im Streit um Milliardenzahlungen an Ungarn zeichnet sich eine Lösung ab. Die EU-Botschafter einigten sich am Abend mit qualifizierter Mehrheit darauf, EU-Fördermittel in Höhe von rund 6,3 Milliarden Euro einzufrieren – und nicht 7,5 Milliarden, wie zunächst geplant. Damit reagieren sie auf (bescheidene) Fortschritte in Ungarn bei Rechtsstaat und Finanzverwaltung. Die Einigung muss noch im schriftlichen Verfahren bestätigt werden, dies ist für Mittwoch geplant. Sie ist mit der Hoffnung verbunden, dass Ungarn sein Veto gegen Finanzhilfen für die Ukraine und die globale Mindeststeuer für Unternehmen zurückzieht.
Heute soll im Rat die Entscheidung über den Gaspreisdeckel fallen. Auf dem Spiel stehen auch der gemeinsame Gaseinkauf und der schnelle Ausbau erneuerbarer Energien, wie Manuel Berkel analysiert. Man brauche “jetzt” eine Einigung zu der Notfallverordnung über den gemeinsamen Gaseinkauf, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern. IEA-Chef Fatih Birol hatte unerfreuliche Nachrichten: Der EU drohe im kommenden Jahr eine massive Gaslücke.
Im Korruptionsfall um die Abgeordnete und Vize-Präsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, hat es gestern Abend weitere Durchsuchungen gegeben. In den Fokus der Ermittlungen gerät zunehmend eine NGO, die der ehemalige EU-Abgeordnete Pier Antonio Panzeri gegründet hat. Von politischer Seite gibt es Kritik an der fehlenden Transparenz sogenannter Freundschaftsgruppen. Das sind Gruppen, die es zusätzlich zu der offiziellen Delegiertengruppe im EU-Parlament für die Beziehungen zu den Parlamenten auf der Arabischen Halbinsel gibt. Ihre Treffen finden offenbar auch innerhalb des Parlaments statt. Markus Grabitz hat die Details.
Und dann gab es in den frühen Morgenstunden um kurz vor 5 noch eine Einigung im Trilog über den umstrittenen Vorschlag zur Einführung eines CO2-Grenzausgleichsmechanismus – besser bekannt als CBAM. Worauf sich die Verhandler geeinigt haben, lesen Sie in den News.
Sie lesen heute die 333. Ausgabe unseres Briefings. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre!
Im Streit der EU 27 über den Gaspreisdeckel steht viel auf dem Spiel. Das machten in den vergangenen Tagen noch einmal alle europäischen Institutionen deutlich. Ratspräsident Jozef Síkela trommelte am Wochenende in mehreren Interviews für eine Einigung. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen holte sich gestern Unterstützung vom Chef der Internationalen Energieagentur.
Heute treffen sich die Energieminister zu einer weiteren außerordentlichen Sitzung, um den Market Correction Mechanism zu beschließen. “Wenn wir Vertrauen und Respekt von Haushalten und Firmen verlieren, ist das eine Gefahr für den sozialen Frieden und unsere Unterstützung für die Ukraine“, warnte Tschechiens Industrieminister Síkela in der FAZ.
Der Gaspreisdeckel solle außerdem sicherstellen, dass sich die EU-Staaten nicht gegenseitig überbieten, um ihre Speicher zu füllen, verlangte Síkela bei Bloomberg. Gemünzt war der Vorwurf gegen die Bundesregierung, die über den Einkauf von THE im vergangenen Sommer europaweit die Preise hochgetrieben hatte.
Nach einer Wochenendsitzung am Samstag berieten gestern Abend erneut die EU-Botschafter, um den Weg für einen Beschluss am Dienstag freizuräumen. Zuletzt wuchs bei Frankreich, ursprünglich einer der wichtigsten Befürworter eines Preisdeckels, die Sorge vor den Auswirkungen auf die Finanzmärkte. Zuvor hatte die Europäische Zentralbank davor gewarnt, der Marktkorrekturmechanismus könne die finanzielle Stabilität der Eurozone gefährden.
“Interventionen in den Markt könnten das Gegenteil ihrer Intention erreichen und die Preise noch weiter erhöhen, weil die Marktteilnehmer die gestiegenen Unsicherheiten einpreisen”, sagte gestern ein ranghoher EU-Diplomat aus dem Lager der Gegner. Diese Staaten versuchten nun, klare Regeln für das Aussetzen des Mechanismus auszuhandeln, falls der Preisdeckel negative Effekte haben sollte.
Eine Gruppe von zwölf Staaten hatte dagegen in den vergangenen Tagen abermals versucht, auch Over-the-Counter-Geschäfte in den Mechanismus einzuschließen. Beide Lager hätten jeweils eine Sperrminorität, hieß es am Freitag. Nicht ausgeschlossen ist deshalb, dass sich Ende der Woche der Europäische Rat mit dem Thema befassen wird und eine Entscheidung erst beim nächsten Ministerrat am 19. Dezember fallen könnte.
Druck für eine schnelle Einigung baute gestern allerdings auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf. Man brauche “jetzt” eine Einigung zu der Notfallverordnung über den gemeinsamen Gaseinkauf, sagte von der Leyen vor der Presse. “Jeder Tag Verzögerung trägt ein Preisschild.” Die Einigung über die Notfallverordnungen über den Gaseinkauf und schnellere Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien aber hatte eine Gruppe von Staaten beim Energieministertreffen mit einer Einigung zum Gaspreisdeckel verknüpft.
Mehr erneuerbare Energien sollen dazu beitragen, Gas zu ersetzen. Welche Folgen ein Stillstand hätte, machte gestern der Mann neben von der Leyen deutlich. IEA-Chef Fatih Birol führte die Schockrechnung der Internationalen Energieagentur von Anfang November aus: Der EU drohe im kommenden Jahr eine Gaslücke von 27 Milliarden Kubikmetern (bcm), wie der neue Bericht untermauerte.
Für das nächste Jahr rechnet die Energieagentur zum einen damit, dass der Verbrauch von 360 auf 393 bcm steigen wird:
Erschwerend hinzu kommt das enge Angebot im kommenden Jahr:
Die Gaslücke kann sich laut Energieagentur sogar auf 60 bcm verdoppeln, wenn die EU ihre jüngst gesetzten Ziele wie einen schnelleren Ausbau von Erneuerbaren und eine 15-prozentige Gaseinsparung nicht umsetzt. Das Defizit von 27 bcm könnte die EU laut dem gestern vorgelegten Bericht schließen, wenn sie ihre Maßnahmen ausweitet und weitere 100 Milliarden Euro zur Verfügung stellt.
Politisch heikel ist vor allem der Appell zu mehr Effizienz und Sparsamkeit. Um alle Annahmen der IEA zu erfüllen, dürfte die EU im kommenden Jahr nur 330 bcm verbrauchen – also noch einmal acht Prozent weniger als im laufenden Jahr. Hinzu käme noch die Unterstützung für die Ukraine und Moldawien. Polen aber klagt schon gegen die bereits beschlossenen Sparziele vor dem EuGH, auch Spanien und Belgien hatten Vorbehalte geäußert. mit rtr
Das Europaparlament treibt die Absetzung der griechischen Abgeordneten und Vize-Präsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili (S&D), voran, die in Belgien wegen des Vorwurfs der Korruption, Geldwäsche und Bandenkriminalität in Untersuchungshaft sitzt. Zur Eröffnung der Sitzungswoche in Straßburg kündigte Parlamentspräsidentin Roberta Metsola ein Amtsenthebungsverfahren nach Artikel 21 an. Am Montag schloss die sozialistische S&D-Fraktion die Abgeordnete aus. Wie zu hören ist, haben die griechischen Behörden inzwischen das Vermögen der 44-Jährigen eingefroren. Auch die Partei PASOK hat die griechische Sozialistin bereits ausgeschlossen.
Montagabend startete die Brüsseler Polizei eine zweite Runde von Durchsuchungen. Dies deutet darauf hin, dass sich der Skandal ausdehnt. Immer mehr gerät die Rolle einer NGO in den Fokus der Ermittlungen. Einer der Hauptverdächtigen ist der ehemalige EU-Abgeordnete Pier Antonio Panzeri, der die NGO Fight Impunity (Stoppt die Straflosigkeit) 2019 nach seinem Ausscheiden aus dem Parlament gegründet hat.
