Table.Briefing: Europe

Streit um Lieferkettengesetz + Digitale Herbst-Agenda + Baerbock zu EU und China

  • Heftiger Streit um das EU-Lieferkettengesetz
  • Ausblick auf die digitalen Vorhaben in Brüssel
  • Interview mit Annalena Baerbock: “China muss hoch auf der politischen Agenda stehen”
  • Cybersicherheit: wenig Europa in deutscher Strategie
  • Im Portrait: Manfred Weber
Liebe Leserin, lieber Leser,

18 Tage bis zur Wahl des neuen Bundestages. Die Umfragewerte der Partei der amtierenden Kanzlerin sind im Keller, Wahlkämpfer Armin Laschet hört auf dem Weg nach Paris kaum verhohlene Kritik aus den eigenen Reihen und Spott aus Bayern. Über seine Europa-Pläne wollte Laschet mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprechen, im Stil des Weltpolitikers schickte er einen Gastbeitrag (im Handelsblatt) mit Bekenntnissen vorab nach Paris. Doch die Chancen schwinden, dass aus dem Kandidaten ein Kanzler wird, der seine europapolitischen Ziele umsetzen wird.

Die Bedeutung des Lieferkettengesetzes für Europas Unternehmen kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Längst geht es nicht nur um Großkonzerne und zu ächtende Menschenrechtsverletzungen. In der EU-Kommission wird heftig diskutiert über Strafen für Unternehmen oder die Haftung von Geschäftsführern. Charlotte Wirth hat den aktuellen Stand der Debatte.

Jasmin Kohl gibt einen Ausblick auf die digitalpolitische Agenda für den Herbst. Sie untersucht den Fortgang der Verhandlungen in Brüssel zu den diversen Gesetzesvorhaben. Einen Blick sollten Sie auch in den Beitrag von Falk Steiner werfen, der die europäischen Aspekte der Cybersicherheitsstrategie beleuchtet. Gestern hat die Bundesregierung diese verabschiedet.

Zum Schluss Manfred Weber. Dass er Präsident der Europäischen Volkspartei werden will, war schon bekannt. Gestern hat der CSU-Politiker nun seinen Hut offiziell in den Ring geworfen. Till Hoppe zeichnet Webers Politikstil im Portrait nach.

Ihre
Antje Sirleschtov
Bild von Antje  Sirleschtov

Analyse

Offene Flanke: Lieferkettengesetz

Wann kommt das EU-Lieferkettengesetz? Die Frage wird immer dringender, schließlich wollen sich europäische Unternehmen mit Vorlauf auf die umfassenden Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten vorbereiten. Wen wird das Gesetz treffen? Wie umfassend müssen Unternehmen künftig auf die Wahrung von Menschenrechten, Sozialstandards und Umweltschutz in ihren Lieferketten achten?

Eigentlich wollte Justizkommissar Reynders im April Antworten liefern. Doch die Folgenabschätzung seines Gesetzes fiel beim Regulatory Scrutiny Board durch. Es sei zu unpräzise, so einer der Kritikpunkte. Statt Gesetzespräsentation wurde Reynders der Binnenmarkt-Kommissar Breton zur Seite gestellt.

Das Projekt des Justizkommissars sorgt in der Kommission ohnehin für Streit. Reynders Vorstellungen gelten als zu ambitiös. Damit hat der Belgier nicht nur seinen Parteikollegen Breton gegen sich gewandt, sondern auch die Kommissarin für Werte und Transparenz Vera Jourova.

Schon als Justizkommissarin unter Juncker hat sie das damals längst in den Startlöchern stehende Projekt vehement abgeblockt. Sie sträubt sich gegen eine zu konsequente Einmischung der öffentlichen Hand in die Unternehmensführung. Im Organigramm steht sie über Reynders und macht Druck gegen ein allzu starkes Lieferkettengesetz. “Die Kommission muss jetzt liefern. Es kann nicht sein, dass ein ambitiöses Vorhaben an der Panikmache von DG Business und der Industrielobby scheitert”, bedauert Richard Gardiner von Global Witness.

Der Oktober-Termin wackelt

Statt eines Gesetzestextes im April rollte die DG Grow die Arbeit am Gesetz von vorne auf. Am 27. Oktober soll der Text kommen, so ist es in der Kommissionsagenda vorgesehen. Doch bisher wurde noch nicht mal eine überarbeitete Folgeneinschätzung eingereicht.  

Dabei wird ein einheitliches europäisches Gesetz dringend benötigt. Nur wenige EU-Länder, allen voran Frankreich und Deutschland, haben aktuell eine nationale Gesetzgebung zur Sorgfaltspflicht. Das sorgt für eine Fragmentierung des Wettbewerbs. “Wir brauchen gleiche Bedingungen für den Binnenmarkt”, fordert Heiko Willems vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).

Die nationalen Gesetze unterscheiden sich zudem stark. In Deutschland sind Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitern (ab 2023 ab 1.000) betroffen, in Frankreich ab 5.000. Deutschland beschränkt sich auf die ersten Stufen der Lieferketten, in Frankreich sind auch Tochterfirmen und Sub-Unternehmen in der Pflicht.

Industrieverbände sind stark engagiert

Das Reynders-Gesetz dürfte den ungleichen Wettbewerb berichtigen. Bleibt die Frage: Wird das Gesetz strenger oder schwächer als die nationalen Texte? Hinter den Kulissen setzen sich Unternehmensverbände aktiv für Zweiteres ein, wie ein aktueller Bericht der Europäischen Koalition für Unternehmensgerechtigkeit (ECCJ) zeigt. Insbesondere Frankreichs und Deutschlands Industrieverbände würden auf eine Verwässerung ihrer nationalen Gesetze drängen, schließen die Autoren aus internen Lobbyunterlagen.

Reynders hingegen visiert ein schärferes Gesetz an. Er wolle weiter gehen als der Text aus Berlin, sagte er der FAZ: Reynders will alle Unternehmen unabhängig ihrer Größe in die Pflicht nehmen und sämtliche Stufen der Lieferketten einbeziehen. Ganz zum Unmut der Unternehmensverbände orientiert sich Reynders mit dieser Haltung stark an dem Vorschlag des EU-Parlaments.

Bereits im März hat dieses seine Empfehlungen an die Kommission weitergegeben, federführend war die Sozialistin Lara Wolters. Komplementär dazu gilt die Resolution Pascal Durands zur nachhaltigen Unternehmensführung. Dass Reynders Text sich zu sehr an diesen Berichten orientiere, bereite den Unternehmen starke Bauchschmerzen, heißt es aus Industriekreisen.

Kommission ringt um Grundsatzfragen

Innerhalb der Kommission laufen die Diskussionen auf Hochtouren. Unklar ist weiterhin, welche Reichweite der Text haben soll, wie mit Klein- und Mittelbetrieben umgegangen wird und ob die Gesetzgebung sich nur auf Menschenrechte oder auch auf die Umwelt bezieht.

Drei Punkte sind besonders umstritten:

  • Ob und welche Sanktionen Unternehmen auferlegt werden;
  • Ob es eine persönliche Haftung für Geschäftsführer gibt;
  • Ob Geschädigte Zugang zum EU-Justizsystem haben.

Insbesondere die persönliche Haftung stößt auf Widerstand. Demnach sollen sich Unternehmensleiter, etwa CEOs, für Mängel in der Sorgfaltspflicht ihrer Firmen persönlich verantworten. Wie das in der Praxis aussieht, ist noch unklar. Werden etwa Gehälter gekürzt oder weniger Dividenden ausbezahlt? Klar ist jedenfalls: Nicht nur für Unternehmen ist eine solche Vorstellung unvertretbar, sondern auch innerhalb des Kollegiums sorgt sie für Streit.

Im Parlament stimmte die EVP gegen den Durand-Bericht. Die Frage der persönlichen Haftung greift zudem ins Gesellschaftsrecht hinein – ein Gebiet, auf dem die EU wenig Kompetenzen hat. Wie sich die Kommission positionieren wird, wird auch davon abhängen, ob sie die nachhaltige Unternehmensführung in das Sorgfaltspflichtengesetz integriert oder nicht. “Beide dürfen nicht zusammengewürfelt werden”, fordert BusinessEurope.

Sorgfaltspflicht oder Haftungsverfahren?

Auch die generelle Haftpflicht für Unternehmen macht die Industrie nervös. “Wir wollen keine neuen Haftungstatbestände“, betont Heiko Willems vom BDI. Die Verantwortung der Betriebe soll sich auf die Bemühungspflicht begrenzen:  Sprich, Unternehmen müssen nachweisen, dass sie ihre Sorgfaltspflicht erfüllen, dürfen aber nicht zur Verantwortung gezogen werden, wenn es trotz dessen zu Versäumnissen kommt.  Zudem soll sich die Unternehmensverantwortung auf die erste Zulieferungsstufe (Tier 1) und Tochterunternehmen begrenzen. “Die Firmen müssen schließlich imstande sein, die Lieferkette auch effektiv kontrollieren zu können”, sagt auch Pedro Oliveira von BusinessEurope.  

Vertreter der Zivilgesellschaft hingegen wünschen sich eine viel umfassendere Haftpflicht. Nicht nur soll die Unternehmensverantwortung für die gesamte Lieferkette gelten, sondern Opfer sollen einen effektiven Zugang zur EU-Justiz haben. “Wir benötigen starke Mechanismen, um Unternehmen zur Rechenschaft zu ziehen.  Dazu gehören legale Kanäle, damit Geschädigte Zugang zu EU-Gerichten haben”, fordert Richard Gardiner.

Staaten sollen “mit juristischen, administrativen und legalen” Mitteln sicherstellen, dass Opfer Zugang zu einem wirksamen Rechtsbehelf haben, heißt es auch im Wolters-Bericht. Das bedeutet aber, dass NGOs oder andere in der EU ansässige Dritte im Namen der Opfer Klage einreichen können. BusinessEurope sieht das kritisch. “Wer hätte den die rechtliche Stellung das zu tun?”, fragt Pedro Oliveria. Er befürchtet zudem Rechtskonflikte, wenn sowohl in Europa wie auch in Drittländern gegen Unternehmen geklagt würde.

