Table.Briefing: Europe

Stromsparziel verfehlt + China-Reisende + Meta bangt um Werbeerlöse

  • Deutschland verfehlt Stromsparziel
  • Braucht die EU einen Klimazar?
  • EU empfiehlt Testpflicht für China-Reisende
  • Termine
  • Datenschutz: Meta muss um Werbeeinahmen bangen
  • Frankreich liefert Ukraine “leichte Kampfpanzer”
  • Bundesregierung lehnt Reparationen ab
  • NGO fordert Recyclingquoten für Windkraft- und PV-Anlagen
  • Heads: Johannes Lindner – Europas Zeitenwende mitgestalten
Liebe Leserin, lieber Leser,

gestern Abend kam sie, die seit Tagen erwartete Empfehlung zum Umgang mit China-Reisen. Nach einem Treffen des EU-Krisenaktionsstabs (IPCR) hieß es, die EU-Mitgliedsstaaten seien “nachdrücklich aufgefordert”, für alle Reisenden die Forderung eines negativen Covid-Tests vor dem Abflug einzuführen. Welche Punkte im Verhältnis zu China in diesem Jahr noch wichtig werden, weiß Amelie Richter.

Kohle- und Gaskraftwerke hatten 2022 mächtig zu tun, dieses Jahr könnte die Kohleverstromung in Deutschland munter weiter steigen. Ein geringerer Stromverbrauch also würde nicht nur die deutsche Klimabilanz verbessern, sondern auch die Preise senken und knappes Gas sparen. Doch ein seit November geltendes Stromsparziel aus einer Notfallverordnung der EU hat die Bundesrepublik bislang verfehlt, wie Sie in meiner Analyse lesen können.

Entschlosseneren Klimaschutz wünscht sich auch so mancher im EU-Parlament. Kommissionsvize Frans Timmermans sei mit seiner doppelten Zuständigkeit für den Green Deal und internationale Klimaverhandlungen überfordert, heißt es von dort. Mein Kollege Lukas Scheid ist der Frage nachgegangen, ob die EU einen europäischen John Kerry braucht.

Um viel Geld geht es bei neuen Details zu einem Beschluss der Europäischen Datenschutzaufsichtsbehörden. Tech-Riese Meta muss einen massiven Ausfall von Werbeerlösen fürchten. Falk Steiner hat die Details in den News aufgeschrieben.

Wie sich die EU im weltweiten Wettbewerb behauptet, ist auch das Thema von Johannes Lindner. Seit Oktober 2022 ist er Co-Direktor des Jacques Delors Centre der Hertie School in Berlin. In den Heads lesen Sie, welche Herausforderungen er auf die EU zukommen sieht.

Ihr
Manuel Berkel
Bild von Manuel  Berkel

Analyse

Deutschland verfehlt Stromsparziel

Seit November hätte der Stromverbrauch in den EU-Staaten um zehn Prozent zurückgehen sollen. Tatsächlich sank die Stromnachfrage in Deutschland im November lediglich um 7,6 Prozent und im Dezember um 4,4 Prozent. Das hat Europe.Table auf Basis von Daten der Bundesnetzagentur berechnet.

Die Energieminister der EU hatten Ende September mit einer Notverordnung zwei Ziele zum Stromsparen vereinbart. Zum einen wollten sie den Stromverbrauch bis Ende 2023 freiwillig um zehn Prozent mindern. Vergleichsgröße ist jeweils der durchschnittliche monatliche Verbrauch aus den fünf Vorjahren. Ziel seien eine “geringere Stromnachfrage und dadurch niedrigere Energiepreise“, hieß es in der Einigung. Zusätzlich soll der Beschluss helfen, den Verbrauch von knappem Erdgas in der Stromerzeugung zu reduzieren.

Von der Leyen drängt auf Versorgungssicherheit

Der europäische Netzbetreiberverband ENTSO-E hatte im Herbst bestätigt, dass die Risiken für die Versorgungssicherheit und der kritische Gasbedarf für Kraftwerke “erheblich verringert werden könnten, wenn im europäischen Durchschnitt zehn Prozent des Stromverbrauchs eingespart würden.”

Zuvor hatte auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den politischen Vorstoß mit der Versorgungssicherheit begründet. “Wenn wir die Nachfrage in Spitzenzeiten verringern, wird die Versorgung länger halten und dies die Preise senken“, sagte von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union vor dem EU-Parlament.

Wirtschaftsministerium schweigt zu Sparzielen

Auf eben diese Nachfrage in Spitzenzeiten bezieht sich das zweite Sparziel, das im Gegensatz zum ersten nicht indikativ, sondern verpflichtend ist. Von Dezember 2022 bis März dieses Jahres müssen die EU-Staaten den Stromverbrauch in Spitzenzeiten um fünf Prozent senken. Dabei haben die nationalen Regierungen Gestaltungsspielraum, vor allem für die Definition der Spitzenzeiten. Maßgebend kann die Nachfrage sein, aber auch der Strompreis im Day-ahead-Markt.

Europe.Table fragte das Bundeswirtschaftsministerium und die Bundesnetzagentur (BNetzA), ob die Spitzenzeiten in Deutschland bereits definiert seien und ob das EU-Ziel im Dezember erreicht wurde. Beide Pressestellen ließen die Anfrage vom Dienstag bis Mittwochabend unbeantwortet. Auch zur Frage, ob die Bundesregierung zusätzliche Maßnahmen plane, um den Stromverbrauch insgesamt um zehn Prozent zu senken, schweigt das Haus von Robert Habeck.

Gaskraftwerke produzieren mehr Strom

Stattdessen verbreitete die BNetzA eine Pressemitteilung zu den Strommarktdaten 2022. Ein Ergebnis: “Im Vergleich zum Vorjahr war die Erzeugung durch Erdgas um 1,7 Prozent höher.” Zu den Stromsparzielen, die insbesondere auf Gaskraftwerke abzielen, gab es kein Wort. Allerdings fallen die Gaspreise derzeit bereits wegen der milden Witterung immer weiter. Gestern notierten sie mit unter 65 Euro pro Megawattstunde für den Frontmonat auf dem niedrigsten Stand seit November 2021.

Dem Stromsparen räumt das Wirtschaftsressort offenkundig keine Priorität ein. Zwar gibt das Bundeswirtschaftsministerium mit seiner Kampagne “Energiewechsel” auch Tipps zu LED-Lampen und sparsamen Elektrogeräten.

Monitoring schwächer als bei der Gasversorgung

Im Gegensatz zur Gasversorgung gibt es aber von der Bundesnetzagentur (BNetzA) für den Stromsektor keine engmaschige Berichterstattung, ob die politisch vereinbarten Energiesparziele auch erreicht werden. Kurz vor Weihnachten fragte die ZEIT den Präsidenten der BNetzA, Klaus Müller, ob er die Menschen nicht noch viel mehr zum Stromsparen aufrufen müsse oder ob mehrere Sparappelle auf einmal die Menschen überforderten.

Müller antwortete darauf: “Ich habe immer gelernt: Keep it simple. Das Wichtigste, was wir jetzt schaffen müssen, ist das Vermeiden einer Gasmangellage.” Wegen der stark gestiegenen Preise würden die meisten Menschen 2023 automatisch auf ihren Stromverbrauch achten. Schon im Verlauf des vergangenen Jahres aber haben Versorger ihre Strompreise laut dem Vergleichsportal Verivox um 31 Prozent erhöht.

Smart Grid kommt nicht voran

Ein Grund für das Schweigen könnte sein, dass dem Wirtschaftsministerium die passenden Instrumente fehlen, um insbesondere die Spitzenverbräuche zu senken. Eine Verordnung, die Industriebetriebe für das Abschalten von Lasten entschädigt, lief im Juni aus und wurde nicht verlängert. Haushalte warten seit Jahren auf Smart Meter, die Haushaltsgeräte automatisch bei niedriger Nachfrage laufen lassen.

Einen Entwurf für eine Änderung des Messstellenbetriebsgesetzes, die den Rollout beschleunigen soll, hatte das Ministerium erst für Anfang 2023 angekündigt. Bis sie verabschiedet ist, dürfte die EU-Notfallverordnung bereits ausgelaufen sein.

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Braucht die EU einen Klimazar?

“Wir brauchen einen europäischen John Kerry”, sagte Peter Liese, umweltpolitischer Sprecher der EVP, nach Ende der COP27. Frans Timmermans sei in seiner Rolle als Klimakommissar überfordert, da er sowohl für die EU-Gesetzgebung als auch für internationale Klimapolitik zuständig ist, so Liese. In Sharm el-Sheikh seien die Brücken von anderen gebaut worden. Liese meint den US-Klimabeauftragten John Kerry und seinen chinesischen Counterpart Xie Zhenhua. Timmermans habe keine Zeit für die diplomatische Vorbereitung der COP gehabt, weil er mit EU-Gesetzen beschäftigt war, wirft ihm der Europaabgeordnete vor.

In Sharm el-Sheikh hatte es die EU verpasst, ihre Forderungen nach mehr Klimaschutz durch globale Emissionsminderungen durchzusetzen. Es fehlte vor allem der Rückhalt im globalen Süden. Ein EU-Klimazar könnte hauptamtlich langfristige Allianzen mit Inselstaaten und kleineren Entwicklungsländern aufbauen und pflegen. Solche Klimapartnerschaften, so Michael Bloss, Grünen-Abgeordneter im EU-Parlament, seien die Lösung für höhere internationale Klimaziele.