Im Vorstand der NGO sitzen ehemalige Kommissare wie Emma Bonino und die Ex-Außenbeauftragte Federica Mogherini sowie der Ex-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos. Seit gestern lässt die Chefin des Unterausschusses im Europaparlament für Menschenrechte, die belgische Sozialistin Maria Arena, ihr Amt vorübergehend ruhen. Hintergrund ist, dass die Polizei das Büro ihrer Assistentin durchsucht hat, die früher für Fight Impunity gearbeitet hat.
Die näheren Umstände des Falls sind immer noch nicht klar. Die Ermittler verdächtigen “einen Golfstaat, zu versuchen, die wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen des Europäischen Parlaments zu beeinflussen”, und zwar durch “Zahlung erheblicher Geldbeträge oder das Angebot beträchtlicher Geschenke an Dritte, die eine strategisch bedeutende Position im Europäischen Parlament innehaben”. Bei dem Golfstaat soll es sich um den WM-Ausrichter Katar handeln.
Offiziell hat das die Staatsanwaltschaft aber nicht bestätigt. Vier Personen sind in Haft, darunter auch der Lebensgefährte von Kaili. Ihr Vater, bei dem größere Mengen Bargeld sichergestellt wurden, ist inzwischen wieder entlassen. Ebenfalls unter Bedingungen wieder frei ist der ehemalige Europaabgeordnete Luca Visentini, der Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes (ITUC) ist.
Metsola kündigte eine interne Untersuchung an, der Zugang von Lobbyisten zum Europaparlament soll reformiert werden. Treffen mit Vertretern von Nicht-EU-Staaten sollen transparenter gemacht werden. Kaili hat im Plenum kürzlich eine Rede gehalten, in der sie Katar einen Vorkämpfer für die Rechte der Arbeiter nannte. Alle, die mit dem Emirat redeten, würden pauschal der Korruption bezichtigt, kritisierte sie zudem. Im LIBE-Ausschuss stimmte Kaili auch für die Liberalisierung der Visa-Bestimmungen für Bürger von Katar, Kuweit und Oman, obwohl sie selbst nicht Mitglied in dem Ausschuss ist. Inzwischen zeichnet sich ab, dass das Europaparlament die Visa-Liberalisierung als Reaktion auf die Korruptionsaffäre auf Eis legt.
Die Diskussion über Konsequenzen läuft: Inge Gräßle (CDU), Korruptionsexpertin im Bundestag und frühere Chefin des Haushaltskontrollausschusses im Europaparlament, sagt: “Das Europaparlament hat sehr viel weitergehende Regelungen als der Bundestag. Der Bundestag kennt etwa nicht die Pflicht zur Offenlegung von Lobbykontakten für Ausschussvorsitzende, Berichterstatter und Schattenberichterstatter.” Der Skandal mache deutlich, dass das Europaparlament in erster Linie kein Regelproblem, sondern ein Kontrollproblem habe. Was Kaili zur Last gelegt werde, das verstoße gegen Strafgesetze.
Gleichwohl hält sie es für sinnvoll, die Transparenzregeln im Europaparlament zu verschärfen. Bislang müssen Abgeordnete nur Kontakte zu Lobbyisten von Unternehmen und Verbänden anzeigen. Treffen mit Vertretern von Drittstaaten oder von Agenturen, die von Drittstaaten mit der Wahrnehmung der Interessen beauftragt werden, unterliegen nicht der Pflicht. Gräßle: “Es gibt keinen Grund, die Kontakte von Abgeordneten mit Drittstaaten nicht zu veröffentlichen.” Sie fordert zudem dazu auf, die Rolle von NGOs näher unter die Lupe zu nehmen.
Rasmus Andresen (Grüne), Chef der deutschen Gruppe, sieht es ähnlich: “Es gibt immer wieder Hinweise, dass einige NGOs ihren Status missbrauchen, um zwielichtige Lobbyaktivitäten zu betreiben.”
Gräßle und Andresen kritisieren zudem die fehlende Transparenz bei den Aktivitäten sogenannter Freundschaftsgruppen, die es neben der offiziellen Delegiertengruppe im EU-Parlament für die Beziehungen zu den Parlamenten auf der Arabischen Halbinsel auch gibt. Die Mitglieder der inoffiziellen Freundschaftsgruppe Katars aus dem Europaparlament sind auf der Internetseite der Botschaft Katars aufgelistet: Es handelt sich um 14 Abgeordnete, darunter fünf Christdemokraten, zwei Liberale und ein Sozialist.
Die Aktivitäten der Freundschaftsgruppen werden teils von Drittstaaten gesponsert. Wie zu hören ist, finden zuweilen Treffen dieser Freundschaftsgruppen auch innerhalb des Parlaments statt. In den Transparenzregeln des EP heißt es: “MEPs, die Mitglied in derartigen Gruppen sind, müssen ihren Status transparent machen und dürfen sich nicht in die Aktivitäten von offiziellen Gruppierungen des Parlaments einmischen.”
14.12.2022 – 09:00-10:30 Uhr, online
Health & Law Netzwerk, Vortrag Forschung mit Gesundheitsdaten/European Health Data Space
Das Health & Law Netzwerk beschäftigt sich mit den Anforderungen, die sich aus der DSGVO und nationalen Vorgaben für die Verarbeitung von Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken ergeben. Es geht außerdem darum, wie der EU-Vorschlag zum European Health Data Space (EHDS) hier neue Möglichkeiten schafft. INFOS & ANMELDUNG
14.12.2022 – 09:30-10:30 Uhr, online
Eurogas, Panel Discussion Emergency Measures: Are we doing enough to protect consumers this winter?
Eurogas addresses what is needed to ensure the protection of consumers at this time of high energy prices and what else could be done. INFOS & REGISTRATION
14.12.2022 – 17:00-19:00 Uhr, Berlin
Berliner LpB, online Let’s talk Europe: Asylum and Migration
The Berliner Landeszentrale für politische Bildung asks how the arrival of Ukrainians in the EU after the Russian attack has changed the situation of asylum and migration politics within the EU. INFOS & REGISTRATION
14.12.2022 – 17:00-18:15 Uhr, online
ECFR, Panel Discussion From surviving to thriving: How Europe should support Ukraine in the long war against Russia
The European Council on Foreign Relations (ECFR) discusses the need for Europe to deliver enduring support to Ukraine. INFOS & REGISTRATION
14.12.2022 – 18:00-19:00 Uhr, online
FNF, Diskussion Rückblick auf die tschechische EU-Ratspräsidentschaft – die Rolle Europas in einer Welt im Wandel
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) geht der Frage nach, ob die Tschechische Republik ihre Ziele der EU-Ratspräsidentschaft erreicht hat und wie Deutschland diese bewertet. INFOS & ANMELDUNG
14.12.2022 – 18:00-19:00 Uhr, online
FNF, Vortrag Brennpunkt Afrika: Was treibt die Menschen nach Europa?
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) beschäftigt sich mit den Ursachen der Fluchtbewegung nach Europa und möglichen Ansätzen für deren Bekämpfung. INFOS & ANMELDUNG
14.12.2022 – 19:00-20:00 Uhr, online
FNF, Diskussion Krieg in Europa: Der russische Überfall auf die Ukraine – erste Bilanz und Perspektiven
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) setzt sich mit der künftigen Stellung Russlands angesichts des Ukraine-Krieges und dessen Auswirkungen auf das Verhältnis von Europa und den USA auseinander. INFOS & ANMELDUNG
14.12.2022 – 19:30 Uhr, online
HSS, Seminar Reallabor Energiewende
Die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) beschäftigt sich mit den Herausforderungen einer unabhängigen Versorgung mit Öl und Gas. INFIS & ANMELDUNG
15.12.-16.12.2022, Berlin/online
BDI, Konferenz 13. Deutscher Energiesteuertag
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) adressiert die europäischen und nationalen Herausforderungen der Energiebesteuerung zukünftiger Energieträger und Themen der E-Mobilität. INFOS & ANMELDUNG
15.12.2022 – 09:00-12:30 Uhr, online
ASEW, Seminar Novellierungen des GEG & der BEG in 2023
Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) geht auf die wichtigsten Inhalte des Gebäudeenergiegesetzes heute und morgen ein, verbunden mit den daraus resultierenden Anforderungen für Neu- und Bestandsbauten. INFOS & ANMELDUNG
15.12.2022 – 11:00-12:30 Uhr, online
ANEC, Seminar Standards and the AI Act: What impact can AI standards have and how to influence them?