Eng an die Frage der Haftung ist auch ein weiterer Streitpunkt, die Beweispflicht, gekoppelt: Müssen Opfer den Unternehmen Verletzungen der Sorgfaltspflicht nachweisen oder Unternehmen ihre Unschuld beweisen? Bereits in Deutschland sorgte dieser Punkt für Streit in der Koalition und wurde letztlich auf Druck von Wirtschaftsminister Altmaier gekippt.

Frankreichs Einfluss wächst mit der Präsidentschaft

Im Rat wird die Aushandlung des Textes wohl maßgeblich von Deutschland und Frankreich getragen werden. Beide haben bereits ein Sorgfaltspflichtengesetz und drängen auf eine Ausdehnung der eigenen Gesetze. Berlin wird seiner Industrie eine Verschärfung des eigenen Textes nicht vermitteln können. Aus dem Wirtschaftsministerium heißt es dazu, “Deutschland sei mit seinem ausdifferenzierten Gesetzentwurf Vorreiter und könne damit auch für die europäische Regulierung wichtige Impulse setzen.”

Doch während die Bundeswahlen maßgeblich über die deutsche Haltung entscheiden werden, hat Paris nächstes Jahr die Ratspräsidentschaft inne und wird zumindest die Ausarbeitung der Ratsposition leiten. Es ist bekannt, dass Macron kein Fan des französischen Gesetzes ist. Für einen strengeren Text als Frankreichs Rana Plaza Gesetz wird sich Paris kaum einsetzen.

  • Europapolitik
  • Handel
  • Lieferketten
  • Lieferkettengesetz
  • Unternehmensverantwortung

Digitalpolitik: Der Herbst der großen Vorhaben

e-Privacy-Verordnung

Kommissionsvorschlag: 10.01.17
Akteure: Federführender Ausschuss im Europäischen Parlament: LIBE; Berichterstatterin: Birgit Sippel (SPD)

Inhalt: Die bestehende Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (2002) musste dem technischen Fortschritt und neuen Marktentwicklungen angepasst werden. Beispiele: Internet-Sprachtelefonie (Voice-over-IP/VoIP) oder web-gestützte E-Mail- und Nachrichtenübermittlungsdienste (OTTs). Zentraler Konflikt: Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Privatsphäre und Telekommunikationsgeheimnis einerseits, Interessen zur Nutzung neuer Technologien andererseits – zum Beispiel durch die Werbewirtschaft (Stichwort: Cookies) oder bei Standortdatendiensten.

Die Verordnung war ursprünglich als Komplementär zur Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gedacht, die Ende Mai 2018 in Kraft trat. Die jahrelange Nichteinigung auf die Verordnung als Nachfolgerin der bisherigen e-Privacy-Richtlinie führt seit Jahren zu juristischen Problemen, vor allem im Verhältnis von DSGVO und e-Privacy-Richtlinie – doch über Jahre scheiterten die Ratspräsidentschaften an einer Einigung.

Zeitplan: Nachdem die Diskussionen im Rat über vier Jahre lang zum Stillstand gekommen waren, gelang es den Mitgliedstaaten am 10. Februar schließlich unter der Portugiesischen Ratspräsidentschaft sich auf ein Verhandlungsmandat zu einigen. Der erste Trilog fand am 20. Mai statt. Die Slowenische Ratspräsidentschaft plant einen zweiten Trilog im Oktober. Im Europäischen Parlament will man sich dagegen noch auf kein konkretes Datum festlegen. Der Weg für den Trilog sei aber weiterhin offen.

Data Governance Act (DGA)

Kommissionsvorschlag: 25.11.20
Akteure: Federführender Ausschuss im Europäischen Parlament: ITRE; Berichterstatterin: Angelika Niebler (CSU)

Inhalt: Das Datenvolumen steigt stetig an, aber das wirtschaftliche und gesellschaftliche Potenzial bleibt in der EU bisher weitgehend ungenutzt. Das soll der DGA, Bestandteil der Europäischen Datenstrategie, ändern und einen sicheren, einheitlichen und gerechten Datenaustausch zwischen Sektoren und Mitgliedstaaten herstellen. Die Verordnung soll Vertrauen schaffen, technische Hürden abbauen und so einen europäischen Markt für Daten entstehen lassen (Europe.Table berichtete).

Sogenannte data spaces (europäische Datenräume) in strategischen Sektoren wie Gesundheit, Umwelt oder Finanzen sollen private und öffentliche Akteure zusammenbringen und Innovationen antreiben. Insbesondere die Frage, welche Anforderungen an Vermittler zwischen Anbietern und Nachfragern gestellt werden sollten, gilt als umstritten.

Zeitplan: Das Europäische Parlament plant seine Position während der Plenarsitzung nächste Woche in Straßburg abzustimmen. Auch von der Ratspräsidentschaft kommen positive Signale: Den fünften Kompromissvorschlag habe die Arbeitsgruppe Telekommunikation und Informationsgesellschaft am 7. September diskutiert. Von einer Einigung sei man nicht weit entfernt. Wenn alles gut laufe, sei mit dem ersten Trilog Mitte Herbst zu rechnen.

Digital Markets Act (DMA)

Kommissionsvorschlag: 15.12.20
Akteure: Federführender Ausschuss im Europäischen Parlament: IMCO; Berichterstatter: Andreas Schwab (CDU)

Inhalt: Der “Digital Markets Act” (Gesetz über digitale Märkte) führt spezifische Pflichten für sogenannte Gatekeeper (Betreiber besonders großer Online-Plattformen wie Google, Amazon, Facebook, Apple oder Microsoft) ein. Ziel ist es, die Dominanz der großen Plattformen zu regulieren und einen fairen Wettbewerb auf den Digitalmärkten herzustellen sowie Markteintrittsbarrieren zu senken. Auch die Frage, ob Messenger-Dienste wie Signal oder WhatsApp künftig interoperabel sein sollen, wird in diesem Zusammenhang diskutiert (Europe.Table berichtete). Bei Verstoß sieht der DMA-Entwurf teils drastische finanzielle Sanktionen vor.

Zeitplan: Die IMCO-Mitglieder wollen am 8. November über den Bericht von Schwab abstimmen. Das Plenum des Europäischen Parlaments könnte in der Plenarwoche vom 13.-16. Dezember sein grünes Licht für das Legislativpaket geben. Die Trilogverhandlungen könnten dann Anfang 2022 starten.

Die slowenische Ratspräsidentschaft arbeitet derzeit an ihrem zweiten Kompromissvorschlag, eine allgemeine Ausrichtung soll bis November stehen. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hatte am Montag vor dem INGE-Ausschuss ihre Hoffnung geäußert, dass bis zum Frühjahr 2022 sowohl für den DSA als auch für den DMA eine Einigung besteht (Europe.Table berichtete), was dann bereits unter der französischen Ratspräsidentschaft wäre.

Digital Services Act (DSA)

Kommissionsvorschlag: 15.12.20
Akteure: Federführender Ausschuss im Europäischen Parlament: IMCO; Berichterstatterin: Christel Schaldemose (DK, S&D)

Inhalt: Der “Digital Services Act” (Gesetz über digitale Dienste) soll die Pflichten digitaler Plattformen neu regeln, um Verbraucher besser zu schützen. Die Weiterentwicklung der EU e-Commerce-Richtlinie soll insbesondere die Regularien des Haftungsregimes überarbeiten. Online-Plattformen sollen auf EU-Ebene dazu verpflichtet werden, illegale Inhalte nicht nur schnell, sondern auch transparent zu löschen. Das “Grundgesetz für das Internet” spiegelt dabei wesentliche Aspekte des deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes wider (Europe.Table berichtete), steht zugleich aber potenziell in Konkurrenz zu diesem.

Zeitplan: Über den Bericht von Christel Schaldemose wollen die IMCO-Mitglieder ebenfalls am 8. November abstimmen. Das Plenum des Europäischen Parlaments könnten dann in der Plenarwoche vom 13.-16. Dezember sein grünes Licht für das Legislativpaket geben. Die Slowenische Ratspräsidentschaft hat vergangene Woche ihren ersten Kompromissvorschlag präsentiert und verfasst bereits den zweiten Vorschlag. Diesen wolle sie noch im Laufe dieses Monates auf Arbeitsgruppen-Ebene diskutieren.

Das Ziel: Die allgemeine Ausrichtung will die slowenische Ratspräsidentschaft im Rat Wettbewerbsfähigkeit (COMPET) am 25. und 26. November verabschieden, sodass die französische Ratspräsidentschaft im Januar unmittelbar mit den Trilogverhandlungen starten könne. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hatte am Montag vor dem INGE-Ausschuss ihre Hoffnung geäußert, dass bis zum Frühjahr 2022 sowohl für den DSA als auch für den DMA eine Einigung besteht (Europe.Table berichtete).

Verordnung für Künstliche Intelligenz

Kommissionsvorschlag: 21.04.21
Akteure: Federführender Ausschuss im Europäischen Parlament: IMCO; Berichterstatter: Brando Benifei (IT, S&D)

Inhalt: Der heutige und künftige Einsatz sogenannter Künstlicher Intelligenz benötigt einen regulatorischen Rahmen: hierin besteht zwischen den Akteuren auf europäischer und auch nationaler Ebene weitgehend Einigkeit. Statt einem sektorspezifischen hat sich die EU-Kommission für einen horizontalen Ansatz der Regulierung entschieden: Der Einsatz Automatisierter Entscheidungsfindung (ADM) soll entsprechend einer Risikoklassifizierung unterschiedlich stark reguliert werden – vom vollkommen risikolosen Einsatz bis hin zu Höchstrisiko-Einsätzen, bei denen auch ein Totalverbot möglich ist.

Regulatorisch entstehen hier Wechselwirkungen mit einigen anderen derzeit in Vorbereitung oder in Beratung befindlichen Dossiers – insbesondere mit den Vorschriften zur Produktsicherheit, dem DSA und dem Data Act. Inhaltliche Streitpunkte sind derzeit vor allem anwendungs- und sektorspezifische Klassifizierungen, beispielsweise ob vollautomatisierte Identifikations-Biometrie im öffentlichen Raum pauschal verboten werden sollte. Doch auch Fragen des Haftungsregimes, der Nachweismöglichkeiten für Anwender und Betroffene und die Frage der tatsächlichen Überwachung des Marktes und geeigneter Stellen stehen auf der langen Liste offener Streitpunkte.

