die Beziehungen zwischen Paris und Berlin waren nicht die besten zuletzt – aber beide Seiten bemühen sich darum, sie zu verbessern: Vom 2. bis 4. Juli soll Emmanuel Macron zum Staatsbesuch nach Deutschland kommen, wie unsere Kollegen von “Contexte” und wir aus Kreisen beider Regierungen erfahren haben. An der Agenda werde noch intensiv gearbeitet, heißt es dort. In den vergangenen Monaten hatte es viel Dissens gegeben, insbesondere um den Status der Kernenergie bei der Energiewende.
Die immer noch hohen Preise für Strom sollen durch eine Reform des europäischen Strommarktes eingedämmt werden. Über den Vorschlag der Kommission sprachen am Mittwoch Experten aus der Generaldirektion Energie, der Wissenschaft und der Energiewirtschaft bei einem Table.Live-Briefing bei den Berliner Energietagen. Mein Kollege Manuel Berkel moderierte das Ganze. Eine Zusammenfassung lesen Sie in seiner Analyse.
Kennen Sie das Joint Research Centre? Das EU-eigene Forschungsinstitut soll der Kommission bei Entscheidungen wichtige Daten zuliefern und sie beraten. Doch das Zentrum könnte bekannter sein. Kein Wunder, dass auch Forschungskommissarin Mariya Gabriel bei ihrem Besuch daran erinnert, die Arbeit des Instituts, wann immer es geht, zu berücksichtigen. Und auch das Institut selbst will nachbessern berichtet Tim Gabel.
Die französische Haltung auf die Strommarktreform hat zuletzt immer wieder zu Kontroversen geführt. Céline Pizzotti, stellvertretende Geschäftsführerin des Deutsch-französischen Büros für die Energiewende, schilderte in einem Einführungsvortrag am Mittwoch deshalb die französische Sicht. Frankreich hatte durchgesetzt, dass auch Kernenergie in die Regeln für eine Förderung über Differenzverträge (CfD) einbezogen wurde. Weniger bekannt ist, dass Frankreich schon seit 2017 Erneuerbare über zweiseitige CfDs fördert, erklärte Pizzotti. Das beschere dem Staat in der Energiekrise Einnahmen durch abgeschöpfte Erlöse. Auch staatliche Garantiefonds für langfristige Stromabnahmeverträge (PPA) – einen weiteren Kernpunkt der anstehenden EU-Reform – führte Frankreich bereits Anfang dieses Jahres ein.
Den Vorschlag der Kommission für die europäische Strommarktreform stellte Michael Schütz vor, Referent für den Energiebinnenmarkt aus der Generaldirektion Energie. “Längerfristig werden wir eine Absicherung der Kundinnen und Kunden vor schwankenden Strompreisen und damit eben auch stark nach oben schwankenden Strompreisen erreichen”, sagte Schütz. Er trat damit der Kritik mancher entgegen, die eine dauerhafte Abschöpfung von Übererlösen über zweiseitige CfDs am liebsten auch auf bestehende Anlagen ausweiten würde. Eine Kritik, die etwa von der spanischen Ökonomin Natalia Fabra geäußert wurde.
“Bei dem Aufwuchs von Erneuerbaren, die wir bis 2040 brauchen, wird ein Großteil der Erneuerbaren eben keine bestehenden Anlagen sein – zumal ja auch beim Repowering wieder die Regelungen greifen”, erläuterte Schütz. Ein stärkeres Gewicht auf Langfristverträge berge aber auch eine Gefahr: “Das ist dann eine Debatte in ein paar Jahren, wenn die Kurzfristpreise wieder sehr niedrig sind, warum wir jetzt so teure langfristige Verträge haben. Aber gut, langfristige Verträge sind eben eine Versicherung und eine Versicherung kostet durchaus Geld.”
Überraschend gelassen nahm der BDEW den Vorstoß für zweiseitige CfDs auf, auch wenn dies eine dauerhafte Erlösabschöpfung in Zeiten hoher Marktpreise bedeuten würde. Die Obergrenze für Erlöse sei bei einem Differenzvertrag von vornherein klar, bei den Notfallmaßnahmen im vergangenen Jahr habe es aber rückwirkende Eingriffe gegeben. “Das Problem ist, wenn man einmal ein Tabu gebrochen hat, dann kann man es vielleicht hinterher bei wesentlich weniger gravierenden Umständen tun. Und deswegen muss man sagen, der zweiseitige CfD schafft immerhin Klarheit“, sagte Stephan Krieger, Referent für Marktdesign und europäische Energiepolitik beim BDEW.
Bemerkenswert ist diese Aussage von einem Energieverband deswegen, weil der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) zweiseitige CfD bisher immer strikt abgelehnt hat.
Mit der Sicherheit für Investoren argumentierte aber auch Karsten Neuhoff, Leiter der Abteilung Klimapolitik am DIW Berlin. Eine langfristige Preisbindung durch CfDs oder PPA schaffe Glaubwürdigkeit, damit in einer erneuten Krise nicht wieder ad hoc in den Markt eingegriffen werden müsse. Genau solche Schritte seien es, die für Investoren “angsterregend” wären.
Für Neuhoff sind CfDs zudem das geeignetere Instrument, um den Ausbau Erneuerbarer voranzutreiben und die Preise zu senken. “Über PPA ist nur ein Bruchteil des Ausbaus möglich, den wir mit Erneuerbaren bis 2030 haben wollen”, ist der DIW-Ökonom überzeugt. Zu wenige Abnehmer könnten PPAs zeichnen und es blieben zu viele Risiken. Eine Absicherung über PPA mache jede Kilowattstunde Strom deshalb um 30 Prozent teurer als eine Absicherung über CfDs, sagte Neuhoff.
Wie attraktiv PPAs sind, liege aber auch am Zusammenspiel mit CfDs, entgegnete Krieger. Die Differenzverträge seien mit Bundesanleihen über eine Laufzeit von 20 Jahren vergleichbar. “Das darf nicht zu interessant sein, weil sonst niemand den Weg über den Markt beschreitet”, sagte der BDEW-Manager. Enttäuschend sei in diesem Zusammenhang, dass die finale Fassung der Kommission keinerlei Kriterien mehr enthalte wie frühere Entwürfe. Das Ganze müsse “ein wenig eingeengt” werden, damit es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen komme.
In früheren Entwürfen des Kommissionsvorschlags waren für CfDs vor allem lokale Kriterien vorgeschrieben, damit Erneuerbare nicht an Standorten konzentriert werden, wo es zwar günstige Erzeugungsbedingungen gibt, Wind- oder Solarparks aber häufig abgeregelt werden müssen, weil auf dem Weg zu den Verbrauchszentren Netzengpässe liegen.
Was die Förderung von neuen Gaskraftwerken angeht, dämpfte Schütz die Erwartungen in Berlin. “Unser Grundsatz ist klar, normalerweise kommen erst Marktreformen, dann Subventionen und da werden sicherlich noch Diskussionen mit Deutschland zu führen sein“, sagte der Beamte der Generaldirektion Energie. Schütz nannte in diesem Zusammenhang den Marktreformplan nach der Binnenmarkt-Verordnung und die entsprechende Stellungnahme der Kommission.
Etwas polemisch fügte Schütz hinzu: “Ich kann nur hoffen, dass anders als manchmal in der Vergangenheit die europäische Perspektive ernst genommen wird, berücksichtigt wird und nicht zwangsläufig davon ausgegangen wird, dass wenn Deutschland sich auf etwas geeinigt hat in langwierigen Prozessen, dass dann alle anderen 26 Mitgliedsstaaten um Deutschland rotieren.”
Nicht alle kennen das Joint Research Centre (JRC) der EU. Dabei gibt es Vorläufer der riesigen Forschungsinstitution schon seit 1959. Damals als nukleare Forschungsstelle der europäischen Atomgemeinschaft (heute Euratom) im italienischen Ispra gegründet, sind bis heute viele Institute und Labore dazugekommen, einige wieder eingestampft oder umgewidmet worden. Als EU Science Hub bezeichnen sich die fünf Forschungszentren des JRC samt Brüsseler Zentrale selbst inzwischen. Die Forschung in Ispra und an den anderen vier Standorten in Karlsruhe, Petten, Geel und Sevilla adressiert aktuelle oder künftige Herausforderungen der EU.
Eine, die das JRC gut kennt, ist Forschungskommissarin Mariya Gabriel. Am Donnerstag besuchte sie die Einrichtung in Ispra bei einem Kongress im Rahmen des europäischen Plans zur Krebsbekämpfung. Sie schaute bei mehreren Instituten herein, darunter das European Crisis Management Laboratory, eine Art Datenlabor mit Lagerraum für Risiken des Klimawandels, der demografischen Entwicklung und geopolitischer Herausforderungen.
Sie sei auch deswegen jetzt ans Forschungszentrum gekommen, sagte Gabriel, “um noch einmal in Erinnerung zu rufen, dass es ein automatischer Reflex für alle sein sollte, die tägliche Arbeit, die hier geleistet wird, zu berücksichtigen“. Eine Erinnerung also an alle Politiker, die evidenzbasierten Daten, Fakten und Analysen des JRC ins eigene “policy making” einfließen zu lassen.
Alessandra Zampieri, Leiterin der Abteilung Nachhaltige Ressourcen am JRC, unterstrich: “Da die Herausforderungen immer komplexer und systemischer werden – wie Epidemien, Klimakrise oder Krieg – wird es immer wichtiger, dass politische Entscheidungen auf einer breiten Daten- und Faktengrundlage basieren“, sagte sie. “Wir machen Wissenschaft direkt für unsere Kollegen in Brüssel.”
Drei Kernaufgaben schreibt JRC-Generaldirektor Stephen Quest seiner Organisation zu: “Antizipieren, integrieren und Einfluss nehmen.” Dafür stehen ihm insgesamt knapp 3.000 Mitarbeitende an den verschiedenen Standorten zur Verfügung. Ein Großteil der eigenen Forschung sei darauf ausgelegt, politische Entscheidungsträger der Kommission in die Lage zu versetzen, Herausforderungen für die europäische Gesellschaft zu antizipieren und frühzeitig Weichenstellungen vorzunehmen.
So müsse man sich etwa in vielen Regionen der EU auf Dürreperioden, schwindende Biodiversität oder das Zusammenspiel von Elektromobilität und intelligenten Stromnetzen vorbereiten. Das JRC biete die Fakten für fundierte und durchdachte politische Entscheidungen. Zudem sei die Integration von Daten und Ergebnissen verschiedener Wissenschaftsdisziplinen für die politische Entscheidungsfindung wichtig, erklärt Quest.