Europäische Klimaaußenpolitik gefordert

Damit ist die Debatte über einen “EU-Klimazar” eröffnet. Aber es gibt schwierige Detailfragen:

  • Wo wäre ein EU-Klimabeauftragter angesiedelt? Die Mitgliedsländer sind für die Außenpolitik und somit auch für die Klimaaußenpolitik zuständig. Der EU-Außenbeauftragte wird vom Rat ernannt, daher müsste eine EU-Klimabeauftragte tendenziell ebenfalls eher dort statt bei der Kommission angesiedelt sein. Denkbar wäre auch, dass eine EU-Außenbeauftragte auch Klima-Chefverhandlerin wäre. Auf der anderen Seite besitzt nur die Kommission das Initiativrecht für neue Gesetze. Ein Klimabeauftragter des Rates müsste also bei wichtigen Entscheidungen ohnehin über die Kommission gehen.
  • Welche Kompetenzen und Ressourcen hätte ein EU-Klimabeauftragter? Dem EU-Klimabotschafter Marc Vanheukelen fehlt es am Standing und Ressourcen. Vorbild könnte Jennifer Morgan sein, die Klimabeauftragte der Bundesregierung und Staatssekretärin im Auswärtigen Amt. Sie hat deutlich mehr Ressourcen und Personal zur Verfügung als Vanheukelen.
  • Ein Klimabeauftragter braucht auch Zugriff auf Finanzmittel und die Möglichkeit, Kooperationen zu beschließen, wie das in den USA und China der Fall sei. Klimaaußenpolitik wäre dann nicht mehr national, sondern europäisch. Nur dann wäre ein europäischer Klimabeauftragter zielführend, sagt Artur Runge-Metzger langjähriger Direktor der Generaldirektion für Klimapolitik (DG Clima).
  • Dem steht aber die fehlende gemeinsame Linie und Koordinierung der Mitgliedstaaten in der Klimaaußenpolitik entgegen. Ein EU-Klimabeauftragter würde nur helfen, wenn man die unterschiedlichen Vorstellungen der EU-Mitgliedsstaaten bündeln würde, sagt Runge-Metzger.

Ein EU-Klimazar ist keine neue Forderung. Nach der gescheiterten COP in Kopenhagen habe es Gespräche gegeben, dass die erste EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton auch für die Klimaaußenpolitik zuständig wird, sagt Runge-Metzger. Doch mit der neuen Kommissionsstruktur wurde auch die Position der EU-Klimakommissarin geschaffen. Auch unter Jean-Claude Juncker war die Debatte kurz aufgeflammt, wurde jedoch schnell wieder beendet, so Runge-Metzger.

Timmermans weist Kritik zurück

Der Klimakommissar selbst sieht keine Notwendigkeit für eine neue Position. Er sei für die Umsetzung der EU-Gesetzgebung als auch für die Förderung von internationalen Klimaschutzmaßnahmen zuständig, heißt es aus seinem Kommissariat. Eine Trennung der beiden Rollen sei kontraproduktiv. Dem stimmt auch Runge-Metzger zu. Timmermans zehre in internationalen Verhandlungen von seiner praktischen Erfahrung durch den Green Deal.

Ein Klimabeauftragter, der noch in dieser Legislatur eingesetzt wird, gilt ohnehin als unrealistisch. Zur Europawahl 2024 könnte die Debatte jedoch wieder aufkommen – insbesondere im EU-Parlament. Dort hatte die EVP bereits im September vergangenen Jahres im Entwicklungsausschuss eine Mehrheit für die Schaffung eines Budgets für einen EU-Klimabeauftragten erzielt.

Potenzielle Namen für die Position

Vom Profil her sollte ein Klimabeauftragter bereits Erfahrung in Klimaverhandlungen haben, die Strukturen der Klimakonferenzen kennen und ein gewisses Standing in der Szene besitzen, sagt Liese.

  • Spaniens sozialistische Umweltministerin Teresa Ribera wäre so eine Kandidatin. Doch ob sie ihr Amt in Madrid für einen Posten in der Kommission aufgibt, der nur noch bis zur nächsten Europawahl im Frühjahr 2024 sicher ist, ist fraglich.
  • Aus Deutschland wäre Jochen Flasbarth der offensichtlichste Kandidat. Der Staatssekretär im Entwicklungsministerium war zuvor acht Jahre auf gleichem Posten im damals für die Klimaverhandlungen zuständigen Umweltministerium tätig. Er gehört zu den renommiertesten Klimaverhandlern weltweit. Er hat das Pariser Abkommen mitverhandelt, besitzt daher das nötige Netzwerk und reichlich Erfahrung in der internationalen Klimadiplomatie. Sein Manko: Er ist Deutscher und Deutschland zählt zu den klimapolitisch ambitioniertesten Ländern der EU. Weniger ambitionierte Länder dürften ihre Schwierigkeiten mit einem Deutschen als oberstem Klimadiplomaten haben. Sie fürchten, er könnte ihren Interessen weniger Beachtung schenken als den deutschen.
  • Passender wäre daher der Tscheche Jan Dusík. Der stellvertretende Umweltminister Tschechiens war in Sharm el-Sheikh der Delegationsleiter der tschechischen Ratspräsidentschaft und nach Timmermans Europas wichtigster Repräsentant auf der COP27. Die osteuropäischen EU-Staaten könnten sich wohl auf ihn einigen.
  • Auch Terhi Lehtonen, Staatssekretärin im finnischen Umweltministerium, wäre eine passende EU-Klimabeauftragte. Sie war 14 Jahre lang politische Beraterin für Umweltpolitik im EU-Parlament und später in der DG Clima für internationale Verhandlungen zuständig. Allerdings sind Dusík und Lehtonen bei den Grünen und damit schwieriger bei den konservativen Kräften in Brüssel und Straßburg durchzusetzen.
  • Bliebe noch Dan Jørgensen, dänischer Klima- und Entwicklungsminister. Der ehemalige Europaabgeordnete hat sich als stellvertretender Vorsitzender des EU-Umweltausschusses verdient gemacht. Er gilt als progressiver Klimaschützer. Sein englischsprachiger Podcast zu Klimathemen ist ein Zeugnis seiner kommunikativen Fähigkeiten. Zudem ist er Sozialdemokrat.
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EU empfiehlt Testpflicht für China-Reisende

Wer ab Sonntag von China aus in die EU einreist, muss für einige Mitgliedsstaaten einen negativen Covid-Test noch vor Boarding der Maschine vorlegen. Das gilt beispielsweise für Frankreich und Italien. Deutschland hat bisher keine Testpflicht für Passagiere aus der Volksrepublik angekündigt. Nach einem Treffen des EU-Krisenaktionsstabs (IPCR) zur Covid-Situation in Brüssel am Mittwoch hieß es, die EU-Mitgliedsstaaten seien “nachdrücklich aufgefordert”, für alle Reisenden die Forderung eines negativen Covid-Tests vor dem Abflug einzuführen.

Eine Mehrheit der EU-Staaten habe sich für eine einheitliche Testpflicht ausgesprochen, sagte ein EU-Kommissionssprecher am Mittwochmittag vor dem IPCR-Treffen. Das chinesische Außenministerium hatte bereits Gegenmaßnahmen angekündigt, sollte die EU eine einheitliche Testpflicht einführen wollen. Der Test-Ansatz ist nun den einzelnen EU-Staaten überlassen. Der Krisenstab empfahl zudem stichprobeartige Tests bei angekommenen Reisenden und das Tragen von FFP2-Masken auf Flügen aus der Volksrepublik.

Viel hängt davon ab, welche Auswirkungen die Öffnung Chinas in den kommenden Wochen auf die EU hat. Wenn der Reiseverkehr problemlos wieder anläuft, dann beginnen auch die Beziehungen zwischen EU und China 2023 positiver. Noch ist aber nicht abzusehen, welche Auswirkungen Chinas schneller Richtungswechsel in der Praxis hat.

Bewegung bei WTO, BRI – und vielleicht sogar dem CAI

Einige wichtige Stellschrauben – neue Entwicklungen wie auch Dauerbrenner – für die Beziehung zwischen Brüssel und Peking sind jedoch gesetzt. Ein Überblick:

  • Richtungsänderungen: In der Tschechischen Republik wird im Januar ein neuer Staatspräsident gewählt. Amtsinhaber Miloš Zeman gilt als China-nah, er steht nicht zur Wiederwahl. In Prag wird es deshalb mit großer Wahrscheinlichkeit eine noch stärkere Abkehr von Peking geben als bisher (China.Table berichtete). Ein Austritt aus dem Kooperationsformat 14+1 zwischen ost- und mitteleuropäischen Staaten und China ist nicht ausgeschlossen. Für Zemans Nachfolge gibt es mehrere Kandidaten. Einer davon: Ex-Ministerpräsident Andrej Babiš, der Peking eher skeptisch gegenüber eingestellt ist.
  • Interessant dürfte 2023 auch Italiens Entscheidung zur “Belt and Road”-Initiative (BRI) werden. Die rechtspopulistische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte bereits angedeutet, das BRI-Memorandum nicht erneuern zu wollen. Brüssel und andere EU-Hauptstädte blicken zudem aufmerksam auf Berlin und die dort entstehende China-Strategie aus dem grünen Außenministerium.
  • Neue Tools für die Handelspolitik: Noch vor der Sommerpause will das Europaparlament seine Positionen zum EU-Lieferkettengesetz und dem Einfuhrverbot für Produkte aus Zwangsarbeit festzurren, erklärt der Vorsitzende des Handelsausschusses, Bernd Lange (SPD), im Gespräch mit China.Table. “Hier werden sich sicherlich einige Konfliktpunkte mit China auftun.” In beiden Bereichen wolle das EU-Parlament nun aber zügig vorankommen, so Lange. Auch die neue Regelung gegen wirtschaftlichen Zwang (auf Englisch das Anti-Coercion Instrument) soll zeitnah fertig werden. Ende Januar gibt es dazu erneut Verhandlungen zwischen den EU-Institutionen unter Vorsitz der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft. “Vielleicht wird das bereits der letzte Trilog”, zeigt sich Lange zuversichtlich. Die Europäische Kommission zieht außerdem einen genaueren Blick auf die Investitionen der europäischen Firmen in China in Betracht. In ihrem Arbeitsprogramm 2023 kündigt die Brüsseler Behörde an, “zu prüfen, ob zusätzliche Instrumente in Bezug auf die Kontrolle strategischer Auslandsinvestitionen erforderlich sind”.
  • Renaissance des CAI? Eine Wiederbelebung des kaltgestellten Investitionsabkommens zwischen der EU und China schließt Lange nicht aus. Eine Voraussetzung sei jedoch weiterhin die Aufhebung der Sanktionen gegen EU-Abgeordnete. Die Führung in Peking hat vergangenes Jahr ihre Bereitschaft signalisiert, die Konventionen der Internationalen Arbeitsagentur ILO gegen Zwangsarbeit zu unterzeichnen – eine Bedingung des Europäischen Parlaments für weitere Verhandlungen. “Nun muss man in einen Dialog treten, um zu sehen, was das konkret heißt”, betont Lange. Peking hatte die Rücknahme der Sanktionen gegen die EU-Parlamentarier an eine gegenseitige Aufhebung von EU-Sanktionen gegen chinesische Beamte und eine Organisation wegen Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang gekoppelt. Die Strafmaßnahmen wurden jedoch im Dezember erneuert.
  • Russlands Krieg und Pekings Position: Die russische Invasion in der Ukraine und Chinas unausgesprochene Unterstützung wird die Beziehungen zwischen Brüssel und Peking auch in 2023 beeinflussen. Zeitnah will Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach China reisen. Macron hatte sich nach dem G20-Gipfel auf Bali für China als möglichen Vermittler zwischen Russland und dem Westen ausgesprochen. Für diesen Vorschlag erntete der französische Staatschef Hohn. Noch im Januar soll US-Außenminister Antony Blinken Medienberichten zufolge nach Peking fliegen. Eine Wiederaufnahme der diplomatischen Treffen mit chinesischen Vertretern lässt in Brüssel hoffen, dass Peking doch noch von seinem Schulterschluss mit Moskau abrücken könnte. Die jüngsten Entwicklungen deuten jedoch in eine andere Richtung.
  • Geopolitische Infrastruktur: Als nachhaltige Alternative zu Chinas Belt and Road-Initiative (BRI) angepriesen, will die EU ihr Projekt Global Gateway in diesem Jahr mit Leben füllen – Erfolgsaussichten: bisher mäßig. Zwar gab es zuletzt ein erstes offizielles Treffen der EU-Spitzenpolitiker und EU-Außenminister dazu. Konkrete Projekte bleiben aber weiterhin aus. Zeitnah soll nun jedoch die EU-weite Ausschreibung für ein Beratungs-Gremium bestehend aus Unternehmern und CEOs beginnen, wie aus Kreisen der zuständigen Generaldirektion zu hören ist. Das Gremium sei ein wichtiger Schritt, die Privatwirtschaft effektiver einzubinden, heißt es. In der ersten Jahreshälfte findet zudem ein Gipfeltreffen zwischen EU und lateinamerikanischen Vertretern statt. Auf Lateinamerika soll ein Fokus von Global Gateway liegen.
  • WTO-Klagen: Direkte Konfrontation droht ab Ende Januar, wenn bei der Welthandelsorganisation (WTO) zwei Schiedsgerichte eingerichtet werden, die sich mit Klagen der EU gegen China befassen. Bei den WTO-Verfahren geht es um die De-facto-Handelsblockade gegen Litauen und den Patentschutz bei Hightech-Produkten. China hatte die Einrichtung dieser Schiedsgerichte abgelehnt. Sie kann jedoch nur einmal blockiert werden. Die EU wird nach eigenen Angaben den Antrag erneut stellen. Das Panel wird dann automatisch Ende Januar 2023 eingesetzt und kann sich bis zu eineinhalb Jahre ziehen.
  • Taiwan und Indo-Pazifik : Der schwedische EU-Ratsvorsitz will die EU-Strategie für die Zusammenarbeit im Indo-Pazifik weiter vorantreiben, wie aus dem Programm der Schweden hervorgeht. Kurz vor Jahresende gab es erstmals ein Gipfeltreffen zwischen EU und Asean, bei dem sich beide Seiten auf eine engere wirtschaftliche Kooperation verständigten. In der vorletzten Dezember-Woche besuchte zudem eine EU-Delegation des Handelsausschusses Taiwan. Weitere Delegationsreisen auf die Insel stehen auch für 2023 an.
  • China
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Termine

09.01.2023 – 19:30-21:00 Uhr, Berlin/ online
HBS, Podiumsdiskussion Streit ums Politische: “Postsowjetische Stimmungen”
Bei dieser Veranstaltung der Reihe zum Thema Krieg und Frieden in Europa von der Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) geht es um die Stimmungen in Russland und Ländern des ehemaligen Ostblocks. INFOS & ANMELDUNG

10.01.2023 – 19:00 Uhr, online
HSS, Vortrag Feine Diplomatie: Erdogan als Vermittler zwischen den Konfliktparteien?
Bei dieser Veranstaltung der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) geht es um die Rolle der Türkei und des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan im Ukraine-Krieg, die Beziehung zu Russland und das Verhältnis zur EU. INFOS & ANMELDUNG

10.01.2023 – 19:00-21:00 Uhr, Hannover
VWS, Podiumsdiskussion Die Energieversorgung von morgen – in eine strahlend grüne Zukunft?
Die Referentinnen und Referenten der VolkswagenStiftung (VWS) diskutieren darüber ob der Energiebedarf zukünftig ohne fossile Brennstoffe gedeckt werden kann und wie vielversprechend neue Technologien sind. INFOS

25.01.2023 – 16:00-21:00 Uhr, Oberhausen
Eco, Konferenz Kick-off zur EuroCloud Next-Leaders-Initiative
Die EuroCloud Next-Leaders-Initiative des Verbandes der Internetwirtschaft (Eco) soll Unternehmerinnen und Unternehmern die Möglichkeit des Austauschs zu alten und neuen Geschäftsmodellen sowie Cloud-Services geben. VORANMELDUNG BIS 06.01.2023

News

Datenschutz: Meta muss um Werbeeinahmen bangen

Der US-Konzern Meta muss in der EU mit einem massiven Ausfall von Werbeeinnahmen rechnen. Grund dafür ist ein von den Europäischen Datenschutzaufsichtsbehörden (EDPB) gefasster Beschluss. Den hat nun die irische Datenschutzaufsicht der Firma zugestellt. In ihm wird den EU-Töchtern des Facebook- und Meta-Mutterkonzerns mitgeteilt, dass die Firmen über keine ausreichende Einwilligung der Nutzer in verhaltensbasierte Werbung verfügen.

Sollte der EDPB-Beschluss rechtswirksam werden, dürfen Facebook und Co. darunter erhobene Daten nicht mehr für die Anzeigensteuerung verwenden. Damit würde Meta auf andere Anzeigearten ausweichen müssen – etwa kontextabhängige Werbung, die weniger Einnahmen verspricht. Zudem dürfen die unrechtmäßig erhobenen Daten nicht weiterverwendet werden.

EDPB: Personalisierte Werbung benötigt separate Einwilligung

Facebook nahm zum Inkrafttreten der DSGVO im Mai 2018 als vermeintliche Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung einen Passus in seine Nutzungsbedingungen auf, mit dem die personalisierte Werbung als integraler Bestandteil des Produkts und damit der Nutzungsvereinbarungen gesehen wurde.

Damit wollte das Unternehmen einen Verarbeitungsgrund nach Artikel 6 Buchstabe f der DSGVO schaffen. Die Data Protection Commission of Ireland (DPC) folgte dieser Sichtweise. Das europäische Gremium sah dies hingegen mehrheitlich anders.

Allerdings ist die DPC an die Entscheidungen des EDPB gebunden und hat Meta nun den geänderten Beschluss zugestellt. Dieser wurde bereits Anfang Dezember vom EDPB getroffen, dem gemeinsamen Entscheidungsgremium der nationalen Aufsichtsbehörden.

DPC kritisiert EU-Kollegen

Doch erst jetzt hat die irische Datenschutzaufsichtsbehörde DPC weitere Details zum Fall mitgeteilt. So wurden die Strafen für das Fehlverhalten auf 210 Millionen im Fall von Facebook und 180 Millionen Euro für Instagram erhöht.  Das Verfahren ging auf eine Beschwerde des österreichischen Datenschutzaktivisten Max Schrems zurück. Schrems kritisiert die DPC seit Jahren massiv – und bezichtigt die Behörde der irischen Datenschutzbeauftragten Helen Dixon der Kumpanei mit Meta.

Die DPC kritisiert ihrerseits Teile des Beschlusses. Die EU-Kollegen hatten der irischen Aufsichtsbehörde unter anderem aufgegeben, schnell eine umfängliche Prüfung bei Meta durchzuführen. Damit überschreite das EDPB seine Kompetenzen, so die DPC.

Meta kündigt Berufung an

Meta kündigte gestern Berufung an. Unternehmen seien in der Frage mit einer unklaren Rechtslage konfrontiert gewesen, hieß es in einer Reaktion des Konzerns: “Wir glauben zutiefst, dass unser Ansatz die EU-Datenschutzverordnung respektiert, (…) und haben vor, sowohl gegen den Inhalt der Entscheidungen als auch gegen die Strafen in Berufung zu gehen.”

Der Beschluss soll laut DPC Ireland im Laufe der kommenden Woche vom EDPB veröffentlicht werden. Gegen Meta und die Töchter Facebook und Instagram wurden mit dem neuen Beschluss in den vergangenen Jahren mehr als 1 Milliarde Euro Strafen wegen Verstößen gegen datenschutzrechtliche Vorgaben verhängt. fst

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Frankreich liefert Ukraine “leichte Kampfpanzer”

Frankreich will der Ukraine “leichte Kampfpanzer” liefern. Das habe der französische Staatschef Emmanuel Macron seinem ukrainischen Kollegen Wolodymyr Selenskyj zugesagt, teilte der Élyséepalast am Mittwoch nach einem Telefonat der beiden Präsidenten mit. Bei dem Panzer soll es sich um den Spähpanzer AMX-10 RC handeln. Der Radpanzer mit großer Kanone wird vor allem zur Aufklärung eingesetzt. Wie viele Panzer Frankreich der Ukraine bis wann übergeben will, war zunächst noch unklar. Aus dem Élyséepalast hieß es, dies seien die ersten Kampfpanzer westlicher Bauart, die an die ukrainischen Streitkräfte geliefert würden.

