eine Abkühlphase für Ex-Abgeordnete und das Ende des unbegrenzten Zugangs zum Parlament mit Ehemaligen-Ausweis: Mit diesen und weiteren Vorschlägen will Parlamentspräsidentin Roberta Metsola das EP transparenter machen. Es ist der Versuch, das Image der Institution aufzubessern, das im Zuge des Korruptionsskandals um Eva Kaili stark gelitten hat. Charlotte Wirth hat sich die Vorschläge genauer angesehen und einige Schlupflöcher entdeckt.
Wer folgt auf Eva Kaili? Nach den Absprachen zwischen den Fraktionen steht der frei gewordene Vizepräsidenten-Posten der S&D-Fraktion zu. Nun ist entschieden, wen die Sozialisten für die Wahl aufstellen. Mehr erfahren Sie in den News.
Zum Jahreswechsel ist in Deutschland das neue Lieferketten-Gesetz in Kraft getreten. Damit werden große Unternehmen stärker zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltauflagen verpflichtet. Die deutsche Wirtschaft reagiert bislang eher gelassen auf die Neuerungen. Denn das Gesetz falle in seiner bisherigen Ausführung recht zahm aus – während der entsprechende EU-Vorschlag in einigen Punkten deutlich weiter gehe, analysieren Felix Lee und Charlotte Wirth.
Vierzehn Punkte umfasst der Reformvorschlag, den Roberta Metsola heute vorstellen wird. Knapp einen Monat nach Bekanntwerden des Korruptionsskandals um Vizepräsidentin Eva Kaili arbeitet die Parlamentspräsidentin daran, das Image ihrer Institution aufzubessern. Organisationen wie Transparency International warfen dem Parlament vor, zu schwache Transparenzregeln hätten dazu geführt, dass solch ein Skandal sich überhaupt ereignen konnte.
Metsolas Vorschläge beinhalten unter anderem folgende Punkte:
Transparency International hat bereits auf den geleakten Vorschlag von Roberto Metsola reagiert. Die vorgebrachten Änderungen seien “lange überfällig” und würden es Drittstaaten deutlich schwerer machen, unlauteren Einfluss auf die Arbeit der EU-Parlamentarier zu nehmen.
In manchen Punkten gehe der Vorstoß allerdings nicht weit genug. So seien Abgeordnete zum Beispiel weiter nur dazu angehalten, Reisen zu deklarieren, die von Dritten bezahlt wurden. Abgeordnete haben allerdings ein eigenes Reisebudget (travel allowance), über das sie keine Rechenschaft ablegen müssen – vorausgesetzt, sie lassen sich von dem jeweiligen Land schriftlich “in ihrer Funktion als Abgeordnete” einladen.
Insbesondere die neuen Zugangsregeln für ehemalige Abgeordnete dürften einigen Ex-Parlamentariern bitter aufstoßen. Die Nutzung des Parlamentszugangs für Lobbyzwecke ist im Europaparlament eine recht gängige Praxis. Bestes Beispiel: der ehemalige EVP-Abgeordnete und ehemalige italienische Verteidigungsminister Mario Mauro. Im Parlament saß Mauro bis 2013. Seit mindestens 2011 betreibt er allerdings seine eigene Lobbyfirma Meseuro, die seit 2020 im parlamentarischen Lobbyregister registriert ist. Seit 2018 arbeitet Mauro zudem für die Beratungsfirma Sec Newgate.
Unter seinen Kunden ist etwa die Confédération Générale des Entreprises du Maroc (CGEM), wie Sec Newgate bestätigt. 2020 machte sich Mauro in der europäischen Presse in seiner Funktion als ehemaliger Minister insbesondere für Marokkos Souveränität über die Westsahara stark. Bis gestern hatte Mario Mauro für keine der Unternehmen eine Lobby-Akkreditierung, wie es die Transparenzregeln vorsehen, sondern nutzte seinen Ehemaligen-Zugang etwa für ein Treffen mit der Kommissionspräsidentin von der Leyen im Auftrag der Consultancy Sec Newgate. Solche Interessensvermischungen dürften Metsolas 14 Punkte in Zukunft erschweren.
Allerdings sind die Vorschläge der Parlamentspräsidentin nicht an stärkere Sanktionen gebunden. Die Abgeordneten riskieren weiterhin nicht viel, wenn sie den Verhaltenskodex ignorieren. UKIP und der Front National etwa mussten dem Parlament in der vergangenen Legislatur wegen Veruntreuung ihrer Kostenvergütungen und der Beschäftigung von Scheinangestellten lediglich die Summe der veruntreuten Gelder zurückzahlen.
In der Regel gehen die Sanktionen des EU-Parlaments nicht über das Aussetzen der Tagegelder für eine Dauer von bis zu 30 Tagen hinaus. Das dürfte kaum der Abschreckung dienen. Bestes Beispiel: Die Luxemburger Abgeordnete Monica Semedo (Renew) wurde erst 2021 für das Mobben ihrer Mitarbeiter für 15 Tage suspendiert. Kaum ein Jahr später drohen ihr wieder Sanktionen, erneut wegen Mobbing.
Sanktionen wie diese sind äußerst selten. In der vergangenen Legislatur prüfte das Parlament lediglich 24 mögliche Regelverstöße. In keinem Fall kam es zu Sanktionen. Zudem liegt die Entscheidung über Sanktionen und deren Umfang allein bei der Parlamentspräsidentin.
Roberta Metsola hat allerdings selbst Nachholbedarf bei der Wahrung des Verhaltenskodexes. Die Parlamentspräsidentin war in der vergangenen Legislatur Mitglied des Lenkungsausschusses des European Parliamentary Financial Services Forum (EPFSF)*, einer Organisation die führende Player und Lobbyorganisationen der Finanzindustrie (darunter der europäische Bankenverband, Allianz, JPMorgan oder Blackrock) und EU-Abgeordnete zusammenbringt und regelmäßig zu Policy Briefs einlädt. Metsola hatte diese Mitgliedschaft nicht in ihrer finanziellen Erklärung vermerkt, obwohl sie der Verhaltenskodex (Artikel 4 d) dazu verpflichtete.
Das Sekretariat des Interessenvereins, der in Belgien als gemeinnütziger Verein angemeldet ist, wird von der Beratungsfirma Kreab gestellt, die ebenfalls die Interessen der Finanzindustrie vertritt. Weitere Mitglieder des Lenkungsausschusses sind etwa Markus Ferber (CSU) und Stefan Berger (CDU). Ferber, der regelmäßig bei Berichten federführend ist, die die Finanzbranche betreffen, hat seine Mitgliedschaft im EPFSF immerhin angegeben.
Interessensvertretergruppen wie der EPFSF gibt es in Brüssel etliche. Sie gewähren Unternehmen und Verbänden einen formalisierten, privilegierten Zugang zu Parlamentariern, auch wenn diese an Dossiers arbeiten, die die Branche direkt betreffen. Da diese Zusammenkünfte kaum im Parlament selbst stattfinden, müssen sie weder unter den aktuellen Regeln noch unter Metsolas Reformvorschlägen als Lobbytreffen vermerkt werden.
Unklar bleibt noch, wie schnell die Umsetzung von Metsolas Reformplänen voranschreiten wird. Einige Vorschläge, etwa die Regeln für ehemalige Parlamentarier, sind nämlich in der Verfahrensordnung des Parlamentes verankert. Um sie anzupassen, müssen die Vorschläge zunächst vom Komitee für konstitutionelle Angelegenheiten (AFCO) und später dem Plenum abgesegnet werden. Andere Vorschläge, etwa Fortbildungen zu Finanzregeln, lassen sich einfacher durchsetzen. Eine Taskforce, der Mitglieder des parlamentarischen Beratungskomitees, des Sekretariats und Metsola selbst angehören, sollen die Vorschläge weiter ausarbeiten.
*In einer früheren Version des Artikels hatte es unter Berufung auf die EPFSF-Website geheißen, Roberta Metsola sei weiterhin Mitglied des Lenkungsausschusses des Forums. Metsolas Sprecher stellte inzwischen klar, die Parlamentspräsidentin habe in der laufenden Legislatur keine Beziehungen zum EPFSF gehabt und sei weder in dieser, noch in der letzten Legislatur in das Management der Organisation eingebunden gewesen. Sie habe auch keinerlei finanzielle Zuwendungen von der Organisation erhalten. Die EPFSF-Homepage wurde inzwischen entsprechend aktualisiert.
