
Dass Bundeskanzler Olaf Scholz kürzlich schon zum zweiten Mal afrikanische Länder besucht hat, ist zu begrüßen, auch wenn seine Reise eher politisch-symbolische als konkret wirtschaftliche Bedeutung hatte. Beim Treffen des Kanzlers mit Premierminister Abiy Ahmed in Äthiopien ging es, neben der Förderung von deutschen Investitionen, auch um Fragen der politischen Stabilisierung am Horn von Afrika. Und natürlich betonte der Kanzler die Wichtigkeit friedlicher Konfliktlösungen.
Deutschlands begrenzter Einfluss
Allerdings dürfte allen Beteiligten klar gewesen sein, dass Deutschland keinerlei nachhaltigen Einfluss auf die Lösung der Machtkämpfe in Äthiopien, im Sudan, im Südsudan oder Somalia hat. In Äthiopien ist der Machtkampf zwischen der aufständischen Tigray-Provinz und der äthiopischen Zentralregierung zwar nach zweijährigem Bürgerkrieg mit unermesslichen Opfern und Schäden auf beiden Seiten erst einmal beigelegt. Aber die Lage ist nicht wirklich befriedet. Jetzt wird erwartet, dass die Rebellen in die nationale Armee „integriert“ werden sollten – ein Unding: Seit Generationen bekämpfen sich immer wieder Amharen, Tigrayer, Oromo und Eritreer, ohne bislang dauerhafte Friedenslösungen jenseits imperialer Gewalt gefunden zu haben.
Nur eine konsequent dezentrale föderale Macht- und Verwaltungsstruktur für den Vielvölkerstaat Äthiopien könnte ein geregeltes friedliches Neben- und Miteinander entstehen lassen, unter Vermittlung der Afrikanischen Union und externer Mächte aus der Region. Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed, ein Oromo, strebt allerdings – so scheint es – eine Rückkehr zu einer eher zentralen Staatsordnung in der Tradition einer Vision vom amharischen Imperium an. Dass auch hier Europäer eher Zaungäste als Friedensvermittler sind, gehört zu ihren neuen Ohnmachtserfahrungen.
Afrikaner haben neue Optionen
Wir erleben hautnah: Bei der Partnerwahl haben afrikanische Regierungen heute Optionen wie nie zuvor. Deshalb ist es klug, das ins Spiel zu bringen, was europäische Industriestaaten oft besser können als andere: Beiderseits nützliche Energie- und Industrieprojekte auf hohem technologischen Niveau zu verhandeln, durch die wirtschaftlich dynamische Länder wie Kenia unterstützt werden, aus ihrer kolonialherrschaftlich bedingten Rolle als Rohstofflieferanten herauszuwachsen.
Kenia ist heute hoch verschuldet, kämpft gegen eine hohe Inflation, und die junge Demokratie braucht wirtschaftliche Erfolge, um sich gegenüber seiner erwartungsvollen Jugend legitimieren zu können. Es scheint, dass Bundeskanzler Scholz bei Präsident William Ruto in Nairobi mit seinen Gesprächen über künftige Lieferungen von grüner Energie aus Kenia nach Deutschland gepunktet hat.
Rainer Tetzlaff ist Afrikaexperte und Professor i.R. an der Universität Hamburg. Dort forschte er unter anderem zum Einfluss multilateraler Institutionen auf die afrikanischen Gesellschaften.