The European consumer voice in standardisation (ANEC) discusses the future of AI regulation and the role standards will play in it. INFOS & REGISTRATION
15.12.2022 – 14:00-15:00 Uhr, Berlin
KAS, Podiumsdiskussion Zeitenwende? Deutschland, Europa und die globale Ordnung
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) lädt zur Diskussion mit Christoph Heusgen, Carlo Masala und Norbert Lammert. INFOS & ANMELDUNG
15.12.2022 – 18:00 Uhr, online
HSS, Seminar Kein Gas und Öl mehr aus Russland – geraten wir jetzt in neue Abhängigkeiten von Diktaturen in der Golfregion?
Die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) setzt sich mit den Gefahren einer neuen Energie-Abhängigkeit von Diktaturen in der Golfregion auseinander. INFOS & ANMELDUNG
15.12.2022 – 19:00-21:00 Uhr, Bremen
EPB, Vortrag Wie steht es um die Europäische Souveränität?
Der Europa Punkt Bremen (EPB) geht der Frage nach, wohin Europa im Angesicht multipler Krisen steuert. INFOS & ANMELDUNG
Um 4:50 Uhr heute Morgen haben die Unterhändler von EU-Parlament, Rat und Kommission eine Einigung zur Einführung des CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) gefunden. Die Einigung im Trilog sieht vor:
Der CBAM soll Nachteile europäischer Produzenten im internationalen Wettbewerb aufgrund des CO2-Preises in der EU verhindern, indem Importeure einen Grenzausgleich in Höhe des CO2-Preises zahlen. Bisher muss die Industrie für einen Großteil ihrer Emissionen nicht zahlen, sondern bekommt die Emissionsrechte kostenlos zugeteilt. Mit der Reform des europäischen Emissionshandels (ETS) sollen diese Freizuteilungen schrittweise abgeschmolzen werden. Der CBAM tritt an deren Stelle.
Es sei einer der wenigen Mechanismen, die man habe, um Handelspartnern Anreize zur Dekarbonisierung ihrer Industrie zu geben, sagte Parlamentsberichterstatter Mohammed Chahim (S&D) in den frühen Morgenstunden. “Darüber hinaus ist es eine Alternative zu unseren derzeitigen Maßnahmen gegen Carbon Leakage, die es uns ermöglichen, das Verursacherprinzip auf unsere eigene Industrie anzuwenden – eine Win-win-Situation.”
Trotz der Trilog-Einigung ist noch offen, ob europäische Exporteure aus den CBAM-Sektoren weiterhin Freizuteilungen bekommen sollen. Wenn der CO2-Preis bei EU-Produzenten erhoben wird und beim Export kein Ausgleich dieser Kosten gezahlt wird, kann sich das negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Exporte auswirken. Auch Start- und Enddatum sowie Geschwindigkeit der schrittweisen CBAM-Einführung stehen noch aus.
Es gilt als das politisch brisanteste Thema, da vor allem das Parlament eine möglichst schnelle Abschmelzung der Freizuteilungen fordert, während die Mitgliedsländer der Industrie mehr Zeit geben wollen, um sich an die neuen Regeln anzupassen (Europe.Table berichtete). Diese noch offenen Fragen sollen kommendes Wochenende beim Jumbo-Trilog in Brüssel geklärt werden, wenn die Verhandler für ETS, CBAM und Klimasozialfonds zu einer großen Verhandlungsrunde zusammenkommen. Von der Einigung bei den Freizuteilungen hängt auch die Länge der CBAM-Übergangsphase ab. luk
Deutschland und die anderen EU-Staaten sollten nach Ansicht von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine weitgehende Überarbeitung des langfristigen EU-Haushalts in Erwägung ziehen. Ein “frischer Blick” auf das Budget würde auch die Tür für die Schaffung eines Souveränitätsfonds öffnen, sagte von der Leyen am Montag in Brüssel. Der aktuelle Haushalt für den Zeitraum von 2021 bis Ende 2027 sei zu einem Zeitpunkt beschlossen worden, als man noch keine Ahnung von der bevorstehenden Krise gehabt habe.
Deutschland ist als größter EU-Nettozahler bislang strikt gegen eine Aufstockung des in äußerst mühsamen Verhandlungen vereinbarten EU-Budgets für die Jahre 2021-2027. Ähnliches gilt für ein neues schuldenfinanziertes EU-Programm nach Vorbild des Corona-Aufbaufonds.
Mit einem sogenannten Souveränitätsfonds will von der Leyen insbesondere auch auf das milliardenschwere US-Programm zur Förderung klimafreundlicher Technologien reagieren. Bei ihm handelt es sich um einen Investitionsplan im Umfang von rund 369 Milliarden Dollar, mit dem ein neues industrielles Ökosystem in strategischen Sektoren für saubere Energie aufgebaut werden soll. Subventionen und Steuergutschriften sind daran geknüpft, dass Unternehmen US-Produkte verwenden oder in den USA produzieren.
In der EU wird es deswegen als diskriminierend angesehen und unvereinbar mit Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) gehalten. Gleichzeitig werden Rufe laut, notfalls ein eigenes Investitionsprogramm aufzustellen.
Von der Leyen sagte am Montag, grundsätzlich könnte der Souveränitätsfonds nicht nur aus bestehenden Geldtöpfen, sondern auch aus anderen Quellen finanziert werden. Details nannte sie nicht, auch nicht zur möglichen Höhe eines solchen Finanzierungsinstruments. dpa
Die EU-Staaten haben sich am Montagabend noch nicht auf ein neuntes Sanktionspaket gegen Russland verständigt. Laut EU-Diplomaten gibt es noch Differenzen in einigen technischen Fragen, insbesondere in Bezug auf den Agrarsektor. Die Gespräche sollen heute fortgesetzt werden, um möglichst eine Einigung vor dem EU-Gipfel am Donnerstag zu erreichen.
Einig sind sich die Mitgliedstaaten darin, weitere rund 200 russische Personen und Gruppen auf die Sanktionsliste zu setzen. Die Sanktionen zielten auf Militär und Verteidigungssektor ebenso wie auf die politische Führung in der Duma und im Föderationsrat, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach einem Treffen der Außenminister. Man nehme auch “diejenigen ins Visier, die für die Plünderung des ukrainischen Getreides und für die Deportation ukrainischer Menschen, insbesondere von Kindern, verantwortlich sind”.
Die EU-Außenminister beschlossen auch neue Sanktionen gegen Iran wegen der rücksichtslosen Niederschlagung der Proteste. Demnach werden 20 Personen und eine Körperschaft wegen Verstößen gegen die Menschenrechte mit Strafen belegt. Dazu gehört das Einfrieren von Vermögen und das Verbot der Einreise in die EU. tho/rtr
Die vielen weißen Flecken zeigen es: Der Breitbandausbau kommt nicht so voran, wie er es sollte. Das ist nicht nur in Deutschland so, das im europäischen Vergleich im Mittelfeld liegt. Daher hat die Europäische Kommission am Montag neue Leitlinien für staatliche Beihilfen für Breitbandnetze (Breitbandleitlinien) beschlossen. Damit aktualisiert sie die bestehenden Leitlinien von 2013.
Die Breitbandleitlinien legen fest, was aus Sicht der Kommission als staatliche Beihilfemaßnahme der Mitgliedstaaten zur Förderung der Breitbandanbindung mit dem Binnenmarkt vereinbar ist. Ziel ist es, staatliche Zuweisungen in einem Umfang zuzulassen, der die digitale Kluft verringert, ohne dem Wettbewerb zu schaden. Vor der Revision hatte die Kommission im Jahr 2020 eine umfangreiche Konsultation durchgeführt.
Die wichtigsten Änderungen sind:
Die Revision der Breitbandleitlinien ergänzt andere laufende Initiativen wie die Überarbeitung der Richtlinie über die Senkung der Breitbandkosten. Die neuen Leitlinien treten am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Das wird wohl im Januar 2023 der Fall sein. vis
Die EU-Kommission wird in den kommenden Tagen ihren Vorschlag für eine Angemessenheitsentscheidung im Rahmen des sogenannten EU-US-Data Privacy Framework vorlegen. Diese soll die Voraussetzung dafür sein, dass Unternehmen personenbezogene Daten, die der DSGVO unterliegen, künftig rechtssicher in die USA transferieren können. Äußerungen, dass dies bereits am heutigen Dienstag geschehen würde, wollte der Sprecher des EU-Justizkommissars am Montagabend nicht bestätigen.
Der Entwurf der EU-Kommission wird sich dabei auf die Zusicherungen des US-Präsidenten Joe Biden stützen, die er in seinen Präsidialverfügungen, den sogenannten Executive Orders, festgehalten hat. Unter anderem das wird von Kritikern moniert: Präsidialverfügungen seien jederzeit änderbar, anders als vom US-Kongress beschlossene Gesetze.
