboard to the world: Wissenschaftsminister George Freeman plädiert nachdrücklich für die Assoziierung des UK zu Horizon Europe. In seinem Beitrag begrüßt Hugh Brady, Präsident des Imperial College London, dieses Statement und macht deutlich, dass von Horizon Europe nicht nur die Netzwerke mit europäischen Partnern profitieren. Auch viele außereuropäische Verbindungen der britischen Wissenschaft kommen über EU-Projekte zustande. Mehr
Bei Helmut Schönenberger ist nicht viel von der oft zitierten bayerischen Gemütlichkeit zu spüren: “Anpacken, das ist das Mindset.” Als Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH UnternehmerTUM haben er und sein Team von 400 Kollegen alle Hände voll zu tun. Pro Jahr assistieren sie um die 6.000 hungrigen Studierenden auf ihrem Weg in die Welt der Start-ups. Doch der Aufwand, da zweifelt der gebürtige Münchener keine Sekunde, macht sich bezahlt: “Wenn du eine Studentin auf ihrem Weg begleitest, die fünf Jahre später eine der Superstars im deutschen Gründungsumfeld ist – das ist der Hammer.”
Eine Vorliebe für Senkrechtstarter hatte er schon in seiner Jugend, auch wenn das damals noch etwas anders gelagert war. Denn sein Studium widmete er der Luft- und Raumfahrttechnik, was ihn bis nach Kalifornien für ein Projekt der NASA führte. Dort zeigte sich Schönenberger schwer beeindruckt von der Fähigkeit des Silicon Valley, “damals schon die Vorzeigeregion”, Technologie in neue Lebensrealitäten übersetzen zu können. Kaum zu Hause angekommen, verfasste er eine vergleichende Arbeit über die Startup-Kaderschmiede Stanford und die TUM, die ihren Weg bis zum Universitätspräsidenten und über diesen zu Susanne Klatten fand. Prompt fiel 2002 der Startschuss für das Projekt UnternehmerTUM.
Schönenberger hat keine Scheu vor den großen Titeln, nennt UnternehmerTUM “Europas größtes Gründer- und Innovationszentrum”. Schließlich ließe sich das mit Zahlen belegen. 2021 flossen drei Milliarden Euro Venture-Capital in studentische Projekte, 2022 knapp 2 Milliarden. Dazu kommt ein hauseigener Fonds, aus dem jährlich um die 50 Millionen investiert werden. Stolz ist er darauf, dass die Junggründer der TUM 20 Prozent allen Kapitals in Deutschland gewinnen, obwohl sie nur 1,7 Prozent der Studierenden ausmachen – wohlgemerkt dann, wenn man alle Fachrichtungen miteinbezieht.
Entscheidend sei letztlich immer die Skalierbarkeit der Projekte: “Die Finanzierungsrunden sind der harte Indikator für den Erfolg der Start-ups.” Der Standort München biete hier eindeutige Vorteile. Das “gute Umfeld aus führenden Universitäten, frischen Start-ups und etablierten Unternehmen” helfe bei der Kultivierung des nötigen “Mindsets”. Herumzusitzen und zu warten, bis man um fünf Uhr heimgehen kann, das reiche nicht.
Ein Konkurrenzverhältnis zu anderen Forschungsorganisationen wie Max-Planck oder Helmholtz, die ihren Forschungsauftrag nicht als Leitsystem in die wirtschaftliche Verwertbarkeit verstehen, sieht er nicht. Dennoch: wenn es nach ihm geht, landen so viele Talente wie irgend möglich in Garching.
“Der Schatz, das sind die jungen Leute”, sagt Schönenberger. Und was die so umtreibt, beschäftigt dann auch ihn. Das sind in letzter Zeit vor allem Beiträge zur Nachhaltigkeit. Alle studentischen Ideen müssen sich dabei aber drei Kriterien stellen können – ökologischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Nachhaltigkeit. Fehlt eines, fällt alles: “Wenn deine Firma einen gesellschaftlichen Impact hat, sich aber nicht trägt, dann ist das halt nichts.” Die unternehmerische Kunst liege in der sorgsamen Austarierung dieser Faktoren.
In den nächsten zehn Jahren plant Schönenberger zu expandieren, “unseren Impact zu verzehnfachen”. Darunter macht er es nicht. In Planung sind dafür die TUM Venture Labs, eine Kooperation mit der Familie Strüngmann und Industriepartnern. Anvisiert ist die weitere Spezialisierung der bestehenden Start-up-Fabrik. Elf Technologiefelder sollen es werden, von Aerospace bis Health Care. In diesem Projekt sieht er ein Vorbild für die restliche Forschungslandschaft: “Wenn wir Universitäts- und Wirtschaftswelt miteinander verbinden wollen, dann müssen wir eines – Kräfte bündeln.” Julius Schwarzwälder
Nemat “Minouche” Shafik übernimmt als erste Frau das Präsidentenamt von New Yorks Elite-Universität Columbia. Derzeit ist sie noch Direktorin der London School of Economics. Die in Ägypten geborene 60-jährige Wirtschaftswissenschaftlerin wird zum 1. Juli 2023 Nachfolgerin des derzeitigen Präsidenten Lee Bollinger.
Eva Martha Eckkrammer wird neue Präsidentin der Universität Trier. Die Romanistin der Universität Mannheim tritt am 1. September 2023 die Nachfolge von Michael Jäckel an, der nach zwei Amtsperioden nicht erneut kandidiert hatte. Nach fünf männlichen Amtsinhabern wird sie die erste Frau in der höchsten Leitungsposition der Universität Trier.