Zeitplan: Auf der Dezember-Sitzung (2.-3.12.) der Ratsformation “Verkehr, Telekommunikation und Energie” (TTE) wird die slowenische Ratspräsidentschaft ihren Fortschrittsbericht vorstellen. Im Europäischen Parlament sieht es derzeit eher nach einem Rückschritt aus: Obwohl der Berichterstatter mit IMCO-Mitglied Brando Benifei bereits seit Juni feststeht, haben der JURI, LIBE und ITRE Ausschuss die alleinige Kompetenz des IMCO-Ausschusses offiziell angefochten.

Daher fehle bisher jegliche Zeitplanung, denn solange der Kompetenzstreit nicht geklärt ist, ist nicht klar sei, ob das Dossier wirklich im IMCO bleibt. Einen ähnlichen Kompetenzstreit gab es bereits beim DMA & DSA. Auch hier ging die Vorabzuteilung an den IMCO, wogegen mehrere Ausschüsse (darunter ITRE, ECON und JURI und TRAN) Einsprüche erhoben. Letztlich verblieben die Texte im IMCO, die anderen Ausschüsse wurden aber zu assoziierten Ausschüssen benannt.

  • Data Governance Act
  • Digital Markets Act
  • Digital Services Act
  • Digitalisierung
  • Digitalpolitik
  • ePrivacy
  • Künstliche Intelligenz

Termine

10.09.2021 – 09:30-13:00 Uhr, München
BEM, Diskussion BEM-AG-Netzwerktreffen
Die Arbeitsgruppen des Bundesverbandes E-Mobilität diskutieren im Kontext der Energie- und Mobilitätswende über aktuelle Entwicklungen der Neuen Mobilität. INFOS & ANMELDUNG

10.09.2021 – 13:00-14:30 Uhr, online
Staatskanzlei Hessen, Podiumsdiskussion Europas Plattformpolitik – Die Bedeutung des DMA & DSA für Mittelstand und Start-Ups in Hessen
Um auf Online-Plattformen einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten und Plattformunternehmen zu regulieren, hat die EU den Digital Markets Act (DMA) und Digital Services Act (DSA) veröffentlicht. Die Referent:innen des Vereins deutscher Ingenieure diskutieren über die Bedeutung der DMA und DSA für mittelständische Unternehmen in Hessen. INFOS & ANMELDUNG

13.09.2021 – 17:00 Uhr, online
Stiftung Mercator, Vortrag Der ÖPNV als Rückgrat der Verkehrswende – Fakt oder Fiktion?
In diesem Mercator Vortrag mit Susanne Henckel und Prof. Dr. Andreas Knie soll es darum gehen wie der ÖPNV ein Rückgrat einer sozialverträglichen Verkehrswende sein kann, trotz derzeitiger Herausforderungen wie Pandemie, Investitionsstaus, fehlendem Personal und unzureichendem Anschluss im ländlichen Raum. INFOS

13.09.-17.09.2021, online
ERA, Seminar Summer Course on European Public Procurement Law
This Academy of European Law seminar will focus on essential concepts and underlying principles in public procurement, substantive criteria in public procurement, and procurement by EU Institutions and bodies. INFOS & REGISTRATION

14.09.2021 – 09:00 Uhr, online
IGF-D, Konferenz XIII. Deutsches Internet Governance Forum
Vertreter:innen von Regierung, Parlaments, Technik-Community, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Jugend werden beim Internet Governance Forum Deutschland aktuelle digitalpolitische Trends in Deutschland diskutieren. INFOS & ANMELDUNG

14.09.2021 – 11:00-12:30 Uhr, online
EIT, Conference Digital Flagship Conference 2021
The aim of the European Institute of Innovation and Technology (EIT) Digital Flagship Conference is to realize the European Digital Decade: Speakers will provide insights into European innovation ecosystems, share a mindset for innovation and entrepreneurship, and reflect on entrepreneurs and ventures driving the new digitalization. INFOS & REGSITRATION

14.09.2021 – 14:00-15:00 Uhr, online
VDMA, Seminar Industrie 4.0, OPC UA, umati, 5G, KI & Co.
Referent des VDMA, Andreas Faath, gibt einen Einblick in die “Industrie 4.0 und die Weltsprache der Produktion – OPC UA”. Teilnehmer:innen des Seminars erhalten darüber hinaus Einblicke in die Themengebiete Künstliche Intelligenz, Plattformökonomie, 5G und Block Chain. INFOS & ANMELDUNG

14.09.2021 – 14:00-16:30 Uhr, online
VDMA, Seminar Hybrides Projektmanagement
In Impulsvorträgen geben die Referent:innen des VDMA einen Einblick in das Management von Projekten, klassische und agile Methoden. Im Anschluss wird in Breakoutsessions über Erfahrungen des hybriden Projektmanagements diskutiert. INFOS & ANMELDUNG

14.09.2021 – 16:00-17:00 Uhr, online
HBS, Panel Discussion Climate Justice Law Session: Geoengineering and the climate crisis
Geoengineering technologies intervene in natural systems and change them to reduce the impact of global warming. Speakers of the Heinrich Böll Foundation will discuss risks to the climate, the environment and human rights and how international law applies on geoengineering technologies. INFOS & REGISTRATION

14.09.-16.09.2021, online
GI, Conference Fisita World Congress
In presentations and roundtable discussions, participants will gain insight into future mobility trends. The Fisita 2021 is dedicated to the motto: “Automobile and Mobility. New Roles. New Challenges.” INFOS & REGISTRATION

14.09.-17.09.2021, Husum
Messe Husum Wind
Auf der Husum Wind präsentieren Aussteller:innen Windenergie-Technologien für zukünftige Energiesysteme und zeigen wie ein integriertes System erneuerbarer Energien zu neuen Wertschöpfungsketten führen kann. INFOS & ANMELDUNG

14.09.-17.09.2021, London/online
Diehl Defense, Trade Fair Defence & Security Equipment International 2021
Defense and security industry professionals can participate in live demonstrations and discussions at DSEI centered around the theme Integration. INFOS & REGISTRATION

“China muss hoch auf der politischen Agenda stehen”

Annalena Baerbock

Was steht für Sie im Vordergrund: Klare Worte zu Menschenrechten oder reibungsloser Handel?

Im Kampf gegen die Klimakrise führt kein Weg an einer Kooperation mit China vorbei. Gleichzeitig kann eine zeitgemäße Handelspolitik nicht entkoppelt von der Frage nach Menschenrechten betrieben werden. Was ist denn am Handel reibungslos, wenn dabei Menschenrechte verletzt und Umwelt und Klima zerstört werden? Das heißt aber auch, Menschenrechte nicht immer nur pro forma anzusprechen und sich wegzuducken, wenn es ums Geld geht. Stattdessen sollten wir die Macht unseres europäischen Binnenmarktes nutzen, um europäische Werte zu schützen.

Die derzeitigen Handelsbeziehungen mit China lassen Zwangsarbeit und die schweren Menschenrechtsverletzungen an den Uiguren in Xinjiang zum Beispiel außer Acht. Das können wir aber unterbinden – Waren aus Zwangsarbeit würden dann keinen Zugang zum EU-Binnenmarkt erhalten. Aber auch mit Blick auf einen fairen Marktzugang für ausländische Investitionen, auf Rechtssicherheit und gleiche Wettbewerbsbedingungen ist in den europäisch-chinesischen Handelsbeziehungen noch viel zu tun.

Wie stehen Sie zu Globalisierung und freien Warenströmen? Denken Sie, die Weltgegenden sollten sich
wirtschaftlich entkoppeln?

Globalisierung hat vielen Menschen Wohlstand und Entwicklung gebracht. Gleichzeitig brauchen wir in der globalisierten Welt klare Regeln, die Ungleichheit verringern sowie Menschenrechte und unsere Lebensgrundlagen schützen. Von wirtschaftlicher Entkoppelung oder Protektionismus halte ich nichts. China ist eine so große, aufstrebende Wirtschaftskraft, dass wir uns nicht von diesem Land abschotten können. Aber wir dürfen uns natürlich nicht von einem autoritären Regime abhängig machen, das auch mit unlauteren Wirtschaftsmethoden arbeitet.

Wir brauchen eine andere China-Politik, die auf alle sensiblen Wirtschaftsbereiche schaut und ihre Kraft aus der gemeinsamen Stärke der Europäischen Union zieht. Wir Europäer*innen können selbst definieren, welche Produkte auf unseren Markt kommen und welche Investitionen, vor allem in kritische Infrastruktur, wir zulassen. Und wir können entscheiden, unsere Lieferketten – zum Beispiel mit gleichgesinnten Staaten im Indo-Pazifik-Raum – zu diversifizieren, um die Abhängigkeit von China zu reduzieren. Das ist nicht Entkoppelung, sondern strategische Souveränität.

Wie wichtig ist China generell auf Ihrer Agenda im Vergleich zu EU, USA, Russland und dem Globalen Süden?

Wir erleben derzeit einen Wettbewerb der Systeme – liberale Demokratien versus autoritäre Kräfte wie China. Die chinesische Führung stellt mit ihrer aggressiven Machtpolitik die Staatengemeinschaft vor eine große Herausforderung. Sie zwingt viele Staaten in wirtschaftliche und damit auch in eine politische Abhängigkeit, agiert wie im Südchinesischen Meer zunehmend auch militärisch aggressiv, verletzt das Verfassungsprinzip “Ein Land – Zwei Systeme” in Hongkong und setzt Taiwan massiv unter Druck. Gleichzeitig müssen wir mit China und anderen autoritären Regimen bei den großen Menschheitsfragen wie der Klimakrise zusammenarbeiten.

Daher: Der Umgang mit China muss hoch oben auf der politischen Agenda stehen. Ganz entscheidend ist eine einheitliche europäische Politik, wenn die EU im geopolitischen Gefüge mit China nicht zerrieben werden will. Alleingänge, wie wir sie die letzten Jahre von der Bundesregierung gesehen haben, schwächen die europäische Position gegenüber China. Umso wichtiger ist, dass wir auch in der Chinapolitik mit den USA eng zusammenarbeiten. Die transatlantische Partnerschaft bleibt ein zentraler Stützpfeiler der deutschen Außenpolitik.