“Es ist eine Präsidialverfügung im gleichen Umfang wie ein Gesetz”, sagte Justizkommissar Didier Reynders am Montag bei einer Veranstaltung. Natürlich werde die Angemessenheitsentscheidung vor dem Europäischen Gerichtshof infrage gestellt werden. Bereits zweimal war eine Adäquanz-Entscheidung der Kommission vom EuGH verworfen worden.
Es gebe vor Gericht zwar “keine Garantien dafür”, dass die Angemessenheitsentscheidung dort Bestand habe. Er sei aber zuversichtlich, da die ausgehandelten Zusagen “robust sind”, meint Reynders. Andere Probleme, etwa was die beiden Streitpunkt der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit von Datenverarbeitungen durch Nachrichtendienste betreffen, seien auch in der EU problematisch.
Im Anschluss an den Vorschlag der Kommission werden sich die EU-Datenschutzaufsichtsbehörden, die Mitgliedstaaten und das Europaparlament mit dem Entwurf beschäftigen. Sobald dieser Teil des Verfahrens abgeschlossen ist, könnten sich – so der Plan der EU-Kommission – Unternehmen beim transatlantischen Datentransfer auf die neue Rechtsgrundlage stützen. US-Unternehmen warten dringend darauf.
Nach einer Prüfung in den kommenden Tagen wolle NOYB entscheiden, ob sie gegen eine Angemessenheitsentscheidung erneut klagen wolle, sagt Max Schrems, Vorstandsvorsitzender der NGO. Er glaube kaum, dass diese einer Überprüfung durch die Richter in Luxemburg standhalten werde: “Die Europäische Kommission scheint immer wieder ähnliche Entscheidungen zu erlassen, die einen eklatanten Verstoß gegen unsere Grundrechte darstellen.” Würde auch die Neuregelung vor dem EuGH scheitern, wäre dies eine herbe politische Niederlage für Kommissionspräsidentin von der Leyen und Justizkommissar Reynders. fst
Zur Lösung der politischen Krise im EU-Land Bulgarien hat der mit der Regierungsbildung beauftragte Nikolaj Gabrowski ein überparteiliches, pro-westliches Kabinett vorgeschlagen. Der parteilose Gabrowski, der vom Mitte-Rechts-Wahlsieger GERB als Ministerpräsident aufgestellt worden war, nominierte am Montag vor allem Experten für seine Regierung. Diese soll das derzeit regierende Übergangskabinett ablösen – das EU-Land Bulgarien hat zweieinhalb Monate nach einer Neuwahl noch keine reguläre Regierung.
Das Parlament wird noch in dieser Woche über Gabrowskis Vorschlag abstimmen, der Ausgang dieser Abstimmung ist offen. Gabrowski hatte den Auftrag zur Regierungsbildung vor einer Woche von Staatschef Rumen Radew erhalten.
“Wir haben keine Zeit (zu verlieren)”, sagte Gabrowski mit Blick auf die Krisenlage in Bulgarien. Er selbst gilt als Kompromissfigur. Mit lediglich 67 Abgeordneten im 240 Sitze umfassenden Parlament hat die GERB bei Weitem keine Mehrheit und ist auf Partner angewiesen. Im Parlament sind sieben Parteien vertreten. Gabrowski warnte vor einer weiteren Neuwahl: “Dies wird in vielen Hinsichten eine Katastrophe für Bulgarien sein”, sagte er. Sollten dieser Versuch der Regierungsbildung und zwei weitere Anläufe scheitern, müsste es im Frühjahr eine fünfte Neuwahl binnen zwei Jahren geben.
Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs setzte Gabrowski ein starkes Zeichen für die Kontinuität von Bulgariens pro-westlicher Orientierung. Für den Posten des Außenministers nominierte er den früheren Botschafter des Landes bei der Nato, Dragomir Sakow. Dieser war bereits Verteidigungsminister in der im Juni gestürzten liberal-sozialistischen Regierung von Ex-Ministerpräsident Kiril Petkow gewesen. dpa
Éric Ciotti wäre in diesem Jahr gern Frankreichs Präsident geworden. Doch Valérie Pécresse setzte sich im Vorwahlkampf der konservativen Republikaner gegen ihn durch und trat als Spitzenkandidatin gegen Emmanuel Macron an.
Nun hat der 57-jährige Ciotti einen verspäteten Sieg errungen: Er wurde am Wochenende von den Parteianhängern mit 53,7 Prozent der Stimmen in einer Stichwahl zum neuen Präsidenten der Republikaner gewählt. Er war der Favorit der Partei, die immer weiter nach rechts abdriftet. Schon Pécresse hatte den Rechtsruck der einstigen Mitte-Rechts-Partei beschleunigt, mit Ciotti steuert diese noch weiter nach außen: Seine Ideen liegen nicht weit von den Rechtspopulisten entfernt.
Ciotti ist Abgeordneter aus dem südfranzösischen Nizza. Im Präsidentschaftswahlkampf setzte er auf die klassischen Themen der Rechten: Sicherheit und Einwanderung. In Frankreich wird er auch “Monsieur Sicherheit” genannt. Er will die Nation retten, Sozialhilfen für Ausländer abschaffen und die Einwanderungsgesetze verschärfen. “Frankreich muss Frankreich bleiben”, verkündete er immer wieder.
“Ich will eine strikte Rechte, die wieder Ordnung auf der Straße schafft”, sagte Ciotti nach seiner Wahl. Er steht für eine Vereinigung der Rechten. “Ciotti flirtet nicht mehr mit dem Rechtsextremismus, er ist mittendrin”, zitierte die eher linke Zeitung “Libération” einen ehemaligen Parteigenossen Ciottis.
Hinter ihm steht der unbeliebte Ex-Parteichef Laurent Wauquiez, der schon lange davon träumt, Präsident zu werden. Ciotti hat sich bereits für den stramm-rechten Politiker als Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2027 ausgesprochen und stellt eigene Ambitionen erstmal zurück. Im Zweiergespann wollen die beiden die Republikaner zur Präsidentschaft führen. Doch bis dahin ist es noch lange hin. Zuerst einmal muss Ciotti Ordnung in seiner Partei schaffen, die in mehrere Lager zerfallen ist.
Ciotti hatte zahlreiche Ämter in der Politik, war aber nie Minister. Er hat seine politische Karriere in den 1990er-Jahren nach einem Abschluss an der renommierten Politikhochschule Sciences Po in Paris begonnen. Er begleitete danach Christian Estrosi, Bürgermeister von Nizza, in mehreren Ämtern, war parlamentarischer Mitarbeiter, Wahlkampfmanager und stellvertretender Bürgermeister von Nizza. Heute sind die beiden Rivalen. Estrosi hat sich Macron angeschlossen, während Ciotti ein Bündnis mit dem Präsidenten immer klar ausgeschlossen hat. Er würde eher für den rechtsextremen Éric Zemmour als für Macron stimmen, erklärte er bei den vergangenen Präsidentschaftswahlen.
Kurz vor der Wahl für den Parteivorsitz geriet Ciottis Kampagne noch in Gefahr. Französische Medien enthüllten, dass die Finanzstaatsanwaltschaft ein Verfahren gegen seine Ex-Frau eingeleitet hat, wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder. Ciotti soll sie jahrelang in seinem Abgeordnetenbüro im Parlament und im Rathaus von Nizza beschäftigt haben. Das erinnert an den Skandal von Ex-Premierminister François Fillon, der 2017 Präsident werden wollte. Die Wahl gewann Ciotti trotzdem.
Auf ihn kommt eine große Herausforderung zu. Seine Partei kämpft ums Überleben, er muss sie aus dem Schatten holen. In den vergangenen Jahren blieb für die Republikaner nicht viel Platz zwischen Macron in der liberalen Mitte und den Parteien von Marine Le Pen und Éric Zemmour.