Bis zum Sieg, bis zur Rückkehr des Friedens in Europa wird unsere Unterstützung für die Ukraine nicht nachlassen”, schrieb Macron am Abend. Selenskyj dankte Macron auf Twitter für die Entscheidung. Man habe auch beschlossen, weiter gemeinsam zu arbeiten, um etwa die Luftabwehr der Ukraine zu stärken. Paris hat Kiew bisher unter anderem 18 Caesar-Haubitzen sowie Panzerabwehrraketen des Typs Milan geliefert. Die Ukraine hat auch bereits Panzer westlicher Bauart erhalten, dabei handelte es sich aber eher um Truppentransporter.

Die Ukraine wirbt stets um die Lieferung westlicher Kampfpanzer und anderer Waffensysteme, seit Monaten fordert sie Leopard-2-Panzer von Deutschland. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will sie aber nicht im Alleingang liefern und verweist darauf, dass bisher auch kein anderes Land ähnliche Waffensysteme bereitgestellt hat. dpa

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Bundesregierung lehnt Reparationen ab

Die Bundesregierung bleibt bei ihrer ablehnenden Position zu polnischen Forderungen nach Reparationen für die von Hitler-Deutschland verursachten Weltkriegs-Schäden. Außenministerin Annalena Baerbock sagte am Mittwoch am Rande ihrer Visite in Lissabon, sie habe bei ihrem Besuch in Warschau im Oktober “bereits deutlich gemacht, dass für uns von deutscher Seite rechtlich die Frage geklärt ist.” Die Grünen-Politikerin ergänzte, diesen Standpunkt habe man in der schriftlichen Kommunikation mit Warschau jetzt noch einmal hinterlegt.

Zuvor hatte das polnische Außenministerium bekanntgegeben, dass die Bundesregierung in einer am 3. Januar eingegangenen diplomatischen Note den polnischen Forderungen wie erwartet förmlich eine Absage erteilt hatte. Das Ministerium in Warschau hatte am Dienstagabend mitgeteilt: “Nach Angaben der Bundesregierung ist die Frage der Reparationen und der Kriegsentschädigungen nach wie vor abgeschlossen, und die Bundesregierung beabsichtigt nicht, in Verhandlungen über diese Frage einzutreten.”

Polens nationalkonservative PiS-Regierung thematisiert die Weltkriegs-Reparationen seit Jahren. Am 1. September hatte eine Kommission des polnischen Parlaments einen Bericht vorgestellt, der die Höhe der Weltkriegsschäden auf mehr als 1,3 Billionen Euro beziffert. Am 3. Oktober hatte Warschau dazu eine diplomatische Note an die Bundesregierung geschickt, in der diese Summe gefordert wurde. dpa

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NGO fordert Recyclingquoten für Windkraft- und PV-Anlagen

Durch die Einführung von Recyclingquoten, mehr Sammelstellen und stärkeren Ökodesign-Vorgaben kann das hohe Recyclingpotenzial von Windkraft- und Photovoltaikanlagen stärker ausgeschöpft und der hohe Rohstoffverbrauch in diesem Bereich gesenkt werden. Das stellt die NGO PowerShift in der Studie “Rohstoffwende und Energiewende zusammen denken” fest, die Europe.Table vorliegt.

Da in Europa in den kommenden Jahren viele ältere Solar- und Windkraftanlagen das Ende ihrer Laufzeit erreichen, wird in diesem Bereich bis 2030 ein starker Anstieg der Abfallströme erwartet. Laut der Europäischen Umweltagentur (EEA) soll die Solarenergiebranche jährlich bis zu 1,5 Millionen Tonnen Abfall, zusammengesetzt aus Glas, Metallen und Silizium, produzieren. Bei Windenergie seien es knapp fünf Millionen Tonnen Zement, Metalle und Verbundwerkstoffe im Jahr.

PowerShift will Registrierung der Produkte

PowerShift leitet aus der Studie folgende Forderungen ab:

  • mehr öffentliche Sammelstellen
  • Rücknahme der Produkte durch die Hersteller
  • dezentrale Organisation von Sammlung und Recycling
  • Recyclingquoten für Windkraft- und PV-Anlagen (nach dem Vorbild der EU-Batterieverordnung)
  • Erweiterung und Stärkung der Ökodesign-Vorgaben
  • Registrierung der Produkte vor Inverkehrbringung, Überwachung ihres Verbleibes nach Ende ihrer Verwendung
  • Verlängerung der Lebenszyklen durch verbesserte Wartung, mehr Sanierung statt Verschrottung sowie Kaskadennutzung

Allerdings sei eine verbesserte Kreislaufführung nicht die einzige Lösung, stattdessen “müssen wir gesamtgesellschaftlich unseren Materialfußabdruck und somit den absoluten Verbrauch von Rohstoffen reduzieren”, heißt es in der Studie. leo

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Presseschau

EU-Staaten empfehlen “nachdrücklich” Testpflicht für Reisende aus China DW
Einreisen aus China: Wie Corona erneut Europa entzweit SUEDDEUTSCHE
EU verteidigt geplante Marokko-Reise Borrells trotz Korruptionsaffäre YAHOO
EU muss Wasserstoff-Infrastruktur schaffen EURONEWS
Großhandelspreise für Gas in Europa so niedrig wie zuletzt im November 2021 STERN
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Baerbock ruft Europa und den Westen auch 2023 zur Solidarität mit der Ukraine auf T-ONLINE
Katastrophale Notversorgung in Großbritannien fordert zahlreiche Menschenleben DER STANDARD
EU schliesst Schweiz von Planung der Forschungsinfrastruktur aus HANDELSZEITUNG
EU übt Kritik am umstrittenen Tempelberg-Besuch von Ben-Gvir MERKUR
390 Millionen Euro Strafe für Facebook-Mutterkonzern Meta TAGESSCHAU

Heads

Johannes Lindner – Europas Zeitenwende mitgestalten

Porträtfoto von Johannes Lindner, Co-Direktor des Jacques Delors Centre in Berlin, im Anzug vor grauem Hintergrund.
Seit Oktober 2022 ist Johannes Lindner Co-Direktor des Jacques Delors Centre in Berlin.

Als Johannes Lindner 25 Jahre alt war, schüttelte er Jacques Delors zum ersten Mal die Hand, dem früheren Präsidenten der Europäischen Kommission. Ein Foto dieses Moments hängt an der Pinnwand in seinem Büro am Berliner Alexanderplatz. Seit Oktober 2022 ist Lindner Co-Direktor des Jacques Delors Centre der Hertie School in Berlin. Er leitet den Thinktank und arbeitet zu wirtschafts- und finanzpolitischen Themen.

Für den 48-Jährigen spielt Olaf Scholz’ Zeitenwende eine wichtige Rolle beim Blick auf die aktuelle Europapolitik. “Extrem spannend finde ich die Frage, was die europäische Dimension dieser Zeitenwende ist“, sagt Lindner. Im Sicherheitssektor sehe er seit Kriegsbeginn auf europäischer Ebene die meisten Veränderungen, andere Bereiche hingen noch hinterher. “Das zu begleiten und eine Europa-Strategie zur Zeitenwende auszuformulieren, da sehe ich auch unsere Rolle.”

Ein Europa, das geschlossen auftritt

Das Jacques Delors Centre in Berlin betreibt wissenschaftliche Forschung und entwickelt Ideen für eine zukunftsorientierte Europapolitik. In der Thinktank-Arbeit will das Zentrum einen unabhängigen, überparteilichen Blick auf die Vorgänge und Entscheidungen werfen und Vorschläge für ein zukunftsfähiges Europa entwickeln. “Eine Prämisse des Jacques Delors Centre ist, dass wir als Europa auf der Welt nur vorkommen, wenn wir geschlossen auftreten. Das zeigt auch der Krieg in der Ukraine”, sagt Lindner.

Zwei Punkte findet der Co-Direktor des Zentrums dabei besonders interessant. Zum einen, wie Europa mit den Herausforderungen von Klimakrise und Energiesicherheit umgeht. “Der Energiesektor war lange Zeit ein Politikbereich, in dem sehr stark nationale Interessen und Lösungen dominiert haben. Deshalb ist es gerade extrem schwierig, sich auf europäischer Ebene zu einigen.” Damit verbunden ist für Lindner zum anderen die Frage, wie ein europäischer Binnenmarkt mittelfristig aussehen könnte: “Die strategische Autonomie Europas ist ein spannendes Thema. Die Abhängigkeit vom Welthandel wird in dieser Form nicht ohne Anpassung weitergehen können.”

Forschung und Thinktank profitieren voneinander

Bevor Johannes Lindner Co-Direktor am Jacques Delors Centre wurde, arbeitete er 19 Jahre bei der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. Zuletzt leitete er von 2012 bis 2022 die Abteilung EU-Institutionen und Foren und koordinierte die Beziehungen der EZB, insbesondere zum Rat und zum Europäischen Parlament. “Ich habe ein gutes Gefühl, was politisch funktionieren kann und was nicht. Bei der EZB habe ich in den vergangenen zehn Jahren erlebt, was möglich ist, wenn Europa in einer Krise handeln muss und die Staaten alle zusammenarbeiten.”

Neben seinem Job als Co-Direktor des Jacques Delors Centre soll Lindner im Rahmen des neu geschaffenen Henrik Enderlein Fellowships, das von der Stiftung Mercator finanziert wird, zu den Themen EU Wirtschafts- und Finanzpolitik forschen und lehren.