  • Annalena Baerbock
  • Bundestagswahl
  • China
  • Deutschland

News

Cybersicherheit: Europa spielt keine große Rolle in der Strategie

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch die neue Cybersicherheitsstrategie des Bundes beschlossen. Wer darin eine deutlich engere Zusammenarbeit in der EU oder gar ein Bekenntnis zur Stärkung der Europäischen Netzwerksicherheitsagentur ENISA erwartet hatte, wurde enttäuscht: Die deutsche Strategie beschreibt vor allem Pläne zur Stärkung der nationalen Strukturen – die europäische Ebene bleibt weitgehend außen vor.

Wesentliche Teile der Cybersicherheitspolitik sind derzeit als Teil der Sicherheitspolitik keine unmittelbare EU-Kompetenz. So unterhält jeder Mitgliedstaat eigene Institutionen zur Sicherstellung der Cybersicherheit, die im Bedarfsfall zusammenarbeiten können. Doch die Rolle von ENISA bleibt beschränkt. So wird in Kapitel 8.4.1 der deutschen Strategie zwar eine aktive europäische Cybersicherheitspolitik als Ziel beschrieben. Doch dabei wird vor allem auf die derzeit noch in Beratung befindliche Überarbeitung der EU-Netzwerk- und Informationssicherheitsrichtlinie und die Cyber Diplomacy Toolbox verwiesen. Allerdings sind Teile der Maßnahmen der nationalen Strategie auch europäisch umstritten: von der Möglichkeit zu sogenannten aktiven Maßnahmen – landläufig Hackback genannt – bis hin zum Verhältnis von Verschlüsselung und Zugangsmöglichkeiten für Sicherheitsbehörden.

Zugleich ist das Funktionieren des Binnenmarktes zunehmend von der Cybersicherheit abhängig – was zu parallelen Anforderungen auf europäischer und nationaler Ebene führt. Ein Beispiel: Die Bundesregierung stellt in ihrer Strategie fest, dass es derzeit für Anbieter von Überwachungstechnologie einfacher sei, ihre Produkte und Dienstleistungen von Ländern außerhalb an Abnehmer in der EU anzubieten als aus der EU heraus an Dritte. Dies sei eine Schwächung der digitalen Souveränität. Als Ziel definiert die Bundesregierung daher: “EU-weit sind einheitliche gesetzliche Anforderungen inklusive Marktzugangsregelungen sowie Normen und Standards für Unternehmen im Bereich der Cybersicherheit definiert”.

Ebenfalls wesentlich für eine Erhöhung des Cybersicherheitsniveaus ist aus Sicht der Bundesregierung die geplante europäische eID-Initiative. Hier setzt die Bundesregierung auf eine schnelle Notifizierung der Smart-eID, also dem im Februar beschlossenen smartphonefähigen digitalen Zwilling des Personalausweises. Zudem hält sie die EU-weite Anerkennung der jeweiligen nationalen Lösungen für den elektronischen Identitätsnachweis für geboten. fst

  • Bundesregierung
  • Cybersicherheit
  • Deutschland
  • Digitalisierung
  • Digitalpolitik
  • Hackback
  • Überwachungstechnologie

Presseschau

Raising the green game in finance: how can Europe deliver? POLITICO
EZB-Aufseherin sieht großen Nachholbedarf bei Nachhaltigkeit und warnt vor Covid-Risiken HANDELSBLATT
Grüne wollen Klima-Check für Bauprojekte ORF
Recht: Neue EU-Standarddatenschutzklauseln veröffentlicht HEISE
Räumung von Baumhäusern im Hambacher Forst war rechtswidrig SUEDDEUTSCHE
Rome set to be told $900m loan to Alitalia breached EU state-aid rules FT
Climate tops list of global threats in EU ‘strategic foresight’ report EURACTIV
Ganz in der Nähe der Ostsee: Polen plant Bau von Atomkraftwerken RTL
Facebook attackiert britische Kartellbehörde im Streit über Zukauf HANDELSBLATT
EU ‘seeking to turn migrant database into mass surveillance tool’ GUARDIAN

Portrait

Manfred Weber: die Maulwurf-Methode

Manfred Weber (CSU), Vorsitzender der EVP-Fraktion.
Manfred Weber (CSU) ist Stellvertretender Parteivorsitzender und Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament.

Wenn Manfred Weber etwas erreichen will, dann agiert er diskret. Mit Weber sei es wie bei einem Maulwurf, sagt eine langjährige Weggefährtin: Während man gerade an einem Hügel stehe, sei er schon längst drei Meter weiter. Sie meint das überaus anerkennend.

Manfred Weber wird im kommenden Jahr 50, der CSU-Politiker blickt bereits auf eine beachtliche Karriere zurück: Nach zwei Jahren im bayerischen Landtag wechselte er 2004 mit 31 Jahren ins Europaparlament. Seit 2014 ist er Vorsitzender der EVP-Gruppe im Europaparlament. Jetzt strebt Weber den nächsten Schritt an: Er wolle Präsident der Europäischen Volkspartei (EVP) werden, kündigte Weber am Mittwoch bei einer Sitzung seiner Fraktion an.

Weber hatte zuletzt schon durchsickern lassen, was er vorhat – die Bewerbung kommt daher nicht überraschend. Er hatte seine Bewerbung über den Sommer schon vorbereitet, gewohnt diskret. Einen ernstzunehmenden Gegenkandidaten müsse er nicht befürchten, heißt es in der EVP. Im November soll der Nominierungsprozess abgeschlossen sein.

Der Posten des Parteivorsitzenden wird frei, da Amtsinhaber Donald Tusk nach Polen zurückkehrt. Der einstige Präsident des Europäischen Rates will die Opposition gegen die PiS-Regierung einen. Für Weber bedeutet die Heimkehr Tusks die Chance, seiner politischen Laufbahn neuen Schwung zu geben.

Denn die war zuletzt in eine Sackgasse geraten. 2019 strebt Weber den europäischen Top-Job an – und scheitert. Obgleich er sich parteiintern gegen den Finnen Alexander Stubb durchsetzt und die EVP ihn als Spitzenkandidaten für die Europawahl aufstellt, wird eine andere Unionspolitikerin Kommissionspräsidentin. Ursula von der Leyen war obendrein zuvor nie selbst in der Europapolitik aktiv.

Gleich zwei Machtbasen

Diese Niederlage trifft Weber hart. Er erholt sich in seiner Heimat Niederbayern, verändert sein Äußeres, trägt jetzt Vollbart. Und macht als Fraktionschef weiter, beharrlich, stets freundlich und verbindlich. Den ihm zugedachten Trostpreis, nach der Hälfte der Legislaturperiode Präsident des Europaparlaments zu werden, lehnt er ab.

Danach wäre für Weber nur noch die Rolle als Hinterbänkler oder die Frührente geblieben, erklären seine Parteifreunde die Entscheidung. Um das Amt dürften sich nun andere Christdemokraten bewerben: Als aussichtsreich gelten der Spanier Esteban González Pons, die Niederländerin Esther de Lange und Roberta Metsola aus Malta.

Weber will lieber EVP-Vorsitzender werden – ein wenig öffentlichkeitswirksames Amt, das aber einen gewissen Einfluss erlaubt. Tusk-Vorgänger Joseph Daul zog im Hintergrund die Strippen, koordinierte etwa das Vorgehen der christdemokratischen Staats- und Regierungschefs beim großen Postenpoker 2019. Weber will überdies Fraktionschef bleiben, hätte so gleich zwei Machtbasen. Dass ihn die Abgeordneten erneut bestätigen, gilt als wahrscheinlich.

So kann er womöglich doch noch aufrücken, in die Top-Riege der europäischen Politik. Auf Umwegen und diskret. Ein wenig wie ein Maulwurf eben. Till Hoppe/Falk Steiner

  • Europapolitik
  • EVP
  • Manfred Weber

Apéropa

Jahrelang hat sich die Automobilindustrie gewehrt, beim Klimaschutz so richtig mit anzupacken. Das gab selbst VW-Chef Herbert Diess zu: “Bisher handeln wir noch nicht konsequent genug, dem Klimawandel könnte deutlich mehr entgegengesetzt werden”, sagte er am Rande der Automobilmesse IAA Mobility. Denn seit neustem stehen Dekarbonisierung und Emissionsreduzierung auf den Aushängeschildern der Autobauer.

Was dort allerdings nicht drauf steht, ist Zurückhaltung und Sparsamkeit. Der Großteil der auf der IAA vorgestellten Neuerscheinungen sind nach wie vor protzige SUVs und Sportwagen. Auch die für Testfahrten angebotenen Autos strahlen nur wenig Bescheidenheit aus. Zugegeben: Bei den meisten handelt es sich um E-SUVs oder zumindest Plug-In-Hybride. Doch es sind nicht die kleinen Niedrigverbraucher, die die emissionsarme Automobilität der Zukunft prägen sollen.

Dabei sagte Diess doch auch, dass man die bestehenden Möglichkeiten noch zu wenig ausschöpfe, dass man die EU bei der Umsetzung von Green Deal und Fit-for-55 unterstützen wolle und dass der CO2-Fußabdruck über den gesamten Lebenszyklus eines E-Fahrzeugs noch zu hoch sei. Brav listet er auf, wo VW in der Produktion und Lieferkette bereits welche Emissionen einspart. Was er allerdings nicht sagt ist, dass eine Möglichkeit auch darin bestehen könnte, hauptsächlich kleinere und ressourcenschonende Fahrzeuge zu produzieren. Die bräuchten nämlich weniger Batterieleistung, weniger Stahl und verursachen damit auch – Überraschung – weniger CO2-Emissionen.