Die rechts-bürgerliche Partei von Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy ist seit zehn Jahren in der Opposition. Viele Parteigrößen sind zu Macron abgewandert. Die Fraktion im Parlament ist von mehr als 300 Abgeordneten auf 62 geschrumpft. Pécresse holte als Präsidentschaftskandidatin im Mai nicht einmal fünf Prozent der Stimmen. Ciotti glaubt, dass die Republikaner untergehen werden, sollten sie 2027 nicht den Präsidentschaftswahlkampf gewinnen. Tanja Kuchenbecker
im Streit um Milliardenzahlungen an Ungarn zeichnet sich eine Lösung ab. Die EU-Botschafter einigten sich am Abend mit qualifizierter Mehrheit darauf, EU-Fördermittel in Höhe von rund 6,3 Milliarden Euro einzufrieren – und nicht 7,5 Milliarden, wie zunächst geplant. Damit reagieren sie auf (bescheidene) Fortschritte in Ungarn bei Rechtsstaat und Finanzverwaltung. Die Einigung muss noch im schriftlichen Verfahren bestätigt werden, dies ist für Mittwoch geplant. Sie ist mit der Hoffnung verbunden, dass Ungarn sein Veto gegen Finanzhilfen für die Ukraine und die globale Mindeststeuer für Unternehmen zurückzieht.
Heute soll im Rat die Entscheidung über den Gaspreisdeckel fallen. Auf dem Spiel stehen auch der gemeinsame Gaseinkauf und der schnelle Ausbau erneuerbarer Energien, wie Manuel Berkel analysiert. Man brauche “jetzt” eine Einigung zu der Notfallverordnung über den gemeinsamen Gaseinkauf, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern. IEA-Chef Fatih Birol hatte unerfreuliche Nachrichten: Der EU drohe im kommenden Jahr eine massive Gaslücke.
Im Korruptionsfall um die Abgeordnete und Vize-Präsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, hat es gestern Abend weitere Durchsuchungen gegeben. In den Fokus der Ermittlungen gerät zunehmend eine NGO, die der ehemalige EU-Abgeordnete Pier Antonio Panzeri gegründet hat. Von politischer Seite gibt es Kritik an der fehlenden Transparenz sogenannter Freundschaftsgruppen. Das sind Gruppen, die es zusätzlich zu der offiziellen Delegiertengruppe im EU-Parlament für die Beziehungen zu den Parlamenten auf der Arabischen Halbinsel gibt. Ihre Treffen finden offenbar auch innerhalb des Parlaments statt. Markus Grabitz hat die Details.
Und dann gab es in den frühen Morgenstunden um kurz vor 5 noch eine Einigung im Trilog über den umstrittenen Vorschlag zur Einführung eines CO2-Grenzausgleichsmechanismus – besser bekannt als CBAM. Worauf sich die Verhandler geeinigt haben, lesen Sie in den News.
Sie lesen heute die 333. Ausgabe unseres Briefings. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre!
Im Streit der EU 27 über den Gaspreisdeckel steht viel auf dem Spiel. Das machten in den vergangenen Tagen noch einmal alle europäischen Institutionen deutlich. Ratspräsident Jozef Síkela trommelte am Wochenende in mehreren Interviews für eine Einigung. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen holte sich gestern Unterstützung vom Chef der Internationalen Energieagentur.
Heute treffen sich die Energieminister zu einer weiteren außerordentlichen Sitzung, um den Market Correction Mechanism zu beschließen. “Wenn wir Vertrauen und Respekt von Haushalten und Firmen verlieren, ist das eine Gefahr für den sozialen Frieden und unsere Unterstützung für die Ukraine“, warnte Tschechiens Industrieminister Síkela in der FAZ.
Der Gaspreisdeckel solle außerdem sicherstellen, dass sich die EU-Staaten nicht gegenseitig überbieten, um ihre Speicher zu füllen, verlangte Síkela bei Bloomberg. Gemünzt war der Vorwurf gegen die Bundesregierung, die über den Einkauf von THE im vergangenen Sommer europaweit die Preise hochgetrieben hatte.
Nach einer Wochenendsitzung am Samstag berieten gestern Abend erneut die EU-Botschafter, um den Weg für einen Beschluss am Dienstag freizuräumen. Zuletzt wuchs bei Frankreich, ursprünglich einer der wichtigsten Befürworter eines Preisdeckels, die Sorge vor den Auswirkungen auf die Finanzmärkte. Zuvor hatte die Europäische Zentralbank davor gewarnt, der Marktkorrekturmechanismus könne die finanzielle Stabilität der Eurozone gefährden.
“Interventionen in den Markt könnten das Gegenteil ihrer Intention erreichen und die Preise noch weiter erhöhen, weil die Marktteilnehmer die gestiegenen Unsicherheiten einpreisen”, sagte gestern ein ranghoher EU-Diplomat aus dem Lager der Gegner. Diese Staaten versuchten nun, klare Regeln für das Aussetzen des Mechanismus auszuhandeln, falls der Preisdeckel negative Effekte haben sollte.
Eine Gruppe von zwölf Staaten hatte dagegen in den vergangenen Tagen abermals versucht, auch Over-the-Counter-Geschäfte in den Mechanismus einzuschließen. Beide Lager hätten jeweils eine Sperrminorität, hieß es am Freitag. Nicht ausgeschlossen ist deshalb, dass sich Ende der Woche der Europäische Rat mit dem Thema befassen wird und eine Entscheidung erst beim nächsten Ministerrat am 19. Dezember fallen könnte.
Druck für eine schnelle Einigung baute gestern allerdings auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf. Man brauche “jetzt” eine Einigung zu der Notfallverordnung über den gemeinsamen Gaseinkauf, sagte von der Leyen vor der Presse. “Jeder Tag Verzögerung trägt ein Preisschild.” Die Einigung über die Notfallverordnungen über den Gaseinkauf und schnellere Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien aber hatte eine Gruppe von Staaten beim Energieministertreffen mit einer Einigung zum Gaspreisdeckel verknüpft.
Mehr erneuerbare Energien sollen dazu beitragen, Gas zu ersetzen. Welche Folgen ein Stillstand hätte, machte gestern der Mann neben von der Leyen deutlich. IEA-Chef Fatih Birol führte die Schockrechnung der Internationalen Energieagentur von Anfang November aus: Der EU drohe im kommenden Jahr eine Gaslücke von 27 Milliarden Kubikmetern (bcm), wie der neue Bericht untermauerte.
Für das nächste Jahr rechnet die Energieagentur zum einen damit, dass der Verbrauch von 360 auf 393 bcm steigen wird:
Erschwerend hinzu kommt das enge Angebot im kommenden Jahr:
Die Gaslücke kann sich laut Energieagentur sogar auf 60 bcm verdoppeln, wenn die EU ihre jüngst gesetzten Ziele wie einen schnelleren Ausbau von Erneuerbaren und eine 15-prozentige Gaseinsparung nicht umsetzt. Das Defizit von 27 bcm könnte die EU laut dem gestern vorgelegten Bericht schließen, wenn sie ihre Maßnahmen ausweitet und weitere 100 Milliarden Euro zur Verfügung stellt.
Politisch heikel ist vor allem der Appell zu mehr Effizienz und Sparsamkeit. Um alle Annahmen der IEA zu erfüllen, dürfte die EU im kommenden Jahr nur 330 bcm verbrauchen – also noch einmal acht Prozent weniger als im laufenden Jahr. Hinzu käme noch die Unterstützung für die Ukraine und Moldawien. Polen aber klagt schon gegen die bereits beschlossenen Sparziele vor dem EuGH, auch Spanien und Belgien hatten Vorbehalte geäußert. mit rtr
Das Europaparlament treibt die Absetzung der griechischen Abgeordneten und Vize-Präsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili (S&D), voran, die in Belgien wegen des Vorwurfs der Korruption, Geldwäsche und Bandenkriminalität in Untersuchungshaft sitzt. Zur Eröffnung der Sitzungswoche in Straßburg kündigte Parlamentspräsidentin Roberta Metsola ein Amtsenthebungsverfahren nach Artikel 21 an. Am Montag schloss die sozialistische S&D-Fraktion die Abgeordnete aus. Wie zu hören ist, haben die griechischen Behörden inzwischen das Vermögen der 44-Jährigen eingefroren. Auch die Partei PASOK hat die griechische Sozialistin bereits ausgeschlossen.
Montagabend startete die Brüsseler Polizei eine zweite Runde von Durchsuchungen. Dies deutet darauf hin, dass sich der Skandal ausdehnt. Immer mehr gerät die Rolle einer NGO in den Fokus der Ermittlungen. Einer der Hauptverdächtigen ist der ehemalige EU-Abgeordnete Pier Antonio Panzeri, der die NGO Fight Impunity (Stoppt die Straflosigkeit) 2019 nach seinem Ausscheiden aus dem Parlament gegründet hat.