Für europäische Verkehrspolitik etwa sei Wissen aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz genauso wichtig wie die neuesten Erkenntnisse der Klimaforschung. Das JRC will dieses Wissen bündeln und den politischen Entscheidungsträgern so präsentieren, dass es Einfluss habe.
“Wir decken den gesamten politischen Zyklus ab. Wir liefern evidenzbasiertes Wissen in der Phase, wenn Vorschläge erarbeitet und verhandelt werden, wir evaluieren Politik und helfen schließlich dabei, Maßnahmen anzupassen, wenn Ziele verfehlt wurden”, so Quest.
Dafür bekommt das JRC von der Kommission ein jährliches Budget von 380 Millionen Euro. Dazu kommen noch einmal rund 80 Millionen Euro, die die verschiedenen Generaldirektionen für spezifische Forschungs- oder Beratungsaufgaben ausgeben. Viel Geld für die Forschung.
Wie die Arbeit des JRC sich konkret auszahlt – dazu gibt es von der gemeinsamen Forschungsstelle bisher noch keine evidenzbasierten Daten. In einer Präsentation ist die Rede von einem “steigenden Einfluss auf zentrale Politikentscheidungen”. Eine unabhängige Evaluation von 50 Fallstudien hatte allerdings ergeben, dass Kernkompetenz des JRC die Erstellung und Implementierung von Richtlinien sei. Nur in einigen Fällen sei ein moderater Einfluss auf die politischen Entscheidungen messbar.
Fragt man die Forschungskommissarin nach dem konkreten Einfluss des JRC, dann klingt es sehr überzeugt: “Es ist die Basis unserer täglichen Arbeit.” Als aktuelle Beispiele nennt sie den Plan der Kommission zur Krebsbekämpfung oder die Vorhaben zu klimaneutralen Smart Cities. Es gebe keinen Vorschlag und keine Initiative – zumindest aus ihrem Haus – für die sie sich nicht zuerst die Daten des JRC anschaue.
Doch auch beim JRC scheint man noch Luft nach oben zu sehen. Anfang des Jahres hat die Forschungseinrichtung ihre Strategie überarbeitet. In dem Papier stehen als Ziele die stärkere Vernetzung innerhalb und außerhalb der Kommission, die eigene Digital- und Datenkompetenz besser auszuspielen und den eigenen Wert besser zu kommunizieren.
05.05.2023, Brüssel (Belgien)/online
EC, Workshop The DMA and data-related obligations
The European Commission (EC) focusses on topics such as the processing for providing online advertising services, the combination and the cross-use of personal data, how to foster contestability and fairness regarding the use of non-publicly available data of business users and effective, privacy-compliant data portability for end users. INFOS & REGISTRATION
05.05.2023 – 09:00-12:15 Uhr, online
VKU, Seminar Gigabitrichtlinie des Bundes
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) informiert über die neue Gigabitrichtlinie des Bundes und daraus resultierende Förderpotenziale für Unternehmen. Infos & Anmeldung
06.05.2023 – 10:00-13:00 Uhr, Prüm
KAS, Seminar Der klimaresiliente Wald der Zukunft
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) informiert über die Potenziale multifunktionaler Waldwirtschaft im ökologischen Gleichgewicht. INFOS & ANMELDUNG
08.05.2023 – 10:00-12:00 Uhr, online
ASEW, Seminar MsbG-Update – Das GNDEW kommt!
Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) diskutiert die neuen Rahmenbedingungen durch das Gesetz “Neustart der Digitalisierung der Energiewende” (GNDEW). INFOS & ANMELDUNG
08.05.2023 – 18:00 Uhr, Berlin
Podiumsdiskussion, Die Zeit »Ist zurzeit nicht lieferbar!« – Gehen uns bald die Rohstoffe aus?
Die Zeit diskutiert über die Möglichkeit einer wirtschaftspolitischen Autarkie Deutschlands und wie es auf dem Rohstoffmarkt weiter geht. INFOS & ANMELDUNG
08.05.2023 – 19:00 Uhr, Berlin
BMWK, Diskussion 3. Gespräch zur Transformation – Wie gelingt das Zusammenspiel von Staat und Markt?
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) beleuchtet die Herausforderungen der sozial-ökologischen Transformation. INFOS & ANMELDUNG
09.05.-11.05.2023, Rotterdam (Niederlande)
Conference World Hydrogen 2023
World Hydrogen 2023 is a global platform for hydrogen business. INFOS & REGISTRATION
09.05.2023 – 10:00-16:30 Uhr, Köln
BDE, Seminar Aktuelles Vergaberecht für Abfallwirtschaft und Entsorgung
Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) gibt einen Überblick zu Änderungen, Rechtsprechung und Gesetzesvorhaben im Zusammenhang mit Ausschreibungen für die Abfallwirtschaft. INFOS & ANMELDUNG
09.05.2023 – 10:00-12:00 Uhr, online
FSR, Presentation Breaking the Barrier: Exploring Obstacles to Customer Engagement in Flexibility Markets
The Florence School of Regulation (FSR) explores the main barriers related to customer engagement in TSO-DSO flexibility markets. Infos & Registration
09.05.2023 – 16:00-20:00 Uhr, Bonn
FES, Podiumsdiskussion Wofür steht Europa? Die Herausforderung der Demokratie durch Populismus, Pandemie und Krieg
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) diskutiert darüber, wofür Europa steht. INFOS & ANMELDUNG
09.05.2023 – 18:00-22:00 Uhr, Berlin/online
TÜV, Diskussion Politics and Party: Zwischenbilanz der Bundesregierung
Der TÜV zieht eine Zwischenbilanz der Ampelkoalition und stellt die Energie- und Klimakrise, den Digitalstandort Deutschland und New Mobility auf den Prüfstand. INFOS & ANMELDUNG
09.05.2023 – 19:00-22:00 Uhr, Berlin/online
FAZ, Konferenz Krisenfeste Landwirtschaft: Wie machen wir Ackerbau und Tierhaltung widerstandsfähig und nachhaltig?
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) nimmt eine kritische Bestandsaufnahme der deutschen Nahrungsmittelproduktion vor. INFOS & ANMELDUNG
Die Botschafter der EU-Staaten haben sich am Mittwoch auf den Rechtstext für den sogenannten Track 2 zur gemeinsamen Beschaffung von Artilleriegranaten und Flugabwehrraketen für die Ukraine geeinigt. Die EU will mit einer Milliarde Euro aus der Europäischen Friedensfazilität Geschosse insbesondere vom Kaliber 155 Millimeter finanzieren. Nach dem politischen Beschluss der Staats- und Regierungschefs hatte sich die rechtliche Umsetzung am Streit um die Definition von “Made in Europe” verzögert.
Der Kompromiss stellt laut EU-Diplomaten klar, dass sich “wichtige Teile” der Lieferkette in der EU sowie Norwegen befinden müssen. Laut Rechtstext kommen für die gemeinsame Beschaffung mit EU-Mitteln Artilleriegeschossen und Raketen infrage, die zu einem großen Teil in der EU sowie Norwegen hergestellt und montiert wurden. Der Rechtstext wird nach dem Ende des schriftlichen Verfahrens veröffentlicht.
Track 2 ist Teil eines dreigleisigen Plans von Binnenmarktkommissar Thierry Breton und des Außenbeauftagten Josep Borrell. Track 1 sieht vor, dass die EU-Staaten bis Ende Mai weitere Artilleriegeschosse aus ihren Beständen an die Ukraine abgeben. Die Mitgliedstaaten werden dafür bis zu 60 Prozent kompensiert, wofür ebenfalls eine Milliarde Euro aus der Friedensfazilität zur Verfügung steht.
Track 3 hat Breton am Mittwoch vorgestellt. Mit 500 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt will Brüssel Mitgliedstaaten und Verteidigungsindustrie dabei unterstützen, ihre Produktionskapazitäten auszubauen. sti
Neben den G7-Staaten, die den Klimaclub im Dezember gegründet hatten, gibt es nun sechs neue Mitglieder: Argentinien, Chile, Indonesien, Kolumbien, Luxemburg und die Niederlande. Weitere sollen noch im Laufe des heutigen Tages bekannt gegeben werden. Die Taskforce des von Olaf Scholz initiierten Klimaclubs kommt heute im Nachgang des Petersberger Klimadialogs erstmals zusammen. Beobachter gehen davon aus, dass neben den Vereinigten Arabischen Emirate, die in diesem Jahr die Weltklimakonferenz (COP28) ausrichten werden, auch weitere europäische Staaten beitreten könnten. Mögliche Kandidaten sollen demnach Dänemark, Norwegen und die Schweiz sein.
Die detaillierte Ausgestaltung sowie die Arbeitsweise des Klimaclubs sind noch immer in der Entwicklung. So ist die ursprüngliche Idee von einem Club der Länder mit den ambitioniertesten Klimapolitiken zugunsten eines “all-inclusive”-Ansatzes verworfen worden. Allerdings soll das kein Hindernis sein, sondern Mitgestaltungschancen für neue Mitglieder eröffnen, deren Dekarbonisierung noch Nachholbedarf hat. Die Grundidee des Clubs steht jedoch fest: Grüne Leitmärkte in schwer dekarbonisierbaren Industriesektoren fördern, indem einheitliche Standards für die Industrietransformation gesetzt werden.
Den Vorsitz der Taskforce haben Birgit Schwenk, Abteilungsleiterin Klimaschutz im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und ihr chilenischer Kollege Julio Cordano. Feinjustierungen der Ziele und Arbeitsweise sowie der Governance-Strukturen des Bündnisses stehen im Vordergrund. Bis zur COP28 soll der Klimaclub voll einsatz- und sprechfähig sein, sodass der “Full Launch” im Dezember in Dubai erfolgen kann.
Anschließend sollen die Mitglieder bei regelmäßigen Treffen gemeinsam über zukünftige Standards für grüne Produkte und Märkte diskutieren und sich zu Einschätzungen und Strategien zur Vermeidung von Carbon Leakage austauschen, erklärt ein Sprecher das BMWK. “Damit ermöglicht der Club einen zielgerichteten Austausch von Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern zu Rahmenbedingungen, Strategien und Mechanismen zur Beschleunigung der weltweiten Dekarbonisierung der Industrie.”
Zwischenzeitlich war diskutiert worden, ob Mitglieder eines Klimaclubs einander den Zugang zu den jeweils anderen Märkten erleichtern. So waren auch Ausnahmen vom gerade erst beschlossenen CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) der EU im Gespräch. Diese Möglichkeit ist nun vom Tisch. CBAM-Ausnahmen oder Rabatte bleiben weiterhin nur jenen Ländern vorbehalten, die über einen eigenen CO₂-Preis verfügen.