Bislang hält sich der Ärger über das neue Lieferkettengesetz in Grenzen. In der deutschen Öffentlichkeit echauffiert sich bislang nur einer über das Gesetz: Wu Ken, der chinesische Botschafter. China werde sich nicht in die Gesetzgebung von Deutschland einmischen, sagte er in einem Interview im “Handelsblatt”. “Doch die Politisierung von Wirtschafts- und Handelsfragen verzerrt die Prinzipien der Marktwirtschaft.”
Der Botschafter der Volksrepublik sieht in dem neuen Gesetz, das Firmen in Deutschland dazu verpflichtet, Menschenrechtsstandards und Vorgaben gegen Umweltverschmutzungen in ihren Lieferketten einzuhalten, offenbar einen gezielten Angriff auf China. Einige Länder würden ein solches Gesetz nutzen, “um sich über die inneren Angelegenheiten anderer Staaten auszulassen”, wetterte der Botschafter. Sein Land werde alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, “um die legitimen Rechte und Interessen seiner Unternehmen konsequent zu schützen”, sagte er, ohne jedoch Details zu nennen.
Dass sich die Aufregung ansonsten bislang in Grenzen hält, dürfte einen Grund haben: Das Lieferkettengesetz fällt in seiner bisherigen Ausführung recht zahm aus.
Im Kern müssen deutsche Unternehmen, aber auch ausländische Unternehmen mit Zweigniederlassung oder Tochterunternehmen in Deutschland, zwar ihre Lieferketten genauer in den Blick nehmen und mittels eines elektronischen Verfahrens dokumentieren. Wer Kinderarbeit, sittenwidrige Löhne oder Umweltsauereien bei Zulieferern billigend in Kauf nimmt, muss mit Bußgeldern in Millionenhöhe rechnen. Für große Unternehmen könnte es daher Sinn ergeben, einen Menschenrechtsbeauftragten einzustellen. Volkswagen hat das bereits getan.
Doch es gibt lediglich eine Bemühenspflicht, keine Erfolgspflicht. Bei indirekten Zustellern müssen die Unternehmen zudem erst tätig werden, wenn Anhaltspunkte über Menschenrechtsverletzungen wie Armutslöhne oder Kinderarbeit in der Region vorliegen, wo die Fabrik des Zulieferers steht. Wenn Verstöße nachgewiesen sind, werden die betreffenden Firmen nicht sofort abgestraft, sondern erst, wenn sie nichts dagegen tun.
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), das für die Einhaltung des neuen Gesetzes zuständig ist, betont zwar, dass es
Der umsatzbezogene Bußgeldrahmen gilt jedoch nur für Unternehmen mit mehr als 400 Millionen Euro Jahresumsatz. Zudem tritt das neue Gesetz nur stufenweise in Kraft. Ab diesem Jahr gilt es zunächst einmal nur für große Firmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten – das sind etwa 600, ab 2024 für knapp 3.000 Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten.
Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen haben die Möglichkeit, bei Hinweisen von Menschenrechtsverletzungen zu klagen, wenn die Opfer dem auch konkret zustimmen. Doch eine zivilrechtliche Unternehmenshaftung gibt es nicht. Das bedeutet: Die Opfer haben keine Aussicht auf Schadensersatz von den Firmen. Es kann aber das BAFA mit seinen Bußgeldforderungen einschreiten.
Die meisten deutschen Unternehmen sehen in der derzeitigen Fassung des Lieferkettengesetzes auch noch kein Problem fürs Geschäft. “Für uns hat sich nicht so viel geändert”, sagt Jan Philippi, der eine Designmanufaktur in der Nähe von Hamburg betreibt und viele seiner angebotenen Waren aus China bezieht. Seine Firma habe bereits vorher von seinen chinesischen Partnern einen Verhaltenskodex (code of conduct) ausgemacht. Er hat deren Angaben zusätzlich bei Fabrikbesuchen persönlich überprüft.
Anders könnte sich die Lage darstellen, wenn für das europäische Gesetz gestimmt wird. Denn der EU-Vorschlag geht in einigen Punkten deutlich weiter als das deutsche Gesetz. So sind beispielsweise bereits Unternehmen ab 500 Mitarbeitern und einem Jahresnettoumsatz von 150 Millionen Euro betroffen. In Risikobranchen müssen auch Unternehmen ab 250 Mitarbeitern und 40 Millionen Euro Umsatz Sorgfaltspflicht leisten. Der Vorschlag gilt für die gesamte Wertschöpfungskette und nicht nur für die erste Stufe der Lieferkette.
Außerdem sieht der Kommissionsentwurf im Gegensatz zum deutschen Gesetz eine zivilrechtliche Haftung vor und vereinfacht Opfern von Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden den Zugang zu Gerichten. Die Haftung gilt auch für Schäden, die außerhalb der EU entstanden sind. Allerdings sind Unternehmen nur haftbar, wenn die Betroffenen nachweisen können, dass sie ihren Pflichten nicht nachgekommen sind.
Das Gesetz wird voraussichtlich in der zweiten Legislaturhälfte in den Trilog gehen. Das Parlament stimmt im März im JURI-Ausschuss und erst im Mai im Plenum über seine Position ab. Federführend ist die Sozialdemokratin Lara Wolters, die in ihrem Bericht den Kommissionsvorschlag erheblich nachgeschärft hat. Der Rat hat seinerseits im Dezember seine Allgemeine Ausrichtung vorgelegt. Dieser fällt schwächer aus als der Kommissionsvorschlag und nimmt insbesondere die Finanzbranche fast gänzlich von der Sorgfaltspflicht aus.
Die Deutsche Handelskammer in China betrachtet das deutsche Lieferkettengesetz generell als “Chance, die soziale und ökologische Situation weltweit zu verbessern”. Jens Hildebrandt, geschäftsführendes Vorstandsmitglied in Peking, räumt zwar ein, dass das Gesetz die deutschen Unternehmen in China “auch vor Herausforderungen” stellt. Laut ihrer jüngsten Geschäftsklimaumfrage nur knapp ein Drittel der Unternehmen Probleme, die Anforderungen des Lieferkettengesetzes vollständig zu erfüllen.
Teilweise gebe es Schwierigkeiten bei der Kommunikation mit Lieferanten vor Ort oder der Überprüfung von Produktionsstätten, so Hildebrandt. Trotz dieser Hürden würden aber nur wenige Unternehmen eine Neuaufstellung ihrer Zulieferer erwägen. Ganze 86 Prozent der Unternehmen müssen keine weiteren Handlungen zur Umstrukturierung ihrer Lieferketten durchführen, betont Hildebrandt.
Für große deutsche Firmen, die in Xinjiang produzieren, dürfte es allerdings deutlich schwieriger werden. Das Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen wirft der Führung in Peking vor, Uiguren und andere Angehörige muslimischer Minderheiten willkürlich in Haftlagern festzuhalten. Seit Jahren gibt es Vorwürfe der Zwangsarbeit in den Fabriken, die US-Regierung spricht sogar von einem Genozid. Deutschen Unternehmen, die in Xinjiang Fabriken betreiben, wie etwa Volkswagen oder BASF, konnte zwar nicht nachgewiesen werden, dass in ihren Lieferketten Zwangsarbeit stattfindet. Aber sie dürften mit dem Lieferkettengesetz stärker ins Visier von Nichtregierungsorganisationen und Prüfbehörden geraten.
Das zuständige BAFA will nicht zuletzt personell für solche Fälle deutlich aufstocken. Zum Jahreswechsel wurden bereits rund 50 Personen an der neuen Außenstelle der Behörde in Borna bei Leipzig zum Lieferkettengesetz eingestellt. Bis Sommer 2023 ist geplant, deren Zahl auf etwa 100 zu verdoppeln. Mit Charlotte Wirth
16.01.2023 – 18:00 Uhr, Berlin/online
TU Berlin, Seminar Die EU-Whistleblower-Richtlinie und das Hinweisgeberschutzgesetz: Was kommt auf Gesundheitsunternehmen zu?
Diese Veranstaltungsreihe der Technischen Universität (TU) Berlin befasst sich mit den aktuellen Entwicklungen und Veränderungen im Gesundheitswesen.