Im Vorstand der NGO sitzen ehemalige Kommissare wie Emma Bonino und die Ex-Außenbeauftragte Federica Mogherini sowie der Ex-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos. Seit gestern lässt die Chefin des Unterausschusses im Europaparlament für Menschenrechte, die belgische Sozialistin Maria Arena, ihr Amt vorübergehend ruhen. Hintergrund ist, dass die Polizei das Büro ihrer Assistentin durchsucht hat, die früher für Fight Impunity gearbeitet hat.
Die näheren Umstände des Falls sind immer noch nicht klar. Die Ermittler verdächtigen “einen Golfstaat, zu versuchen, die wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen des Europäischen Parlaments zu beeinflussen”, und zwar durch “Zahlung erheblicher Geldbeträge oder das Angebot beträchtlicher Geschenke an Dritte, die eine strategisch bedeutende Position im Europäischen Parlament innehaben”. Bei dem Golfstaat soll es sich um den WM-Ausrichter Katar handeln.
Offiziell hat das die Staatsanwaltschaft aber nicht bestätigt. Vier Personen sind in Haft, darunter auch der Lebensgefährte von Kaili. Ihr Vater, bei dem größere Mengen Bargeld sichergestellt wurden, ist inzwischen wieder entlassen. Ebenfalls unter Bedingungen wieder frei ist der ehemalige Europaabgeordnete Luca Visentini, der Generalsekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes (ITUC) ist.
Metsola kündigte eine interne Untersuchung an, der Zugang von Lobbyisten zum Europaparlament soll reformiert werden. Treffen mit Vertretern von Nicht-EU-Staaten sollen transparenter gemacht werden. Kaili hat im Plenum kürzlich eine Rede gehalten, in der sie Katar einen Vorkämpfer für die Rechte der Arbeiter nannte. Alle, die mit dem Emirat redeten, würden pauschal der Korruption bezichtigt, kritisierte sie zudem. Im LIBE-Ausschuss stimmte Kaili auch für die Liberalisierung der Visa-Bestimmungen für Bürger von Katar, Kuweit und Oman, obwohl sie selbst nicht Mitglied in dem Ausschuss ist. Inzwischen zeichnet sich ab, dass das Europaparlament die Visa-Liberalisierung als Reaktion auf die Korruptionsaffäre auf Eis legt.
Die Diskussion über Konsequenzen läuft: Inge Gräßle (CDU), Korruptionsexpertin im Bundestag und frühere Chefin des Haushaltskontrollausschusses im Europaparlament, sagt: “Das Europaparlament hat sehr viel weitergehende Regelungen als der Bundestag. Der Bundestag kennt etwa nicht die Pflicht zur Offenlegung von Lobbykontakten für Ausschussvorsitzende, Berichterstatter und Schattenberichterstatter.” Der Skandal mache deutlich, dass das Europaparlament in erster Linie kein Regelproblem, sondern ein Kontrollproblem habe. Was Kaili zur Last gelegt werde, das verstoße gegen Strafgesetze.
Gleichwohl hält sie es für sinnvoll, die Transparenzregeln im Europaparlament zu verschärfen. Bislang müssen Abgeordnete nur Kontakte zu Lobbyisten von Unternehmen und Verbänden anzeigen. Treffen mit Vertretern von Drittstaaten oder von Agenturen, die von Drittstaaten mit der Wahrnehmung der Interessen beauftragt werden, unterliegen nicht der Pflicht. Gräßle: “Es gibt keinen Grund, die Kontakte von Abgeordneten mit Drittstaaten nicht zu veröffentlichen.” Sie fordert zudem dazu auf, die Rolle von NGOs näher unter die Lupe zu nehmen.
Rasmus Andresen (Grüne), Chef der deutschen Gruppe, sieht es ähnlich: “Es gibt immer wieder Hinweise, dass einige NGOs ihren Status missbrauchen, um zwielichtige Lobbyaktivitäten zu betreiben.”
Gräßle und Andresen kritisieren zudem die fehlende Transparenz bei den Aktivitäten sogenannter Freundschaftsgruppen, die es neben der offiziellen Delegiertengruppe im EU-Parlament für die Beziehungen zu den Parlamenten auf der Arabischen Halbinsel auch gibt. Die Mitglieder der inoffiziellen Freundschaftsgruppe Katars aus dem Europaparlament sind auf der Internetseite der Botschaft Katars aufgelistet: Es handelt sich um 14 Abgeordnete, darunter fünf Christdemokraten, zwei Liberale und ein Sozialist.
Die Aktivitäten der Freundschaftsgruppen werden teils von Drittstaaten gesponsert. Wie zu hören ist, finden zuweilen Treffen dieser Freundschaftsgruppen auch innerhalb des Parlaments statt. In den Transparenzregeln des EP heißt es: “MEPs, die Mitglied in derartigen Gruppen sind, müssen ihren Status transparent machen und dürfen sich nicht in die Aktivitäten von offiziellen Gruppierungen des Parlaments einmischen.”
14.12.2022 – 09:00-10:30 Uhr, online
Health & Law Netzwerk, Vortrag Forschung mit Gesundheitsdaten/European Health Data Space
Das Health & Law Netzwerk beschäftigt sich mit den Anforderungen, die sich aus der DSGVO und nationalen Vorgaben für die Verarbeitung von Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken ergeben. Es geht außerdem darum, wie der EU-Vorschlag zum European Health Data Space (EHDS) hier neue Möglichkeiten schafft. INFOS & ANMELDUNG
14.12.2022 – 09:30-10:30 Uhr, online
Eurogas, Panel Discussion Emergency Measures: Are we doing enough to protect consumers this winter?
Eurogas addresses what is needed to ensure the protection of consumers at this time of high energy prices and what else could be done. INFOS & REGISTRATION
14.12.2022 – 17:00-19:00 Uhr, Berlin
Berliner LpB, online Let’s talk Europe: Asylum and Migration
The Berliner Landeszentrale für politische Bildung asks how the arrival of Ukrainians in the EU after the Russian attack has changed the situation of asylum and migration politics within the EU. INFOS & REGISTRATION
14.12.2022 – 17:00-18:15 Uhr, online
ECFR, Panel Discussion From surviving to thriving: How Europe should support Ukraine in the long war against Russia
The European Council on Foreign Relations (ECFR) discusses the need for Europe to deliver enduring support to Ukraine. INFOS & REGISTRATION
14.12.2022 – 18:00-19:00 Uhr, online
FNF, Diskussion Rückblick auf die tschechische EU-Ratspräsidentschaft – die Rolle Europas in einer Welt im Wandel
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) geht der Frage nach, ob die Tschechische Republik ihre Ziele der EU-Ratspräsidentschaft erreicht hat und wie Deutschland diese bewertet. INFOS & ANMELDUNG
14.12.2022 – 18:00-19:00 Uhr, online
FNF, Vortrag Brennpunkt Afrika: Was treibt die Menschen nach Europa?
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) beschäftigt sich mit den Ursachen der Fluchtbewegung nach Europa und möglichen Ansätzen für deren Bekämpfung. INFOS & ANMELDUNG
14.12.2022 – 19:00-20:00 Uhr, online
FNF, Diskussion Krieg in Europa: Der russische Überfall auf die Ukraine – erste Bilanz und Perspektiven
Die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) setzt sich mit der künftigen Stellung Russlands angesichts des Ukraine-Krieges und dessen Auswirkungen auf das Verhältnis von Europa und den USA auseinander. INFOS & ANMELDUNG
14.12.2022 – 19:30 Uhr, online
HSS, Seminar Reallabor Energiewende
Die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) beschäftigt sich mit den Herausforderungen einer unabhängigen Versorgung mit Öl und Gas. INFIS & ANMELDUNG
15.12.-16.12.2022, Berlin/online
BDI, Konferenz 13. Deutscher Energiesteuertag
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) adressiert die europäischen und nationalen Herausforderungen der Energiebesteuerung zukünftiger Energieträger und Themen der E-Mobilität. INFOS & ANMELDUNG
15.12.2022 – 09:00-12:30 Uhr, online
ASEW, Seminar Novellierungen des GEG & der BEG in 2023
Die Arbeitsgemeinschaft für sparsame Energie- und Wasserverwendung (ASEW) geht auf die wichtigsten Inhalte des Gebäudeenergiegesetzes heute und morgen ein, verbunden mit den daraus resultierenden Anforderungen für Neu- und Bestandsbauten. INFOS & ANMELDUNG
15.12.2022 – 11:00-12:30 Uhr, online
ANEC, Seminar Standards and the AI Act: What impact can AI standards have and how to influence them?