Stattdessen soll die Privatwirtschaft stärker einbezogen werden, indem Mitglieder an einem “freiwilligen Matchmaking” für Kooperations- und Finanzierungsinstrumente teilnehmen können, um Investitionen aus der Privatwirtschaft zu erhalten. Um potenzielle Synergien, aber auch Lücken in der Fördermittellandschaft zu destillieren, soll das Klimaclub-Team mit der Internationalen Energieagentur (IEA) sowie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zusammenarbeiten.
Der Rat hat gestern sein Verhandlungsmandat zu der im März 2022 vorgeschlagenen Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel festgelegt. Auch das Parlament wird in der kommenden Woche über seine Position abstimmen. Anschließend können die Trilogverhandlungen beginnen.
Die Richtlinie zielt darauf ab, die Rechte der Verbraucherinnen durch Änderungen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken sowie der Richtlinie über Verbraucherrechte zu stärken. Damit sie einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leisten können, sollen Konsumenten einen besseren Zugang zu Informationen über die Nachhaltigkeit eines Produktes erhalten. Damit ergänzt die Richtlinie die kürzlich vorgestellte Green-Claims-Richtlinie und die Richtlinie über den nachhaltigen Konsum von Waren (Recht auf Reparatur).
In seinem Verhandlungsmandat schlägt der Rat vor, allgemeine umweltbezogene Angaben wie “umweltfreundlich”, “grün” oder “klimaneutral” zu verbieten. Hersteller sollen nicht mehr mit solchen allgemeinen Begriffen für ihre Produkte, Verfahren oder Unternehmen werben dürfen, wenn die Behauptungen nicht durch ein öffentlich zugängliches Zertifizierungssystem belegt werden können.
Künftig sollen nur noch Nachhaltigkeitskennzeichnungen erlaubt sein, die auf offiziellen Zertifizierungsregelungen beruhen oder als Zertifizierungszeichen eingetragen oder von öffentlichen Behörden festgelegt sind.
In den Änderungen der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher sieht der Kommissionsvorschlag die Einführung einer kommerziellen Haltbarkeitsgarantie für Hersteller vor, also eine Zusage des Herstellers, dass die Ware bestimmte Funktionen oder Leistungen während eines bestimmten Zeitraums beibehält. Der Rat schlägt die Schaffung eines harmonisierten “grafischen Formats” vor, damit die Verbraucher solche Garantien eindeutig erkennen können.
Der Standpunkt des Rates verpflichtet die Hersteller auch, das Recht auf Information für Produkte mit digitalen Elementen zu gewähren. Bei Produkten, für die Software-Updates bereitgestellt werden, sollten die Verbraucher beispielsweise darüber informiert werden, wie lange sie von diesen Updates profitieren können.
Um den Mitgliedstaaten ausreichend Zeit für die Anpassung zu geben, verlängert der Rat in seinem Standpunkt außerdem die Umsetzungsfrist von 18 auf 24 Monate. Das Parlament wird am kommenden Dienstag über seine Position abstimmen. leo
Der französische Ölkonzern Total Energies hat die Umweltorganisation Greenpeace France und die Klimaberatungsfirma Factor-X wegen eines Berichts vor einem Pariser Gericht verklagt. Das teilte Total am Mittwoch mit. In der Veröffentlichung wird behauptet, das Unternehmen habe seine Treibhausgasemissionen für 2019 massiv unterschätzt.
Laut Total enthalte die Veröffentlichung aus dem November “falsche und irreführende Informationen”. Mit der Zivilklage will das Unternehmen die Rücknahme der Veröffentlichung erreichen. Alle Verweise auf den Bericht sollen eingestellt werden. Bei Zuwiderhandlung verlangt Total eine Entschädigung von 2.000 Euro pro Tag sowie einen Euro als symbolischen Schadensersatz.
Greenpeace und Factor-X warfen dem Ölkonzern vor, im Jahr 2019 rund 1,64 Milliarden Tonnen CO₂-Äquivalente ausgestoßen zu haben, in öffentlichen Erklärungen aber nur 455 Millionen Tonnen anzugeben.
Ein Sprecher von Total sagte: “Ein Gerichtsurteil wird Greenpeace nicht daran hindern, uns und unsere Klimastrategie weiterhin zu kritisieren, wenn sie es wünschen, aber es wird sie daran erinnern, dass öffentliche Debatten über Themen, bei denen für ein börsennotiertes Unternehmen so viel auf dem Spiel steht, Genauigkeit erfordern.”
Greenpeace sagte, die Klage sei ein Versuch, die Nichtregierungsorganisation vor der Total-Hauptversammlung am 26. Mai mundtot zu machen. Bei der Versammlung wollen aktivistische Aktionäre auf strengere Klimaverpflichtungen drängen. nib/rtr
Der Co-Berichterstatter des Parlaments für den AI Act erwartet, dass jetzt auch die Regierungen im Rat eine Diskussion zum Thema Allzweck-KI (General Purpose AI, GPAI) führen werden. Der Rat sei im Herbst noch der Meinung gewesen, dass es für eine Regulierung von Modellen wie ChatGPT noch zu früh sei, sagte Dragoș Tudorache (Renew) im Gespräch mit Table.Media. “Ich denke, die Realität hat sich seit dem Herbst geändert. Und ich vermute, dass eine ganze Reihe von Regierungen diese Ansicht ebenfalls teilen.”
Diese Diskussion im Rat könne womöglich dabei helfen, die Ansichten im Trilog zusammenzubringen. Das könne sogar einfacher werden als erwartet, sagte Tudorache. “Denn ich denke, dass die von uns vorgeschlagene Regelung recht vernünftig ist und ich wüsste nicht, warum der Rat diese Ansichten nicht teilen sollte.”
Bevor jedoch die Trilog-Verhandlungen zum AI Act beginnen können, stehen am 11. Mai die Abstimmungen im Binnenmarkt- und Innausschuss (IMCO und LIBE) sowie im Juni im Plenum an. Tudorache nannte den mit den Schattenberichterstattern ausgehandelten Kompromiss “delikat und fragil”. Die Verhandlungen im Parlament, die vergangene Woche im Kompromiss endeten, seien schwierig gewesen, wegen der ideologischen Differenzen zwischen den Fraktionen.
Während der Verhandlungen sei es verlockend gewesen, mit wechselnden Mehrheiten zu arbeiten. Aber sein Co-Berichterstatter Brando Benifei (S&D) und er wollten “eine klare Mehrheit, die sich um die Mitte herum aufbaut“. Alle Seiten hätten Zugeständnisse machen müssen. So hoffen die beiden, dass sie das Mandat für den Trilog auch erhalten. “Es ist noch eine wichtige Hürde zu überwinden”, sagte Tudorache.
Im Parlament seien die Diskussionen über Artikel 5 (Verbotene Praktiken) und Artikel 6 mit Anhang III (Hochrisiko-KI-Systeme) am härtesten und langwierigsten gewesen. In den kommenden Trilog-Verhandlungen erwartet Tudorache auch hier schwierige Gespräche. Etwa im Bereich der Strafverfolgung sei das Parlament vom Vorschlag der Kommission und von der Position des Rates abgewichen. Gleiches gelte für Migration und Grenzkontrolle.
Auch habe er “noch keine Aussage vom Rat gehört, ob er bereit ist, sich in alle Richtungen zu bewegen, wenn es um Governance geht“, ergänzte Tudorache. Daher erwarte er, dass es auch eine Diskussion über die Durchsetzung geben werde. Er sieht jedoch auch Bereiche, wo Parlament und Rat nicht so weit auseinander liegen – etwa bei Definitionen und Geltungsbereich oder der Compliance.
Als problematisch könnte es sich in den Verhandlungen herausstellen, dass der Rat zwar im Dezember eine Allgemeine Ausrichtung gefunden hat, die Länder – darunter auch Deutschland – aber durchaus noch Verhandlungsbedarf sehen. “Das ist sicherlich nicht so gut, denn wir brauchen auf der anderen Seite des Tisches einen Vorsitz, der ebenfalls ein klares Mandat hat”, sagte Tudorache. Dennoch hofft er, den Trilog noch in diesem Jahr erfolgreich abschließen zu können. vis
Für die seit 2016 stockende E-Privacy-Verordnung sieht die Berichterstatterin des Europaparlaments, Birgit Sippel (SPD), absehbar keine Möglichkeit auf eine Einigung: Sie habe immer wieder, auf politischer und technischer Ebene, Lösungsvorschläge und Gespräche an den Rat für die E-Privacy-Verordnung herangetragen, sagte Sippel zu Table.Media: “Leider blieben entsprechende Reaktionen des Rates aus. Statt sich klar zu positionieren, schicken Rat und Kommission das für sie unliebsame E-Privacy-Dossier auf das Abstellgleis.”
Sippel wirft dem Rat vor, dadurch Lücken beim Schutz der Privatsphäre und der Vertraulichkeit der Kommunikation entstehen zu lassen. “Das ist inakzeptabel.” Rat und Kommission müssten sich “endlich klar bekennen, damit auch wir Klarheit über die Zukunft von ePrivacy haben”.
Auch der Europäische Datenschutzbeauftragte Wojciech Wiewiórowski spricht sich im Interview mit Table.Media klar gegen die Ratsideen aus. Die letzten Vorschläge zur E-Privacy-Verordnung durch den Rat hätten ihn nicht überzeugt, dass damit ein kohärentes Datenschutzrecht geschaffen würde. “Es ist für Nutzer und Aufsichtsbehörden beschwerlich, dass wir keine E-Privacy-Verordnung haben. Aber es ist wichtiger, eine gute als irgendeine E-Privacy-Verordnung zu haben.”
Die schwedische Ratspräsidentschaft hatte eine Lösung im seit 2016 festgefahrenen Streit als eine ihrer Prioritäten genannt, allerdings bislang keine konsensfähigen Lösungsvorschläge vorlegen können. Die Verordnung hätte eigentlich als Spiegeldossier zur Datenschutzgrundverordnung kommen sollen, die 2016 in Kraft trat und seit Mai 2018 gilt. fst
Brüssel will schärfere Instrumente für den Kampf gegen die Korruption, innerhalb der EU, aber auch weltweit. Korruption sei wie ein Krebsgeschwür, sagte EU-Kommissionsvize Vera Jourova am Mittwoch in Brüssel. Lasse man es wuchern, werde es die demokratische Gesellschaft ersticken und ihre Institutionen zerstören. Jourova trat zusammen mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, der Innenkommissarin Ylva Johansson und Kommissionsvize Margaritis Schinas auf, um das sogenannte Anti-Korruptionspaket vorzustellen.