Er sieht einen wichtigen Knotenpunkt zwischen der Forschung und der Arbeit im Thinktank: “Die tiefe und eher langfristige Perspektive der Forschung ist hilfreich. Wir tauschen uns häufig mit den Kolleginnen und Kollegen aus.” Auf der anderen Seite könne aber auch die Forschungsseite von der Arbeit seines Thinktanks profitieren. “Dadurch gibt es einen Relevanzcheck.” Sein Team und er könnten gut beurteilen, welche Themen “fliegen”, wie Lindner es nennt. Maximilian Senff

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    • Heads: Johannes Lindner – Europas Zeitenwende mitgestalten
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    gestern Abend kam sie, die seit Tagen erwartete Empfehlung zum Umgang mit China-Reisen. Nach einem Treffen des EU-Krisenaktionsstabs (IPCR) hieß es, die EU-Mitgliedsstaaten seien “nachdrücklich aufgefordert”, für alle Reisenden die Forderung eines negativen Covid-Tests vor dem Abflug einzuführen. Welche Punkte im Verhältnis zu China in diesem Jahr noch wichtig werden, weiß Amelie Richter.

    Kohle- und Gaskraftwerke hatten 2022 mächtig zu tun, dieses Jahr könnte die Kohleverstromung in Deutschland munter weiter steigen. Ein geringerer Stromverbrauch also würde nicht nur die deutsche Klimabilanz verbessern, sondern auch die Preise senken und knappes Gas sparen. Doch ein seit November geltendes Stromsparziel aus einer Notfallverordnung der EU hat die Bundesrepublik bislang verfehlt, wie Sie in meiner Analyse lesen können.

    Entschlosseneren Klimaschutz wünscht sich auch so mancher im EU-Parlament. Kommissionsvize Frans Timmermans sei mit seiner doppelten Zuständigkeit für den Green Deal und internationale Klimaverhandlungen überfordert, heißt es von dort. Mein Kollege Lukas Scheid ist der Frage nachgegangen, ob die EU einen europäischen John Kerry braucht.

    Um viel Geld geht es bei neuen Details zu einem Beschluss der Europäischen Datenschutzaufsichtsbehörden. Tech-Riese Meta muss einen massiven Ausfall von Werbeerlösen fürchten. Falk Steiner hat die Details in den News aufgeschrieben.

    Wie sich die EU im weltweiten Wettbewerb behauptet, ist auch das Thema von Johannes Lindner. Seit Oktober 2022 ist er Co-Direktor des Jacques Delors Centre der Hertie School in Berlin. In den Heads lesen Sie, welche Herausforderungen er auf die EU zukommen sieht.

    Ihr
    Manuel Berkel
    Bild von Manuel  Berkel

    Analyse

    Deutschland verfehlt Stromsparziel

    Seit November hätte der Stromverbrauch in den EU-Staaten um zehn Prozent zurückgehen sollen. Tatsächlich sank die Stromnachfrage in Deutschland im November lediglich um 7,6 Prozent und im Dezember um 4,4 Prozent. Das hat Europe.Table auf Basis von Daten der Bundesnetzagentur berechnet.

    Die Energieminister der EU hatten Ende September mit einer Notverordnung zwei Ziele zum Stromsparen vereinbart. Zum einen wollten sie den Stromverbrauch bis Ende 2023 freiwillig um zehn Prozent mindern. Vergleichsgröße ist jeweils der durchschnittliche monatliche Verbrauch aus den fünf Vorjahren. Ziel seien eine “geringere Stromnachfrage und dadurch niedrigere Energiepreise“, hieß es in der Einigung. Zusätzlich soll der Beschluss helfen, den Verbrauch von knappem Erdgas in der Stromerzeugung zu reduzieren.

    Von der Leyen drängt auf Versorgungssicherheit

    Der europäische Netzbetreiberverband ENTSO-E hatte im Herbst bestätigt, dass die Risiken für die Versorgungssicherheit und der kritische Gasbedarf für Kraftwerke “erheblich verringert werden könnten, wenn im europäischen Durchschnitt zehn Prozent des Stromverbrauchs eingespart würden.”

    Zuvor hatte auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den politischen Vorstoß mit der Versorgungssicherheit begründet. “Wenn wir die Nachfrage in Spitzenzeiten verringern, wird die Versorgung länger halten und dies die Preise senken“, sagte von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union vor dem EU-Parlament.

    Wirtschaftsministerium schweigt zu Sparzielen

    Auf eben diese Nachfrage in Spitzenzeiten bezieht sich das zweite Sparziel, das im Gegensatz zum ersten nicht indikativ, sondern verpflichtend ist. Von Dezember 2022 bis März dieses Jahres müssen die EU-Staaten den Stromverbrauch in Spitzenzeiten um fünf Prozent senken. Dabei haben die nationalen Regierungen Gestaltungsspielraum, vor allem für die Definition der Spitzenzeiten. Maßgebend kann die Nachfrage sein, aber auch der Strompreis im Day-ahead-Markt.

    Europe.Table fragte das Bundeswirtschaftsministerium und die Bundesnetzagentur (BNetzA), ob die Spitzenzeiten in Deutschland bereits definiert seien und ob das EU-Ziel im Dezember erreicht wurde. Beide Pressestellen ließen die Anfrage vom Dienstag bis Mittwochabend unbeantwortet. Auch zur Frage, ob die Bundesregierung zusätzliche Maßnahmen plane, um den Stromverbrauch insgesamt um zehn Prozent zu senken, schweigt das Haus von Robert Habeck.

    Gaskraftwerke produzieren mehr Strom

    Stattdessen verbreitete die BNetzA eine Pressemitteilung zu den Strommarktdaten 2022. Ein Ergebnis: “Im Vergleich zum Vorjahr war die Erzeugung durch Erdgas um 1,7 Prozent höher.” Zu den Stromsparzielen, die insbesondere auf Gaskraftwerke abzielen, gab es kein Wort. Allerdings fallen die Gaspreise derzeit bereits wegen der milden Witterung immer weiter. Gestern notierten sie mit unter 65 Euro pro Megawattstunde für den Frontmonat auf dem niedrigsten Stand seit November 2021.

    Dem Stromsparen räumt das Wirtschaftsressort offenkundig keine Priorität ein. Zwar gibt das Bundeswirtschaftsministerium mit seiner Kampagne “Energiewechsel” auch Tipps zu LED-Lampen und sparsamen Elektrogeräten.

    Monitoring schwächer als bei der Gasversorgung

    Im Gegensatz zur Gasversorgung gibt es aber von der Bundesnetzagentur (BNetzA) für den Stromsektor keine engmaschige Berichterstattung, ob die politisch vereinbarten Energiesparziele auch erreicht werden. Kurz vor Weihnachten fragte die ZEIT den Präsidenten der BNetzA, Klaus Müller, ob er die Menschen nicht noch viel mehr zum Stromsparen aufrufen müsse oder ob mehrere Sparappelle auf einmal die Menschen überforderten.

    Müller antwortete darauf: “Ich habe immer gelernt: Keep it simple. Das Wichtigste, was wir jetzt schaffen müssen, ist das Vermeiden einer Gasmangellage.” Wegen der stark gestiegenen Preise würden die meisten Menschen 2023 automatisch auf ihren Stromverbrauch achten. Schon im Verlauf des vergangenen Jahres aber haben Versorger ihre Strompreise laut dem Vergleichsportal Verivox um 31 Prozent erhöht.

    Smart Grid kommt nicht voran

    Ein Grund für das Schweigen könnte sein, dass dem Wirtschaftsministerium die passenden Instrumente fehlen, um insbesondere die Spitzenverbräuche zu senken. Eine Verordnung, die Industriebetriebe für das Abschalten von Lasten entschädigt, lief im Juni aus und wurde nicht verlängert. Haushalte warten seit Jahren auf Smart Meter, die Haushaltsgeräte automatisch bei niedriger Nachfrage laufen lassen.

    Einen Entwurf für eine Änderung des Messstellenbetriebsgesetzes, die den Rollout beschleunigen soll, hatte das Ministerium erst für Anfang 2023 angekündigt. Bis sie verabschiedet ist, dürfte die EU-Notfallverordnung bereits ausgelaufen sein.

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    Braucht die EU einen Klimazar?

    “Wir brauchen einen europäischen John Kerry”, sagte Peter Liese, umweltpolitischer Sprecher der EVP, nach Ende der COP27. Frans Timmermans sei in seiner Rolle als Klimakommissar überfordert, da er sowohl für die EU-Gesetzgebung als auch für internationale Klimapolitik zuständig ist, so Liese. In Sharm el-Sheikh seien die Brücken von anderen gebaut worden. Liese meint den US-Klimabeauftragten John Kerry und seinen chinesischen Counterpart Xie Zhenhua. Timmermans habe keine Zeit für die diplomatische Vorbereitung der COP gehabt, weil er mit EU-Gesetzen beschäftigt war, wirft ihm der Europaabgeordnete vor.

    In Sharm el-Sheikh hatte es die EU verpasst, ihre Forderungen nach mehr Klimaschutz durch globale Emissionsminderungen durchzusetzen. Es fehlte vor allem der Rückhalt im globalen Süden. Ein EU-Klimazar könnte hauptamtlich langfristige Allianzen mit Inselstaaten und kleineren Entwicklungsländern aufbauen und pflegen. Solche Klimapartnerschaften, so Michael Bloss, Grünen-Abgeordneter im EU-Parlament, seien die Lösung für höhere internationale Klimaziele.