The European consumer voice in standardisation (ANEC) discusses the future of AI regulation and the role standards will play in it. INFOS & REGISTRATION
15.12.2022 – 14:00-15:00 Uhr, Berlin
KAS, Podiumsdiskussion Zeitenwende? Deutschland, Europa und die globale Ordnung
Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) lädt zur Diskussion mit Christoph Heusgen, Carlo Masala und Norbert Lammert. INFOS & ANMELDUNG
15.12.2022 – 18:00 Uhr, online
HSS, Seminar Kein Gas und Öl mehr aus Russland – geraten wir jetzt in neue Abhängigkeiten von Diktaturen in der Golfregion?
Die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) setzt sich mit den Gefahren einer neuen Energie-Abhängigkeit von Diktaturen in der Golfregion auseinander. INFOS & ANMELDUNG
15.12.2022 – 19:00-21:00 Uhr, Bremen
EPB, Vortrag Wie steht es um die Europäische Souveränität?
Der Europa Punkt Bremen (EPB) geht der Frage nach, wohin Europa im Angesicht multipler Krisen steuert. INFOS & ANMELDUNG
Um 4:50 Uhr heute Morgen haben die Unterhändler von EU-Parlament, Rat und Kommission eine Einigung zur Einführung des CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) gefunden. Die Einigung im Trilog sieht vor:
Der CBAM soll Nachteile europäischer Produzenten im internationalen Wettbewerb aufgrund des CO2-Preises in der EU verhindern, indem Importeure einen Grenzausgleich in Höhe des CO2-Preises zahlen. Bisher muss die Industrie für einen Großteil ihrer Emissionen nicht zahlen, sondern bekommt die Emissionsrechte kostenlos zugeteilt. Mit der Reform des europäischen Emissionshandels (ETS) sollen diese Freizuteilungen schrittweise abgeschmolzen werden. Der CBAM tritt an deren Stelle.
Es sei einer der wenigen Mechanismen, die man habe, um Handelspartnern Anreize zur Dekarbonisierung ihrer Industrie zu geben, sagte Parlamentsberichterstatter Mohammed Chahim (S&D) in den frühen Morgenstunden. “Darüber hinaus ist es eine Alternative zu unseren derzeitigen Maßnahmen gegen Carbon Leakage, die es uns ermöglichen, das Verursacherprinzip auf unsere eigene Industrie anzuwenden – eine Win-win-Situation.”
Trotz der Trilog-Einigung ist noch offen, ob europäische Exporteure aus den CBAM-Sektoren weiterhin Freizuteilungen bekommen sollen. Wenn der CO2-Preis bei EU-Produzenten erhoben wird und beim Export kein Ausgleich dieser Kosten gezahlt wird, kann sich das negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Exporte auswirken. Auch Start- und Enddatum sowie Geschwindigkeit der schrittweisen CBAM-Einführung stehen noch aus.
Es gilt als das politisch brisanteste Thema, da vor allem das Parlament eine möglichst schnelle Abschmelzung der Freizuteilungen fordert, während die Mitgliedsländer der Industrie mehr Zeit geben wollen, um sich an die neuen Regeln anzupassen (Europe.Table berichtete). Diese noch offenen Fragen sollen kommendes Wochenende beim Jumbo-Trilog in Brüssel geklärt werden, wenn die Verhandler für ETS, CBAM und Klimasozialfonds zu einer großen Verhandlungsrunde zusammenkommen. Von der Einigung bei den Freizuteilungen hängt auch die Länge der CBAM-Übergangsphase ab. luk
Deutschland und die anderen EU-Staaten sollten nach Ansicht von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine weitgehende Überarbeitung des langfristigen EU-Haushalts in Erwägung ziehen. Ein “frischer Blick” auf das Budget würde auch die Tür für die Schaffung eines Souveränitätsfonds öffnen, sagte von der Leyen am Montag in Brüssel. Der aktuelle Haushalt für den Zeitraum von 2021 bis Ende 2027 sei zu einem Zeitpunkt beschlossen worden, als man noch keine Ahnung von der bevorstehenden Krise gehabt habe.
Deutschland ist als größter EU-Nettozahler bislang strikt gegen eine Aufstockung des in äußerst mühsamen Verhandlungen vereinbarten EU-Budgets für die Jahre 2021-2027. Ähnliches gilt für ein neues schuldenfinanziertes EU-Programm nach Vorbild des Corona-Aufbaufonds.
Mit einem sogenannten Souveränitätsfonds will von der Leyen insbesondere auch auf das milliardenschwere US-Programm zur Förderung klimafreundlicher Technologien reagieren. Bei ihm handelt es sich um einen Investitionsplan im Umfang von rund 369 Milliarden Dollar, mit dem ein neues industrielles Ökosystem in strategischen Sektoren für saubere Energie aufgebaut werden soll. Subventionen und Steuergutschriften sind daran geknüpft, dass Unternehmen US-Produkte verwenden oder in den USA produzieren.
In der EU wird es deswegen als diskriminierend angesehen und unvereinbar mit Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) gehalten. Gleichzeitig werden Rufe laut, notfalls ein eigenes Investitionsprogramm aufzustellen.
Von der Leyen sagte am Montag, grundsätzlich könnte der Souveränitätsfonds nicht nur aus bestehenden Geldtöpfen, sondern auch aus anderen Quellen finanziert werden. Details nannte sie nicht, auch nicht zur möglichen Höhe eines solchen Finanzierungsinstruments. dpa
Die EU-Staaten haben sich am Montagabend noch nicht auf ein neuntes Sanktionspaket gegen Russland verständigt. Laut EU-Diplomaten gibt es noch Differenzen in einigen technischen Fragen, insbesondere in Bezug auf den Agrarsektor. Die Gespräche sollen heute fortgesetzt werden, um möglichst eine Einigung vor dem EU-Gipfel am Donnerstag zu erreichen.
Einig sind sich die Mitgliedstaaten darin, weitere rund 200 russische Personen und Gruppen auf die Sanktionsliste zu setzen. Die Sanktionen zielten auf Militär und Verteidigungssektor ebenso wie auf die politische Führung in der Duma und im Föderationsrat, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach einem Treffen der Außenminister. Man nehme auch “diejenigen ins Visier, die für die Plünderung des ukrainischen Getreides und für die Deportation ukrainischer Menschen, insbesondere von Kindern, verantwortlich sind”.
Die EU-Außenminister beschlossen auch neue Sanktionen gegen Iran wegen der rücksichtslosen Niederschlagung der Proteste. Demnach werden 20 Personen und eine Körperschaft wegen Verstößen gegen die Menschenrechte mit Strafen belegt. Dazu gehört das Einfrieren von Vermögen und das Verbot der Einreise in die EU. tho/rtr
Die vielen weißen Flecken zeigen es: Der Breitbandausbau kommt nicht so voran, wie er es sollte. Das ist nicht nur in Deutschland so, das im europäischen Vergleich im Mittelfeld liegt. Daher hat die Europäische Kommission am Montag neue Leitlinien für staatliche Beihilfen für Breitbandnetze (Breitbandleitlinien) beschlossen. Damit aktualisiert sie die bestehenden Leitlinien von 2013.
Die Breitbandleitlinien legen fest, was aus Sicht der Kommission als staatliche Beihilfemaßnahme der Mitgliedstaaten zur Förderung der Breitbandanbindung mit dem Binnenmarkt vereinbar ist. Ziel ist es, staatliche Zuweisungen in einem Umfang zuzulassen, der die digitale Kluft verringert, ohne dem Wettbewerb zu schaden. Vor der Revision hatte die Kommission im Jahr 2020 eine umfangreiche Konsultation durchgeführt.
Die wichtigsten Änderungen sind:
Die Revision der Breitbandleitlinien ergänzt andere laufende Initiativen wie die Überarbeitung der Richtlinie über die Senkung der Breitbandkosten. Die neuen Leitlinien treten am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Das wird wohl im Januar 2023 der Fall sein. vis
Die EU-Kommission wird in den kommenden Tagen ihren Vorschlag für eine Angemessenheitsentscheidung im Rahmen des sogenannten EU-US-Data Privacy Framework vorlegen. Diese soll die Voraussetzung dafür sein, dass Unternehmen personenbezogene Daten, die der DSGVO unterliegen, künftig rechtssicher in die USA transferieren können. Äußerungen, dass dies bereits am heutigen Dienstag geschehen würde, wollte der Sprecher des EU-Justizkommissars am Montagabend nicht bestätigen.
Der Entwurf der EU-Kommission wird sich dabei auf die Zusicherungen des US-Präsidenten Joe Biden stützen, die er in seinen Präsidialverfügungen, den sogenannten Executive Orders, festgehalten hat. Unter anderem das wird von Kritikern moniert: Präsidialverfügungen seien jederzeit änderbar, anders als vom US-Kongress beschlossene Gesetze.