Teil des Pakets ist eine Mitteilung, in der vor allem der Status quo der aktuellen Gesetzgebung in den Mitgliedstaaten und mögliche Verbesserungen aufgelistet werden. Sieben von zehn EU-Bürgerinnen und Bürger sind laut Eurobarometer überzeugt, dass in ihrem Land Korruption verbreitet ist. Die EU hat zuletzt Schlagzeilen mit Korruption im eigenen Haus gemacht, Stichwort Katargate. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte das Paket allerdings schon vor der Affäre im EU-Parlament angekündigt.
Neben der Mitteilung schlägt die Kommission eine Richtlinie vor, um Definitionen, Regeln sowie Sanktionen in den Mitgliedstaaten zu erweitern beziehungsweise zu harmonisieren. Die aktuelle Gesetzgebung sei fragmentiert und vom Umfang her beschränkt, heißt es in den Unterlagen. Erfasste Korruptionsvergehen und mögliche Sanktionen variierten deshalb je nach Mitgliedstaat. Dies mache grenzüberschreitende Ermittlungen oft schwierig und schaffe Schlupflöcher für Kriminelle, sagte Jourova.
Neu soll zudem zu Korruption auch der Kauf von politischem Einfluss, der Missbrauch von politischen Ämtern, die illegitime Bereicherung im privaten und öffentlichen Bereich und die Behinderung der Justiz gezählt werden. Erstmals sollen die Regeln gegen Korruption im öffentlichen und im privaten Sektor in einem Rechtsakt zusammengeführt werden. Erschwerende und mildernde Umstände bei der Bemessung der Strafen sollen gemeinsam definiert werden. Verdächtige müssten leichter verfolgt werden können, damit Korruptionsdelikte nicht verjährten, sagte Jourova. Vorgesehen sind auch gemeinsame Standards, wenn es um die Aufhebung von Immunität geht.
Für den Kampf weltweit will die EU ihr Sanktionsregime entsprechend ergänzen, damit bei gravierenden Fällen von Korruption Verantwortliche mit Strafmaßnahmen belegt werden können. Konkret könnten Vermögen eingefroren oder Einreisesperren verhängt werden: “Wir senden die klare Botschaft: Die EU steht denjenigen nicht offen, die sich an Korruption beteiligen”, sagte der EU-Chefdiplomat Borrell. Die Kommission reagiert damit auf Forderungen des EU-Parlaments, nach dem Beispiel der USA sogenannte “Magnitsky-Sanktionen” einzuführen. Den Vorschlägen müssen noch die Mitgliedstaaten zustimmen, der Richtlinie zudem auch das EU-Parlament.
Was die Kommission als großen Wurf präsentiere, sei maximal ein “Meilensteinchen”, zeigte sich der EU-Abgeordnete Daniel Freund (Grüne) kritisch. Es sei richtig, dass Oligarchen und Kriminelle, die durch Korruption zu Milliardären geworden seien, bald mit Sanktionen rechnen müssten. Zum Kampf gegen Korruption gehöre aber deutlich mehr als eine Harmonisierung von Definitionen oder Einreisesperren für russische Oligarchen, sagte der Europaparlamentarier.
Freund fordert Ursula von der Leyen auf, den Rechtsstaatsmechanismus breiter einzusetzen und nicht nur gegen Ungarn. Außerdem solle die Europäische Staatsanwaltschaft besser ausgestattet und ein unabhängiges Ethik-Gremium im eigenen Haus der EU-Institutionen für Ordnung sorgen. sti
Das ungarische Parlament hat eine Gesetzesnovelle beschlossen, die die Unabhängigkeit der Justiz stärken soll. Für die Vorlage der rechten Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán stimmten am Mittwoch 151 Abgeordnete, unter ihnen 19 der Opposition. Es gab keine Gegenstimme.
Orbán will mit dem im Schnellverfahren durchs Parlament gebrachten Gesetzespaket Zugang zu einem Teil der EU-Gelder erhalten, die derzeit wegen Korruption oder Einschränkungen der Unabhängigkeit der Justiz zurückgehalten werden. Es stellt die meisten Befugnisse des unabhängigen Landesrichterrates (OBT) wieder her, die durch vergangene Reformen an das der Regierung unterstellte Landesrichteramt (OBH) übergegangen waren.
Die Reform könnte der Regierung Zugang zu 13,2 Milliarden der 22 Milliarden Euro an Mitteln aus EU-Kohäsionsfonds geben, die eigentlich für Ungarn vorgesehen sind. Die EU-Kommission wird aber kaum vor dem Sommer über die Freigabe entscheiden. Zuvor will sie die konkreten Durchführungsverordnungen zum Gesetzespaket bewerten, die noch ausstehen.
Auf andere eingefrorene Mittel hat die Justizreform zunächst nur wenig Auswirkungen. Der Rat der Mitgliedstaaten hatte im Dezember beschlossen, 6,3 Milliarden Euro aus dem EU-Budget über den Konditionalitätsmechanismus einzufrieren. Um Zugang zu erhalten, müsste Orbán 17 Maßnahmen insbesondere zur Korruptionsbekämpfung umsetzen.
Die Kommission hält überdies 5,8 Milliarden Euro an Zuschüssen aus dem Corona-Aufbauprogramm zurück, die an 27 “Super-Meilensteine” geknüpft sind. Die Justizreform adressiert nur vier dieser Kriterien. tho/dpa
Die Bankenlobby hat gesiegt: Die EU-Kommission verzichtet vorerst auf ein Provisionsverbot für Finanzprodukte. Offenbar auch wegen der Intervention deutscher Politiker. Der Fall zeigt, wie eng die Bande zwischen Finanzbranche und Regierung sind. Mehr
Präsidentin der historischen Entscheidungen: Je mehr gemeinsame Politik die EU macht, desto mehr europäische Legitimation braucht sie. Warum die Christdemokratin Ursula von der Leyen bei der Europawahl 2024 als Spitzenkandidatin antreten sollte. Ein Kommentar. Mehr
Normalerweise stehen Staatssekretäre nicht allzu sehr im Rampenlicht. Bei Patrick Graichen ist das derzeit anders: Der Spitzenbeamte im Wirtschaftsministerium sieht sich aktuell mit Klüngel-Vorwürfen und Rücktrittsforderungen konfrontiert. Michael Schäfer, designierter Kandidat für den Vorsitz der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur (Dena), ist Graichens Trauzeuge. Graichen war an dem Auswahlprozess für den Dena-Vorsitz beteiligt, obwohl er frühzeitig von Schäfers Bewerbung wusste. Graichen spricht von einem “Fehler”, den er sehr bedauere. Er hätte sich aus der Findungskommission zurückziehen müssen, als Schäfer Kandidat wurde, sagt er.
Die Opposition im Bundestag wittert einen Skandal. CSU-Generalsekretär Martin Huber sprach von “Vetternwirtschaft”. Graichen sei als Staatssekretär nicht mehr haltbar. Die AfD sprach sogar von “grünen Clanstrukturen”.
Die Kritik ist auch laut, weil der Fall Schäfer nicht die einzige enge Verknüpfung Graichens ist. Graichens Amtskollege als Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ist Michael Kellner, sein Schwager. Der ist verheiratet mit Graichens Schwester Verena – die wiederum wie sein Bruder Jakob als Energieexpertin für das Freiburger Öko-Institut arbeitet. Dem Beratungsinstitut erteilt auch die Bundesregierung Aufträge. Diese familiären Verbindungen sind allerdings seit Dezember 2021 bekannt und wurden vom Ministerium transparent gemacht.
Das BMWK sicherte damals zu, es werde Verfahren einrichten, um Interessenkollisionen zu verhindern. Tatsächlich hat die Anzahl der Aufträge für das Öko-Institut und die gezahlten Summen seit Amtsantritt der Ampel abgenommen, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. 2022 wurden demnach fünf Aufträge im Wert von 3,6 Millionen Euro erteilt. Im letzten Merkel-Jahr, 2021, waren es acht Aufträge (Volumen 2,5 Millionen Euro) und 2019 sogar elf Aufträge mit einem Volumen von 9,5 Millionen Euro. Auch ist Graichen an Vergabeverfahren mit Beteiligung des Öko-Instituts, des BUND (Schwester Verena Graichen sitzt dort im Vorstand) oder von Agora Energiewende (seinem vorherigen Arbeitgeber) ausgeschlossen.
Graichen hat allerdings – wie für politische Beamte nicht unüblich – Regierungen unterschiedlicher Couleur gedient. Von 2001 bis 2006 war er Referent für internationalen Klimaschutz im Bundesumweltministerium. Zunächst unter dem grünen Minister Jürgen Trittin, später unter Sigmar Gabriel von der SPD. Anschließend wurde er sogar Referatsleiter für Grundsatzangelegenheit Klimaschutz. Damals hieß der Umweltminister Norbert Röttgen – ein CDUler.
2012 verließ Graichen den politischen Betrieb zwischenzeitlich und baute mit dem ehemaligen Staatssekretär des BMU und Weggefährten, Rainer Baake, die Denkfabrik Agora Energiewende auf. Als Baake erneut zum Staatssekretär berufen wurde, übernahm Graichen als Exekutivdirektor und Geschäftsführer die Leitung des Thinktanks. Der studierte Volkswirt und Umweltökonom fungierte in dieser Zeit eher als Watchdog und Kommentator von der Seitenlinie.
Der aktuelle Sturm der Kritik ist auch so laut, weil Graichen ein zentraler Ideengeber und Manager der Habeck’schen Energie- und Klimawende ist – und somit derjenige, der verantwortlich ist für Härten für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Industrie. Ob bei der Wärme- oder Energiewende, dem Klimaschutzgesetz oder dem Gas-Krisenmanagement nach dem russischen Angriff auf die Ukraine – Graichen ist für viele der zentralen Projekte des BMWK verantwortlich. Auch das medial und von einigen Interessengruppen stark kritisierte Gesetz zur Förderung von Wärmepumpen und zum Austausch alter Heizungen geht auf Graichen zurück.
Rücktrittsforderungen an Graichen treffen also immer auch Habeck und seine teils ungeliebten Pläne für die Energie- und Wärmewende. Graichen selbst lehnt einen Rücktritt ab. Sein Chef Robert Habeck hält bisher an seinem Spitzenbeamten fest. Habeck versucht, die Vorwürfe gegen Graichen mit einer Überprüfung des Auswahlverfahrens für den Dena-Vorsitz zu entschärfen. Es könnte zu einer kompletten Wiederholung des Verfahrens kommen, erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende der Dena, Stefan Wenzel.