    Europäische Klimaaußenpolitik gefordert

    Damit ist die Debatte über einen “EU-Klimazar” eröffnet. Aber es gibt schwierige Detailfragen:

    • Wo wäre ein EU-Klimabeauftragter angesiedelt? Die Mitgliedsländer sind für die Außenpolitik und somit auch für die Klimaaußenpolitik zuständig. Der EU-Außenbeauftragte wird vom Rat ernannt, daher müsste eine EU-Klimabeauftragte tendenziell ebenfalls eher dort statt bei der Kommission angesiedelt sein. Denkbar wäre auch, dass eine EU-Außenbeauftragte auch Klima-Chefverhandlerin wäre. Auf der anderen Seite besitzt nur die Kommission das Initiativrecht für neue Gesetze. Ein Klimabeauftragter des Rates müsste also bei wichtigen Entscheidungen ohnehin über die Kommission gehen.
    • Welche Kompetenzen und Ressourcen hätte ein EU-Klimabeauftragter? Dem EU-Klimabotschafter Marc Vanheukelen fehlt es am Standing und Ressourcen. Vorbild könnte Jennifer Morgan sein, die Klimabeauftragte der Bundesregierung und Staatssekretärin im Auswärtigen Amt. Sie hat deutlich mehr Ressourcen und Personal zur Verfügung als Vanheukelen.
    • Ein Klimabeauftragter braucht auch Zugriff auf Finanzmittel und die Möglichkeit, Kooperationen zu beschließen, wie das in den USA und China der Fall sei. Klimaaußenpolitik wäre dann nicht mehr national, sondern europäisch. Nur dann wäre ein europäischer Klimabeauftragter zielführend, sagt Artur Runge-Metzger langjähriger Direktor der Generaldirektion für Klimapolitik (DG Clima).
    • Dem steht aber die fehlende gemeinsame Linie und Koordinierung der Mitgliedstaaten in der Klimaaußenpolitik entgegen. Ein EU-Klimabeauftragter würde nur helfen, wenn man die unterschiedlichen Vorstellungen der EU-Mitgliedsstaaten bündeln würde, sagt Runge-Metzger.

    Ein EU-Klimazar ist keine neue Forderung. Nach der gescheiterten COP in Kopenhagen habe es Gespräche gegeben, dass die erste EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton auch für die Klimaaußenpolitik zuständig wird, sagt Runge-Metzger. Doch mit der neuen Kommissionsstruktur wurde auch die Position der EU-Klimakommissarin geschaffen. Auch unter Jean-Claude Juncker war die Debatte kurz aufgeflammt, wurde jedoch schnell wieder beendet, so Runge-Metzger.

    Timmermans weist Kritik zurück

    Der Klimakommissar selbst sieht keine Notwendigkeit für eine neue Position. Er sei für die Umsetzung der EU-Gesetzgebung als auch für die Förderung von internationalen Klimaschutzmaßnahmen zuständig, heißt es aus seinem Kommissariat. Eine Trennung der beiden Rollen sei kontraproduktiv. Dem stimmt auch Runge-Metzger zu. Timmermans zehre in internationalen Verhandlungen von seiner praktischen Erfahrung durch den Green Deal.

    Ein Klimabeauftragter, der noch in dieser Legislatur eingesetzt wird, gilt ohnehin als unrealistisch. Zur Europawahl 2024 könnte die Debatte jedoch wieder aufkommen – insbesondere im EU-Parlament. Dort hatte die EVP bereits im September vergangenen Jahres im Entwicklungsausschuss eine Mehrheit für die Schaffung eines Budgets für einen EU-Klimabeauftragten erzielt.

    Potenzielle Namen für die Position

    Vom Profil her sollte ein Klimabeauftragter bereits Erfahrung in Klimaverhandlungen haben, die Strukturen der Klimakonferenzen kennen und ein gewisses Standing in der Szene besitzen, sagt Liese.

    • Spaniens sozialistische Umweltministerin Teresa Ribera wäre so eine Kandidatin. Doch ob sie ihr Amt in Madrid für einen Posten in der Kommission aufgibt, der nur noch bis zur nächsten Europawahl im Frühjahr 2024 sicher ist, ist fraglich.
    • Aus Deutschland wäre Jochen Flasbarth der offensichtlichste Kandidat. Der Staatssekretär im Entwicklungsministerium war zuvor acht Jahre auf gleichem Posten im damals für die Klimaverhandlungen zuständigen Umweltministerium tätig. Er gehört zu den renommiertesten Klimaverhandlern weltweit. Er hat das Pariser Abkommen mitverhandelt, besitzt daher das nötige Netzwerk und reichlich Erfahrung in der internationalen Klimadiplomatie. Sein Manko: Er ist Deutscher und Deutschland zählt zu den klimapolitisch ambitioniertesten Ländern der EU. Weniger ambitionierte Länder dürften ihre Schwierigkeiten mit einem Deutschen als oberstem Klimadiplomaten haben. Sie fürchten, er könnte ihren Interessen weniger Beachtung schenken als den deutschen.
    • Passender wäre daher der Tscheche Jan Dusík. Der stellvertretende Umweltminister Tschechiens war in Sharm el-Sheikh der Delegationsleiter der tschechischen Ratspräsidentschaft und nach Timmermans Europas wichtigster Repräsentant auf der COP27. Die osteuropäischen EU-Staaten könnten sich wohl auf ihn einigen.
    • Auch Terhi Lehtonen, Staatssekretärin im finnischen Umweltministerium, wäre eine passende EU-Klimabeauftragte. Sie war 14 Jahre lang politische Beraterin für Umweltpolitik im EU-Parlament und später in der DG Clima für internationale Verhandlungen zuständig. Allerdings sind Dusík und Lehtonen bei den Grünen und damit schwieriger bei den konservativen Kräften in Brüssel und Straßburg durchzusetzen.
    • Bliebe noch Dan Jørgensen, dänischer Klima- und Entwicklungsminister. Der ehemalige Europaabgeordnete hat sich als stellvertretender Vorsitzender des EU-Umweltausschusses verdient gemacht. Er gilt als progressiver Klimaschützer. Sein englischsprachiger Podcast zu Klimathemen ist ein Zeugnis seiner kommunikativen Fähigkeiten. Zudem ist er Sozialdemokrat.
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    EU empfiehlt Testpflicht für China-Reisende

    Wer ab Sonntag von China aus in die EU einreist, muss für einige Mitgliedsstaaten einen negativen Covid-Test noch vor Boarding der Maschine vorlegen. Das gilt beispielsweise für Frankreich und Italien. Deutschland hat bisher keine Testpflicht für Passagiere aus der Volksrepublik angekündigt. Nach einem Treffen des EU-Krisenaktionsstabs (IPCR) zur Covid-Situation in Brüssel am Mittwoch hieß es, die EU-Mitgliedsstaaten seien “nachdrücklich aufgefordert”, für alle Reisenden die Forderung eines negativen Covid-Tests vor dem Abflug einzuführen.

    Eine Mehrheit der EU-Staaten habe sich für eine einheitliche Testpflicht ausgesprochen, sagte ein EU-Kommissionssprecher am Mittwochmittag vor dem IPCR-Treffen. Das chinesische Außenministerium hatte bereits Gegenmaßnahmen angekündigt, sollte die EU eine einheitliche Testpflicht einführen wollen. Der Test-Ansatz ist nun den einzelnen EU-Staaten überlassen. Der Krisenstab empfahl zudem stichprobeartige Tests bei angekommenen Reisenden und das Tragen von FFP2-Masken auf Flügen aus der Volksrepublik.

    Viel hängt davon ab, welche Auswirkungen die Öffnung Chinas in den kommenden Wochen auf die EU hat. Wenn der Reiseverkehr problemlos wieder anläuft, dann beginnen auch die Beziehungen zwischen EU und China 2023 positiver. Noch ist aber nicht abzusehen, welche Auswirkungen Chinas schneller Richtungswechsel in der Praxis hat.

    Bewegung bei WTO, BRI – und vielleicht sogar dem CAI

    Einige wichtige Stellschrauben – neue Entwicklungen wie auch Dauerbrenner – für die Beziehung zwischen Brüssel und Peking sind jedoch gesetzt. Ein Überblick:

    • Richtungsänderungen: In der Tschechischen Republik wird im Januar ein neuer Staatspräsident gewählt. Amtsinhaber Miloš Zeman gilt als China-nah, er steht nicht zur Wiederwahl. In Prag wird es deshalb mit großer Wahrscheinlichkeit eine noch stärkere Abkehr von Peking geben als bisher (China.Table berichtete). Ein Austritt aus dem Kooperationsformat 14+1 zwischen ost- und mitteleuropäischen Staaten und China ist nicht ausgeschlossen. Für Zemans Nachfolge gibt es mehrere Kandidaten. Einer davon: Ex-Ministerpräsident Andrej Babiš, der Peking eher skeptisch gegenüber eingestellt ist.
    • Interessant dürfte 2023 auch Italiens Entscheidung zur “Belt and Road”-Initiative (BRI) werden. Die rechtspopulistische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hatte bereits angedeutet, das BRI-Memorandum nicht erneuern zu wollen. Brüssel und andere EU-Hauptstädte blicken zudem aufmerksam auf Berlin und die dort entstehende China-Strategie aus dem grünen Außenministerium.
    • Neue Tools für die Handelspolitik: Noch vor der Sommerpause will das Europaparlament seine Positionen zum EU-Lieferkettengesetz und dem Einfuhrverbot für Produkte aus Zwangsarbeit festzurren, erklärt der Vorsitzende des Handelsausschusses, Bernd Lange (SPD), im Gespräch mit China.Table. “Hier werden sich sicherlich einige Konfliktpunkte mit China auftun.” In beiden Bereichen wolle das EU-Parlament nun aber zügig vorankommen, so Lange. Auch die neue Regelung gegen wirtschaftlichen Zwang (auf Englisch das Anti-Coercion Instrument) soll zeitnah fertig werden. Ende Januar gibt es dazu erneut Verhandlungen zwischen den EU-Institutionen unter Vorsitz der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft. “Vielleicht wird das bereits der letzte Trilog”, zeigt sich Lange zuversichtlich. Die Europäische Kommission zieht außerdem einen genaueren Blick auf die Investitionen der europäischen Firmen in China in Betracht. In ihrem Arbeitsprogramm 2023 kündigt die Brüsseler Behörde an, “zu prüfen, ob zusätzliche Instrumente in Bezug auf die Kontrolle strategischer Auslandsinvestitionen erforderlich sind”.
    • Renaissance des CAI? Eine Wiederbelebung des kaltgestellten Investitionsabkommens zwischen der EU und China schließt Lange nicht aus. Eine Voraussetzung sei jedoch weiterhin die Aufhebung der Sanktionen gegen EU-Abgeordnete. Die Führung in Peking hat vergangenes Jahr ihre Bereitschaft signalisiert, die Konventionen der Internationalen Arbeitsagentur ILO gegen Zwangsarbeit zu unterzeichnen – eine Bedingung des Europäischen Parlaments für weitere Verhandlungen. “Nun muss man in einen Dialog treten, um zu sehen, was das konkret heißt”, betont Lange. Peking hatte die Rücknahme der Sanktionen gegen die EU-Parlamentarier an eine gegenseitige Aufhebung von EU-Sanktionen gegen chinesische Beamte und eine Organisation wegen Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang gekoppelt. Die Strafmaßnahmen wurden jedoch im Dezember erneuert.
    • Russlands Krieg und Pekings Position: Die russische Invasion in der Ukraine und Chinas unausgesprochene Unterstützung wird die Beziehungen zwischen Brüssel und Peking auch in 2023 beeinflussen. Zeitnah will Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach China reisen. Macron hatte sich nach dem G20-Gipfel auf Bali für China als möglichen Vermittler zwischen Russland und dem Westen ausgesprochen. Für diesen Vorschlag erntete der französische Staatschef Hohn. Noch im Januar soll US-Außenminister Antony Blinken Medienberichten zufolge nach Peking fliegen. Eine Wiederaufnahme der diplomatischen Treffen mit chinesischen Vertretern lässt in Brüssel hoffen, dass Peking doch noch von seinem Schulterschluss mit Moskau abrücken könnte. Die jüngsten Entwicklungen deuten jedoch in eine andere Richtung.
    • Geopolitische Infrastruktur: Als nachhaltige Alternative zu Chinas Belt and Road-Initiative (BRI) angepriesen, will die EU ihr Projekt Global Gateway in diesem Jahr mit Leben füllen – Erfolgsaussichten: bisher mäßig. Zwar gab es zuletzt ein erstes offizielles Treffen der EU-Spitzenpolitiker und EU-Außenminister dazu. Konkrete Projekte bleiben aber weiterhin aus. Zeitnah soll nun jedoch die EU-weite Ausschreibung für ein Beratungs-Gremium bestehend aus Unternehmern und CEOs beginnen, wie aus Kreisen der zuständigen Generaldirektion zu hören ist. Das Gremium sei ein wichtiger Schritt, die Privatwirtschaft effektiver einzubinden, heißt es. In der ersten Jahreshälfte findet zudem ein Gipfeltreffen zwischen EU und lateinamerikanischen Vertretern statt. Auf Lateinamerika soll ein Fokus von Global Gateway liegen.
    • WTO-Klagen: Direkte Konfrontation droht ab Ende Januar, wenn bei der Welthandelsorganisation (WTO) zwei Schiedsgerichte eingerichtet werden, die sich mit Klagen der EU gegen China befassen. Bei den WTO-Verfahren geht es um die De-facto-Handelsblockade gegen Litauen und den Patentschutz bei Hightech-Produkten. China hatte die Einrichtung dieser Schiedsgerichte abgelehnt. Sie kann jedoch nur einmal blockiert werden. Die EU wird nach eigenen Angaben den Antrag erneut stellen. Das Panel wird dann automatisch Ende Januar 2023 eingesetzt und kann sich bis zu eineinhalb Jahre ziehen.
    • Taiwan und Indo-Pazifik : Der schwedische EU-Ratsvorsitz will die EU-Strategie für die Zusammenarbeit im Indo-Pazifik weiter vorantreiben, wie aus dem Programm der Schweden hervorgeht. Kurz vor Jahresende gab es erstmals ein Gipfeltreffen zwischen EU und Asean, bei dem sich beide Seiten auf eine engere wirtschaftliche Kooperation verständigten. In der vorletzten Dezember-Woche besuchte zudem eine EU-Delegation des Handelsausschusses Taiwan. Weitere Delegationsreisen auf die Insel stehen auch für 2023 an.
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    Termine

    09.01.2023 – 19:30-21:00 Uhr, Berlin/ online
    HBS, Podiumsdiskussion Streit ums Politische: “Postsowjetische Stimmungen”
    Bei dieser Veranstaltung der Reihe zum Thema Krieg und Frieden in Europa von der Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) geht es um die Stimmungen in Russland und Ländern des ehemaligen Ostblocks. INFOS & ANMELDUNG

    10.01.2023 – 19:00 Uhr, online
    HSS, Vortrag Feine Diplomatie: Erdogan als Vermittler zwischen den Konfliktparteien?
    Bei dieser Veranstaltung der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) geht es um die Rolle der Türkei und des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan im Ukraine-Krieg, die Beziehung zu Russland und das Verhältnis zur EU. INFOS & ANMELDUNG

    10.01.2023 – 19:00-21:00 Uhr, Hannover
    VWS, Podiumsdiskussion Die Energieversorgung von morgen – in eine strahlend grüne Zukunft?
    Die Referentinnen und Referenten der VolkswagenStiftung (VWS) diskutieren darüber ob der Energiebedarf zukünftig ohne fossile Brennstoffe gedeckt werden kann und wie vielversprechend neue Technologien sind. INFOS

    25.01.2023 – 16:00-21:00 Uhr, Oberhausen
    Eco, Konferenz Kick-off zur EuroCloud Next-Leaders-Initiative
    Die EuroCloud Next-Leaders-Initiative des Verbandes der Internetwirtschaft (Eco) soll Unternehmerinnen und Unternehmern die Möglichkeit des Austauschs zu alten und neuen Geschäftsmodellen sowie Cloud-Services geben. VORANMELDUNG BIS 06.01.2023

    News

    Datenschutz: Meta muss um Werbeeinahmen bangen

    Der US-Konzern Meta muss in der EU mit einem massiven Ausfall von Werbeeinnahmen rechnen. Grund dafür ist ein von den Europäischen Datenschutzaufsichtsbehörden (EDPB) gefasster Beschluss. Den hat nun die irische Datenschutzaufsicht der Firma zugestellt. In ihm wird den EU-Töchtern des Facebook- und Meta-Mutterkonzerns mitgeteilt, dass die Firmen über keine ausreichende Einwilligung der Nutzer in verhaltensbasierte Werbung verfügen.

    Sollte der EDPB-Beschluss rechtswirksam werden, dürfen Facebook und Co. darunter erhobene Daten nicht mehr für die Anzeigensteuerung verwenden. Damit würde Meta auf andere Anzeigearten ausweichen müssen – etwa kontextabhängige Werbung, die weniger Einnahmen verspricht. Zudem dürfen die unrechtmäßig erhobenen Daten nicht weiterverwendet werden.

    EDPB: Personalisierte Werbung benötigt separate Einwilligung

    Facebook nahm zum Inkrafttreten der DSGVO im Mai 2018 als vermeintliche Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung einen Passus in seine Nutzungsbedingungen auf, mit dem die personalisierte Werbung als integraler Bestandteil des Produkts und damit der Nutzungsvereinbarungen gesehen wurde.

    Damit wollte das Unternehmen einen Verarbeitungsgrund nach Artikel 6 Buchstabe f der DSGVO schaffen. Die Data Protection Commission of Ireland (DPC) folgte dieser Sichtweise. Das europäische Gremium sah dies hingegen mehrheitlich anders.

    Allerdings ist die DPC an die Entscheidungen des EDPB gebunden und hat Meta nun den geänderten Beschluss zugestellt. Dieser wurde bereits Anfang Dezember vom EDPB getroffen, dem gemeinsamen Entscheidungsgremium der nationalen Aufsichtsbehörden.

    DPC kritisiert EU-Kollegen

    Doch erst jetzt hat die irische Datenschutzaufsichtsbehörde DPC weitere Details zum Fall mitgeteilt. So wurden die Strafen für das Fehlverhalten auf 210 Millionen im Fall von Facebook und 180 Millionen Euro für Instagram erhöht.  Das Verfahren ging auf eine Beschwerde des österreichischen Datenschutzaktivisten Max Schrems zurück. Schrems kritisiert die DPC seit Jahren massiv – und bezichtigt die Behörde der irischen Datenschutzbeauftragten Helen Dixon der Kumpanei mit Meta.

    Die DPC kritisiert ihrerseits Teile des Beschlusses. Die EU-Kollegen hatten der irischen Aufsichtsbehörde unter anderem aufgegeben, schnell eine umfängliche Prüfung bei Meta durchzuführen. Damit überschreite das EDPB seine Kompetenzen, so die DPC.

    Meta kündigt Berufung an

    Meta kündigte gestern Berufung an. Unternehmen seien in der Frage mit einer unklaren Rechtslage konfrontiert gewesen, hieß es in einer Reaktion des Konzerns: “Wir glauben zutiefst, dass unser Ansatz die EU-Datenschutzverordnung respektiert, (…) und haben vor, sowohl gegen den Inhalt der Entscheidungen als auch gegen die Strafen in Berufung zu gehen.”

    Der Beschluss soll laut DPC Ireland im Laufe der kommenden Woche vom EDPB veröffentlicht werden. Gegen Meta und die Töchter Facebook und Instagram wurden mit dem neuen Beschluss in den vergangenen Jahren mehr als 1 Milliarde Euro Strafen wegen Verstößen gegen datenschutzrechtliche Vorgaben verhängt. fst

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    Frankreich liefert Ukraine “leichte Kampfpanzer”

    Frankreich will der Ukraine “leichte Kampfpanzer” liefern. Das habe der französische Staatschef Emmanuel Macron seinem ukrainischen Kollegen Wolodymyr Selenskyj zugesagt, teilte der Élyséepalast am Mittwoch nach einem Telefonat der beiden Präsidenten mit. Bei dem Panzer soll es sich um den Spähpanzer AMX-10 RC handeln. Der Radpanzer mit großer Kanone wird vor allem zur Aufklärung eingesetzt. Wie viele Panzer Frankreich der Ukraine bis wann übergeben will, war zunächst noch unklar. Aus dem Élyséepalast hieß es, dies seien die ersten Kampfpanzer westlicher Bauart, die an die ukrainischen Streitkräfte geliefert würden.