“Es ist eine Präsidialverfügung im gleichen Umfang wie ein Gesetz”, sagte Justizkommissar Didier Reynders am Montag bei einer Veranstaltung. Natürlich werde die Angemessenheitsentscheidung vor dem Europäischen Gerichtshof infrage gestellt werden. Bereits zweimal war eine Adäquanz-Entscheidung der Kommission vom EuGH verworfen worden.
Es gebe vor Gericht zwar “keine Garantien dafür”, dass die Angemessenheitsentscheidung dort Bestand habe. Er sei aber zuversichtlich, da die ausgehandelten Zusagen “robust sind”, meint Reynders. Andere Probleme, etwa was die beiden Streitpunkt der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit von Datenverarbeitungen durch Nachrichtendienste betreffen, seien auch in der EU problematisch.
Im Anschluss an den Vorschlag der Kommission werden sich die EU-Datenschutzaufsichtsbehörden, die Mitgliedstaaten und das Europaparlament mit dem Entwurf beschäftigen. Sobald dieser Teil des Verfahrens abgeschlossen ist, könnten sich – so der Plan der EU-Kommission – Unternehmen beim transatlantischen Datentransfer auf die neue Rechtsgrundlage stützen. US-Unternehmen warten dringend darauf.
Nach einer Prüfung in den kommenden Tagen wolle NOYB entscheiden, ob sie gegen eine Angemessenheitsentscheidung erneut klagen wolle, sagt Max Schrems, Vorstandsvorsitzender der NGO. Er glaube kaum, dass diese einer Überprüfung durch die Richter in Luxemburg standhalten werde: “Die Europäische Kommission scheint immer wieder ähnliche Entscheidungen zu erlassen, die einen eklatanten Verstoß gegen unsere Grundrechte darstellen.” Würde auch die Neuregelung vor dem EuGH scheitern, wäre dies eine herbe politische Niederlage für Kommissionspräsidentin von der Leyen und Justizkommissar Reynders. fst
Zur Lösung der politischen Krise im EU-Land Bulgarien hat der mit der Regierungsbildung beauftragte Nikolaj Gabrowski ein überparteiliches, pro-westliches Kabinett vorgeschlagen. Der parteilose Gabrowski, der vom Mitte-Rechts-Wahlsieger GERB als Ministerpräsident aufgestellt worden war, nominierte am Montag vor allem Experten für seine Regierung. Diese soll das derzeit regierende Übergangskabinett ablösen – das EU-Land Bulgarien hat zweieinhalb Monate nach einer Neuwahl noch keine reguläre Regierung.
Das Parlament wird noch in dieser Woche über Gabrowskis Vorschlag abstimmen, der Ausgang dieser Abstimmung ist offen. Gabrowski hatte den Auftrag zur Regierungsbildung vor einer Woche von Staatschef Rumen Radew erhalten.
“Wir haben keine Zeit (zu verlieren)”, sagte Gabrowski mit Blick auf die Krisenlage in Bulgarien. Er selbst gilt als Kompromissfigur. Mit lediglich 67 Abgeordneten im 240 Sitze umfassenden Parlament hat die GERB bei Weitem keine Mehrheit und ist auf Partner angewiesen. Im Parlament sind sieben Parteien vertreten. Gabrowski warnte vor einer weiteren Neuwahl: “Dies wird in vielen Hinsichten eine Katastrophe für Bulgarien sein”, sagte er. Sollten dieser Versuch der Regierungsbildung und zwei weitere Anläufe scheitern, müsste es im Frühjahr eine fünfte Neuwahl binnen zwei Jahren geben.
Vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs setzte Gabrowski ein starkes Zeichen für die Kontinuität von Bulgariens pro-westlicher Orientierung. Für den Posten des Außenministers nominierte er den früheren Botschafter des Landes bei der Nato, Dragomir Sakow. Dieser war bereits Verteidigungsminister in der im Juni gestürzten liberal-sozialistischen Regierung von Ex-Ministerpräsident Kiril Petkow gewesen. dpa
Éric Ciotti wäre in diesem Jahr gern Frankreichs Präsident geworden. Doch Valérie Pécresse setzte sich im Vorwahlkampf der konservativen Republikaner gegen ihn durch und trat als Spitzenkandidatin gegen Emmanuel Macron an.
Nun hat der 57-jährige Ciotti einen verspäteten Sieg errungen: Er wurde am Wochenende von den Parteianhängern mit 53,7 Prozent der Stimmen in einer Stichwahl zum neuen Präsidenten der Republikaner gewählt. Er war der Favorit der Partei, die immer weiter nach rechts abdriftet. Schon Pécresse hatte den Rechtsruck der einstigen Mitte-Rechts-Partei beschleunigt, mit Ciotti steuert diese noch weiter nach außen: Seine Ideen liegen nicht weit von den Rechtspopulisten entfernt.
Ciotti ist Abgeordneter aus dem südfranzösischen Nizza. Im Präsidentschaftswahlkampf setzte er auf die klassischen Themen der Rechten: Sicherheit und Einwanderung. In Frankreich wird er auch “Monsieur Sicherheit” genannt. Er will die Nation retten, Sozialhilfen für Ausländer abschaffen und die Einwanderungsgesetze verschärfen. “Frankreich muss Frankreich bleiben”, verkündete er immer wieder.
“Ich will eine strikte Rechte, die wieder Ordnung auf der Straße schafft”, sagte Ciotti nach seiner Wahl. Er steht für eine Vereinigung der Rechten. “Ciotti flirtet nicht mehr mit dem Rechtsextremismus, er ist mittendrin”, zitierte die eher linke Zeitung “Libération” einen ehemaligen Parteigenossen Ciottis.
Hinter ihm steht der unbeliebte Ex-Parteichef Laurent Wauquiez, der schon lange davon träumt, Präsident zu werden. Ciotti hat sich bereits für den stramm-rechten Politiker als Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2027 ausgesprochen und stellt eigene Ambitionen erstmal zurück. Im Zweiergespann wollen die beiden die Republikaner zur Präsidentschaft führen. Doch bis dahin ist es noch lange hin. Zuerst einmal muss Ciotti Ordnung in seiner Partei schaffen, die in mehrere Lager zerfallen ist.
Ciotti hatte zahlreiche Ämter in der Politik, war aber nie Minister. Er hat seine politische Karriere in den 1990er-Jahren nach einem Abschluss an der renommierten Politikhochschule Sciences Po in Paris begonnen. Er begleitete danach Christian Estrosi, Bürgermeister von Nizza, in mehreren Ämtern, war parlamentarischer Mitarbeiter, Wahlkampfmanager und stellvertretender Bürgermeister von Nizza. Heute sind die beiden Rivalen. Estrosi hat sich Macron angeschlossen, während Ciotti ein Bündnis mit dem Präsidenten immer klar ausgeschlossen hat. Er würde eher für den rechtsextremen Éric Zemmour als für Macron stimmen, erklärte er bei den vergangenen Präsidentschaftswahlen.
Kurz vor der Wahl für den Parteivorsitz geriet Ciottis Kampagne noch in Gefahr. Französische Medien enthüllten, dass die Finanzstaatsanwaltschaft ein Verfahren gegen seine Ex-Frau eingeleitet hat, wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder. Ciotti soll sie jahrelang in seinem Abgeordnetenbüro im Parlament und im Rathaus von Nizza beschäftigt haben. Das erinnert an den Skandal von Ex-Premierminister François Fillon, der 2017 Präsident werden wollte. Die Wahl gewann Ciotti trotzdem.
Auf ihn kommt eine große Herausforderung zu. Seine Partei kämpft ums Überleben, er muss sie aus dem Schatten holen. In den vergangenen Jahren blieb für die Republikaner nicht viel Platz zwischen Macron in der liberalen Mitte und den Parteien von Marine Le Pen und Éric Zemmour.
Die rechts-bürgerliche Partei von Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy ist seit zehn Jahren in der Opposition. Viele Parteigrößen sind zu Macron abgewandert. Die Fraktion im Parlament ist von mehr als 300 Abgeordneten auf 62 geschrumpft. Pécresse holte als Präsidentschaftskandidatin im Mai nicht einmal fünf Prozent der Stimmen. Ciotti glaubt, dass die Republikaner untergehen werden, sollten sie 2027 nicht den Präsidentschaftswahlkampf gewinnen. Tanja Kuchenbecker