Auch wenn Graichen kein direktes Fehlverhalten nachgewiesen werden konnte, bleibt der Anschein von Interessenkonflikten. Die Opposition wird wohl in Zukunft bei ihrer Kritik an der Energiewende auch auf die engen Bande zwischen Graichen und anderen wichtigen Interessenvertretern verweisen. Nico Beckert und Lukas Scheid
die Beziehungen zwischen Paris und Berlin waren nicht die besten zuletzt – aber beide Seiten bemühen sich darum, sie zu verbessern: Vom 2. bis 4. Juli soll Emmanuel Macron zum Staatsbesuch nach Deutschland kommen, wie unsere Kollegen von “Contexte” und wir aus Kreisen beider Regierungen erfahren haben. An der Agenda werde noch intensiv gearbeitet, heißt es dort. In den vergangenen Monaten hatte es viel Dissens gegeben, insbesondere um den Status der Kernenergie bei der Energiewende.
Die immer noch hohen Preise für Strom sollen durch eine Reform des europäischen Strommarktes eingedämmt werden. Über den Vorschlag der Kommission sprachen am Mittwoch Experten aus der Generaldirektion Energie, der Wissenschaft und der Energiewirtschaft bei einem Table.Live-Briefing bei den Berliner Energietagen. Mein Kollege Manuel Berkel moderierte das Ganze. Eine Zusammenfassung lesen Sie in seiner Analyse.
Kennen Sie das Joint Research Centre? Das EU-eigene Forschungsinstitut soll der Kommission bei Entscheidungen wichtige Daten zuliefern und sie beraten. Doch das Zentrum könnte bekannter sein. Kein Wunder, dass auch Forschungskommissarin Mariya Gabriel bei ihrem Besuch daran erinnert, die Arbeit des Instituts, wann immer es geht, zu berücksichtigen. Und auch das Institut selbst will nachbessern berichtet Tim Gabel.
Die französische Haltung auf die Strommarktreform hat zuletzt immer wieder zu Kontroversen geführt. Céline Pizzotti, stellvertretende Geschäftsführerin des Deutsch-französischen Büros für die Energiewende, schilderte in einem Einführungsvortrag am Mittwoch deshalb die französische Sicht. Frankreich hatte durchgesetzt, dass auch Kernenergie in die Regeln für eine Förderung über Differenzverträge (CfD) einbezogen wurde. Weniger bekannt ist, dass Frankreich schon seit 2017 Erneuerbare über zweiseitige CfDs fördert, erklärte Pizzotti. Das beschere dem Staat in der Energiekrise Einnahmen durch abgeschöpfte Erlöse. Auch staatliche Garantiefonds für langfristige Stromabnahmeverträge (PPA) – einen weiteren Kernpunkt der anstehenden EU-Reform – führte Frankreich bereits Anfang dieses Jahres ein.
Den Vorschlag der Kommission für die europäische Strommarktreform stellte Michael Schütz vor, Referent für den Energiebinnenmarkt aus der Generaldirektion Energie. “Längerfristig werden wir eine Absicherung der Kundinnen und Kunden vor schwankenden Strompreisen und damit eben auch stark nach oben schwankenden Strompreisen erreichen”, sagte Schütz. Er trat damit der Kritik mancher entgegen, die eine dauerhafte Abschöpfung von Übererlösen über zweiseitige CfDs am liebsten auch auf bestehende Anlagen ausweiten würde. Eine Kritik, die etwa von der spanischen Ökonomin Natalia Fabra geäußert wurde.
“Bei dem Aufwuchs von Erneuerbaren, die wir bis 2040 brauchen, wird ein Großteil der Erneuerbaren eben keine bestehenden Anlagen sein – zumal ja auch beim Repowering wieder die Regelungen greifen”, erläuterte Schütz. Ein stärkeres Gewicht auf Langfristverträge berge aber auch eine Gefahr: “Das ist dann eine Debatte in ein paar Jahren, wenn die Kurzfristpreise wieder sehr niedrig sind, warum wir jetzt so teure langfristige Verträge haben. Aber gut, langfristige Verträge sind eben eine Versicherung und eine Versicherung kostet durchaus Geld.”
Überraschend gelassen nahm der BDEW den Vorstoß für zweiseitige CfDs auf, auch wenn dies eine dauerhafte Erlösabschöpfung in Zeiten hoher Marktpreise bedeuten würde. Die Obergrenze für Erlöse sei bei einem Differenzvertrag von vornherein klar, bei den Notfallmaßnahmen im vergangenen Jahr habe es aber rückwirkende Eingriffe gegeben. “Das Problem ist, wenn man einmal ein Tabu gebrochen hat, dann kann man es vielleicht hinterher bei wesentlich weniger gravierenden Umständen tun. Und deswegen muss man sagen, der zweiseitige CfD schafft immerhin Klarheit“, sagte Stephan Krieger, Referent für Marktdesign und europäische Energiepolitik beim BDEW.
Bemerkenswert ist diese Aussage von einem Energieverband deswegen, weil der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) zweiseitige CfD bisher immer strikt abgelehnt hat.
Mit der Sicherheit für Investoren argumentierte aber auch Karsten Neuhoff, Leiter der Abteilung Klimapolitik am DIW Berlin. Eine langfristige Preisbindung durch CfDs oder PPA schaffe Glaubwürdigkeit, damit in einer erneuten Krise nicht wieder ad hoc in den Markt eingegriffen werden müsse. Genau solche Schritte seien es, die für Investoren “angsterregend” wären.
Für Neuhoff sind CfDs zudem das geeignetere Instrument, um den Ausbau Erneuerbarer voranzutreiben und die Preise zu senken. “Über PPA ist nur ein Bruchteil des Ausbaus möglich, den wir mit Erneuerbaren bis 2030 haben wollen”, ist der DIW-Ökonom überzeugt. Zu wenige Abnehmer könnten PPAs zeichnen und es blieben zu viele Risiken. Eine Absicherung über PPA mache jede Kilowattstunde Strom deshalb um 30 Prozent teurer als eine Absicherung über CfDs, sagte Neuhoff.
Wie attraktiv PPAs sind, liege aber auch am Zusammenspiel mit CfDs, entgegnete Krieger. Die Differenzverträge seien mit Bundesanleihen über eine Laufzeit von 20 Jahren vergleichbar. “Das darf nicht zu interessant sein, weil sonst niemand den Weg über den Markt beschreitet”, sagte der BDEW-Manager. Enttäuschend sei in diesem Zusammenhang, dass die finale Fassung der Kommission keinerlei Kriterien mehr enthalte wie frühere Entwürfe. Das Ganze müsse “ein wenig eingeengt” werden, damit es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen komme.
In früheren Entwürfen des Kommissionsvorschlags waren für CfDs vor allem lokale Kriterien vorgeschrieben, damit Erneuerbare nicht an Standorten konzentriert werden, wo es zwar günstige Erzeugungsbedingungen gibt, Wind- oder Solarparks aber häufig abgeregelt werden müssen, weil auf dem Weg zu den Verbrauchszentren Netzengpässe liegen.
Was die Förderung von neuen Gaskraftwerken angeht, dämpfte Schütz die Erwartungen in Berlin. “Unser Grundsatz ist klar, normalerweise kommen erst Marktreformen, dann Subventionen und da werden sicherlich noch Diskussionen mit Deutschland zu führen sein“, sagte der Beamte der Generaldirektion Energie. Schütz nannte in diesem Zusammenhang den Marktreformplan nach der Binnenmarkt-Verordnung und die entsprechende Stellungnahme der Kommission.
Etwas polemisch fügte Schütz hinzu: “Ich kann nur hoffen, dass anders als manchmal in der Vergangenheit die europäische Perspektive ernst genommen wird, berücksichtigt wird und nicht zwangsläufig davon ausgegangen wird, dass wenn Deutschland sich auf etwas geeinigt hat in langwierigen Prozessen, dass dann alle anderen 26 Mitgliedsstaaten um Deutschland rotieren.”
Nicht alle kennen das Joint Research Centre (JRC) der EU. Dabei gibt es Vorläufer der riesigen Forschungsinstitution schon seit 1959. Damals als nukleare Forschungsstelle der europäischen Atomgemeinschaft (heute Euratom) im italienischen Ispra gegründet, sind bis heute viele Institute und Labore dazugekommen, einige wieder eingestampft oder umgewidmet worden. Als EU Science Hub bezeichnen sich die fünf Forschungszentren des JRC samt Brüsseler Zentrale selbst inzwischen. Die Forschung in Ispra und an den anderen vier Standorten in Karlsruhe, Petten, Geel und Sevilla adressiert aktuelle oder künftige Herausforderungen der EU.
Eine, die das JRC gut kennt, ist Forschungskommissarin Mariya Gabriel. Am Donnerstag besuchte sie die Einrichtung in Ispra bei einem Kongress im Rahmen des europäischen Plans zur Krebsbekämpfung. Sie schaute bei mehreren Instituten herein, darunter das European Crisis Management Laboratory, eine Art Datenlabor mit Lagerraum für Risiken des Klimawandels, der demografischen Entwicklung und geopolitischer Herausforderungen.
Sie sei auch deswegen jetzt ans Forschungszentrum gekommen, sagte Gabriel, “um noch einmal in Erinnerung zu rufen, dass es ein automatischer Reflex für alle sein sollte, die tägliche Arbeit, die hier geleistet wird, zu berücksichtigen“. Eine Erinnerung also an alle Politiker, die evidenzbasierten Daten, Fakten und Analysen des JRC ins eigene “policy making” einfließen zu lassen.
Alessandra Zampieri, Leiterin der Abteilung Nachhaltige Ressourcen am JRC, unterstrich: “Da die Herausforderungen immer komplexer und systemischer werden – wie Epidemien, Klimakrise oder Krieg – wird es immer wichtiger, dass politische Entscheidungen auf einer breiten Daten- und Faktengrundlage basieren“, sagte sie. “Wir machen Wissenschaft direkt für unsere Kollegen in Brüssel.”
Drei Kernaufgaben schreibt JRC-Generaldirektor Stephen Quest seiner Organisation zu: “Antizipieren, integrieren und Einfluss nehmen.” Dafür stehen ihm insgesamt knapp 3.000 Mitarbeitende an den verschiedenen Standorten zur Verfügung. Ein Großteil der eigenen Forschung sei darauf ausgelegt, politische Entscheidungsträger der Kommission in die Lage zu versetzen, Herausforderungen für die europäische Gesellschaft zu antizipieren und frühzeitig Weichenstellungen vorzunehmen.
So müsse man sich etwa in vielen Regionen der EU auf Dürreperioden, schwindende Biodiversität oder das Zusammenspiel von Elektromobilität und intelligenten Stromnetzen vorbereiten. Das JRC biete die Fakten für fundierte und durchdachte politische Entscheidungen. Zudem sei die Integration von Daten und Ergebnissen verschiedener Wissenschaftsdisziplinen für die politische Entscheidungsfindung wichtig, erklärt Quest.