INFOS
16.01.-18.01.2023, Bonn
FES, Seminar Wer zahlt die Zeche? Internationale Finanzkrisen und Wirtschaftspolitik
Weitere Informationen folgen auf der Webseite der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). INFOS & ANMELDUNG
17.01.2023 – 10:00 Uhr, online
TÜV Rheinland, Seminar ISO/IEC 27001:2022 revision – Requirements for Information Security, Cybersecurity and Privacy Protection
The information security standard, ISO/IEC 27001, was revised in 2022. At this event, the main changes and benefits of this update will be explained. INFOS & REGISTRATION
17.01.2023 – 10:00 Uhr, Berlin
EBD, Vortrag Briefing Schwedische EU-Ratspräsidentschaft
Bei dieser Veranstaltung der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD) wird das Programm der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft vorgestellt sowie aus Sicht der Bundesregierung bewertet. ANMELDUNG
17.01.2023 – 14:00-15:30 Uhr, online
Eco, Seminar Fördermöglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen im Rahmen von Horizont Europa und Digitales Europa
Die Referenten des Verbandes der Internetwirtschaft (Eco) stellen verschiedene Fördermöglichkeiten im Rahmen der Programme “Horizont Europa”, “Digitales Europa” und des EIC Accellerators vor. ANMELDUNG
17.01.2023 – 17:30-20:00 Uhr, Berlin
KAS, Podiumsdiskussion Bundeswehr der Zukunft – Verantwortung und Künstliche Intelligenz
Bei dieser Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) werden aktuelle Entwicklungen der Künstlichen Intelligenz und deren Bedeutung im militärischen Einsatz diskutiert. INFOS & ANMELDUNG
Die Sozialisten schicken den Luxemburger Abgeordneten Marc Angel als ihren Kandidaten in die Wahl für den Posten des Vizepräsidenten im Europaparlament. Bei den Grünen setzte sich Gwendoline Delbos-Corfield aus Frankreich durch. Angel kandidiert für den Posten der griechischen Abgeordneten Eva Kaili, die im Zuge des Korruptionsskandals als Vizepräsidentin abgesetzt wurde und seitdem in Belgien in Untersuchungshaft sitzt.
Es gibt 14 Vizepräsidenten im EP. Nach den Absprachen zwischen den Fraktionen steht der frei gewordene Posten der S&D-Fraktion zu. Daher hat Angel auch die besseren Chancen, am Dienstag im Straßburger Parlament gewählt zu werden.
Angel setzte sich in der Fraktion, die aus 145 Abgeordneten besteht, in einer Kampfabstimmung im dritten Wahlgang mit 67 zu 37 Stimmen gegen Victor Negrescu aus Rumänien durch. Der Luxemburger engagiert sich für LGBTQ-Rechte, Negrescu hat sich in Rumänien mit der Bekämpfung der Korruption einen Namen gemacht. Wie am Rande der Fraktionssitzung zu hören ist, hat sich die Fraktion noch nicht auf das Mandat für die Kommission zur internen Aufarbeitung des Skandals geeinigt.
Wie gestern außerdem bekannt wurde, hat die Korruptionsaffäre weitere personelle Konsequenzen bei den Sozialisten: Die belgische Abgeordnete Maria Arena ist laut Medienberichten von ihrem Amt als Vorsitzende des Unterausschusses für Menschenrechte des Europäischen Parlaments zurückgetreten. Bereits kurz nach Bekanntwerden der Korruptionsfälle hatte sie ihr Amt ruhen lassen. Zu dieser Zeit hatte die Polizei das Büro ihrer Assistentin durchsucht. Bei ihr selbst habe es jedoch keine Durchsuchungen gegeben und sie stehe nicht im Fokus der Justiz, betonte sie in der Erklärung zu ihrem Rücktritt. mgr/sas
Die EU und die Ukraine wollen sich durch eine Wasserstoffpartnerschaft schneller unabhängig von Erdgas-Importen machen und langfristig den Klimaschutz vorantreiben. “Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und ihre Bevölkerung hat die dringende Notwendigkeit erhöht, die Energieversorgung zu diversifizieren und die Abhängigkeit von Energieeinfuhren aus Russland zu beenden“, heißt es in einem internen Entwurf der EU-Kommission für ein Abkommen, der Europe.Table vorliegt.
Der Export von erneuerbaren Gasen aus der Ukraine in die EU könne außerdem “die wirtschaftliche und soziale Erholung der Ukraine unterstützen“, heißt es in der Absichtserklärung zu einer “Strategischen Partnerschaft für erneuerbare Gase“. Im Rahmen des Abkommens will die EU Investitionen in erneuerbare Energien und Wasserstoffleitungen fördern und die Möglichkeit untersuchen, Gasspeicher in der Ukraine für Wasserstoff zu nutzen.
Die Strategische Partnerschaft für erneuerbare Gase ist die jüngste Ergänzung zu einem Energieabkommen zwischen der EU und der Ukraine aus dem Jahr 2005, die letzte Neuerung stammt von 2016. Die Partnerschaft zu erneuerbaren Gasen hatte der Ministerpräsident der Ukraine, Denys Schmyhal, am Montag bei einem Besuch von EU-Kommissionsvize Frans Timmermans in Kiew erwähnt, ohne Details zu nennen. ber
Malta und Griechenland liegen beim Einfrieren russischer Vermögenswerte im Zuge der Sanktionen wegen des Ukraine-Kriegs einem internen EU-Dokument zufolge deutlich hinter den anderen Ländern in der Europäischen Union. So hat Malta demnach bislang insgesamt 147.000 Euro eingefroren. Auch Griechenland liegt mit 212.000 Euro deutlich hinter anderen Staaten, wie aus dem Dokument hervorgeht, das der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt.
Dagegen hätten die 27 Mitgliedstaaten zusammen etwa 20,3 Milliarden Euro an Werten eingefroren. Deutschland, Italien, Irland, Frankreich, Spanien, Belgien, Österreich und Luxemburg hätten dabei je mehr als eine Milliarde Euro gemeldet.
Vertreter von Griechenland und Malta bestätigten die vergleichsweise niedrigen Summen. Ein Beamter der griechischen Behörden sagte, mit den 212.000 Euro seien alle Vermögenswerte erschöpft, die Athen anhand der EU-Sanktionsliste ermittelt habe. “Das Investitions-Umfeld in Griechenland begünstigt nicht den Zufluss von Kapital aus Russland und von ausländischen Unternehmen.”
Ein Sprecher des maltesischen Premierministers sagte, Malta habe anderen europäischen Ländern dabei geholfen, Vermögenswerte zu beschlagnahmen, wie etwa in Malta registrierte Yachten “Malta hat viel Arbeit investiert, um die gemeinsamen europäischen Bemühungen zu unterstützen”, sagte der Sprecher und fügte hinzu. Ein Rückgang des maltesischen Handels mit Russland sei ein weiterer Beweis für das Engagement Vallettas bei der Umsetzung von EU-Beschlüssen. rtr
Die SPD-Bundestagsfraktion fordert als Antwort auf den US-Inflation Reduction Act eine europäische Investitionsoffensive für Zukunftstechnologien. “Dazu sollen nicht genutzte Mittel aus dem EU-Wiederaufbauprogramm ‘NextGenerationEU’ umgewidmet und insbesondere das Energieinvestitionsprogramm RePowerEU zusätzlich gestärkt werden”, heißt es in einem Entwurf, der bei der anstehenden Fraktionsklausur beschlossen werden soll. Zudem solle die anstehende Überprüfung des Mehrjährigen Finanzrahmens dafür genutzt werden, industriepolitische Zukunfts- und Investitionsprojekte zu priorisieren.
Forderungen etwa aus Frankreich und der EU-Kommission nach neuen EU-Finanzierungsinstrumenten wie einem “Souveränitätsfonds” steht die SPD-Fraktion aufgeschlossen gegenüber, wie auch gegenüber ähnlichen Forderungen in der Vergangenheit. Diese seien “konstruktiv zu prüfen”, heißt es in dem Papier. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte aber zuletzt erneut betont, es gebe noch “ziemlich viele nicht ausgeschüttete Mittel”, die Europa nutzen könne. Daher gebe es derzeit keinen Bedarf nach neuen Töpfen. An dieser Position habe sich nichts geändert, heißt es in Berliner Regierungskreisen.