Diess hat also Recht, die bestehenden Möglichkeiten werden noch nicht ausgeschöpft. Vielleicht wäre das von einer Autoindustrie, die bis vor kurzem noch nichts von einem Paradigmenwechsel wissen wollte, aber auch zu viel verlangt. Lukas Scheid

  • Dekarbonisierung
  • Elektromobilität
  • Mobilität
  • Volkswagen

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Heftiger Streit um das EU-Lieferkettengesetz
    • Ausblick auf die digitalen Vorhaben in Brüssel
    • Interview mit Annalena Baerbock: “China muss hoch auf der politischen Agenda stehen”
    • Cybersicherheit: wenig Europa in deutscher Strategie
    • Im Portrait: Manfred Weber
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    18 Tage bis zur Wahl des neuen Bundestages. Die Umfragewerte der Partei der amtierenden Kanzlerin sind im Keller, Wahlkämpfer Armin Laschet hört auf dem Weg nach Paris kaum verhohlene Kritik aus den eigenen Reihen und Spott aus Bayern. Über seine Europa-Pläne wollte Laschet mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprechen, im Stil des Weltpolitikers schickte er einen Gastbeitrag (im Handelsblatt) mit Bekenntnissen vorab nach Paris. Doch die Chancen schwinden, dass aus dem Kandidaten ein Kanzler wird, der seine europapolitischen Ziele umsetzen wird.

    Die Bedeutung des Lieferkettengesetzes für Europas Unternehmen kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Längst geht es nicht nur um Großkonzerne und zu ächtende Menschenrechtsverletzungen. In der EU-Kommission wird heftig diskutiert über Strafen für Unternehmen oder die Haftung von Geschäftsführern. Charlotte Wirth hat den aktuellen Stand der Debatte.

    Jasmin Kohl gibt einen Ausblick auf die digitalpolitische Agenda für den Herbst. Sie untersucht den Fortgang der Verhandlungen in Brüssel zu den diversen Gesetzesvorhaben. Einen Blick sollten Sie auch in den Beitrag von Falk Steiner werfen, der die europäischen Aspekte der Cybersicherheitsstrategie beleuchtet. Gestern hat die Bundesregierung diese verabschiedet.

    Zum Schluss Manfred Weber. Dass er Präsident der Europäischen Volkspartei werden will, war schon bekannt. Gestern hat der CSU-Politiker nun seinen Hut offiziell in den Ring geworfen. Till Hoppe zeichnet Webers Politikstil im Portrait nach.

    Ihre
    Antje Sirleschtov
    Bild von Antje  Sirleschtov

    Analyse

    Offene Flanke: Lieferkettengesetz

    Wann kommt das EU-Lieferkettengesetz? Die Frage wird immer dringender, schließlich wollen sich europäische Unternehmen mit Vorlauf auf die umfassenden Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten vorbereiten. Wen wird das Gesetz treffen? Wie umfassend müssen Unternehmen künftig auf die Wahrung von Menschenrechten, Sozialstandards und Umweltschutz in ihren Lieferketten achten?

    Eigentlich wollte Justizkommissar Reynders im April Antworten liefern. Doch die Folgenabschätzung seines Gesetzes fiel beim Regulatory Scrutiny Board durch. Es sei zu unpräzise, so einer der Kritikpunkte. Statt Gesetzespräsentation wurde Reynders der Binnenmarkt-Kommissar Breton zur Seite gestellt.

    Das Projekt des Justizkommissars sorgt in der Kommission ohnehin für Streit. Reynders Vorstellungen gelten als zu ambitiös. Damit hat der Belgier nicht nur seinen Parteikollegen Breton gegen sich gewandt, sondern auch die Kommissarin für Werte und Transparenz Vera Jourova.

    Schon als Justizkommissarin unter Juncker hat sie das damals längst in den Startlöchern stehende Projekt vehement abgeblockt. Sie sträubt sich gegen eine zu konsequente Einmischung der öffentlichen Hand in die Unternehmensführung. Im Organigramm steht sie über Reynders und macht Druck gegen ein allzu starkes Lieferkettengesetz. “Die Kommission muss jetzt liefern. Es kann nicht sein, dass ein ambitiöses Vorhaben an der Panikmache von DG Business und der Industrielobby scheitert”, bedauert Richard Gardiner von Global Witness.

    Der Oktober-Termin wackelt

    Statt eines Gesetzestextes im April rollte die DG Grow die Arbeit am Gesetz von vorne auf. Am 27. Oktober soll der Text kommen, so ist es in der Kommissionsagenda vorgesehen. Doch bisher wurde noch nicht mal eine überarbeitete Folgeneinschätzung eingereicht.  

    Dabei wird ein einheitliches europäisches Gesetz dringend benötigt. Nur wenige EU-Länder, allen voran Frankreich und Deutschland, haben aktuell eine nationale Gesetzgebung zur Sorgfaltspflicht. Das sorgt für eine Fragmentierung des Wettbewerbs. “Wir brauchen gleiche Bedingungen für den Binnenmarkt”, fordert Heiko Willems vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI).

    Die nationalen Gesetze unterscheiden sich zudem stark. In Deutschland sind Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitern (ab 2023 ab 1.000) betroffen, in Frankreich ab 5.000. Deutschland beschränkt sich auf die ersten Stufen der Lieferketten, in Frankreich sind auch Tochterfirmen und Sub-Unternehmen in der Pflicht.

    Industrieverbände sind stark engagiert

    Das Reynders-Gesetz dürfte den ungleichen Wettbewerb berichtigen. Bleibt die Frage: Wird das Gesetz strenger oder schwächer als die nationalen Texte? Hinter den Kulissen setzen sich Unternehmensverbände aktiv für Zweiteres ein, wie ein aktueller Bericht der Europäischen Koalition für Unternehmensgerechtigkeit (ECCJ) zeigt. Insbesondere Frankreichs und Deutschlands Industrieverbände würden auf eine Verwässerung ihrer nationalen Gesetze drängen, schließen die Autoren aus internen Lobbyunterlagen.

    Reynders hingegen visiert ein schärferes Gesetz an. Er wolle weiter gehen als der Text aus Berlin, sagte er der FAZ: Reynders will alle Unternehmen unabhängig ihrer Größe in die Pflicht nehmen und sämtliche Stufen der Lieferketten einbeziehen. Ganz zum Unmut der Unternehmensverbände orientiert sich Reynders mit dieser Haltung stark an dem Vorschlag des EU-Parlaments.

    Bereits im März hat dieses seine Empfehlungen an die Kommission weitergegeben, federführend war die Sozialistin Lara Wolters. Komplementär dazu gilt die Resolution Pascal Durands zur nachhaltigen Unternehmensführung. Dass Reynders Text sich zu sehr an diesen Berichten orientiere, bereite den Unternehmen starke Bauchschmerzen, heißt es aus Industriekreisen.

    Kommission ringt um Grundsatzfragen

    Innerhalb der Kommission laufen die Diskussionen auf Hochtouren. Unklar ist weiterhin, welche Reichweite der Text haben soll, wie mit Klein- und Mittelbetrieben umgegangen wird und ob die Gesetzgebung sich nur auf Menschenrechte oder auch auf die Umwelt bezieht.

    Drei Punkte sind besonders umstritten:

    • Ob und welche Sanktionen Unternehmen auferlegt werden;
    • Ob es eine persönliche Haftung für Geschäftsführer gibt;
    • Ob Geschädigte Zugang zum EU-Justizsystem haben.

    Insbesondere die persönliche Haftung stößt auf Widerstand. Demnach sollen sich Unternehmensleiter, etwa CEOs, für Mängel in der Sorgfaltspflicht ihrer Firmen persönlich verantworten. Wie das in der Praxis aussieht, ist noch unklar. Werden etwa Gehälter gekürzt oder weniger Dividenden ausbezahlt? Klar ist jedenfalls: Nicht nur für Unternehmen ist eine solche Vorstellung unvertretbar, sondern auch innerhalb des Kollegiums sorgt sie für Streit.

    Im Parlament stimmte die EVP gegen den Durand-Bericht. Die Frage der persönlichen Haftung greift zudem ins Gesellschaftsrecht hinein – ein Gebiet, auf dem die EU wenig Kompetenzen hat. Wie sich die Kommission positionieren wird, wird auch davon abhängen, ob sie die nachhaltige Unternehmensführung in das Sorgfaltspflichtengesetz integriert oder nicht. “Beide dürfen nicht zusammengewürfelt werden”, fordert BusinessEurope.

    Sorgfaltspflicht oder Haftungsverfahren?

    Auch die generelle Haftpflicht für Unternehmen macht die Industrie nervös. “Wir wollen keine neuen Haftungstatbestände“, betont Heiko Willems vom BDI. Die Verantwortung der Betriebe soll sich auf die Bemühungspflicht begrenzen:  Sprich, Unternehmen müssen nachweisen, dass sie ihre Sorgfaltspflicht erfüllen, dürfen aber nicht zur Verantwortung gezogen werden, wenn es trotz dessen zu Versäumnissen kommt.  Zudem soll sich die Unternehmensverantwortung auf die erste Zulieferungsstufe (Tier 1) und Tochterunternehmen begrenzen. “Die Firmen müssen schließlich imstande sein, die Lieferkette auch effektiv kontrollieren zu können”, sagt auch Pedro Oliveira von BusinessEurope.  

    Vertreter der Zivilgesellschaft hingegen wünschen sich eine viel umfassendere Haftpflicht. Nicht nur soll die Unternehmensverantwortung für die gesamte Lieferkette gelten, sondern Opfer sollen einen effektiven Zugang zur EU-Justiz haben. “Wir benötigen starke Mechanismen, um Unternehmen zur Rechenschaft zu ziehen.  Dazu gehören legale Kanäle, damit Geschädigte Zugang zu EU-Gerichten haben”, fordert Richard Gardiner.

    Staaten sollen “mit juristischen, administrativen und legalen” Mitteln sicherstellen, dass Opfer Zugang zu einem wirksamen Rechtsbehelf haben, heißt es auch im Wolters-Bericht. Das bedeutet aber, dass NGOs oder andere in der EU ansässige Dritte im Namen der Opfer Klage einreichen können. BusinessEurope sieht das kritisch. “Wer hätte den die rechtliche Stellung das zu tun?”, fragt Pedro Oliveria. Er befürchtet zudem Rechtskonflikte, wenn sowohl in Europa wie auch in Drittländern gegen Unternehmen geklagt würde.

    Eng an die Frage der Haftung ist auch ein weiterer Streitpunkt, die Beweispflicht, gekoppelt: Müssen Opfer den Unternehmen Verletzungen der Sorgfaltspflicht nachweisen oder Unternehmen ihre Unschuld beweisen? Bereits in Deutschland sorgte dieser Punkt für Streit in der Koalition und wurde letztlich auf Druck von Wirtschaftsminister Altmaier gekippt.