Für europäische Verkehrspolitik etwa sei Wissen aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz genauso wichtig wie die neuesten Erkenntnisse der Klimaforschung. Das JRC will dieses Wissen bündeln und den politischen Entscheidungsträgern so präsentieren, dass es Einfluss habe.
“Wir decken den gesamten politischen Zyklus ab. Wir liefern evidenzbasiertes Wissen in der Phase, wenn Vorschläge erarbeitet und verhandelt werden, wir evaluieren Politik und helfen schließlich dabei, Maßnahmen anzupassen, wenn Ziele verfehlt wurden”, so Quest.
Dafür bekommt das JRC von der Kommission ein jährliches Budget von 380 Millionen Euro. Dazu kommen noch einmal rund 80 Millionen Euro, die die verschiedenen Generaldirektionen für spezifische Forschungs- oder Beratungsaufgaben ausgeben. Viel Geld für die Forschung.
Wie die Arbeit des JRC sich konkret auszahlt – dazu gibt es von der gemeinsamen Forschungsstelle bisher noch keine evidenzbasierten Daten. In einer Präsentation ist die Rede von einem “steigenden Einfluss auf zentrale Politikentscheidungen”. Eine unabhängige Evaluation von 50 Fallstudien hatte allerdings ergeben, dass Kernkompetenz des JRC die Erstellung und Implementierung von Richtlinien sei. Nur in einigen Fällen sei ein moderater Einfluss auf die politischen Entscheidungen messbar.
Fragt man die Forschungskommissarin nach dem konkreten Einfluss des JRC, dann klingt es sehr überzeugt: “Es ist die Basis unserer täglichen Arbeit.” Als aktuelle Beispiele nennt sie den Plan der Kommission zur Krebsbekämpfung oder die Vorhaben zu klimaneutralen Smart Cities. Es gebe keinen Vorschlag und keine Initiative – zumindest aus ihrem Haus – für die sie sich nicht zuerst die Daten des JRC anschaue.
Doch auch beim JRC scheint man noch Luft nach oben zu sehen. Anfang des Jahres hat die Forschungseinrichtung ihre Strategie überarbeitet. In dem Papier stehen als Ziele die stärkere Vernetzung innerhalb und außerhalb der Kommission, die eigene Digital- und Datenkompetenz besser auszuspielen und den eigenen Wert besser zu kommunizieren.
05.05.2023, Brüssel (Belgien)/online
EC, Workshop The DMA and data-related obligations
The European Commission (EC) focusses on topics such as the processing for providing online advertising services, the combination and the cross-use of personal data, how to foster contestability and fairness regarding the use of non-publicly available data of business users and effective, privacy-compliant data portability for end users. INFOS & REGISTRATION
05.05.2023 – 09:00-12:15 Uhr, online
VKU, Seminar Gigabitrichtlinie des Bundes
Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) informiert über die neue Gigabitrichtlinie des Bundes und daraus resultierende Förderpotenziale für Unternehmen. Infos & Anmeldung
06.05.2023 – 10:00-13:00 Uhr, Prüm
KAS, Seminar Der klimaresiliente Wald der Zukunft
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) informiert über die Potenziale multifunktionaler Waldwirtschaft im ökologischen Gleichgewicht. INFOS & ANMELDUNG
08.05.2023 – 10:00-12:00 Uhr, online
ASEW, Seminar MsbG-Update – Das GNDEW kommt!
Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) diskutiert die neuen Rahmenbedingungen durch das Gesetz “Neustart der Digitalisierung der Energiewende” (GNDEW). INFOS & ANMELDUNG
08.05.2023 – 18:00 Uhr, Berlin
Podiumsdiskussion, Die Zeit »Ist zurzeit nicht lieferbar!« – Gehen uns bald die Rohstoffe aus?
Die Zeit diskutiert über die Möglichkeit einer wirtschaftspolitischen Autarkie Deutschlands und wie es auf dem Rohstoffmarkt weiter geht. INFOS & ANMELDUNG
08.05.2023 – 19:00 Uhr, Berlin
BMWK, Diskussion 3. Gespräch zur Transformation – Wie gelingt das Zusammenspiel von Staat und Markt?
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) beleuchtet die Herausforderungen der sozial-ökologischen Transformation. INFOS & ANMELDUNG
09.05.-11.05.2023, Rotterdam (Niederlande)
Conference World Hydrogen 2023
World Hydrogen 2023 is a global platform for hydrogen business. INFOS & REGISTRATION
09.05.2023 – 10:00-16:30 Uhr, Köln
BDE, Seminar Aktuelles Vergaberecht für Abfallwirtschaft und Entsorgung
Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) gibt einen Überblick zu Änderungen, Rechtsprechung und Gesetzesvorhaben im Zusammenhang mit Ausschreibungen für die Abfallwirtschaft. INFOS & ANMELDUNG
09.05.2023 – 10:00-12:00 Uhr, online
FSR, Presentation Breaking the Barrier: Exploring Obstacles to Customer Engagement in Flexibility Markets
The Florence School of Regulation (FSR) explores the main barriers related to customer engagement in TSO-DSO flexibility markets. Infos & Registration
09.05.2023 – 16:00-20:00 Uhr, Bonn
FES, Podiumsdiskussion Wofür steht Europa? Die Herausforderung der Demokratie durch Populismus, Pandemie und Krieg
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) diskutiert darüber, wofür Europa steht. INFOS & ANMELDUNG
09.05.2023 – 18:00-22:00 Uhr, Berlin/online
TÜV, Diskussion Politics and Party: Zwischenbilanz der Bundesregierung
Der TÜV zieht eine Zwischenbilanz der Ampelkoalition und stellt die Energie- und Klimakrise, den Digitalstandort Deutschland und New Mobility auf den Prüfstand. INFOS & ANMELDUNG
09.05.2023 – 19:00-22:00 Uhr, Berlin/online
FAZ, Konferenz Krisenfeste Landwirtschaft: Wie machen wir Ackerbau und Tierhaltung widerstandsfähig und nachhaltig?
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) nimmt eine kritische Bestandsaufnahme der deutschen Nahrungsmittelproduktion vor. INFOS & ANMELDUNG
Die Botschafter der EU-Staaten haben sich am Mittwoch auf den Rechtstext für den sogenannten Track 2 zur gemeinsamen Beschaffung von Artilleriegranaten und Flugabwehrraketen für die Ukraine geeinigt. Die EU will mit einer Milliarde Euro aus der Europäischen Friedensfazilität Geschosse insbesondere vom Kaliber 155 Millimeter finanzieren. Nach dem politischen Beschluss der Staats- und Regierungschefs hatte sich die rechtliche Umsetzung am Streit um die Definition von “Made in Europe” verzögert.
Der Kompromiss stellt laut EU-Diplomaten klar, dass sich “wichtige Teile” der Lieferkette in der EU sowie Norwegen befinden müssen. Laut Rechtstext kommen für die gemeinsame Beschaffung mit EU-Mitteln Artilleriegeschossen und Raketen infrage, die zu einem großen Teil in der EU sowie Norwegen hergestellt und montiert wurden. Der Rechtstext wird nach dem Ende des schriftlichen Verfahrens veröffentlicht.
Track 2 ist Teil eines dreigleisigen Plans von Binnenmarktkommissar Thierry Breton und des Außenbeauftagten Josep Borrell. Track 1 sieht vor, dass die EU-Staaten bis Ende Mai weitere Artilleriegeschosse aus ihren Beständen an die Ukraine abgeben. Die Mitgliedstaaten werden dafür bis zu 60 Prozent kompensiert, wofür ebenfalls eine Milliarde Euro aus der Friedensfazilität zur Verfügung steht.
Track 3 hat Breton am Mittwoch vorgestellt. Mit 500 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt will Brüssel Mitgliedstaaten und Verteidigungsindustrie dabei unterstützen, ihre Produktionskapazitäten auszubauen. sti
Neben den G7-Staaten, die den Klimaclub im Dezember gegründet hatten, gibt es nun sechs neue Mitglieder: Argentinien, Chile, Indonesien, Kolumbien, Luxemburg und die Niederlande. Weitere sollen noch im Laufe des heutigen Tages bekannt gegeben werden. Die Taskforce des von Olaf Scholz initiierten Klimaclubs kommt heute im Nachgang des Petersberger Klimadialogs erstmals zusammen. Beobachter gehen davon aus, dass neben den Vereinigten Arabischen Emirate, die in diesem Jahr die Weltklimakonferenz (COP28) ausrichten werden, auch weitere europäische Staaten beitreten könnten. Mögliche Kandidaten sollen demnach Dänemark, Norwegen und die Schweiz sein.
Die detaillierte Ausgestaltung sowie die Arbeitsweise des Klimaclubs sind noch immer in der Entwicklung. So ist die ursprüngliche Idee von einem Club der Länder mit den ambitioniertesten Klimapolitiken zugunsten eines “all-inclusive”-Ansatzes verworfen worden. Allerdings soll das kein Hindernis sein, sondern Mitgestaltungschancen für neue Mitglieder eröffnen, deren Dekarbonisierung noch Nachholbedarf hat. Die Grundidee des Clubs steht jedoch fest: Grüne Leitmärkte in schwer dekarbonisierbaren Industriesektoren fördern, indem einheitliche Standards für die Industrietransformation gesetzt werden.
Den Vorsitz der Taskforce haben Birgit Schwenk, Abteilungsleiterin Klimaschutz im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und ihr chilenischer Kollege Julio Cordano. Feinjustierungen der Ziele und Arbeitsweise sowie der Governance-Strukturen des Bündnisses stehen im Vordergrund. Bis zur COP28 soll der Klimaclub voll einsatz- und sprechfähig sein, sodass der “Full Launch” im Dezember in Dubai erfolgen kann.
Anschließend sollen die Mitglieder bei regelmäßigen Treffen gemeinsam über zukünftige Standards für grüne Produkte und Märkte diskutieren und sich zu Einschätzungen und Strategien zur Vermeidung von Carbon Leakage austauschen, erklärt ein Sprecher das BMWK. “Damit ermöglicht der Club einen zielgerichteten Austausch von Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern zu Rahmenbedingungen, Strategien und Mechanismen zur Beschleunigung der weltweiten Dekarbonisierung der Industrie.”
Zwischenzeitlich war diskutiert worden, ob Mitglieder eines Klimaclubs einander den Zugang zu den jeweils anderen Märkten erleichtern. So waren auch Ausnahmen vom gerade erst beschlossenen CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) der EU im Gespräch. Diese Möglichkeit ist nun vom Tisch. CBAM-Ausnahmen oder Rabatte bleiben weiterhin nur jenen Ländern vorbehalten, die über einen eigenen CO₂-Preis verfügen.