Die Sozialdemokraten drängen zudem auf eine Reform der EU-Beihilferegeln. Diese müssten “einen stärkeren Fokus auf die Notwendigkeiten der globalen Wettbewerbsfähigkeit legen”. Deshalb sollen die Regeln “deutlich einfacher und transparenter werden, schon ex-ante Planungssicherheit schaffen und Anreize für große Investitionen in Transformations- und Zukunftstechnologien und darauf gerichtete industrielle Innovationen setzen”. Die EU-Kommission dürfte bereits am 1. Februar dazu ihre Vorschläge vorlegen. tho
Der Google-Konzern Alphabet muss nach Einschätzung des Bundeskartellamtes seinen Nutzern mehr Wahlmöglichkeiten bei der Verarbeitung ihrer Daten einräumen. Man habe dem US-Konzern eine “ausführlich begründete Abmahnung” zukommen lassen, teilte die Behörde am Mittwoch mit. Die bislang angebotenen Wahlmöglichkeiten seien “zu intransparent und pauschal”.
Die Wettbewerbshüter stören sich konkret an der Art und Weise, wie der Konzern bei Diensten wie der Google-Suche, YouTube, Google Play, Google Maps und dem Google Assistant Daten für verschiedenste Zwecke erheben und dienstübergreifend verarbeiten kann. Google könne auch Daten über zahlreiche Webseiten und Apps von Drittanbietern sammeln. Dies betreffe auch Daten aus sogenannten Hintergrunddiensten von Google, etwa den Play Services, die teilweise regelmäßig Daten von Android-Geräten erheben.
Dabei hätten Nutzerinnen und Nutzer auf der Basis der aktuellen Konditionen keine ausreichende Wahl, ob und inwieweit sie mit dieser weitreichenden Verarbeitung einverstanden seien. Mit der Abmahnung räume man dem Unternehmen die Möglichkeit ein, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen und weitere Rechtfertigungsgründe oder Lösungsvorschläge vorzutragen. Das Bundeskartellamt rechnet noch im Januar mit einer Antwort von Google.
Unter Experten ist umstritten, ob das Kartellamt für diese Fragen überhaupt zuständig ist. Die Behörde räumte in ihrer Mitteilung ein, dass für bestimmte Dienste von Google künftig der europäische Digital Markets Act (DMA) anzuwenden sei, dessen Durchsetzung in die ausschließliche Zuständigkeit der EU-Kommission fällt. Damit wäre die deutsche Behörde außen vor. Das Kartellamt erklärte, man stehe dazu mit der Kommission im Austausch.
Behördenpräsident Andreas Mundt betonte, das Geschäftsmodell von Google baue grundlegend auf der Verarbeitung von Nutzerdaten auf. “Google hat hier einen strategischen Vorteil gegenüber anderen Unternehmen aufgrund des etablierten Zugangs zu relevanten Daten aus einer sehr großen Zahl an verschiedenen Diensten”, sagte er. Google müsse sich an den Anforderungen der neuen Wettbewerbsvorschriften für Digitalkonzerne messen lassen. “Das Unternehmen muss den Nutzerinnen und Nutzern ausreichende Wahlmöglichkeiten hinsichtlich der Verarbeitung ihrer Daten einräumen.”
Das Kartellamt beruft sich bei seinem Vorgehen auf neue Vorschriften für Digitalkonzerne im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB-Digitalisierungsgesetz), die helfen sollen, den Wettbewerb in der Internet-Wirtschaft zu sichern. Die Behörde kann danach eine marktbeherrschende Stellung von Unternehmen leichter feststellen und eingreifen, um bestimmte Verhaltensweisen zu untersagen.
Google erklärte, Ziel des Unternehmens sei es stets, Produkte anzubieten, bei denen die Nutzer an erster Stelle stünden und die die Anforderungen der Aufsichtsbehörden erfüllten. “Unserer Verantwortung kommen wir unter anderem dadurch nach, dass wir unsere Dienste kontinuierlich anpassen. Wir werden uns weiterhin konstruktiv mit dem Bundeskartellamt austauschen und versuchen, die Bedenken auszuräumen.” dpa
Wenn es zwischen deutschen und französischen Politikern knirscht, haben wenige Menschen bessere Voraussetzungen als Sabine Thillaye, um zu erklären, warum. Thillaye ist in Remscheid geborene französische Abgeordnete in der Nationalversammlung. Sie ist Mitglied im Verteidigungsausschuss, im Ausschuss für europäische Angelegenheiten und Teil der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung.
Sie erörtert deutsch-französische Missverständnisse, erklärt, warum sich Probleme aufdrängen, wenn Franzosen und Deutsche von “concept” sprechen und verschiedene Dinge meinen, und warum Deutsche anders zum Thema Schulden stehen als Franzosen. “Ich habe das Gefühl, die Franzosen sehen eher das Zukunftspotenzial und die Deutschen eher das Risikopotenzial.“
Thillaye kann darüber referieren, wie sich Sprache auf Denksysteme auswirkt. “Ein Franzose wird in einem Gespräch seltener mal richtig nein sagen als ein Deutscher, der ja schon präziser ist, alleine weil wir viele Wörter zusammensetzen.”
Erst wollte sie gar nicht nach Frankreich, lieber nach Brüssel, sich für Europa engagieren, dann heiratete sie einen Franzosen. Europa als Projekt ließ sie aber nicht los. Seit über 30 Jahren lebt sie in Frankreich, die französische Staatsbürgerschaft hat sie erst seit 2015. Macrons Betonung europäischer Fragen sei für sie, die vorher Unternehmerin war, ein Grund gewesen, in die Politik zu gehen. Bei Macrons Bewegung En Marche fing sie an, mittlerweile sitzt sie nach einem Streit mit Parteikollegen für die Demokraten in der Nationalversammlung.
Nachdem im Oktober der deutsch-französische Ministerrat abgesagt wurde, kam im Dezember eine Delegation aus dem französischen Verteidigungsausschuss nach Berlin. Vor einer kleinen Runde Journalisten sagte Thillaye da, dass man bei deutschen Politikern manchmal das Gefühl habe, man rede mit Lobbyisten, weil sie hauptsächlich die Interessen ihrer Wahlkreise vertreten. Die Treffen mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem deutschen Verteidigungsausschuss seien dann aber “sehr positiv” gewesen.
Danach habe sich Verteidigungsministerin Christine Lambrecht anderthalb Stunden Zeit für die Franzosen genommen. Nicht selbstverständlich für ein solches Treffen. Lambrecht, so schildert es Thillaye, bat um Verständnis für den Kauf der F-35-Flugzeuge, Deutschland habe ja eine Verantwortung gegenüber der Nato zur nuklearen Teilhabe. Dass Deutschland die amerikanischen Flieger gekauft hat, heiße nicht, dass man vom deutsch-französischen Rüstungsprojekt FCAS abrücken wolle.
Die Sache mit den F-35 habe auch wieder mit kulturellen Unterschieden zu tun, sagt Thillaye. “In Deutschland gibt es ein sehr kurzfristiges Denken, weil man sagt: Wir wollen jetzt Effizienz zeigen, wir brauchen eine Antwort. Es herrscht ein Kriegszustand an unseren Grenzen, wie kommen wir da im kapazitären Bereich weiter?” In Frankreich denke man da eher längerfristig und sage: “Ja, mein Gott, wir brauchen ein eigenes Flugzeug oder Abwehrsystem.”
Dass FCAS scheitern könnte, glaubt auch Thillaye nicht. Zum Jahresende unterschrieben Industrievertreter den Vertrag für Phase 1B, dafür musste die Politik aber Druck machen. Das Treffen der Ministerinnen und Minister wird am 22. Januar nachgeholt. Die Regierungen können dann noch 60 Jahre Élysée-Vertrag mitfeiern. Auch eine Delegation aus dem deutschen Verteidigungsausschuss soll nach Frankreich kommen.