Klaus Nassenstein ist neuer Präsident des Forschungs- und Transfernetzwerkes des Mittelstands AiF. Nassenstein wurde am 18. Januar 2023 zum 14. Präsidenten des AiF gewählt. Er folgt auf Professor Sebastian Bauer, dessen Amtszeit turnusgemäß endete. Der neue AiF-Präsident ist Geschäftsführer und Mitinhaber der GTV Automotive GmbH.
Julia C. Arlinghaus, Nicole Dreyer-Langlet, Katharina Hölzle, Daniel Hug, Dieter Meuser und Björn Sauter sind neue Mitglieder im Forschungsbeirat Industrie 4.0. Sie wurden in das von acatech koordinierte Gremium berufen. Die insgesamt 32 Vertreterinnen und Vertreter sind Berater und Impulsgeber für das BMBF.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie uns gerne einen Hinweis für diese Rubrik an research@table.media!
Wer die Führungsmisere der deutschen Wissenschaft beschreiben will, kann Sebastian Thrun zuhören. Der Ex-Stanford-Professor und Multi-Gründer beschrieb mir die deutschen Wissensschafts-Granden als Halbgötter, die über Doktoranden und Postdocs sowie über Drittmittel und Großbauten herrschten, während Professoren und Entrepreneure in seiner kalifornischen Community bei ihren Zusammenkünften die Welt leidenschaftlich verbessern wollten. Die rigorose Frage: Können wir nicht auch in Kaiserslautern kalifornischer werden?
Bei Führungsthemen wird seit Jahrzehnten unterschieden zwischen Management und Leadership: Ersteres ein effizienzgetriebenes, eher technokratisches Führungsverständnis, zwar notwendig, aber erst hinreichend, wenn verzahnt mit Leadership: Vision kreieren, Menschen inspirieren, Kommittent schaffen – selbst Vorbild sein.
Für Techno- sowie Bürokraten ist weder Leadership noch Management ein Thema. Sie schert es nicht, ob sie ihre Organisation visionär nach vorne führen und die Mitarbeitenden engagiert sind oder nicht. Sie kümmert auch nicht, ob der Output oder Impact ihrer Organisation schlecht und der Throughput ineffizient ist. Hauptsache, sie werden gefüttert, der Input stimmt.
Deutsche Forschungsorganisationen haben trotz wachsender Budgets schlechten Output: Seit 2010 hält der Abstieg bei Weltklasse-Patenten an, wie eine Bertelsmann Studie aufzeigt. Es gibt Tiefstände bei DeepTech-und Hightech-Ausgründungen, wie die EFI-Kommission Jahr für Jahr belegt und schleichende Innovationsarmut im deutschen Mittelstand, wie das ZEW seit 2002 berichtet.
Gleichzeitig häufen sich die Belege für Führungs-Unkultur: Fraunhofers verfilzte Führungsspitze ist seit Jahren skandalgeschüttelt, Machtmissbrauch, Diskriminierung und Compliance-Verstöße bei Max-Planck, Acatechs nicht aufgearbeiteter Betrugsskandal seines früheren Präsidenten Hüttl. Im gleichermaßen veränderungsresistenten Universitätssektor sprechen wir ebenfalls kaum über Transformationserfolge.
Der legendäre emeritierte Präsident der TU München, Wolfgang Herrmann, schwieg auf meine Frage, ob er sich mit seinem Gründungskonzept für die TU Nürnberg das versprach, was ihm mit der TU München trotz aller Reformen letztlich verwehrt blieb. Die frühere Humboldt-Präsidentin und Rebellin Sabine Kunst scheiterte an der Politik, der kreative Sascha Spoun macht an der Leuphana Universität Sisyfos-Arbeit.
Die Aufzählung kann lange so weiter gehen: Der frühere FU-Präsident und Reformer Lenzen – ungemütlich für die Status Quo-Bewahrer – wurde damals ins Hamburger Exil vertrieben. Wenige, die den Kampf gegen die selbstzufriedene Gremienhochschule oder die an Ergebnissen desinteressierte Polit-Bürokratie aufnahmen.
Ansonsten meist blutarme Wissenschaftstechnokraten an der Spitze, die liebend gern die Gegenwart effizient managen, statt auch zukunftsorientiert zu führen. Wissenschaft und Forschung – eigentlich wunderbare Innovationsbiotope, würden sie nicht wie Abarbeitungsbürokratien geführt und von Bund und Ländern noch dazu mikropolitisch gegängelt. Gerade in solchen erstarrten Strukturen kommt es auf den einzelnen in seiner Verantwortung an.
Innovating Innovation: alles fängt mit Science Leadership an! Bringen Sie die nächste Gremiensitzung zum Schwingen mit der Frage, welchen Beitrag die Institution zu einer besseren Welt leisten will. Fordern Sie als Hochschulrat, dass mit gleichen Mitteln, aber mehr Kreativität das anspruchsvollere Ziel erreicht wird. Sorgen Sie als Präsident für die Messung des Impacts Ihrer Hochschule. Denn gute Wissenschaft braucht Leadership.
Thomas Sattelberger schreibt in Sattelbergers Rigorosum ab sofort und unregelmäßig Gastbeiträge für den Research.Table.