Stattdessen soll die Privatwirtschaft stärker einbezogen werden, indem Mitglieder an einem “freiwilligen Matchmaking” für Kooperations- und Finanzierungsinstrumente teilnehmen können, um Investitionen aus der Privatwirtschaft zu erhalten. Um potenzielle Synergien, aber auch Lücken in der Fördermittellandschaft zu destillieren, soll das Klimaclub-Team mit der Internationalen Energieagentur (IEA) sowie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zusammenarbeiten.
Der Rat hat gestern sein Verhandlungsmandat zu der im März 2022 vorgeschlagenen Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel festgelegt. Auch das Parlament wird in der kommenden Woche über seine Position abstimmen. Anschließend können die Trilogverhandlungen beginnen.
Die Richtlinie zielt darauf ab, die Rechte der Verbraucherinnen durch Änderungen der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken sowie der Richtlinie über Verbraucherrechte zu stärken. Damit sie einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leisten können, sollen Konsumenten einen besseren Zugang zu Informationen über die Nachhaltigkeit eines Produktes erhalten. Damit ergänzt die Richtlinie die kürzlich vorgestellte Green-Claims-Richtlinie und die Richtlinie über den nachhaltigen Konsum von Waren (Recht auf Reparatur).
In seinem Verhandlungsmandat schlägt der Rat vor, allgemeine umweltbezogene Angaben wie “umweltfreundlich”, “grün” oder “klimaneutral” zu verbieten. Hersteller sollen nicht mehr mit solchen allgemeinen Begriffen für ihre Produkte, Verfahren oder Unternehmen werben dürfen, wenn die Behauptungen nicht durch ein öffentlich zugängliches Zertifizierungssystem belegt werden können.
Künftig sollen nur noch Nachhaltigkeitskennzeichnungen erlaubt sein, die auf offiziellen Zertifizierungsregelungen beruhen oder als Zertifizierungszeichen eingetragen oder von öffentlichen Behörden festgelegt sind.
In den Änderungen der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher sieht der Kommissionsvorschlag die Einführung einer kommerziellen Haltbarkeitsgarantie für Hersteller vor, also eine Zusage des Herstellers, dass die Ware bestimmte Funktionen oder Leistungen während eines bestimmten Zeitraums beibehält. Der Rat schlägt die Schaffung eines harmonisierten “grafischen Formats” vor, damit die Verbraucher solche Garantien eindeutig erkennen können.
Der Standpunkt des Rates verpflichtet die Hersteller auch, das Recht auf Information für Produkte mit digitalen Elementen zu gewähren. Bei Produkten, für die Software-Updates bereitgestellt werden, sollten die Verbraucher beispielsweise darüber informiert werden, wie lange sie von diesen Updates profitieren können.
Um den Mitgliedstaaten ausreichend Zeit für die Anpassung zu geben, verlängert der Rat in seinem Standpunkt außerdem die Umsetzungsfrist von 18 auf 24 Monate. Das Parlament wird am kommenden Dienstag über seine Position abstimmen. leo
Der französische Ölkonzern Total Energies hat die Umweltorganisation Greenpeace France und die Klimaberatungsfirma Factor-X wegen eines Berichts vor einem Pariser Gericht verklagt. Das teilte Total am Mittwoch mit. In der Veröffentlichung wird behauptet, das Unternehmen habe seine Treibhausgasemissionen für 2019 massiv unterschätzt.
Laut Total enthalte die Veröffentlichung aus dem November “falsche und irreführende Informationen”. Mit der Zivilklage will das Unternehmen die Rücknahme der Veröffentlichung erreichen. Alle Verweise auf den Bericht sollen eingestellt werden. Bei Zuwiderhandlung verlangt Total eine Entschädigung von 2.000 Euro pro Tag sowie einen Euro als symbolischen Schadensersatz.
Greenpeace und Factor-X warfen dem Ölkonzern vor, im Jahr 2019 rund 1,64 Milliarden Tonnen CO₂-Äquivalente ausgestoßen zu haben, in öffentlichen Erklärungen aber nur 455 Millionen Tonnen anzugeben.
Ein Sprecher von Total sagte: “Ein Gerichtsurteil wird Greenpeace nicht daran hindern, uns und unsere Klimastrategie weiterhin zu kritisieren, wenn sie es wünschen, aber es wird sie daran erinnern, dass öffentliche Debatten über Themen, bei denen für ein börsennotiertes Unternehmen so viel auf dem Spiel steht, Genauigkeit erfordern.”
Greenpeace sagte, die Klage sei ein Versuch, die Nichtregierungsorganisation vor der Total-Hauptversammlung am 26. Mai mundtot zu machen. Bei der Versammlung wollen aktivistische Aktionäre auf strengere Klimaverpflichtungen drängen. nib/rtr
Der Co-Berichterstatter des Parlaments für den AI Act erwartet, dass jetzt auch die Regierungen im Rat eine Diskussion zum Thema Allzweck-KI (General Purpose AI, GPAI) führen werden. Der Rat sei im Herbst noch der Meinung gewesen, dass es für eine Regulierung von Modellen wie ChatGPT noch zu früh sei, sagte Dragoș Tudorache (Renew) im Gespräch mit Table.Media. “Ich denke, die Realität hat sich seit dem Herbst geändert. Und ich vermute, dass eine ganze Reihe von Regierungen diese Ansicht ebenfalls teilen.”
Diese Diskussion im Rat könne womöglich dabei helfen, die Ansichten im Trilog zusammenzubringen. Das könne sogar einfacher werden als erwartet, sagte Tudorache. “Denn ich denke, dass die von uns vorgeschlagene Regelung recht vernünftig ist und ich wüsste nicht, warum der Rat diese Ansichten nicht teilen sollte.”
Bevor jedoch die Trilog-Verhandlungen zum AI Act beginnen können, stehen am 11. Mai die Abstimmungen im Binnenmarkt- und Innausschuss (IMCO und LIBE) sowie im Juni im Plenum an. Tudorache nannte den mit den Schattenberichterstattern ausgehandelten Kompromiss “delikat und fragil”. Die Verhandlungen im Parlament, die vergangene Woche im Kompromiss endeten, seien schwierig gewesen, wegen der ideologischen Differenzen zwischen den Fraktionen.
Während der Verhandlungen sei es verlockend gewesen, mit wechselnden Mehrheiten zu arbeiten. Aber sein Co-Berichterstatter Brando Benifei (S&D) und er wollten “eine klare Mehrheit, die sich um die Mitte herum aufbaut“. Alle Seiten hätten Zugeständnisse machen müssen. So hoffen die beiden, dass sie das Mandat für den Trilog auch erhalten. “Es ist noch eine wichtige Hürde zu überwinden”, sagte Tudorache.
Im Parlament seien die Diskussionen über Artikel 5 (Verbotene Praktiken) und Artikel 6 mit Anhang III (Hochrisiko-KI-Systeme) am härtesten und langwierigsten gewesen. In den kommenden Trilog-Verhandlungen erwartet Tudorache auch hier schwierige Gespräche. Etwa im Bereich der Strafverfolgung sei das Parlament vom Vorschlag der Kommission und von der Position des Rates abgewichen. Gleiches gelte für Migration und Grenzkontrolle.
Auch habe er “noch keine Aussage vom Rat gehört, ob er bereit ist, sich in alle Richtungen zu bewegen, wenn es um Governance geht“, ergänzte Tudorache. Daher erwarte er, dass es auch eine Diskussion über die Durchsetzung geben werde. Er sieht jedoch auch Bereiche, wo Parlament und Rat nicht so weit auseinander liegen – etwa bei Definitionen und Geltungsbereich oder der Compliance.
Als problematisch könnte es sich in den Verhandlungen herausstellen, dass der Rat zwar im Dezember eine Allgemeine Ausrichtung gefunden hat, die Länder – darunter auch Deutschland – aber durchaus noch Verhandlungsbedarf sehen. “Das ist sicherlich nicht so gut, denn wir brauchen auf der anderen Seite des Tisches einen Vorsitz, der ebenfalls ein klares Mandat hat”, sagte Tudorache. Dennoch hofft er, den Trilog noch in diesem Jahr erfolgreich abschließen zu können. vis
Für die seit 2016 stockende E-Privacy-Verordnung sieht die Berichterstatterin des Europaparlaments, Birgit Sippel (SPD), absehbar keine Möglichkeit auf eine Einigung: Sie habe immer wieder, auf politischer und technischer Ebene, Lösungsvorschläge und Gespräche an den Rat für die E-Privacy-Verordnung herangetragen, sagte Sippel zu Table.Media: “Leider blieben entsprechende Reaktionen des Rates aus. Statt sich klar zu positionieren, schicken Rat und Kommission das für sie unliebsame E-Privacy-Dossier auf das Abstellgleis.”
Sippel wirft dem Rat vor, dadurch Lücken beim Schutz der Privatsphäre und der Vertraulichkeit der Kommunikation entstehen zu lassen. “Das ist inakzeptabel.” Rat und Kommission müssten sich “endlich klar bekennen, damit auch wir Klarheit über die Zukunft von ePrivacy haben”.
Auch der Europäische Datenschutzbeauftragte Wojciech Wiewiórowski spricht sich im Interview mit Table.Media klar gegen die Ratsideen aus. Die letzten Vorschläge zur E-Privacy-Verordnung durch den Rat hätten ihn nicht überzeugt, dass damit ein kohärentes Datenschutzrecht geschaffen würde. “Es ist für Nutzer und Aufsichtsbehörden beschwerlich, dass wir keine E-Privacy-Verordnung haben. Aber es ist wichtiger, eine gute als irgendeine E-Privacy-Verordnung zu haben.”
Die schwedische Ratspräsidentschaft hatte eine Lösung im seit 2016 festgefahrenen Streit als eine ihrer Prioritäten genannt, allerdings bislang keine konsensfähigen Lösungsvorschläge vorlegen können. Die Verordnung hätte eigentlich als Spiegeldossier zur Datenschutzgrundverordnung kommen sollen, die 2016 in Kraft trat und seit Mai 2018 gilt. fst
Brüssel will schärfere Instrumente für den Kampf gegen die Korruption, innerhalb der EU, aber auch weltweit. Korruption sei wie ein Krebsgeschwür, sagte EU-Kommissionsvize Vera Jourova am Mittwoch in Brüssel. Lasse man es wuchern, werde es die demokratische Gesellschaft ersticken und ihre Institutionen zerstören. Jourova trat zusammen mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, der Innenkommissarin Ylva Johansson und Kommissionsvize Margaritis Schinas auf, um das sogenannte Anti-Korruptionspaket vorzustellen.