Für die Abgeordneten, die “entsprechende Sprachkenntnisse” haben, soll eine Telegram- oder Signalgruppe entstehen, “damit man sich auch mal kurzfristig und schnell austauschen und reagieren kann, wenn solche Irritationen auftreten”. Wenn Thillaye mit ihren Problemdiagnosen recht hat, dürfte das helfen. Gabriel Bub
eine Abkühlphase für Ex-Abgeordnete und das Ende des unbegrenzten Zugangs zum Parlament mit Ehemaligen-Ausweis: Mit diesen und weiteren Vorschlägen will Parlamentspräsidentin Roberta Metsola das EP transparenter machen. Es ist der Versuch, das Image der Institution aufzubessern, das im Zuge des Korruptionsskandals um Eva Kaili stark gelitten hat. Charlotte Wirth hat sich die Vorschläge genauer angesehen und einige Schlupflöcher entdeckt.
Wer folgt auf Eva Kaili? Nach den Absprachen zwischen den Fraktionen steht der frei gewordene Vizepräsidenten-Posten der S&D-Fraktion zu. Nun ist entschieden, wen die Sozialisten für die Wahl aufstellen. Mehr erfahren Sie in den News.
Zum Jahreswechsel ist in Deutschland das neue Lieferketten-Gesetz in Kraft getreten. Damit werden große Unternehmen stärker zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltauflagen verpflichtet. Die deutsche Wirtschaft reagiert bislang eher gelassen auf die Neuerungen. Denn das Gesetz falle in seiner bisherigen Ausführung recht zahm aus – während der entsprechende EU-Vorschlag in einigen Punkten deutlich weiter gehe, analysieren Felix Lee und Charlotte Wirth.
Vierzehn Punkte umfasst der Reformvorschlag, den Roberta Metsola heute vorstellen wird. Knapp einen Monat nach Bekanntwerden des Korruptionsskandals um Vizepräsidentin Eva Kaili arbeitet die Parlamentspräsidentin daran, das Image ihrer Institution aufzubessern. Organisationen wie Transparency International warfen dem Parlament vor, zu schwache Transparenzregeln hätten dazu geführt, dass solch ein Skandal sich überhaupt ereignen konnte.
Metsolas Vorschläge beinhalten unter anderem folgende Punkte:
Transparency International hat bereits auf den geleakten Vorschlag von Roberto Metsola reagiert. Die vorgebrachten Änderungen seien “lange überfällig” und würden es Drittstaaten deutlich schwerer machen, unlauteren Einfluss auf die Arbeit der EU-Parlamentarier zu nehmen.
In manchen Punkten gehe der Vorstoß allerdings nicht weit genug. So seien Abgeordnete zum Beispiel weiter nur dazu angehalten, Reisen zu deklarieren, die von Dritten bezahlt wurden. Abgeordnete haben allerdings ein eigenes Reisebudget (travel allowance), über das sie keine Rechenschaft ablegen müssen – vorausgesetzt, sie lassen sich von dem jeweiligen Land schriftlich “in ihrer Funktion als Abgeordnete” einladen.
Insbesondere die neuen Zugangsregeln für ehemalige Abgeordnete dürften einigen Ex-Parlamentariern bitter aufstoßen. Die Nutzung des Parlamentszugangs für Lobbyzwecke ist im Europaparlament eine recht gängige Praxis. Bestes Beispiel: der ehemalige EVP-Abgeordnete und ehemalige italienische Verteidigungsminister Mario Mauro. Im Parlament saß Mauro bis 2013. Seit mindestens 2011 betreibt er allerdings seine eigene Lobbyfirma Meseuro, die seit 2020 im parlamentarischen Lobbyregister registriert ist. Seit 2018 arbeitet Mauro zudem für die Beratungsfirma Sec Newgate.
Unter seinen Kunden ist etwa die Confédération Générale des Entreprises du Maroc (CGEM), wie Sec Newgate bestätigt. 2020 machte sich Mauro in der europäischen Presse in seiner Funktion als ehemaliger Minister insbesondere für Marokkos Souveränität über die Westsahara stark. Bis gestern hatte Mario Mauro für keine der Unternehmen eine Lobby-Akkreditierung, wie es die Transparenzregeln vorsehen, sondern nutzte seinen Ehemaligen-Zugang etwa für ein Treffen mit der Kommissionspräsidentin von der Leyen im Auftrag der Consultancy Sec Newgate. Solche Interessensvermischungen dürften Metsolas 14 Punkte in Zukunft erschweren.
Allerdings sind die Vorschläge der Parlamentspräsidentin nicht an stärkere Sanktionen gebunden. Die Abgeordneten riskieren weiterhin nicht viel, wenn sie den Verhaltenskodex ignorieren. UKIP und der Front National etwa mussten dem Parlament in der vergangenen Legislatur wegen Veruntreuung ihrer Kostenvergütungen und der Beschäftigung von Scheinangestellten lediglich die Summe der veruntreuten Gelder zurückzahlen.
In der Regel gehen die Sanktionen des EU-Parlaments nicht über das Aussetzen der Tagegelder für eine Dauer von bis zu 30 Tagen hinaus. Das dürfte kaum der Abschreckung dienen. Bestes Beispiel: Die Luxemburger Abgeordnete Monica Semedo (Renew) wurde erst 2021 für das Mobben ihrer Mitarbeiter für 15 Tage suspendiert. Kaum ein Jahr später drohen ihr wieder Sanktionen, erneut wegen Mobbing.
Sanktionen wie diese sind äußerst selten. In der vergangenen Legislatur prüfte das Parlament lediglich 24 mögliche Regelverstöße. In keinem Fall kam es zu Sanktionen. Zudem liegt die Entscheidung über Sanktionen und deren Umfang allein bei der Parlamentspräsidentin.
Roberta Metsola hat allerdings selbst Nachholbedarf bei der Wahrung des Verhaltenskodexes. Die Parlamentspräsidentin war in der vergangenen Legislatur Mitglied des Lenkungsausschusses des European Parliamentary Financial Services Forum (EPFSF)*, einer Organisation die führende Player und Lobbyorganisationen der Finanzindustrie (darunter der europäische Bankenverband, Allianz, JPMorgan oder Blackrock) und EU-Abgeordnete zusammenbringt und regelmäßig zu Policy Briefs einlädt. Metsola hatte diese Mitgliedschaft nicht in ihrer finanziellen Erklärung vermerkt, obwohl sie der Verhaltenskodex (Artikel 4 d) dazu verpflichtete.
Das Sekretariat des Interessenvereins, der in Belgien als gemeinnütziger Verein angemeldet ist, wird von der Beratungsfirma Kreab gestellt, die ebenfalls die Interessen der Finanzindustrie vertritt. Weitere Mitglieder des Lenkungsausschusses sind etwa Markus Ferber (CSU) und Stefan Berger (CDU). Ferber, der regelmäßig bei Berichten federführend ist, die die Finanzbranche betreffen, hat seine Mitgliedschaft im EPFSF immerhin angegeben.
Interessensvertretergruppen wie der EPFSF gibt es in Brüssel etliche. Sie gewähren Unternehmen und Verbänden einen formalisierten, privilegierten Zugang zu Parlamentariern, auch wenn diese an Dossiers arbeiten, die die Branche direkt betreffen. Da diese Zusammenkünfte kaum im Parlament selbst stattfinden, müssen sie weder unter den aktuellen Regeln noch unter Metsolas Reformvorschlägen als Lobbytreffen vermerkt werden.
Unklar bleibt noch, wie schnell die Umsetzung von Metsolas Reformplänen voranschreiten wird. Einige Vorschläge, etwa die Regeln für ehemalige Parlamentarier, sind nämlich in der Verfahrensordnung des Parlamentes verankert. Um sie anzupassen, müssen die Vorschläge zunächst vom Komitee für konstitutionelle Angelegenheiten (AFCO) und später dem Plenum abgesegnet werden. Andere Vorschläge, etwa Fortbildungen zu Finanzregeln, lassen sich einfacher durchsetzen. Eine Taskforce, der Mitglieder des parlamentarischen Beratungskomitees, des Sekretariats und Metsola selbst angehören, sollen die Vorschläge weiter ausarbeiten.
*In einer früheren Version des Artikels hatte es unter Berufung auf die EPFSF-Website geheißen, Roberta Metsola sei weiterhin Mitglied des Lenkungsausschusses des Forums. Metsolas Sprecher stellte inzwischen klar, die Parlamentspräsidentin habe in der laufenden Legislatur keine Beziehungen zum EPFSF gehabt und sei weder in dieser, noch in der letzten Legislatur in das Management der Organisation eingebunden gewesen. Sie habe auch keinerlei finanzielle Zuwendungen von der Organisation erhalten. Die EPFSF-Homepage wurde inzwischen entsprechend aktualisiert.