    Bis zum Sieg, bis zur Rückkehr des Friedens in Europa wird unsere Unterstützung für die Ukraine nicht nachlassen”, schrieb Macron am Abend. Selenskyj dankte Macron auf Twitter für die Entscheidung. Man habe auch beschlossen, weiter gemeinsam zu arbeiten, um etwa die Luftabwehr der Ukraine zu stärken. Paris hat Kiew bisher unter anderem 18 Caesar-Haubitzen sowie Panzerabwehrraketen des Typs Milan geliefert. Die Ukraine hat auch bereits Panzer westlicher Bauart erhalten, dabei handelte es sich aber eher um Truppentransporter.

    Die Ukraine wirbt stets um die Lieferung westlicher Kampfpanzer und anderer Waffensysteme, seit Monaten fordert sie Leopard-2-Panzer von Deutschland. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will sie aber nicht im Alleingang liefern und verweist darauf, dass bisher auch kein anderes Land ähnliche Waffensysteme bereitgestellt hat. dpa

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    Bundesregierung lehnt Reparationen ab

    Die Bundesregierung bleibt bei ihrer ablehnenden Position zu polnischen Forderungen nach Reparationen für die von Hitler-Deutschland verursachten Weltkriegs-Schäden. Außenministerin Annalena Baerbock sagte am Mittwoch am Rande ihrer Visite in Lissabon, sie habe bei ihrem Besuch in Warschau im Oktober “bereits deutlich gemacht, dass für uns von deutscher Seite rechtlich die Frage geklärt ist.” Die Grünen-Politikerin ergänzte, diesen Standpunkt habe man in der schriftlichen Kommunikation mit Warschau jetzt noch einmal hinterlegt.

    Zuvor hatte das polnische Außenministerium bekanntgegeben, dass die Bundesregierung in einer am 3. Januar eingegangenen diplomatischen Note den polnischen Forderungen wie erwartet förmlich eine Absage erteilt hatte. Das Ministerium in Warschau hatte am Dienstagabend mitgeteilt: “Nach Angaben der Bundesregierung ist die Frage der Reparationen und der Kriegsentschädigungen nach wie vor abgeschlossen, und die Bundesregierung beabsichtigt nicht, in Verhandlungen über diese Frage einzutreten.”

    Polens nationalkonservative PiS-Regierung thematisiert die Weltkriegs-Reparationen seit Jahren. Am 1. September hatte eine Kommission des polnischen Parlaments einen Bericht vorgestellt, der die Höhe der Weltkriegsschäden auf mehr als 1,3 Billionen Euro beziffert. Am 3. Oktober hatte Warschau dazu eine diplomatische Note an die Bundesregierung geschickt, in der diese Summe gefordert wurde. dpa

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    NGO fordert Recyclingquoten für Windkraft- und PV-Anlagen

    Durch die Einführung von Recyclingquoten, mehr Sammelstellen und stärkeren Ökodesign-Vorgaben kann das hohe Recyclingpotenzial von Windkraft- und Photovoltaikanlagen stärker ausgeschöpft und der hohe Rohstoffverbrauch in diesem Bereich gesenkt werden. Das stellt die NGO PowerShift in der Studie “Rohstoffwende und Energiewende zusammen denken” fest, die Europe.Table vorliegt.

    Da in Europa in den kommenden Jahren viele ältere Solar- und Windkraftanlagen das Ende ihrer Laufzeit erreichen, wird in diesem Bereich bis 2030 ein starker Anstieg der Abfallströme erwartet. Laut der Europäischen Umweltagentur (EEA) soll die Solarenergiebranche jährlich bis zu 1,5 Millionen Tonnen Abfall, zusammengesetzt aus Glas, Metallen und Silizium, produzieren. Bei Windenergie seien es knapp fünf Millionen Tonnen Zement, Metalle und Verbundwerkstoffe im Jahr.

    PowerShift will Registrierung der Produkte

    PowerShift leitet aus der Studie folgende Forderungen ab:

    • mehr öffentliche Sammelstellen
    • Rücknahme der Produkte durch die Hersteller
    • dezentrale Organisation von Sammlung und Recycling
    • Recyclingquoten für Windkraft- und PV-Anlagen (nach dem Vorbild der EU-Batterieverordnung)
    • Erweiterung und Stärkung der Ökodesign-Vorgaben
    • Registrierung der Produkte vor Inverkehrbringung, Überwachung ihres Verbleibes nach Ende ihrer Verwendung
    • Verlängerung der Lebenszyklen durch verbesserte Wartung, mehr Sanierung statt Verschrottung sowie Kaskadennutzung

    Allerdings sei eine verbesserte Kreislaufführung nicht die einzige Lösung, stattdessen “müssen wir gesamtgesellschaftlich unseren Materialfußabdruck und somit den absoluten Verbrauch von Rohstoffen reduzieren”, heißt es in der Studie. leo

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    EU-Staaten empfehlen “nachdrücklich” Testpflicht für Reisende aus China DW
    Einreisen aus China: Wie Corona erneut Europa entzweit SUEDDEUTSCHE
    EU verteidigt geplante Marokko-Reise Borrells trotz Korruptionsaffäre YAHOO
    EU muss Wasserstoff-Infrastruktur schaffen EURONEWS
    Großhandelspreise für Gas in Europa so niedrig wie zuletzt im November 2021 STERN
    Europa kauft anderen Ländern das LNG weg T-ONLINE
    Baerbock ruft Europa und den Westen auch 2023 zur Solidarität mit der Ukraine auf T-ONLINE
    Katastrophale Notversorgung in Großbritannien fordert zahlreiche Menschenleben DER STANDARD
    EU schliesst Schweiz von Planung der Forschungsinfrastruktur aus HANDELSZEITUNG
    EU übt Kritik am umstrittenen Tempelberg-Besuch von Ben-Gvir MERKUR
    390 Millionen Euro Strafe für Facebook-Mutterkonzern Meta TAGESSCHAU

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    Johannes Lindner – Europas Zeitenwende mitgestalten

    Porträtfoto von Johannes Lindner, Co-Direktor des Jacques Delors Centre in Berlin, im Anzug vor grauem Hintergrund.
    Seit Oktober 2022 ist Johannes Lindner Co-Direktor des Jacques Delors Centre in Berlin.

    Als Johannes Lindner 25 Jahre alt war, schüttelte er Jacques Delors zum ersten Mal die Hand, dem früheren Präsidenten der Europäischen Kommission. Ein Foto dieses Moments hängt an der Pinnwand in seinem Büro am Berliner Alexanderplatz. Seit Oktober 2022 ist Lindner Co-Direktor des Jacques Delors Centre der Hertie School in Berlin. Er leitet den Thinktank und arbeitet zu wirtschafts- und finanzpolitischen Themen.

    Für den 48-Jährigen spielt Olaf Scholz’ Zeitenwende eine wichtige Rolle beim Blick auf die aktuelle Europapolitik. “Extrem spannend finde ich die Frage, was die europäische Dimension dieser Zeitenwende ist“, sagt Lindner. Im Sicherheitssektor sehe er seit Kriegsbeginn auf europäischer Ebene die meisten Veränderungen, andere Bereiche hingen noch hinterher. “Das zu begleiten und eine Europa-Strategie zur Zeitenwende auszuformulieren, da sehe ich auch unsere Rolle.”

    Ein Europa, das geschlossen auftritt

    Das Jacques Delors Centre in Berlin betreibt wissenschaftliche Forschung und entwickelt Ideen für eine zukunftsorientierte Europapolitik. In der Thinktank-Arbeit will das Zentrum einen unabhängigen, überparteilichen Blick auf die Vorgänge und Entscheidungen werfen und Vorschläge für ein zukunftsfähiges Europa entwickeln. “Eine Prämisse des Jacques Delors Centre ist, dass wir als Europa auf der Welt nur vorkommen, wenn wir geschlossen auftreten. Das zeigt auch der Krieg in der Ukraine”, sagt Lindner.

    Zwei Punkte findet der Co-Direktor des Zentrums dabei besonders interessant. Zum einen, wie Europa mit den Herausforderungen von Klimakrise und Energiesicherheit umgeht. “Der Energiesektor war lange Zeit ein Politikbereich, in dem sehr stark nationale Interessen und Lösungen dominiert haben. Deshalb ist es gerade extrem schwierig, sich auf europäischer Ebene zu einigen.” Damit verbunden ist für Lindner zum anderen die Frage, wie ein europäischer Binnenmarkt mittelfristig aussehen könnte: “Die strategische Autonomie Europas ist ein spannendes Thema. Die Abhängigkeit vom Welthandel wird in dieser Form nicht ohne Anpassung weitergehen können.”

    Forschung und Thinktank profitieren voneinander

    Bevor Johannes Lindner Co-Direktor am Jacques Delors Centre wurde, arbeitete er 19 Jahre bei der Europäischen Zentralbank in Frankfurt. Zuletzt leitete er von 2012 bis 2022 die Abteilung EU-Institutionen und Foren und koordinierte die Beziehungen der EZB, insbesondere zum Rat und zum Europäischen Parlament. “Ich habe ein gutes Gefühl, was politisch funktionieren kann und was nicht. Bei der EZB habe ich in den vergangenen zehn Jahren erlebt, was möglich ist, wenn Europa in einer Krise handeln muss und die Staaten alle zusammenarbeiten.”

    Neben seinem Job als Co-Direktor des Jacques Delors Centre soll Lindner im Rahmen des neu geschaffenen Henrik Enderlein Fellowships, das von der Stiftung Mercator finanziert wird, zu den Themen EU Wirtschafts- und Finanzpolitik forschen und lehren.

    Er sieht einen wichtigen Knotenpunkt zwischen der Forschung und der Arbeit im Thinktank: “Die tiefe und eher langfristige Perspektive der Forschung ist hilfreich. Wir tauschen uns häufig mit den Kolleginnen und Kollegen aus.” Auf der anderen Seite könne aber auch die Forschungsseite von der Arbeit seines Thinktanks profitieren. “Dadurch gibt es einen Relevanzcheck.” Sein Team und er könnten gut beurteilen, welche Themen “fliegen”, wie Lindner es nennt. Maximilian Senff

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