Teil des Pakets ist eine Mitteilung, in der vor allem der Status quo der aktuellen Gesetzgebung in den Mitgliedstaaten und mögliche Verbesserungen aufgelistet werden. Sieben von zehn EU-Bürgerinnen und Bürger sind laut Eurobarometer überzeugt, dass in ihrem Land Korruption verbreitet ist. Die EU hat zuletzt Schlagzeilen mit Korruption im eigenen Haus gemacht, Stichwort Katargate. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte das Paket allerdings schon vor der Affäre im EU-Parlament angekündigt.
Neben der Mitteilung schlägt die Kommission eine Richtlinie vor, um Definitionen, Regeln sowie Sanktionen in den Mitgliedstaaten zu erweitern beziehungsweise zu harmonisieren. Die aktuelle Gesetzgebung sei fragmentiert und vom Umfang her beschränkt, heißt es in den Unterlagen. Erfasste Korruptionsvergehen und mögliche Sanktionen variierten deshalb je nach Mitgliedstaat. Dies mache grenzüberschreitende Ermittlungen oft schwierig und schaffe Schlupflöcher für Kriminelle, sagte Jourova.
Neu soll zudem zu Korruption auch der Kauf von politischem Einfluss, der Missbrauch von politischen Ämtern, die illegitime Bereicherung im privaten und öffentlichen Bereich und die Behinderung der Justiz gezählt werden. Erstmals sollen die Regeln gegen Korruption im öffentlichen und im privaten Sektor in einem Rechtsakt zusammengeführt werden. Erschwerende und mildernde Umstände bei der Bemessung der Strafen sollen gemeinsam definiert werden. Verdächtige müssten leichter verfolgt werden können, damit Korruptionsdelikte nicht verjährten, sagte Jourova. Vorgesehen sind auch gemeinsame Standards, wenn es um die Aufhebung von Immunität geht.
Für den Kampf weltweit will die EU ihr Sanktionsregime entsprechend ergänzen, damit bei gravierenden Fällen von Korruption Verantwortliche mit Strafmaßnahmen belegt werden können. Konkret könnten Vermögen eingefroren oder Einreisesperren verhängt werden: “Wir senden die klare Botschaft: Die EU steht denjenigen nicht offen, die sich an Korruption beteiligen”, sagte der EU-Chefdiplomat Borrell. Die Kommission reagiert damit auf Forderungen des EU-Parlaments, nach dem Beispiel der USA sogenannte “Magnitsky-Sanktionen” einzuführen. Den Vorschlägen müssen noch die Mitgliedstaaten zustimmen, der Richtlinie zudem auch das EU-Parlament.
Was die Kommission als großen Wurf präsentiere, sei maximal ein “Meilensteinchen”, zeigte sich der EU-Abgeordnete Daniel Freund (Grüne) kritisch. Es sei richtig, dass Oligarchen und Kriminelle, die durch Korruption zu Milliardären geworden seien, bald mit Sanktionen rechnen müssten. Zum Kampf gegen Korruption gehöre aber deutlich mehr als eine Harmonisierung von Definitionen oder Einreisesperren für russische Oligarchen, sagte der Europaparlamentarier.
Freund fordert Ursula von der Leyen auf, den Rechtsstaatsmechanismus breiter einzusetzen und nicht nur gegen Ungarn. Außerdem solle die Europäische Staatsanwaltschaft besser ausgestattet und ein unabhängiges Ethik-Gremium im eigenen Haus der EU-Institutionen für Ordnung sorgen. sti
Das ungarische Parlament hat eine Gesetzesnovelle beschlossen, die die Unabhängigkeit der Justiz stärken soll. Für die Vorlage der rechten Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán stimmten am Mittwoch 151 Abgeordnete, unter ihnen 19 der Opposition. Es gab keine Gegenstimme.
Orbán will mit dem im Schnellverfahren durchs Parlament gebrachten Gesetzespaket Zugang zu einem Teil der EU-Gelder erhalten, die derzeit wegen Korruption oder Einschränkungen der Unabhängigkeit der Justiz zurückgehalten werden. Es stellt die meisten Befugnisse des unabhängigen Landesrichterrates (OBT) wieder her, die durch vergangene Reformen an das der Regierung unterstellte Landesrichteramt (OBH) übergegangen waren.
Die Reform könnte der Regierung Zugang zu 13,2 Milliarden der 22 Milliarden Euro an Mitteln aus EU-Kohäsionsfonds geben, die eigentlich für Ungarn vorgesehen sind. Die EU-Kommission wird aber kaum vor dem Sommer über die Freigabe entscheiden. Zuvor will sie die konkreten Durchführungsverordnungen zum Gesetzespaket bewerten, die noch ausstehen.
Auf andere eingefrorene Mittel hat die Justizreform zunächst nur wenig Auswirkungen. Der Rat der Mitgliedstaaten hatte im Dezember beschlossen, 6,3 Milliarden Euro aus dem EU-Budget über den Konditionalitätsmechanismus einzufrieren. Um Zugang zu erhalten, müsste Orbán 17 Maßnahmen insbesondere zur Korruptionsbekämpfung umsetzen.
Die Kommission hält überdies 5,8 Milliarden Euro an Zuschüssen aus dem Corona-Aufbauprogramm zurück, die an 27 “Super-Meilensteine” geknüpft sind. Die Justizreform adressiert nur vier dieser Kriterien. tho/dpa
Die Bankenlobby hat gesiegt: Die EU-Kommission verzichtet vorerst auf ein Provisionsverbot für Finanzprodukte. Offenbar auch wegen der Intervention deutscher Politiker. Der Fall zeigt, wie eng die Bande zwischen Finanzbranche und Regierung sind. Mehr
Präsidentin der historischen Entscheidungen: Je mehr gemeinsame Politik die EU macht, desto mehr europäische Legitimation braucht sie. Warum die Christdemokratin Ursula von der Leyen bei der Europawahl 2024 als Spitzenkandidatin antreten sollte. Ein Kommentar. Mehr
Normalerweise stehen Staatssekretäre nicht allzu sehr im Rampenlicht. Bei Patrick Graichen ist das derzeit anders: Der Spitzenbeamte im Wirtschaftsministerium sieht sich aktuell mit Klüngel-Vorwürfen und Rücktrittsforderungen konfrontiert. Michael Schäfer, designierter Kandidat für den Vorsitz der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur (Dena), ist Graichens Trauzeuge. Graichen war an dem Auswahlprozess für den Dena-Vorsitz beteiligt, obwohl er frühzeitig von Schäfers Bewerbung wusste. Graichen spricht von einem “Fehler”, den er sehr bedauere. Er hätte sich aus der Findungskommission zurückziehen müssen, als Schäfer Kandidat wurde, sagt er.
Die Opposition im Bundestag wittert einen Skandal. CSU-Generalsekretär Martin Huber sprach von “Vetternwirtschaft”. Graichen sei als Staatssekretär nicht mehr haltbar. Die AfD sprach sogar von “grünen Clanstrukturen”.
Die Kritik ist auch laut, weil der Fall Schäfer nicht die einzige enge Verknüpfung Graichens ist. Graichens Amtskollege als Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ist Michael Kellner, sein Schwager. Der ist verheiratet mit Graichens Schwester Verena – die wiederum wie sein Bruder Jakob als Energieexpertin für das Freiburger Öko-Institut arbeitet. Dem Beratungsinstitut erteilt auch die Bundesregierung Aufträge. Diese familiären Verbindungen sind allerdings seit Dezember 2021 bekannt und wurden vom Ministerium transparent gemacht.
Das BMWK sicherte damals zu, es werde Verfahren einrichten, um Interessenkollisionen zu verhindern. Tatsächlich hat die Anzahl der Aufträge für das Öko-Institut und die gezahlten Summen seit Amtsantritt der Ampel abgenommen, wie die Süddeutsche Zeitung berichtet. 2022 wurden demnach fünf Aufträge im Wert von 3,6 Millionen Euro erteilt. Im letzten Merkel-Jahr, 2021, waren es acht Aufträge (Volumen 2,5 Millionen Euro) und 2019 sogar elf Aufträge mit einem Volumen von 9,5 Millionen Euro. Auch ist Graichen an Vergabeverfahren mit Beteiligung des Öko-Instituts, des BUND (Schwester Verena Graichen sitzt dort im Vorstand) oder von Agora Energiewende (seinem vorherigen Arbeitgeber) ausgeschlossen.
Graichen hat allerdings – wie für politische Beamte nicht unüblich – Regierungen unterschiedlicher Couleur gedient. Von 2001 bis 2006 war er Referent für internationalen Klimaschutz im Bundesumweltministerium. Zunächst unter dem grünen Minister Jürgen Trittin, später unter Sigmar Gabriel von der SPD. Anschließend wurde er sogar Referatsleiter für Grundsatzangelegenheit Klimaschutz. Damals hieß der Umweltminister Norbert Röttgen – ein CDUler.
2012 verließ Graichen den politischen Betrieb zwischenzeitlich und baute mit dem ehemaligen Staatssekretär des BMU und Weggefährten, Rainer Baake, die Denkfabrik Agora Energiewende auf. Als Baake erneut zum Staatssekretär berufen wurde, übernahm Graichen als Exekutivdirektor und Geschäftsführer die Leitung des Thinktanks. Der studierte Volkswirt und Umweltökonom fungierte in dieser Zeit eher als Watchdog und Kommentator von der Seitenlinie.
Der aktuelle Sturm der Kritik ist auch so laut, weil Graichen ein zentraler Ideengeber und Manager der Habeck’schen Energie- und Klimawende ist – und somit derjenige, der verantwortlich ist für Härten für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Industrie. Ob bei der Wärme- oder Energiewende, dem Klimaschutzgesetz oder dem Gas-Krisenmanagement nach dem russischen Angriff auf die Ukraine – Graichen ist für viele der zentralen Projekte des BMWK verantwortlich. Auch das medial und von einigen Interessengruppen stark kritisierte Gesetz zur Förderung von Wärmepumpen und zum Austausch alter Heizungen geht auf Graichen zurück.
Rücktrittsforderungen an Graichen treffen also immer auch Habeck und seine teils ungeliebten Pläne für die Energie- und Wärmewende. Graichen selbst lehnt einen Rücktritt ab. Sein Chef Robert Habeck hält bisher an seinem Spitzenbeamten fest. Habeck versucht, die Vorwürfe gegen Graichen mit einer Überprüfung des Auswahlverfahrens für den Dena-Vorsitz zu entschärfen. Es könnte zu einer kompletten Wiederholung des Verfahrens kommen, erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende der Dena, Stefan Wenzel.
Auch wenn Graichen kein direktes Fehlverhalten nachgewiesen werden konnte, bleibt der Anschein von Interessenkonflikten. Die Opposition wird wohl in Zukunft bei ihrer Kritik an der Energiewende auch auf die engen Bande zwischen Graichen und anderen wichtigen Interessenvertretern verweisen. Nico Beckert und Lukas Scheid