Bislang hält sich der Ärger über das neue Lieferkettengesetz in Grenzen. In der deutschen Öffentlichkeit echauffiert sich bislang nur einer über das Gesetz: Wu Ken, der chinesische Botschafter. China werde sich nicht in die Gesetzgebung von Deutschland einmischen, sagte er in einem Interview im “Handelsblatt”. “Doch die Politisierung von Wirtschafts- und Handelsfragen verzerrt die Prinzipien der Marktwirtschaft.”
Der Botschafter der Volksrepublik sieht in dem neuen Gesetz, das Firmen in Deutschland dazu verpflichtet, Menschenrechtsstandards und Vorgaben gegen Umweltverschmutzungen in ihren Lieferketten einzuhalten, offenbar einen gezielten Angriff auf China. Einige Länder würden ein solches Gesetz nutzen, “um sich über die inneren Angelegenheiten anderer Staaten auszulassen”, wetterte der Botschafter. Sein Land werde alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, “um die legitimen Rechte und Interessen seiner Unternehmen konsequent zu schützen”, sagte er, ohne jedoch Details zu nennen.
Dass sich die Aufregung ansonsten bislang in Grenzen hält, dürfte einen Grund haben: Das Lieferkettengesetz fällt in seiner bisherigen Ausführung recht zahm aus.
Im Kern müssen deutsche Unternehmen, aber auch ausländische Unternehmen mit Zweigniederlassung oder Tochterunternehmen in Deutschland, zwar ihre Lieferketten genauer in den Blick nehmen und mittels eines elektronischen Verfahrens dokumentieren. Wer Kinderarbeit, sittenwidrige Löhne oder Umweltsauereien bei Zulieferern billigend in Kauf nimmt, muss mit Bußgeldern in Millionenhöhe rechnen. Für große Unternehmen könnte es daher Sinn ergeben, einen Menschenrechtsbeauftragten einzustellen. Volkswagen hat das bereits getan.
Doch es gibt lediglich eine Bemühenspflicht, keine Erfolgspflicht. Bei indirekten Zustellern müssen die Unternehmen zudem erst tätig werden, wenn Anhaltspunkte über Menschenrechtsverletzungen wie Armutslöhne oder Kinderarbeit in der Region vorliegen, wo die Fabrik des Zulieferers steht. Wenn Verstöße nachgewiesen sind, werden die betreffenden Firmen nicht sofort abgestraft, sondern erst, wenn sie nichts dagegen tun.
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), das für die Einhaltung des neuen Gesetzes zuständig ist, betont zwar, dass es
Der umsatzbezogene Bußgeldrahmen gilt jedoch nur für Unternehmen mit mehr als 400 Millionen Euro Jahresumsatz. Zudem tritt das neue Gesetz nur stufenweise in Kraft. Ab diesem Jahr gilt es zunächst einmal nur für große Firmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten – das sind etwa 600, ab 2024 für knapp 3.000 Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten.
Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen haben die Möglichkeit, bei Hinweisen von Menschenrechtsverletzungen zu klagen, wenn die Opfer dem auch konkret zustimmen. Doch eine zivilrechtliche Unternehmenshaftung gibt es nicht. Das bedeutet: Die Opfer haben keine Aussicht auf Schadensersatz von den Firmen. Es kann aber das BAFA mit seinen Bußgeldforderungen einschreiten.
Die meisten deutschen Unternehmen sehen in der derzeitigen Fassung des Lieferkettengesetzes auch noch kein Problem fürs Geschäft. “Für uns hat sich nicht so viel geändert”, sagt Jan Philippi, der eine Designmanufaktur in der Nähe von Hamburg betreibt und viele seiner angebotenen Waren aus China bezieht. Seine Firma habe bereits vorher von seinen chinesischen Partnern einen Verhaltenskodex (code of conduct) ausgemacht. Er hat deren Angaben zusätzlich bei Fabrikbesuchen persönlich überprüft.
Anders könnte sich die Lage darstellen, wenn für das europäische Gesetz gestimmt wird. Denn der EU-Vorschlag geht in einigen Punkten deutlich weiter als das deutsche Gesetz. So sind beispielsweise bereits Unternehmen ab 500 Mitarbeitern und einem Jahresnettoumsatz von 150 Millionen Euro betroffen. In Risikobranchen müssen auch Unternehmen ab 250 Mitarbeitern und 40 Millionen Euro Umsatz Sorgfaltspflicht leisten. Der Vorschlag gilt für die gesamte Wertschöpfungskette und nicht nur für die erste Stufe der Lieferkette.
Außerdem sieht der Kommissionsentwurf im Gegensatz zum deutschen Gesetz eine zivilrechtliche Haftung vor und vereinfacht Opfern von Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden den Zugang zu Gerichten. Die Haftung gilt auch für Schäden, die außerhalb der EU entstanden sind. Allerdings sind Unternehmen nur haftbar, wenn die Betroffenen nachweisen können, dass sie ihren Pflichten nicht nachgekommen sind.
Das Gesetz wird voraussichtlich in der zweiten Legislaturhälfte in den Trilog gehen. Das Parlament stimmt im März im JURI-Ausschuss und erst im Mai im Plenum über seine Position ab. Federführend ist die Sozialdemokratin Lara Wolters, die in ihrem Bericht den Kommissionsvorschlag erheblich nachgeschärft hat. Der Rat hat seinerseits im Dezember seine Allgemeine Ausrichtung vorgelegt. Dieser fällt schwächer aus als der Kommissionsvorschlag und nimmt insbesondere die Finanzbranche fast gänzlich von der Sorgfaltspflicht aus.
Die Deutsche Handelskammer in China betrachtet das deutsche Lieferkettengesetz generell als “Chance, die soziale und ökologische Situation weltweit zu verbessern”. Jens Hildebrandt, geschäftsführendes Vorstandsmitglied in Peking, räumt zwar ein, dass das Gesetz die deutschen Unternehmen in China “auch vor Herausforderungen” stellt. Laut ihrer jüngsten Geschäftsklimaumfrage nur knapp ein Drittel der Unternehmen Probleme, die Anforderungen des Lieferkettengesetzes vollständig zu erfüllen.
Teilweise gebe es Schwierigkeiten bei der Kommunikation mit Lieferanten vor Ort oder der Überprüfung von Produktionsstätten, so Hildebrandt. Trotz dieser Hürden würden aber nur wenige Unternehmen eine Neuaufstellung ihrer Zulieferer erwägen. Ganze 86 Prozent der Unternehmen müssen keine weiteren Handlungen zur Umstrukturierung ihrer Lieferketten durchführen, betont Hildebrandt.
Für große deutsche Firmen, die in Xinjiang produzieren, dürfte es allerdings deutlich schwieriger werden. Das Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen wirft der Führung in Peking vor, Uiguren und andere Angehörige muslimischer Minderheiten willkürlich in Haftlagern festzuhalten. Seit Jahren gibt es Vorwürfe der Zwangsarbeit in den Fabriken, die US-Regierung spricht sogar von einem Genozid. Deutschen Unternehmen, die in Xinjiang Fabriken betreiben, wie etwa Volkswagen oder BASF, konnte zwar nicht nachgewiesen werden, dass in ihren Lieferketten Zwangsarbeit stattfindet. Aber sie dürften mit dem Lieferkettengesetz stärker ins Visier von Nichtregierungsorganisationen und Prüfbehörden geraten.
Das zuständige BAFA will nicht zuletzt personell für solche Fälle deutlich aufstocken. Zum Jahreswechsel wurden bereits rund 50 Personen an der neuen Außenstelle der Behörde in Borna bei Leipzig zum Lieferkettengesetz eingestellt. Bis Sommer 2023 ist geplant, deren Zahl auf etwa 100 zu verdoppeln. Mit Charlotte Wirth
16.01.2023 – 18:00 Uhr, Berlin/online
TU Berlin, Seminar Die EU-Whistleblower-Richtlinie und das Hinweisgeberschutzgesetz: Was kommt auf Gesundheitsunternehmen zu?
Diese Veranstaltungsreihe der Technischen Universität (TU) Berlin befasst sich mit den aktuellen Entwicklungen und Veränderungen im Gesundheitswesen.