    Frankreichs Einfluss wächst mit der Präsidentschaft

    Im Rat wird die Aushandlung des Textes wohl maßgeblich von Deutschland und Frankreich getragen werden. Beide haben bereits ein Sorgfaltspflichtengesetz und drängen auf eine Ausdehnung der eigenen Gesetze. Berlin wird seiner Industrie eine Verschärfung des eigenen Textes nicht vermitteln können. Aus dem Wirtschaftsministerium heißt es dazu, “Deutschland sei mit seinem ausdifferenzierten Gesetzentwurf Vorreiter und könne damit auch für die europäische Regulierung wichtige Impulse setzen.”

    Doch während die Bundeswahlen maßgeblich über die deutsche Haltung entscheiden werden, hat Paris nächstes Jahr die Ratspräsidentschaft inne und wird zumindest die Ausarbeitung der Ratsposition leiten. Es ist bekannt, dass Macron kein Fan des französischen Gesetzes ist. Für einen strengeren Text als Frankreichs Rana Plaza Gesetz wird sich Paris kaum einsetzen.

    • Europapolitik
    • Handel
    • Lieferketten
    • Lieferkettengesetz
    • Unternehmensverantwortung

    Digitalpolitik: Der Herbst der großen Vorhaben

    e-Privacy-Verordnung

    Kommissionsvorschlag: 10.01.17
    Akteure: Federführender Ausschuss im Europäischen Parlament: LIBE; Berichterstatterin: Birgit Sippel (SPD)

    Inhalt: Die bestehende Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (2002) musste dem technischen Fortschritt und neuen Marktentwicklungen angepasst werden. Beispiele: Internet-Sprachtelefonie (Voice-over-IP/VoIP) oder web-gestützte E-Mail- und Nachrichtenübermittlungsdienste (OTTs). Zentraler Konflikt: Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Privatsphäre und Telekommunikationsgeheimnis einerseits, Interessen zur Nutzung neuer Technologien andererseits – zum Beispiel durch die Werbewirtschaft (Stichwort: Cookies) oder bei Standortdatendiensten.

    Die Verordnung war ursprünglich als Komplementär zur Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gedacht, die Ende Mai 2018 in Kraft trat. Die jahrelange Nichteinigung auf die Verordnung als Nachfolgerin der bisherigen e-Privacy-Richtlinie führt seit Jahren zu juristischen Problemen, vor allem im Verhältnis von DSGVO und e-Privacy-Richtlinie – doch über Jahre scheiterten die Ratspräsidentschaften an einer Einigung.

    Zeitplan: Nachdem die Diskussionen im Rat über vier Jahre lang zum Stillstand gekommen waren, gelang es den Mitgliedstaaten am 10. Februar schließlich unter der Portugiesischen Ratspräsidentschaft sich auf ein Verhandlungsmandat zu einigen. Der erste Trilog fand am 20. Mai statt. Die Slowenische Ratspräsidentschaft plant einen zweiten Trilog im Oktober. Im Europäischen Parlament will man sich dagegen noch auf kein konkretes Datum festlegen. Der Weg für den Trilog sei aber weiterhin offen.

    Data Governance Act (DGA)

    Kommissionsvorschlag: 25.11.20
    Akteure: Federführender Ausschuss im Europäischen Parlament: ITRE; Berichterstatterin: Angelika Niebler (CSU)

    Inhalt: Das Datenvolumen steigt stetig an, aber das wirtschaftliche und gesellschaftliche Potenzial bleibt in der EU bisher weitgehend ungenutzt. Das soll der DGA, Bestandteil der Europäischen Datenstrategie, ändern und einen sicheren, einheitlichen und gerechten Datenaustausch zwischen Sektoren und Mitgliedstaaten herstellen. Die Verordnung soll Vertrauen schaffen, technische Hürden abbauen und so einen europäischen Markt für Daten entstehen lassen (Europe.Table berichtete).

    Sogenannte data spaces (europäische Datenräume) in strategischen Sektoren wie Gesundheit, Umwelt oder Finanzen sollen private und öffentliche Akteure zusammenbringen und Innovationen antreiben. Insbesondere die Frage, welche Anforderungen an Vermittler zwischen Anbietern und Nachfragern gestellt werden sollten, gilt als umstritten.

    Zeitplan: Das Europäische Parlament plant seine Position während der Plenarsitzung nächste Woche in Straßburg abzustimmen. Auch von der Ratspräsidentschaft kommen positive Signale: Den fünften Kompromissvorschlag habe die Arbeitsgruppe Telekommunikation und Informationsgesellschaft am 7. September diskutiert. Von einer Einigung sei man nicht weit entfernt. Wenn alles gut laufe, sei mit dem ersten Trilog Mitte Herbst zu rechnen.

    Digital Markets Act (DMA)

    Kommissionsvorschlag: 15.12.20
    Akteure: Federführender Ausschuss im Europäischen Parlament: IMCO; Berichterstatter: Andreas Schwab (CDU)

    Inhalt: Der “Digital Markets Act” (Gesetz über digitale Märkte) führt spezifische Pflichten für sogenannte Gatekeeper (Betreiber besonders großer Online-Plattformen wie Google, Amazon, Facebook, Apple oder Microsoft) ein. Ziel ist es, die Dominanz der großen Plattformen zu regulieren und einen fairen Wettbewerb auf den Digitalmärkten herzustellen sowie Markteintrittsbarrieren zu senken. Auch die Frage, ob Messenger-Dienste wie Signal oder WhatsApp künftig interoperabel sein sollen, wird in diesem Zusammenhang diskutiert (Europe.Table berichtete). Bei Verstoß sieht der DMA-Entwurf teils drastische finanzielle Sanktionen vor.

    Zeitplan: Die IMCO-Mitglieder wollen am 8. November über den Bericht von Schwab abstimmen. Das Plenum des Europäischen Parlaments könnte in der Plenarwoche vom 13.-16. Dezember sein grünes Licht für das Legislativpaket geben. Die Trilogverhandlungen könnten dann Anfang 2022 starten.

    Die slowenische Ratspräsidentschaft arbeitet derzeit an ihrem zweiten Kompromissvorschlag, eine allgemeine Ausrichtung soll bis November stehen. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hatte am Montag vor dem INGE-Ausschuss ihre Hoffnung geäußert, dass bis zum Frühjahr 2022 sowohl für den DSA als auch für den DMA eine Einigung besteht (Europe.Table berichtete), was dann bereits unter der französischen Ratspräsidentschaft wäre.

    Digital Services Act (DSA)

    Kommissionsvorschlag: 15.12.20
    Akteure: Federführender Ausschuss im Europäischen Parlament: IMCO; Berichterstatterin: Christel Schaldemose (DK, S&D)

    Inhalt: Der “Digital Services Act” (Gesetz über digitale Dienste) soll die Pflichten digitaler Plattformen neu regeln, um Verbraucher besser zu schützen. Die Weiterentwicklung der EU e-Commerce-Richtlinie soll insbesondere die Regularien des Haftungsregimes überarbeiten. Online-Plattformen sollen auf EU-Ebene dazu verpflichtet werden, illegale Inhalte nicht nur schnell, sondern auch transparent zu löschen. Das “Grundgesetz für das Internet” spiegelt dabei wesentliche Aspekte des deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes wider (Europe.Table berichtete), steht zugleich aber potenziell in Konkurrenz zu diesem.

    Zeitplan: Über den Bericht von Christel Schaldemose wollen die IMCO-Mitglieder ebenfalls am 8. November abstimmen. Das Plenum des Europäischen Parlaments könnten dann in der Plenarwoche vom 13.-16. Dezember sein grünes Licht für das Legislativpaket geben. Die Slowenische Ratspräsidentschaft hat vergangene Woche ihren ersten Kompromissvorschlag präsentiert und verfasst bereits den zweiten Vorschlag. Diesen wolle sie noch im Laufe dieses Monates auf Arbeitsgruppen-Ebene diskutieren.

    Das Ziel: Die allgemeine Ausrichtung will die slowenische Ratspräsidentschaft im Rat Wettbewerbsfähigkeit (COMPET) am 25. und 26. November verabschieden, sodass die französische Ratspräsidentschaft im Januar unmittelbar mit den Trilogverhandlungen starten könne. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hatte am Montag vor dem INGE-Ausschuss ihre Hoffnung geäußert, dass bis zum Frühjahr 2022 sowohl für den DSA als auch für den DMA eine Einigung besteht (Europe.Table berichtete).

    Verordnung für Künstliche Intelligenz

    Kommissionsvorschlag: 21.04.21
    Akteure: Federführender Ausschuss im Europäischen Parlament: IMCO; Berichterstatter: Brando Benifei (IT, S&D)

    Inhalt: Der heutige und künftige Einsatz sogenannter Künstlicher Intelligenz benötigt einen regulatorischen Rahmen: hierin besteht zwischen den Akteuren auf europäischer und auch nationaler Ebene weitgehend Einigkeit. Statt einem sektorspezifischen hat sich die EU-Kommission für einen horizontalen Ansatz der Regulierung entschieden: Der Einsatz Automatisierter Entscheidungsfindung (ADM) soll entsprechend einer Risikoklassifizierung unterschiedlich stark reguliert werden – vom vollkommen risikolosen Einsatz bis hin zu Höchstrisiko-Einsätzen, bei denen auch ein Totalverbot möglich ist.

    Regulatorisch entstehen hier Wechselwirkungen mit einigen anderen derzeit in Vorbereitung oder in Beratung befindlichen Dossiers – insbesondere mit den Vorschriften zur Produktsicherheit, dem DSA und dem Data Act. Inhaltliche Streitpunkte sind derzeit vor allem anwendungs- und sektorspezifische Klassifizierungen, beispielsweise ob vollautomatisierte Identifikations-Biometrie im öffentlichen Raum pauschal verboten werden sollte. Doch auch Fragen des Haftungsregimes, der Nachweismöglichkeiten für Anwender und Betroffene und die Frage der tatsächlichen Überwachung des Marktes und geeigneter Stellen stehen auf der langen Liste offener Streitpunkte.