INFOS
16.01.-18.01.2023, Bonn
FES, Seminar Wer zahlt die Zeche? Internationale Finanzkrisen und Wirtschaftspolitik
Weitere Informationen folgen auf der Webseite der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). INFOS & ANMELDUNG
17.01.2023 – 10:00 Uhr, online
TÜV Rheinland, Seminar ISO/IEC 27001:2022 revision – Requirements for Information Security, Cybersecurity and Privacy Protection
The information security standard, ISO/IEC 27001, was revised in 2022. At this event, the main changes and benefits of this update will be explained. INFOS & REGISTRATION
17.01.2023 – 10:00 Uhr, Berlin
EBD, Vortrag Briefing Schwedische EU-Ratspräsidentschaft
Bei dieser Veranstaltung der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD) wird das Programm der schwedischen EU-Ratspräsidentschaft vorgestellt sowie aus Sicht der Bundesregierung bewertet. ANMELDUNG
17.01.2023 – 14:00-15:30 Uhr, online
Eco, Seminar Fördermöglichkeiten für kleine und mittlere Unternehmen im Rahmen von Horizont Europa und Digitales Europa
Die Referenten des Verbandes der Internetwirtschaft (Eco) stellen verschiedene Fördermöglichkeiten im Rahmen der Programme “Horizont Europa”, “Digitales Europa” und des EIC Accellerators vor. ANMELDUNG
17.01.2023 – 17:30-20:00 Uhr, Berlin
KAS, Podiumsdiskussion Bundeswehr der Zukunft – Verantwortung und Künstliche Intelligenz
Bei dieser Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) werden aktuelle Entwicklungen der Künstlichen Intelligenz und deren Bedeutung im militärischen Einsatz diskutiert. INFOS & ANMELDUNG
Die Sozialisten schicken den Luxemburger Abgeordneten Marc Angel als ihren Kandidaten in die Wahl für den Posten des Vizepräsidenten im Europaparlament. Bei den Grünen setzte sich Gwendoline Delbos-Corfield aus Frankreich durch. Angel kandidiert für den Posten der griechischen Abgeordneten Eva Kaili, die im Zuge des Korruptionsskandals als Vizepräsidentin abgesetzt wurde und seitdem in Belgien in Untersuchungshaft sitzt.
Es gibt 14 Vizepräsidenten im EP. Nach den Absprachen zwischen den Fraktionen steht der frei gewordene Posten der S&D-Fraktion zu. Daher hat Angel auch die besseren Chancen, am Dienstag im Straßburger Parlament gewählt zu werden.
Angel setzte sich in der Fraktion, die aus 145 Abgeordneten besteht, in einer Kampfabstimmung im dritten Wahlgang mit 67 zu 37 Stimmen gegen Victor Negrescu aus Rumänien durch. Der Luxemburger engagiert sich für LGBTQ-Rechte, Negrescu hat sich in Rumänien mit der Bekämpfung der Korruption einen Namen gemacht. Wie am Rande der Fraktionssitzung zu hören ist, hat sich die Fraktion noch nicht auf das Mandat für die Kommission zur internen Aufarbeitung des Skandals geeinigt.
Wie gestern außerdem bekannt wurde, hat die Korruptionsaffäre weitere personelle Konsequenzen bei den Sozialisten: Die belgische Abgeordnete Maria Arena ist laut Medienberichten von ihrem Amt als Vorsitzende des Unterausschusses für Menschenrechte des Europäischen Parlaments zurückgetreten. Bereits kurz nach Bekanntwerden der Korruptionsfälle hatte sie ihr Amt ruhen lassen. Zu dieser Zeit hatte die Polizei das Büro ihrer Assistentin durchsucht. Bei ihr selbst habe es jedoch keine Durchsuchungen gegeben und sie stehe nicht im Fokus der Justiz, betonte sie in der Erklärung zu ihrem Rücktritt. mgr/sas
Die EU und die Ukraine wollen sich durch eine Wasserstoffpartnerschaft schneller unabhängig von Erdgas-Importen machen und langfristig den Klimaschutz vorantreiben. “Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und ihre Bevölkerung hat die dringende Notwendigkeit erhöht, die Energieversorgung zu diversifizieren und die Abhängigkeit von Energieeinfuhren aus Russland zu beenden“, heißt es in einem internen Entwurf der EU-Kommission für ein Abkommen, der Europe.Table vorliegt.
Der Export von erneuerbaren Gasen aus der Ukraine in die EU könne außerdem “die wirtschaftliche und soziale Erholung der Ukraine unterstützen“, heißt es in der Absichtserklärung zu einer “Strategischen Partnerschaft für erneuerbare Gase“. Im Rahmen des Abkommens will die EU Investitionen in erneuerbare Energien und Wasserstoffleitungen fördern und die Möglichkeit untersuchen, Gasspeicher in der Ukraine für Wasserstoff zu nutzen.
Die Strategische Partnerschaft für erneuerbare Gase ist die jüngste Ergänzung zu einem Energieabkommen zwischen der EU und der Ukraine aus dem Jahr 2005, die letzte Neuerung stammt von 2016. Die Partnerschaft zu erneuerbaren Gasen hatte der Ministerpräsident der Ukraine, Denys Schmyhal, am Montag bei einem Besuch von EU-Kommissionsvize Frans Timmermans in Kiew erwähnt, ohne Details zu nennen. ber
Malta und Griechenland liegen beim Einfrieren russischer Vermögenswerte im Zuge der Sanktionen wegen des Ukraine-Kriegs einem internen EU-Dokument zufolge deutlich hinter den anderen Ländern in der Europäischen Union. So hat Malta demnach bislang insgesamt 147.000 Euro eingefroren. Auch Griechenland liegt mit 212.000 Euro deutlich hinter anderen Staaten, wie aus dem Dokument hervorgeht, das der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt.
Dagegen hätten die 27 Mitgliedstaaten zusammen etwa 20,3 Milliarden Euro an Werten eingefroren. Deutschland, Italien, Irland, Frankreich, Spanien, Belgien, Österreich und Luxemburg hätten dabei je mehr als eine Milliarde Euro gemeldet.
Vertreter von Griechenland und Malta bestätigten die vergleichsweise niedrigen Summen. Ein Beamter der griechischen Behörden sagte, mit den 212.000 Euro seien alle Vermögenswerte erschöpft, die Athen anhand der EU-Sanktionsliste ermittelt habe. “Das Investitions-Umfeld in Griechenland begünstigt nicht den Zufluss von Kapital aus Russland und von ausländischen Unternehmen.”
Ein Sprecher des maltesischen Premierministers sagte, Malta habe anderen europäischen Ländern dabei geholfen, Vermögenswerte zu beschlagnahmen, wie etwa in Malta registrierte Yachten “Malta hat viel Arbeit investiert, um die gemeinsamen europäischen Bemühungen zu unterstützen”, sagte der Sprecher und fügte hinzu. Ein Rückgang des maltesischen Handels mit Russland sei ein weiterer Beweis für das Engagement Vallettas bei der Umsetzung von EU-Beschlüssen. rtr
Die SPD-Bundestagsfraktion fordert als Antwort auf den US-Inflation Reduction Act eine europäische Investitionsoffensive für Zukunftstechnologien. “Dazu sollen nicht genutzte Mittel aus dem EU-Wiederaufbauprogramm ‘NextGenerationEU’ umgewidmet und insbesondere das Energieinvestitionsprogramm RePowerEU zusätzlich gestärkt werden”, heißt es in einem Entwurf, der bei der anstehenden Fraktionsklausur beschlossen werden soll. Zudem solle die anstehende Überprüfung des Mehrjährigen Finanzrahmens dafür genutzt werden, industriepolitische Zukunfts- und Investitionsprojekte zu priorisieren.
Forderungen etwa aus Frankreich und der EU-Kommission nach neuen EU-Finanzierungsinstrumenten wie einem “Souveränitätsfonds” steht die SPD-Fraktion aufgeschlossen gegenüber, wie auch gegenüber ähnlichen Forderungen in der Vergangenheit. Diese seien “konstruktiv zu prüfen”, heißt es in dem Papier. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte aber zuletzt erneut betont, es gebe noch “ziemlich viele nicht ausgeschüttete Mittel”, die Europa nutzen könne. Daher gebe es derzeit keinen Bedarf nach neuen Töpfen. An dieser Position habe sich nichts geändert, heißt es in Berliner Regierungskreisen.
Die Sozialdemokraten drängen zudem auf eine Reform der EU-Beihilferegeln. Diese müssten “einen stärkeren Fokus auf die Notwendigkeiten der globalen Wettbewerbsfähigkeit legen”. Deshalb sollen die Regeln “deutlich einfacher und transparenter werden, schon ex-ante Planungssicherheit schaffen und Anreize für große Investitionen in Transformations- und Zukunftstechnologien und darauf gerichtete industrielle Innovationen setzen”. Die EU-Kommission dürfte bereits am 1. Februar dazu ihre Vorschläge vorlegen. tho
Der Google-Konzern Alphabet muss nach Einschätzung des Bundeskartellamtes seinen Nutzern mehr Wahlmöglichkeiten bei der Verarbeitung ihrer Daten einräumen. Man habe dem US-Konzern eine “ausführlich begründete Abmahnung” zukommen lassen, teilte die Behörde am Mittwoch mit. Die bislang angebotenen Wahlmöglichkeiten seien “zu intransparent und pauschal”.
Die Wettbewerbshüter stören sich konkret an der Art und Weise, wie der Konzern bei Diensten wie der Google-Suche, YouTube, Google Play, Google Maps und dem Google Assistant Daten für verschiedenste Zwecke erheben und dienstübergreifend verarbeiten kann. Google könne auch Daten über zahlreiche Webseiten und Apps von Drittanbietern sammeln. Dies betreffe auch Daten aus sogenannten Hintergrunddiensten von Google, etwa den Play Services, die teilweise regelmäßig Daten von Android-Geräten erheben.
Dabei hätten Nutzerinnen und Nutzer auf der Basis der aktuellen Konditionen keine ausreichende Wahl, ob und inwieweit sie mit dieser weitreichenden Verarbeitung einverstanden seien. Mit der Abmahnung räume man dem Unternehmen die Möglichkeit ein, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen und weitere Rechtfertigungsgründe oder Lösungsvorschläge vorzutragen. Das Bundeskartellamt rechnet noch im Januar mit einer Antwort von Google.
Unter Experten ist umstritten, ob das Kartellamt für diese Fragen überhaupt zuständig ist. Die Behörde räumte in ihrer Mitteilung ein, dass für bestimmte Dienste von Google künftig der europäische Digital Markets Act (DMA) anzuwenden sei, dessen Durchsetzung in die ausschließliche Zuständigkeit der EU-Kommission fällt. Damit wäre die deutsche Behörde außen vor. Das Kartellamt erklärte, man stehe dazu mit der Kommission im Austausch.
Behördenpräsident Andreas Mundt betonte, das Geschäftsmodell von Google baue grundlegend auf der Verarbeitung von Nutzerdaten auf. “Google hat hier einen strategischen Vorteil gegenüber anderen Unternehmen aufgrund des etablierten Zugangs zu relevanten Daten aus einer sehr großen Zahl an verschiedenen Diensten”, sagte er. Google müsse sich an den Anforderungen der neuen Wettbewerbsvorschriften für Digitalkonzerne messen lassen. “Das Unternehmen muss den Nutzerinnen und Nutzern ausreichende Wahlmöglichkeiten hinsichtlich der Verarbeitung ihrer Daten einräumen.”
Das Kartellamt beruft sich bei seinem Vorgehen auf neue Vorschriften für Digitalkonzerne im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB-Digitalisierungsgesetz), die helfen sollen, den Wettbewerb in der Internet-Wirtschaft zu sichern. Die Behörde kann danach eine marktbeherrschende Stellung von Unternehmen leichter feststellen und eingreifen, um bestimmte Verhaltensweisen zu untersagen.
Google erklärte, Ziel des Unternehmens sei es stets, Produkte anzubieten, bei denen die Nutzer an erster Stelle stünden und die die Anforderungen der Aufsichtsbehörden erfüllten. “Unserer Verantwortung kommen wir unter anderem dadurch nach, dass wir unsere Dienste kontinuierlich anpassen. Wir werden uns weiterhin konstruktiv mit dem Bundeskartellamt austauschen und versuchen, die Bedenken auszuräumen.” dpa
Wenn es zwischen deutschen und französischen Politikern knirscht, haben wenige Menschen bessere Voraussetzungen als Sabine Thillaye, um zu erklären, warum. Thillaye ist in Remscheid geborene französische Abgeordnete in der Nationalversammlung. Sie ist Mitglied im Verteidigungsausschuss, im Ausschuss für europäische Angelegenheiten und Teil der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung.
Sie erörtert deutsch-französische Missverständnisse, erklärt, warum sich Probleme aufdrängen, wenn Franzosen und Deutsche von “concept” sprechen und verschiedene Dinge meinen, und warum Deutsche anders zum Thema Schulden stehen als Franzosen. “Ich habe das Gefühl, die Franzosen sehen eher das Zukunftspotenzial und die Deutschen eher das Risikopotenzial.“
Thillaye kann darüber referieren, wie sich Sprache auf Denksysteme auswirkt. “Ein Franzose wird in einem Gespräch seltener mal richtig nein sagen als ein Deutscher, der ja schon präziser ist, alleine weil wir viele Wörter zusammensetzen.”
Erst wollte sie gar nicht nach Frankreich, lieber nach Brüssel, sich für Europa engagieren, dann heiratete sie einen Franzosen. Europa als Projekt ließ sie aber nicht los. Seit über 30 Jahren lebt sie in Frankreich, die französische Staatsbürgerschaft hat sie erst seit 2015. Macrons Betonung europäischer Fragen sei für sie, die vorher Unternehmerin war, ein Grund gewesen, in die Politik zu gehen. Bei Macrons Bewegung En Marche fing sie an, mittlerweile sitzt sie nach einem Streit mit Parteikollegen für die Demokraten in der Nationalversammlung.
Nachdem im Oktober der deutsch-französische Ministerrat abgesagt wurde, kam im Dezember eine Delegation aus dem französischen Verteidigungsausschuss nach Berlin. Vor einer kleinen Runde Journalisten sagte Thillaye da, dass man bei deutschen Politikern manchmal das Gefühl habe, man rede mit Lobbyisten, weil sie hauptsächlich die Interessen ihrer Wahlkreise vertreten. Die Treffen mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem deutschen Verteidigungsausschuss seien dann aber “sehr positiv” gewesen.
Danach habe sich Verteidigungsministerin Christine Lambrecht anderthalb Stunden Zeit für die Franzosen genommen. Nicht selbstverständlich für ein solches Treffen. Lambrecht, so schildert es Thillaye, bat um Verständnis für den Kauf der F-35-Flugzeuge, Deutschland habe ja eine Verantwortung gegenüber der Nato zur nuklearen Teilhabe. Dass Deutschland die amerikanischen Flieger gekauft hat, heiße nicht, dass man vom deutsch-französischen Rüstungsprojekt FCAS abrücken wolle.
Die Sache mit den F-35 habe auch wieder mit kulturellen Unterschieden zu tun, sagt Thillaye. “In Deutschland gibt es ein sehr kurzfristiges Denken, weil man sagt: Wir wollen jetzt Effizienz zeigen, wir brauchen eine Antwort. Es herrscht ein Kriegszustand an unseren Grenzen, wie kommen wir da im kapazitären Bereich weiter?” In Frankreich denke man da eher längerfristig und sage: “Ja, mein Gott, wir brauchen ein eigenes Flugzeug oder Abwehrsystem.”
Dass FCAS scheitern könnte, glaubt auch Thillaye nicht. Zum Jahresende unterschrieben Industrievertreter den Vertrag für Phase 1B, dafür musste die Politik aber Druck machen. Das Treffen der Ministerinnen und Minister wird am 22. Januar nachgeholt. Die Regierungen können dann noch 60 Jahre Élysée-Vertrag mitfeiern. Auch eine Delegation aus dem deutschen Verteidigungsausschuss soll nach Frankreich kommen.
Für die Abgeordneten, die “entsprechende Sprachkenntnisse” haben, soll eine Telegram- oder Signalgruppe entstehen, “damit man sich auch mal kurzfristig und schnell austauschen und reagieren kann, wenn solche Irritationen auftreten”. Wenn Thillaye mit ihren Problemdiagnosen recht hat, dürfte das helfen. Gabriel Bub