    Zeitplan: Auf der Dezember-Sitzung (2.-3.12.) der Ratsformation “Verkehr, Telekommunikation und Energie” (TTE) wird die slowenische Ratspräsidentschaft ihren Fortschrittsbericht vorstellen. Im Europäischen Parlament sieht es derzeit eher nach einem Rückschritt aus: Obwohl der Berichterstatter mit IMCO-Mitglied Brando Benifei bereits seit Juni feststeht, haben der JURI, LIBE und ITRE Ausschuss die alleinige Kompetenz des IMCO-Ausschusses offiziell angefochten.

    Daher fehle bisher jegliche Zeitplanung, denn solange der Kompetenzstreit nicht geklärt ist, ist nicht klar sei, ob das Dossier wirklich im IMCO bleibt. Einen ähnlichen Kompetenzstreit gab es bereits beim DMA & DSA. Auch hier ging die Vorabzuteilung an den IMCO, wogegen mehrere Ausschüsse (darunter ITRE, ECON und JURI und TRAN) Einsprüche erhoben. Letztlich verblieben die Texte im IMCO, die anderen Ausschüsse wurden aber zu assoziierten Ausschüssen benannt.

    • Data Governance Act
    • Digital Markets Act
    • Digital Services Act
    • Digitalisierung
    • Digitalpolitik
    • ePrivacy
    • Künstliche Intelligenz

    Termine

    10.09.2021 – 09:30-13:00 Uhr, München
    BEM, Diskussion BEM-AG-Netzwerktreffen
    Die Arbeitsgruppen des Bundesverbandes E-Mobilität diskutieren im Kontext der Energie- und Mobilitätswende über aktuelle Entwicklungen der Neuen Mobilität. INFOS & ANMELDUNG

    10.09.2021 – 13:00-14:30 Uhr, online
    Staatskanzlei Hessen, Podiumsdiskussion Europas Plattformpolitik – Die Bedeutung des DMA & DSA für Mittelstand und Start-Ups in Hessen
    Um auf Online-Plattformen einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten und Plattformunternehmen zu regulieren, hat die EU den Digital Markets Act (DMA) und Digital Services Act (DSA) veröffentlicht. Die Referent:innen des Vereins deutscher Ingenieure diskutieren über die Bedeutung der DMA und DSA für mittelständische Unternehmen in Hessen. INFOS & ANMELDUNG

    13.09.2021 – 17:00 Uhr, online
    Stiftung Mercator, Vortrag Der ÖPNV als Rückgrat der Verkehrswende – Fakt oder Fiktion?
    In diesem Mercator Vortrag mit Susanne Henckel und Prof. Dr. Andreas Knie soll es darum gehen wie der ÖPNV ein Rückgrat einer sozialverträglichen Verkehrswende sein kann, trotz derzeitiger Herausforderungen wie Pandemie, Investitionsstaus, fehlendem Personal und unzureichendem Anschluss im ländlichen Raum. INFOS

    13.09.-17.09.2021, online
    ERA, Seminar Summer Course on European Public Procurement Law
    This Academy of European Law seminar will focus on essential concepts and underlying principles in public procurement, substantive criteria in public procurement, and procurement by EU Institutions and bodies. INFOS & REGISTRATION

    14.09.2021 – 09:00 Uhr, online
    IGF-D, Konferenz XIII. Deutsches Internet Governance Forum
    Vertreter:innen von Regierung, Parlaments, Technik-Community, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Jugend werden beim Internet Governance Forum Deutschland aktuelle digitalpolitische Trends in Deutschland diskutieren. INFOS & ANMELDUNG

    14.09.2021 – 11:00-12:30 Uhr, online
    EIT, Conference Digital Flagship Conference 2021
    The aim of the European Institute of Innovation and Technology (EIT) Digital Flagship Conference is to realize the European Digital Decade: Speakers will provide insights into European innovation ecosystems, share a mindset for innovation and entrepreneurship, and reflect on entrepreneurs and ventures driving the new digitalization. INFOS & REGSITRATION

    14.09.2021 – 14:00-15:00 Uhr, online
    VDMA, Seminar Industrie 4.0, OPC UA, umati, 5G, KI & Co.
    Referent des VDMA, Andreas Faath, gibt einen Einblick in die “Industrie 4.0 und die Weltsprache der Produktion – OPC UA”. Teilnehmer:innen des Seminars erhalten darüber hinaus Einblicke in die Themengebiete Künstliche Intelligenz, Plattformökonomie, 5G und Block Chain. INFOS & ANMELDUNG

    14.09.2021 – 14:00-16:30 Uhr, online
    VDMA, Seminar Hybrides Projektmanagement
    In Impulsvorträgen geben die Referent:innen des VDMA einen Einblick in das Management von Projekten, klassische und agile Methoden. Im Anschluss wird in Breakoutsessions über Erfahrungen des hybriden Projektmanagements diskutiert. INFOS & ANMELDUNG

    14.09.2021 – 16:00-17:00 Uhr, online
    HBS, Panel Discussion Climate Justice Law Session: Geoengineering and the climate crisis
    Geoengineering technologies intervene in natural systems and change them to reduce the impact of global warming. Speakers of the Heinrich Böll Foundation will discuss risks to the climate, the environment and human rights and how international law applies on geoengineering technologies. INFOS & REGISTRATION

    14.09.-16.09.2021, online
    GI, Conference Fisita World Congress
    In presentations and roundtable discussions, participants will gain insight into future mobility trends. The Fisita 2021 is dedicated to the motto: “Automobile and Mobility. New Roles. New Challenges.” INFOS & REGISTRATION

    14.09.-17.09.2021, Husum
    Messe Husum Wind
    Auf der Husum Wind präsentieren Aussteller:innen Windenergie-Technologien für zukünftige Energiesysteme und zeigen wie ein integriertes System erneuerbarer Energien zu neuen Wertschöpfungsketten führen kann. INFOS & ANMELDUNG

    14.09.-17.09.2021, London/online
    Diehl Defense, Trade Fair Defence & Security Equipment International 2021
    Defense and security industry professionals can participate in live demonstrations and discussions at DSEI centered around the theme Integration. INFOS & REGISTRATION

    “China muss hoch auf der politischen Agenda stehen”

    Annalena Baerbock

    Was steht für Sie im Vordergrund: Klare Worte zu Menschenrechten oder reibungsloser Handel?

    Im Kampf gegen die Klimakrise führt kein Weg an einer Kooperation mit China vorbei. Gleichzeitig kann eine zeitgemäße Handelspolitik nicht entkoppelt von der Frage nach Menschenrechten betrieben werden. Was ist denn am Handel reibungslos, wenn dabei Menschenrechte verletzt und Umwelt und Klima zerstört werden? Das heißt aber auch, Menschenrechte nicht immer nur pro forma anzusprechen und sich wegzuducken, wenn es ums Geld geht. Stattdessen sollten wir die Macht unseres europäischen Binnenmarktes nutzen, um europäische Werte zu schützen.

    Die derzeitigen Handelsbeziehungen mit China lassen Zwangsarbeit und die schweren Menschenrechtsverletzungen an den Uiguren in Xinjiang zum Beispiel außer Acht. Das können wir aber unterbinden – Waren aus Zwangsarbeit würden dann keinen Zugang zum EU-Binnenmarkt erhalten. Aber auch mit Blick auf einen fairen Marktzugang für ausländische Investitionen, auf Rechtssicherheit und gleiche Wettbewerbsbedingungen ist in den europäisch-chinesischen Handelsbeziehungen noch viel zu tun.

    Wie stehen Sie zu Globalisierung und freien Warenströmen? Denken Sie, die Weltgegenden sollten sich
    wirtschaftlich entkoppeln?

    Globalisierung hat vielen Menschen Wohlstand und Entwicklung gebracht. Gleichzeitig brauchen wir in der globalisierten Welt klare Regeln, die Ungleichheit verringern sowie Menschenrechte und unsere Lebensgrundlagen schützen. Von wirtschaftlicher Entkoppelung oder Protektionismus halte ich nichts. China ist eine so große, aufstrebende Wirtschaftskraft, dass wir uns nicht von diesem Land abschotten können. Aber wir dürfen uns natürlich nicht von einem autoritären Regime abhängig machen, das auch mit unlauteren Wirtschaftsmethoden arbeitet.

    Wir brauchen eine andere China-Politik, die auf alle sensiblen Wirtschaftsbereiche schaut und ihre Kraft aus der gemeinsamen Stärke der Europäischen Union zieht. Wir Europäer*innen können selbst definieren, welche Produkte auf unseren Markt kommen und welche Investitionen, vor allem in kritische Infrastruktur, wir zulassen. Und wir können entscheiden, unsere Lieferketten – zum Beispiel mit gleichgesinnten Staaten im Indo-Pazifik-Raum – zu diversifizieren, um die Abhängigkeit von China zu reduzieren. Das ist nicht Entkoppelung, sondern strategische Souveränität.

    Wie wichtig ist China generell auf Ihrer Agenda im Vergleich zu EU, USA, Russland und dem Globalen Süden?

    Wir erleben derzeit einen Wettbewerb der Systeme – liberale Demokratien versus autoritäre Kräfte wie China. Die chinesische Führung stellt mit ihrer aggressiven Machtpolitik die Staatengemeinschaft vor eine große Herausforderung. Sie zwingt viele Staaten in wirtschaftliche und damit auch in eine politische Abhängigkeit, agiert wie im Südchinesischen Meer zunehmend auch militärisch aggressiv, verletzt das Verfassungsprinzip “Ein Land – Zwei Systeme” in Hongkong und setzt Taiwan massiv unter Druck. Gleichzeitig müssen wir mit China und anderen autoritären Regimen bei den großen Menschheitsfragen wie der Klimakrise zusammenarbeiten.

    Daher: Der Umgang mit China muss hoch oben auf der politischen Agenda stehen. Ganz entscheidend ist eine einheitliche europäische Politik, wenn die EU im geopolitischen Gefüge mit China nicht zerrieben werden will. Alleingänge, wie wir sie die letzten Jahre von der Bundesregierung gesehen haben, schwächen die europäische Position gegenüber China. Umso wichtiger ist, dass wir auch in der Chinapolitik mit den USA eng zusammenarbeiten. Die transatlantische Partnerschaft bleibt ein zentraler Stützpfeiler der deutschen Außenpolitik.

    • Annalena Baerbock
    • Bundestagswahl
    • China
    • Deutschland

    News

    Cybersicherheit: Europa spielt keine große Rolle in der Strategie

    Das Bundeskabinett hat am Mittwoch die neue Cybersicherheitsstrategie des Bundes beschlossen. Wer darin eine deutlich engere Zusammenarbeit in der EU oder gar ein Bekenntnis zur Stärkung der Europäischen Netzwerksicherheitsagentur ENISA erwartet hatte, wurde enttäuscht: Die deutsche Strategie beschreibt vor allem Pläne zur Stärkung der nationalen Strukturen – die europäische Ebene bleibt weitgehend außen vor.

    Wesentliche Teile der Cybersicherheitspolitik sind derzeit als Teil der Sicherheitspolitik keine unmittelbare EU-Kompetenz. So unterhält jeder Mitgliedstaat eigene Institutionen zur Sicherstellung der Cybersicherheit, die im Bedarfsfall zusammenarbeiten können. Doch die Rolle von ENISA bleibt beschränkt. So wird in Kapitel 8.4.1 der deutschen Strategie zwar eine aktive europäische Cybersicherheitspolitik als Ziel beschrieben. Doch dabei wird vor allem auf die derzeit noch in Beratung befindliche Überarbeitung der EU-Netzwerk- und Informationssicherheitsrichtlinie und die Cyber Diplomacy Toolbox verwiesen. Allerdings sind Teile der Maßnahmen der nationalen Strategie auch europäisch umstritten: von der Möglichkeit zu sogenannten aktiven Maßnahmen – landläufig Hackback genannt – bis hin zum Verhältnis von Verschlüsselung und Zugangsmöglichkeiten für Sicherheitsbehörden.

    Zugleich ist das Funktionieren des Binnenmarktes zunehmend von der Cybersicherheit abhängig – was zu parallelen Anforderungen auf europäischer und nationaler Ebene führt. Ein Beispiel: Die Bundesregierung stellt in ihrer Strategie fest, dass es derzeit für Anbieter von Überwachungstechnologie einfacher sei, ihre Produkte und Dienstleistungen von Ländern außerhalb an Abnehmer in der EU anzubieten als aus der EU heraus an Dritte. Dies sei eine Schwächung der digitalen Souveränität. Als Ziel definiert die Bundesregierung daher: “EU-weit sind einheitliche gesetzliche Anforderungen inklusive Marktzugangsregelungen sowie Normen und Standards für Unternehmen im Bereich der Cybersicherheit definiert”.

    Ebenfalls wesentlich für eine Erhöhung des Cybersicherheitsniveaus ist aus Sicht der Bundesregierung die geplante europäische eID-Initiative. Hier setzt die Bundesregierung auf eine schnelle Notifizierung der Smart-eID, also dem im Februar beschlossenen smartphonefähigen digitalen Zwilling des Personalausweises. Zudem hält sie die EU-weite Anerkennung der jeweiligen nationalen Lösungen für den elektronischen Identitätsnachweis für geboten. fst

    • Bundesregierung
    • Cybersicherheit
    • Deutschland
    • Digitalisierung
    • Digitalpolitik
    • Hackback
    • Überwachungstechnologie

    Presseschau

    Raising the green game in finance: how can Europe deliver? POLITICO
    EZB-Aufseherin sieht großen Nachholbedarf bei Nachhaltigkeit und warnt vor Covid-Risiken HANDELSBLATT
    Grüne wollen Klima-Check für Bauprojekte ORF
    Recht: Neue EU-Standarddatenschutzklauseln veröffentlicht HEISE
    Räumung von Baumhäusern im Hambacher Forst war rechtswidrig SUEDDEUTSCHE
    Rome set to be told $900m loan to Alitalia breached EU state-aid rules FT
    Climate tops list of global threats in EU ‘strategic foresight’ report EURACTIV
    Ganz in der Nähe der Ostsee: Polen plant Bau von Atomkraftwerken RTL
    Facebook attackiert britische Kartellbehörde im Streit über Zukauf HANDELSBLATT
    EU ‘seeking to turn migrant database into mass surveillance tool’ GUARDIAN

    Portrait

    Manfred Weber: die Maulwurf-Methode

    Manfred Weber (CSU), Vorsitzender der EVP-Fraktion.
    Manfred Weber (CSU) ist Stellvertretender Parteivorsitzender und Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament.

    Wenn Manfred Weber etwas erreichen will, dann agiert er diskret. Mit Weber sei es wie bei einem Maulwurf, sagt eine langjährige Weggefährtin: Während man gerade an einem Hügel stehe, sei er schon längst drei Meter weiter. Sie meint das überaus anerkennend.

    Manfred Weber wird im kommenden Jahr 50, der CSU-Politiker blickt bereits auf eine beachtliche Karriere zurück: Nach zwei Jahren im bayerischen Landtag wechselte er 2004 mit 31 Jahren ins Europaparlament. Seit 2014 ist er Vorsitzender der EVP-Gruppe im Europaparlament. Jetzt strebt Weber den nächsten Schritt an: Er wolle Präsident der Europäischen Volkspartei (EVP) werden, kündigte Weber am Mittwoch bei einer Sitzung seiner Fraktion an.

    Weber hatte zuletzt schon durchsickern lassen, was er vorhat – die Bewerbung kommt daher nicht überraschend. Er hatte seine Bewerbung über den Sommer schon vorbereitet, gewohnt diskret. Einen ernstzunehmenden Gegenkandidaten müsse er nicht befürchten, heißt es in der EVP. Im November soll der Nominierungsprozess abgeschlossen sein.

    Der Posten des Parteivorsitzenden wird frei, da Amtsinhaber Donald Tusk nach Polen zurückkehrt. Der einstige Präsident des Europäischen Rates will die Opposition gegen die PiS-Regierung einen. Für Weber bedeutet die Heimkehr Tusks die Chance, seiner politischen Laufbahn neuen Schwung zu geben.

    Denn die war zuletzt in eine Sackgasse geraten. 2019 strebt Weber den europäischen Top-Job an – und scheitert. Obgleich er sich parteiintern gegen den Finnen Alexander Stubb durchsetzt und die EVP ihn als Spitzenkandidaten für die Europawahl aufstellt, wird eine andere Unionspolitikerin Kommissionspräsidentin. Ursula von der Leyen war obendrein zuvor nie selbst in der Europapolitik aktiv.

    Gleich zwei Machtbasen

    Diese Niederlage trifft Weber hart. Er erholt sich in seiner Heimat Niederbayern, verändert sein Äußeres, trägt jetzt Vollbart. Und macht als Fraktionschef weiter, beharrlich, stets freundlich und verbindlich. Den ihm zugedachten Trostpreis, nach der Hälfte der Legislaturperiode Präsident des Europaparlaments zu werden, lehnt er ab.

    Danach wäre für Weber nur noch die Rolle als Hinterbänkler oder die Frührente geblieben, erklären seine Parteifreunde die Entscheidung. Um das Amt dürften sich nun andere Christdemokraten bewerben: Als aussichtsreich gelten der Spanier Esteban González Pons, die Niederländerin Esther de Lange und Roberta Metsola aus Malta.

    Weber will lieber EVP-Vorsitzender werden – ein wenig öffentlichkeitswirksames Amt, das aber einen gewissen Einfluss erlaubt. Tusk-Vorgänger Joseph Daul zog im Hintergrund die Strippen, koordinierte etwa das Vorgehen der christdemokratischen Staats- und Regierungschefs beim großen Postenpoker 2019. Weber will überdies Fraktionschef bleiben, hätte so gleich zwei Machtbasen. Dass ihn die Abgeordneten erneut bestätigen, gilt als wahrscheinlich.

    So kann er womöglich doch noch aufrücken, in die Top-Riege der europäischen Politik. Auf Umwegen und diskret. Ein wenig wie ein Maulwurf eben. Till Hoppe/Falk Steiner

    • Europapolitik
    • EVP
    • Manfred Weber

    Apéropa

    Jahrelang hat sich die Automobilindustrie gewehrt, beim Klimaschutz so richtig mit anzupacken. Das gab selbst VW-Chef Herbert Diess zu: “Bisher handeln wir noch nicht konsequent genug, dem Klimawandel könnte deutlich mehr entgegengesetzt werden”, sagte er am Rande der Automobilmesse IAA Mobility. Denn seit neustem stehen Dekarbonisierung und Emissionsreduzierung auf den Aushängeschildern der Autobauer.

    Was dort allerdings nicht drauf steht, ist Zurückhaltung und Sparsamkeit. Der Großteil der auf der IAA vorgestellten Neuerscheinungen sind nach wie vor protzige SUVs und Sportwagen. Auch die für Testfahrten angebotenen Autos strahlen nur wenig Bescheidenheit aus. Zugegeben: Bei den meisten handelt es sich um E-SUVs oder zumindest Plug-In-Hybride. Doch es sind nicht die kleinen Niedrigverbraucher, die die emissionsarme Automobilität der Zukunft prägen sollen.

    Dabei sagte Diess doch auch, dass man die bestehenden Möglichkeiten noch zu wenig ausschöpfe, dass man die EU bei der Umsetzung von Green Deal und Fit-for-55 unterstützen wolle und dass der CO2-Fußabdruck über den gesamten Lebenszyklus eines E-Fahrzeugs noch zu hoch sei. Brav listet er auf, wo VW in der Produktion und Lieferkette bereits welche Emissionen einspart. Was er allerdings nicht sagt ist, dass eine Möglichkeit auch darin bestehen könnte, hauptsächlich kleinere und ressourcenschonende Fahrzeuge zu produzieren. Die bräuchten nämlich weniger Batterieleistung, weniger Stahl und verursachen damit auch – Überraschung – weniger CO2-Emissionen.

    Diess hat also Recht, die bestehenden Möglichkeiten werden noch nicht ausgeschöpft. Vielleicht wäre das von einer Autoindustrie, die bis vor kurzem noch nichts von einem Paradigmenwechsel wissen wollte, aber auch zu viel verlangt. Lukas Scheid

    • Dekarbonisierung
    • Elektromobilität
    • Mobilität
    • Volkswagen

    Europe.Table Redaktion

    EUROPE.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen