den Verantwortlichen in Berlin, Paris und Brüssel erging es kaum anders als dem Publikum – gebannt verfolgten sie am Wochenende die rasante Entwicklung der Ereignisse in Russland und versuchten, die Dinge einzuordnen. Ich empfehle Ihnen hierzu das Interview von Berlin.Table mit CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen.
Viele Auswirkungen, etwa das Fehlen der erfahrenen Wagner-Kämpfer an der Front in der Ukraine, werden sich erst in den kommenden Tagen und Wochen zeigen. Klar scheint aber: Der 36-stündige Kontrollverlust im eigenen Land hat Putins Position nicht gestärkt. In einem System wie dem russischen ist ein solches Machtvakuum besonders gefährlich für die Herrschenden.
Die Nachricht der Meuterei von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin platzte in ein Treffen hochrangiger Diplomaten der G7-Staaten mit Vertretern Brasiliens, Indiens, Südafrikas, Saudi-Arabiens und der Türkei. Das Treffen in Kopenhagen soll den Auftakt bilden für weitere Gespräche in den kommenden Wochen und Monaten zum Krieg in der Ukraine, und womöglich den Boden bereiten für einen Friedensgipfel.
Russland, Ukraine und die Lage im Kreml werden beim Treffen der Außenminister am Montag in Luxemburg sowie beim regulären Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag ebenfalls die dominierenden Themen sein.
Auch sonst wird die Woche in Europa heiß. Am Dienstag geht die Abstimmung über das umstrittene Renaturierungsgesetz im Umweltausschuss in die zweite Runde. Im Rat war es Frans Timmermans überraschend und mit viel Geld im Ärmel gelungen, doch noch eine Mehrheit für seinen Vorschlag zu organisieren. Mit der Aussicht auf Milliarden aus den Fondstöpfen der EU haben Viktor Orban und andere eigentlich ablehnende osteuropäische Regierungschefs dann doch die Hand heben lassen. Mal schauen, ob Pascal Canfin, der Chef des Umweltausschusses im Parlament, sich etwas einfallen lässt, um das Patt aufzulösen und für den deutlich weitergehenden Vorschlag des Berichterstatters noch eine Mehrheit zu organisieren.
Einen guten Start in die Woche wünscht
Herr Große Entrup, die Koalition hat sich monatelang über das Gebäudeenergiegesetz gestritten. Werden in Berlin die falschen Debatten geführt?
Die Gefahr besteht. Vor allem dauern die Debatten zu lang. Die Unternehmen brauchen im großen Umbau jetzt Planungssicherheit, nicht erst in zwei oder vier Jahren. Ja, die Bundesregierung hat einen guten Job gemacht, damit das Land den ersten Winter in dieser Krise gut überstanden hat. Aber jetzt geht es darum, wie wir die Zukunftsfähigkeit der Nation und des Standortes sichern. Die externen Herausforderungen sind noch anspruchsvoller geworden. Entscheidend ist, ob die Politik die Zeichen der Zeit erkennt, oder ob wir uns weiterhin im Kreis drehen.
Wie adressieren Sie das in Berlin?
Wir führen unendlich viele Gespräche auf allen Ebenen. Und die Unternehmen aus der Branche sprechen die Themen inzwischen direkt in den Wahlkreisen bei den Abgeordneten an: Das sind unsere Überlegungen, das ist die Wirtschaftskraft an diesem Standort, das ist das wichtigste Unternehmen, das sind Deine Wähler. Für uns bedeutet der Gang über die Dörfer einen enormen Kraftakt, aber wir merken, dass unsere Botschaften in Berlin sonst nicht ankommen.
Wie akut ist der Vertrauensverlust in der Branche?
Den Verantwortlichen muss klar sein: Die Entscheidungen über Investitionen werden jetzt getroffen und nicht irgendwann im Laufe der Legislaturperiode. Große Unternehmen wie BASF sagen bereits, dass sie Produktion in Deutschland stilllegen wegen der Energiepreise und anderer Themen. Lanxess hat gerade mit einer Gewinnwarnung den Aktienmarkt aufgerüttelt und dies auch mit der Situation hier am Standort begründet. In dieser Situation kommen jetzt US-Bundesstaaten und bieten den Unternehmen an, im Rahmen des Inflation Reduction Act nicht nur die Investitionskosten zu bezahlen, sondern auch die operativen Kosten für die nächsten fünf Jahre, und den Strompreis garantieren sie auch. Da kann kein Unternehmen einfach sagen, Moment mal, wir sind aber ein deutsches Traditionsunternehmen.
Der Bundeswirtschaftsminister will einen subventionierten Industriestrompreis festlegen, der Finanzminister ist dagegen, der Kanzler auch, obwohl er vorher dafür war. Wie gehen Sie damit um?
Wir haben uns als Verband klar positioniert: Wir halten einen Industriestrompreis für richtig. Als bekennende Marktwirtschaftler haben wir lange mit uns gerungen, denn wir schreien nicht nach Subventionen. Wir wissen, dass das jemand bezahlen muss – am Ende nämlich die Bürger. Aber wir müssen auch klar sagen, dass wir im internationalen Wettbewerb stehen. Der Strompreis in China liegt bei zwei bis drei bis vier Cent, in den USA ähnlich. In Deutschland bei rund 20 Cent. Wir haben auch im Vergleich zu anderen europäischen Staaten über 40 Prozent höhere Strompreise in Deutschland. Als Exportbranche haben wir so keine Chance zu überleben. Ein Industriestrompreis soll auch nur eine Brücke auf Zeit sein, bis wir hier genügend günstige regenerative Energie produzieren.
Ist es überhaupt realistisch, den gigantischen Strombedarf Ihrer Industrie mit Erneuerbaren in Deutschland zu decken?
Es ist ein gewaltiger Kraftakt. Das neue Deutschlandtempo ist bislang ein Bummelzug. Wir brauchen fünf bis sechs neue Windkraftanlagen pro Tag – im Moment sind wir bei einer pro Tag. Wir brauchen allein in unserer Branche, wenn wir uns komplett elektrifizieren, in etwa die gesamte Strommenge der Bundesrepublik Deutschland heute. Und das natürlich als Grünstrom. Am Ende wird die Welt uns auch helfen müssen.
Und wie?
Wir brauchen französische Atomkraft – ohne jede Frage. Wir brauchen aber auch zukünftig erneuerbare Energien und weitere Quellen wie Wasserstoff aus anderen Ländern der Welt – Afrika und Südeuropa sind da ein großes Thema. Und wir müssen dahin kommen, dass wir unsere Probleme in Deutschland nicht auf Kosten der Welt lösen.
Was meinen Sie damit?
Wir schalten bei uns die Atomkraft ab, importieren aber gerne Atomstrom aus Frankreich. Fracking wollen wir nicht in Deutschland, aber Gas aus den USA, das durch Fracking gewonnen wurde. CCS lehnen wir für uns ab, aber die Norweger sollen das gerne bei sich machen. Das ist eine Form des Sankt-Florian-Prinzips, die so auf Dauer einfach nicht geht.
Sie plädieren also für eine CO₂-Speicherung nicht nur in der Nordsee, sondern auch an Land hier in der Bundesrepublik?
Ja, diese Optionen müssen wir uns erhalten. Das sind Themen, über die wir diskutieren müssen.
Bisher blockieren hier die Bundesländer. Was müsste passieren, um mehr CCS zu ermöglichen?
Das ist ein Thema von vielen, wo wir uns als Nation den Realitäten stellen besinnen müssen. CCS ist ein dickes Brett, weil völlig klar ist, dass die Parlamente und die Parteien sich über Jahre so eindeutig dagegen positioniert haben, dass es eigentlich kaum ein Zurück gibt. Aber wir brauchen einen neuen gesellschaftlichen Diskurs darüber.
Wie wollen Sie diesen Diskurs führen?
Indem wir konkret über das Zielbild des Standorts Deutschland sprechen. Wo wollen wir als Gesellschaft hin, wie wollen wir zukünftig unseren Wohlstand erhalten? Klar, wir wollen Treibhausgas-neutral sein, aber wir wollen hoffentlich auch die Industrie erhalten. Der industrielle Kern Deutschlands hat uns in der Vergangenheit generell, vor allem auch über viele Krisen hinweg, extrem geholfen. Diesen sollten wir stützen. Dazu brauchen wir zum Beispiel 12.000 Kilometer neue Überlandleitungen – sonst gibt es im Süden keinen Strom und in der Folge zum Beispiel ein anderes BMW und ein anderes Siemens.
Sie haben den Inflation Reduction Act angesprochen. Der Ansatz ist ja nicht gerade marktwirtschaftlich gedacht – und trotzdem eine Blaupause für Europa?
Natürlich nicht. Die europäischen Töpfe sind sogar größer als der IRA-Topf, aber wahnsinnig bürokratisch. Ich kenne Großunternehmen, die haben 30, 40 Leute damit beschäftigt, Unterlagen für ein IPCEI-Verfahren zu generieren, das dann zwei Jahre dauert. So etwas geht in den USA derzeit ratzfatz. Was wir brauchen als Antwort auf den IRA, ist ein RRA – ein Regulation Reduction Act. Geld ist genug da, willige Unternehmerschaft ist da, aber die Unternehmer kommen in den Prozessen nicht weiter und verlieren darüber die Hoffnung.
Die Instrumente, die Kommissionspräsidentin von der Leyen als Antwort auf den IRA vorgelegt hat, helfen also nicht viel?
Der gesamte Green Deal produziert nach unseren Berechnungen 14.000 Seiten Regulierung. Das können Sie einem Unternehmer nicht erklären, der in Ostwestfalen-Lippe über den Ausbau seiner Produktionsanlagen nachdenkt. Vieles, was da kommt, die PFAS-Regelung, die Chemikalien-Gesetzgebung, das Lieferkettengesetz: Das raubt den Firmen die Zuversicht, dass sie hier noch einigermaßen vernünftig handeln können.
Wer ist Ihr wichtigster Ansprechpartner für diese Themen?
Natürlich Wirtschaftsminister Habeck, mit Unterstützung des Bundeskanzlers, der einen anderen Blick auf die Themen hat. Und natürlich ist die Brüsseler Ebene extrem wichtig. Was wir eigentlich erwarten von der Bundesregierung ist eine klare Positionierung in Brüssel. Deutschland findet in Brüssel nicht statt.
Frankreich setzt sich vehement für die Interessen seiner Atomindustrie ein.
Genau. Das ist der Unterschied. Paris spielt die Klaviatur der Europäischen Union für den Standort Frankreich. Nehmen Sie das Beispiel Taxonomie: Atomkraft ist dort als grün eingestuft. Und unsere Unternehmer gehen zur Volksbank in Minden für einen Kredit, und bekommen dort zu hören: Als Chemie sind Sie braun, da gibt’s keinen Kredit, das geht leider nicht.
Im Ernst, das passiert?
Das passiert, und zwar im vorauseilenden Gehorsam dessen, was über die EU-Taxonomie jetzt kommt.
Würden Sie sich wünschen, dass die CDU-Kommissionspräsidentin ihrem Vize Frans Timmermans stärker Einhalt gebieten würde?
In Brüssel lernt man gerade ein Wort neu: Wettbewerbsfähigkeit. Das kommt über die EVP-Fraktion etwa beim Naturschutzpaket, wenn auch leider recht spät. Es wäre wichtig, wenn man mehr Ziele setzen würde, statt jeden Zentimeter auf dem Weg dorthin genau zu beschreiben. Das hilft uns nicht, sondern blockiert uns. Die EU braucht wieder mehr Vertrauen in unternehmerisches Handeln statt Millimeter-genauer Begleitung. Das nimmt der Industrie die Luft zum Atmen und den Glauben an die Zukunft des Standorts.
Die Verhandler aus Kommission, Rat und EU-Parlament bereiten sich auf eine längere Sitzung zum Data Act am Dienstagabend vor. Es wird wahrscheinlich die letzte Trilogverhandlung sein. Denn fast alle Seiten wollen noch unter schwedischer Ratspräsidentschaft eine Einigung erzielen. Frankreich ist ebenso wie Deutschland noch unzufrieden mit der Regelung zum Schutz der Geschäftsgeheimnisse. Doch Deutschland möchte seine Zustimmung an dem Punkt nicht scheitern lassen. Bei Frankreich ist das nicht so klar.
Beide Länder wollen Geschäftsgeheimnisse besser geschützt wissen. Das bedeutet: Unternehmen sollen mehr Möglichkeiten bekommen, die Herausgabe von Daten mit der Berufung auf Geschäftsgeheimnisse zu verweigern. Deutschland sieht allerdings kaum Chancen, dass sich die anderen Mitgliedstaaten noch bewegen und sich die Mehrheitsverhältnisse noch ändern.
Der Data Act soll die Datennutzung in der EU befördern, um innovative Geschäftsmodelle und Dienstleistungen zu ermöglichen. Dabei geht es nicht um personenbezogene Daten, deren Behandlung bereits in der DSGVO geregelt ist. Sondern es geht um Daten vernetzter Geräte, wie sie etwa von Sensoren in Maschinen, Autos oder Flugzeugen erfasst werden. Harmonisierte Vorschriften sollen dabei für einen fairen Datenaustausch zwischen Unternehmen und auch zwischen Unternehmen und dem Staat sorgen. Geschäftsgeheimnisse bleiben geschützt. Der Schutz soll aber nicht so weit gehen, dass gar keine Daten herausgegeben werden.
Im Kompromissentwurf der schwedischen Ratspräsidentschaft vom 20. Juni, der Europa.Table vorliegt, heißt es: Das Parlament wolle das Recht des Dateninhabers, die Weitergabe von Daten zu verweigern, auf Ausnahmefälle beschränken. Die Weitergabe sollte Standard sein. Das Mandat des Rates wiederum sehe ein feines Gleichgewicht zwischen dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen und den Hauptzielen des Datengesetzes vor.
Dabei gehen im Rat die Interessen der einzelnen Staaten weit auseinander. Mitgliedstaaten mit größerem Dienstleistungssektor wollen, dass möglichst viele Daten geteilt werden. Mitgliedstaaten mit starken industriellen Playern sind eher dagegen. Aber auch innerhalb der Industrieverbände herrscht keine Einigkeit.
Auf der einen Seite fürchten Hersteller wie Airbus oder Siemens um ihre Innovationskraft, wenn sie Daten ihrer Flugzeuge oder Maschinen mit Nutzern oder Dritten teilen müssen, auf die sie bisher exklusiven Zugriff hatten. Auf der anderen Seite warten Lufthansa und andere Dienstleister nur darauf, endlich Zugriff zu bekommen, um ihren Kunden besseren Service anbieten zu können.
Ein ähnlicher Riss geht auch durch die Automobilbranche: Während die Autohersteller die Daten aus den Fahrzeugen gern exklusiv nutzen wollen, sehen Zulieferer wie Bosch, Navigationsdienstleister oder auch Wetterdienste das ganz anders.
So übt sich auch der Automobilverband VDA in Diplomatie. Der VDA unterstütze den Data Act, teilt der Verband mit. “Es ist von zentraler Bedeutung, dass wir in Europa Regeln für den Zugang und die Nutzung von Daten haben.” Jedoch seien aus Sicht des VDA zwingende Anpassungen notwendig, “insbesondere hinsichtlich einer klaren Rechtssicherheit bei der Weitergabe von Daten, Verbesserungen beim Schutz von Geschäftsgeheimnissen und der Berücksichtigung der notwendigen Maßnahmen zur Cybersecurity“. Diese Anpassungen seien unerlässlich, damit die deutsche und europäische Automobilindustrie ihre internationale Führungsrolle bei intelligenten und vernetzten Fahrzeugen auch in Zukunft behaupten könne.
Auch setzt der VDA auf eigene Lösungen zum Teilen von Daten und verweist darauf, sich längst proaktiv mit einem Konzept eingebracht zu haben. Das ADAXO (Automotive Data Access, Extended and Open) Konzept garantiere die Datensouveränität für Kundinnen und Kunden, ein faires Teilen der Daten mit Serviceanbietern und einen sicheren Betrieb des Fahrzeugs.
Aber es geht auch um Marktmacht und Größe. Es geht um die Interessen weltweit agierender Unternehmen und etablierter Mittelständler, die über große Datenschätze verfügen, und Start-ups auf der anderen Seite, die vielfältige Ideen haben, wie man aus diesen Daten innovative Produkte und Dienste entwickeln kann.
“Die Sorge über die mögliche Verletzung von Geschäftsgeheimnissen sollte nicht überwiegen”, warnt Niclas Vogt, Sprecher des Startup-Verbands. “Zu große Schlupflöcher für die etablierte Industrie würden Innovationen eher behindern als fördern – im schlimmsten Fall verhindern sie jegliches Datenteilen.” Gerade im Mittelstand schlummere viel Potenzial, sagt Vogt. “Wir hoffen, dass der Data Act für klare Regeln sorgt, damit wir dieses Potenzial erschließen können.”
Nach dem Kompromisspapier der schwedischen Ratspräsidentschaft sind am Dienstag neben dem Thema Geschäftsgeheimnisse noch folgende Punkte zu klären:
Die Verhandler haben also noch ein größeres Arbeitspensum vor sich.
Binnenmarktkommissar Thierry Breton und eine Delegation des JURI-Ausschusses reisten vergangene Woche zu Gesprächen ins Silicon Valley. Dabei ging es unter anderem um die Regeln zu Künstlicher Intelligenz (KI). Breton weihte außerdem das neue European Union Office in San Francisco ein. Dabei tauschte sich Breton auch mit Eleni Kounalakis aus, Vizegouverneurin von Kalifornien. Mit dem Büro will die EU ihre digitale Diplomatie stärken.
Er sei in Kalifornien, “um den neuen europäischen Rechtsrahmen zu erläutern und US-Tech-Unternehmen dabei zu helfen, sich darauf vorzubereiten”, sagte Breton. Er habe einen konstruktiven Dialog mit Tech-Unternehmer Elon Musk und Twitter-CEO Linda Yaccarino über den DSA gegeben. Breton habe mit den beiden “die Ergebnisse des Bereitschaftsstresstests von Twitter” zum DSA diskutiert, sagte er. “Ich begrüße die Tatsache, dass Twitter freiwillig einer solchen Übung in seiner Zentrale zugestimmt hat.” Außerdem führte Breton Gespräche mit den CEOs von Meta, OpenAI, Qualcomm und Nvidia – vorrangig zur Regulierung von KI.
Der AI Act stand auch im Mittelpunkt der Delegationsreise des JURI-Ausschusses. Die sieben Teilnehmenden trafen sich mit Forschern der Universitäten Berkeley und Stanford, sowie mit Vertretern von Open AI, Google, Meta und Roblox.
Gerade die Experten seien sich einig gewesen, dass der AI Act eine europäische Pionierleistung sei, die eine Strahlwirkung weltweit entfalten könnte, sagte Teilnehmer Sergey Lagodinsky (Grüne) zu Europe.Table. Er sei selbst überrascht gewesen, “wie sehr der Brüssel-Effekt auch in diesem Falle erwartet wird. Ich war hier bisher zurückhaltender.”
Bei den Unternehmen habe er den höflichen Respekt vor dem Projekt gespürt, eine leise versteckte Hoffnung auf die Trilog-Verhandlungen und Fragezeichen bezüglich der konkreten Auswirkungen. “Keinesfalls verspürte man negative Stimmung bei den großen Unternehmen“, sagte Lagodisky. Viele von ihnen passten ihre Arbeit gerade an den DSA an. “Ich denke, sie werden es dann auch mit dem KI-Gesetz schaffen.”
Ressourcen seien bei den Tech-Unternehmen ja genug vorhanden, und viele der hausinternen freiwilligen Prinzipien hörten sich zumindest auf der Oberfläche wie das europäische KI-Gesetz an. “Auf jeden Fall klar ist: Mit dem Gesetz haben wir gerade im Bereich generative KI den Nerv der Innovationsepoche getroffen”, sagte Lagodisky. “Die Technologie ist da und ein Verlangen nach normativer Orientierung liegt in der Luft.” vis
In der zweiten Runde der Parlamentswahl in Griechenland konnte sich Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis für seine Nea Dimocratia, die zur christdemokratischen Parteienfamilie EVP gehört, die absolute Mehrheit im Parlament sichern. Die Konservativen kamen nach offiziellen Ergebnissen auf über 40 Prozent und konnten damit die oppositionelle Syriza um mehr als 20 Prozent übertrumpfen.
Die Konservativen werden in der Wahlperiode 157 von 300 Sitzen stellen. In der ersten Runde der Parlamentswahl lagen die Konservativen zwar auch vorne. Wegen eines anderen Wahlsystems konnten sie damit aber nicht die absolute Mehrheit der Sitze holen. Das gelang ihnen erst in der zweiten Runde, in der ein anderes Wahlsystem galt und der Sieger einen Zuschlag von Sitzen bekam. mgr
Deutschland, Frankreich und Italien planen eine verstärkte Zusammenarbeit im Bereich kritischer Rohstoffe. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck trifft heute in Berlin seine französischen und italienischen Amtskollegen, Bruno Le Maire und Adolfo Urso, um diese Pläne zu diskutieren.
Laut BMWK sei das Ziel des Treffens, “gemeinsam Maßnahmen zu identifizieren, wie die drei Länder besser zusammenarbeiten können, um eine sichere und nachhaltige Rohstoffversorgung, insbesondere mit kritischen Rohstoffen, für die europäische Industrie zu stärken”.
Bei dem trilateralen Treffen sind auch Wirtschaftsdelegationen aus allen drei Ländern anwesend. Am Nachmittag ist eine gemeinsame Pressekonferenz der Wirtschaftsminister geplant.
Deutschland und Frankreich hatten bereits im September in einem Non-Paper eine gemeinsame Position zur europäischen Rohstoffstrategie vorgestellt und im Anschluss eine Debatte im Rat der EU angestoßen. Der Rat arbeitet zurzeit an seinem Verhandlungsmandat zum Critical Raw Materials Act, für den die Kommission im März einen Entwurf vorgelegt hatte. Die schwedische Ratspräsidentschaft hat angekündigt, bis Ende Juni eine Einigung erreichen zu wollen. leo
In der Diskussion um die Klimapolitik der EU für 2040 warnt die deutsche Automobilwirtschaft vor einer Verfehlung des 2030er-Ziels. In den Szenarien für die Festlegung des Treibhausgas-Ziels für 2040 solle die EU-Kommission “eine mögliche Nichterreichung der 2030er-Ziele” berücksichtigen, schreibt der VDA in seiner Stellungnahme. Am vergangenen Freitag endete die entsprechende Konsultation der Kommission. Für kommendes Jahr hat die Behörde einen Gesetzentwurf für ein unionsweites Klimaziel 2040 angekündigt. Zudem soll es eine Folgenabschätzung mit Szenariorechnungen für die betroffenen Sektoren geben.
Die Chemieindustrie warnt auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität 2050 vor einem “linearen Pfad”, “da weder Technologieentwicklungen noch deren Transfer – inklusive der notwendigen Bereitstellung von Energie, Rohmaterialien und Infrastruktur – linear erfolgen”, schreibt der VCI.
Die Deutsche Industrie und Handelskammer verweist vor allem auf den globalen Wettbewerb. Die Kommission ruft die DIHK dazu auf, rasch ein Online-Tool zu entwickeln, mit dem Unternehmen kostenlos prüfen können, inwiefern sie vom CO2-Grenzausgleichsmechanismus CBAM betroffen sind.
Festlegungen auf konkrete Emissionsziele kommen aus der Energiewirtschaft. Eon setzt sich für eine Senkung des CO2-Ausstoßes um 80 bis 90 Prozent netto ein und EDF für “mindestens 80 Prozent”. Gegen ein Klimaziel jenseits der 80-Prozent-Marke spricht sich dagegen der polnische Kohlekonzern PGE aus. Dies könne eine vollständige Dekarbonisierung der Stromerzeugung noch vor 2040 nach sich ziehen. Die erforderlichen Investitionen könnten einige Mitgliedstaaten aber nicht stemmen.
Wenig Beteiligung gibt es ausgerechnet aus der Immobilienwirtschaft. Auf Anfrage äußerte sich GdW-Präsident Axel Gedaschko. Die Wohnungswirtschaft stehe hinter den Klimazielen. “Doch die politischen Ziele sind inzwischen so anspruchsvoll geworden, dass die Klimapolitik und die Förderung neu ausgerichtet werden müssen und für die Mieter mit kleinen sowie mittleren Einkommen erhebliche Hilfen gewährt werden müssen”, sagte Gedaschko.
Die Treibhausgasneutralität vorziehen will dagegen das Climate Action Network. Schon 2040 müsse die EU die Netto-Null bei den Emissionen erreichen, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten, schreibt CAN Europe. Die NGO fordert außerdem ein neues Zwischenziel für 2035 – ähnlich wie der VDA, der ein 2035-Ziel für die “Defossilierung von Energieträgern” will. ber
“Ein neuer Konsens für die Völker und den Planeten”: Mit diesem Motto fasst Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Freitag die Ergebnisse seines zu Ende gegangenen Gipfels für einen neuen globalen Finanzpakt zusammen. Die teilnehmenden Delegationen sind eingeladen, sich dem Konsens per Unterzeichnung anzuschließen. Macron verspricht, alles sechs Monate ein Follow-up durchzuführen. Auf Seiten der Zivilgesellschaft wurden die Teilnahme einer starken afrikanischen Stimme und der Konsens über die Notwendigkeit einer Reform der Bretton-Woods-Institutionen begrüßt.
Darüber hinaus will Macron weitere Arbeiten durchführen, insbesondere “neue Wege” finden “für eine internationale Besteuerung der Sektoren, die am meisten von der Globalisierung profitieren“. In diesem Zusammenhang versichert er, dass Frankreich mit weiteren Staaten die Besteuerung des maritimen Sektors unterstütze. Die Unterstützer sind: Frankreich, Dänemark, Norwegen, Zypern, Spanien, Slowenien, Monaco, Georgien, Vanuatu, Südkorea, Griechenland, Vietnam, Litauen, Barbados, Marshallinseln, Solomoninseln, Irland, Mauritius, Kenia, Niederlande, Portugal und Neuseeland.
Derzeit wird der Vorschlag jedoch weder von China noch von den USA unterstützt. US-Finanzministerin Janet Yellen versichert, ihr Land werde sich “mit der Frage beschäftigen”. Die Steuer wird Anfang Juli bei den Verhandlungen unter der Schirmherrschaft der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation wieder Thema.
Außerdem stellte der neue Präsident der Weltbank, Ajay Banga, eine neue Vision für seine Institution vor. Die Weltbank setzt sich für die Bekämpfung der Armut ein. Sie hat dabei insbesondere die Klimakrise im Blick, die den Entwicklungsfortschritt zu zerstören droht.
Sylvie Goulard, ehemalige Abgeordnete des Europäischen Parlaments und vom Parlament abgelehnte Kandidatin für die von der Leyen-Kommission, soll zusammen mit der Britin Amelia Fawcett eine Beratergruppe für Biodiversität leiten. Frankreich und das Vereinigte Königreich haben bei dem Treffen einen globalen Fahrplan zur Einführung eines “inklusiven Mitgestaltungsprozesses für hochintegrierte Märkte für Biodiversitätskredite” auf den Weg gebracht. cst
Das 11. Paket an Sanktionen, das die EU gegen Russland wegen des Ukraine-Krieges verhängt, wurde am Freitag offiziell angenommen. Ziel ist, die Umgehung von bestehenden Sanktionen zu verhindern. Erstmals werden in die Liste von Organisationen, die sanktioniert werden, weil sie den russischen Krieg unterstützen, auch Organisationen aufgenommen, die in folgenden Ländern registriert sind:
Bislang waren nur Organisationen betroffen, die ihren Sitz in Russland oder Iran haben. 87 zusätzliche Organisationen werden auf die Sanktionsliste der EU gesetzt. Damit treten strengere Ausfuhrbeschränkungen für Güter in Kraft, die einen doppelten Verwendungszweck haben, sowie für fortgeschrittene Technologien. Außerdem wird die EU den Export von bestimmten sanktionierten Gütern und Technologien in Drittländer beschränken, bei denen das Umgehungsrisiko besonders hoch ist. Weitere Sanktionen wurden in den Bereichen Verkehr, Energie und Medien beschlossen. Es wurden zudem die Vermögenswerte von zusätzlich über 100 Personen und Organisationen eingefroren. mgr
Nach 18 Monaten, mehr als 40 technischen Sitzungen und rund 90 Erwägungsgründen hat der AI Act mit der Abstimmung des EU-Parlaments eine große Hürde genommen. Die gesamte europäische KI-Branche beobachtet genau, was nun passiert. Denn besonders für viele junge Tech-Unternehmen geht es dabei um die Existenz. Als Gründer und CEO eines forschungsbasierten KI-Start-ups schaue ich deshalb mit besonderem Interesse auf den AI Act.
Zunächst einmal ist es sehr positiv zu bewerten, dass die EU-Politiker und Politikerinnen die Zeichen der Zeit erkannt und sich (gerade für eine solch komplexe Institution) intensiv dem Thema gewidmet haben. Aus Sicht eines deutschen Start-ups ist dies ein erfrischender Perspektivwechsel, da wir hier leider die vergangenen Jahrzehnte erleben mussten, wie viel notwendige zukunftsgerichtete Gestaltung unter anderem bei der Digitalisierung schlichtweg verschlafen wurde.
Ein weiterer sehr wichtiger Punkt: Verabschiedet die EU den AI Act, wird es die weltweit erste umfassende KI-Verordnung sein. Dies setzt auch einen Anspruch auf globaler Ebene und zeigt den europäischen Gestaltungswillen. Durch den Anchoring Effect kann auch erwartet werden, dass Europa damit global den Ton in der KI-Gesetzgebung angibt – vergleichbar mit der internationalen Strahlkraft, die die DSGVO entfaltet hat. Rund 47 Prozent der deutschen KI-Start-ups bewerteten deshalb in einer Umfrage des Bundesverbands Deutsche Startups 2021 eine europäische Regulierung sogar als Vertrauen-bildende Maßnahme, die im internationalen Wettbewerb zum USP (Unique Selling Point, Alleinstellungsmerkmal) werden kann.
Außerdem zeigen sich im AI Act auch das Bekenntnis und der Anspruch Europas zu seinen Werten: Denn im AI Act wurden mit dem risikobasierten Ansatz zum ersten Mal Regeln zum Schutz von Menschenrechten kombiniert mit Regeln zur Produktsicherheit. Deshalb ist es auch gut, dass der Act rote Linien zieht und zum Beispiel Technologien zum Social Scoring ausdrücklich verbietet.
Dies kann in der deutschen Tech-Szene auf fruchtbaren Boden fallen. Denn eine Sensibilität und Bereitschaft zu ethischen Positionen ist auch eine der beherrschenden Tendenzen der deutschen KI-Start-ups: So fanden 2021 zum Beispiel mehr als 80 Prozent der Befragten, dass ethische Fragen bei der KI-Entwicklung mitbedacht werden sollen; und fast 90 Prozent stimmten der Aussage zu, dass KI-Start-ups sich ihrer gesellschaftlichen Bedeutung und Verantwortung bewusst sein sollten.
Dennoch gibt es aber aus Sicht eines KI-Start-ups besonders drei große Herausforderungen, die der AI Act in der finalen und entscheidenden Phase noch bewältigen muss.
Erstens darf die Regulierung nicht nur die bereits bestehenden Monopole großer Konzerne weiter zementieren. Denn neue Vorgaben fallen oftmals gerade bei jüngeren und kleineren Unternehmen viel stärker ins Gewicht als bei etablierten Big Playern. Deshalb sollten bei der notwendigen Definition von Standards auch die Perspektiven von KMU und Start-ups mit einbezogen werden. Regulatory Sandboxes, die auf Start-ups zugeschnitten sind, können zusätzlich Raum für neue Entwicklungen bieten und so die Innovationskraft junger KI-Unternehmen unterstützen.
Damit verbunden ist auch der zweite Punkt: Die aus dem AI Act resultierenden Vorgaben müssen auch für Start-ups in der Praxis umsetzbar sein. Deshalb sollten nicht nur abstrakte Regeln formuliert, sondern auch die Umsetzung mitgedacht werden. Schließlich soll KI-Entwicklung ja nicht komplett verhindert, sondern in sinnvolle Bahnen gelenkt werden, sodass Menschen und Unternehmen in der EU davon langfristig profitieren können.
Die dritte Herausforderung betrifft den AI Act selbst – und die Kommunikation dazu. (Rechts-)Unsicherheiten müssen so gut es geht vermieden werden. Noch herrscht in der Branche eine große Unklarheit darüber, wer überhaupt wie sehr betroffen wäre und was für Auflagen für wen gelten würden. Dies hemmt nicht nur Entwicklungen auf Seiten der Start-ups, sondern verunsichert auch Investoren enorm.
Bereits jetzt zeichnet sich unter VCs (Venture Capital Fonds) das Stimmungsbild ab, dass sie wegen des AI Acts europäische KI-Startups bei Investitionen benachteiligen würden. Hierbei ist wahrscheinlich auch gar nicht so sehr die Tatsache entscheidend, ob es wegen des AI Acts wirklich gravierende Ein- und Beschränkungen für Unternehmen gäbe. Stattdessen ist das Kommunikationsklima ausschlaggebend: Wie verständlich wird der AI Act auf allen Ebenen kommuniziert? Wie aufgeklärt (zum Beispiel durch Best-Practices-Beispiele) fühlen sich Unternehmen und Investoren?
Aus Sicht eines jungen KI-Unternehmens reicht deshalb ein Gesetzestext allein nicht aus. Die EU-Gesetzesgeber- und -geberinnen müssen den AI Act in den größeren Kontext setzen und die unterschiedlichen Perspektiven mitdenken. Parallel dazu sollten die EU-Regierungen auch Geld in die Hand nehmen, um die einheimische europäische KI-Industrie zu fördern – und hier insbesondere auf die Start-ups schauen, da diese als agile Innovationstreiber handeln.
Leif-Nissen Lundbæk ist Mitgründer und CEO des KI-Unternehmens Xayn und seit 2021 Forbes 30Under30-Visionär. Der promovierte Informatiker ist spezialisiert auf Cybersecurity sowie datenschutzfreundliche Algorithmen und Künstliche Intelligenz. Gemeinsam mit Michael Huth und Felix Hahmann gründete er 2017 das Privacy-Tech-Unternehmen als Fortführung seines Forschungsprojektes zu Datenschutz und KI. Xayn ist ein europäisches forschungsbasiertes KI-Unternehmen mit Sitz in Berlin, das datenschutzfreundliche und energieeffiziente Personalisierung für Unternehmen entwickelt.
den Verantwortlichen in Berlin, Paris und Brüssel erging es kaum anders als dem Publikum – gebannt verfolgten sie am Wochenende die rasante Entwicklung der Ereignisse in Russland und versuchten, die Dinge einzuordnen. Ich empfehle Ihnen hierzu das Interview von Berlin.Table mit CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen.
Viele Auswirkungen, etwa das Fehlen der erfahrenen Wagner-Kämpfer an der Front in der Ukraine, werden sich erst in den kommenden Tagen und Wochen zeigen. Klar scheint aber: Der 36-stündige Kontrollverlust im eigenen Land hat Putins Position nicht gestärkt. In einem System wie dem russischen ist ein solches Machtvakuum besonders gefährlich für die Herrschenden.
Die Nachricht der Meuterei von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin platzte in ein Treffen hochrangiger Diplomaten der G7-Staaten mit Vertretern Brasiliens, Indiens, Südafrikas, Saudi-Arabiens und der Türkei. Das Treffen in Kopenhagen soll den Auftakt bilden für weitere Gespräche in den kommenden Wochen und Monaten zum Krieg in der Ukraine, und womöglich den Boden bereiten für einen Friedensgipfel.
Russland, Ukraine und die Lage im Kreml werden beim Treffen der Außenminister am Montag in Luxemburg sowie beim regulären Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag ebenfalls die dominierenden Themen sein.
Auch sonst wird die Woche in Europa heiß. Am Dienstag geht die Abstimmung über das umstrittene Renaturierungsgesetz im Umweltausschuss in die zweite Runde. Im Rat war es Frans Timmermans überraschend und mit viel Geld im Ärmel gelungen, doch noch eine Mehrheit für seinen Vorschlag zu organisieren. Mit der Aussicht auf Milliarden aus den Fondstöpfen der EU haben Viktor Orban und andere eigentlich ablehnende osteuropäische Regierungschefs dann doch die Hand heben lassen. Mal schauen, ob Pascal Canfin, der Chef des Umweltausschusses im Parlament, sich etwas einfallen lässt, um das Patt aufzulösen und für den deutlich weitergehenden Vorschlag des Berichterstatters noch eine Mehrheit zu organisieren.
Einen guten Start in die Woche wünscht
Herr Große Entrup, die Koalition hat sich monatelang über das Gebäudeenergiegesetz gestritten. Werden in Berlin die falschen Debatten geführt?
Die Gefahr besteht. Vor allem dauern die Debatten zu lang. Die Unternehmen brauchen im großen Umbau jetzt Planungssicherheit, nicht erst in zwei oder vier Jahren. Ja, die Bundesregierung hat einen guten Job gemacht, damit das Land den ersten Winter in dieser Krise gut überstanden hat. Aber jetzt geht es darum, wie wir die Zukunftsfähigkeit der Nation und des Standortes sichern. Die externen Herausforderungen sind noch anspruchsvoller geworden. Entscheidend ist, ob die Politik die Zeichen der Zeit erkennt, oder ob wir uns weiterhin im Kreis drehen.
Wie adressieren Sie das in Berlin?
Wir führen unendlich viele Gespräche auf allen Ebenen. Und die Unternehmen aus der Branche sprechen die Themen inzwischen direkt in den Wahlkreisen bei den Abgeordneten an: Das sind unsere Überlegungen, das ist die Wirtschaftskraft an diesem Standort, das ist das wichtigste Unternehmen, das sind Deine Wähler. Für uns bedeutet der Gang über die Dörfer einen enormen Kraftakt, aber wir merken, dass unsere Botschaften in Berlin sonst nicht ankommen.
Wie akut ist der Vertrauensverlust in der Branche?
Den Verantwortlichen muss klar sein: Die Entscheidungen über Investitionen werden jetzt getroffen und nicht irgendwann im Laufe der Legislaturperiode. Große Unternehmen wie BASF sagen bereits, dass sie Produktion in Deutschland stilllegen wegen der Energiepreise und anderer Themen. Lanxess hat gerade mit einer Gewinnwarnung den Aktienmarkt aufgerüttelt und dies auch mit der Situation hier am Standort begründet. In dieser Situation kommen jetzt US-Bundesstaaten und bieten den Unternehmen an, im Rahmen des Inflation Reduction Act nicht nur die Investitionskosten zu bezahlen, sondern auch die operativen Kosten für die nächsten fünf Jahre, und den Strompreis garantieren sie auch. Da kann kein Unternehmen einfach sagen, Moment mal, wir sind aber ein deutsches Traditionsunternehmen.
Der Bundeswirtschaftsminister will einen subventionierten Industriestrompreis festlegen, der Finanzminister ist dagegen, der Kanzler auch, obwohl er vorher dafür war. Wie gehen Sie damit um?
Wir haben uns als Verband klar positioniert: Wir halten einen Industriestrompreis für richtig. Als bekennende Marktwirtschaftler haben wir lange mit uns gerungen, denn wir schreien nicht nach Subventionen. Wir wissen, dass das jemand bezahlen muss – am Ende nämlich die Bürger. Aber wir müssen auch klar sagen, dass wir im internationalen Wettbewerb stehen. Der Strompreis in China liegt bei zwei bis drei bis vier Cent, in den USA ähnlich. In Deutschland bei rund 20 Cent. Wir haben auch im Vergleich zu anderen europäischen Staaten über 40 Prozent höhere Strompreise in Deutschland. Als Exportbranche haben wir so keine Chance zu überleben. Ein Industriestrompreis soll auch nur eine Brücke auf Zeit sein, bis wir hier genügend günstige regenerative Energie produzieren.
Ist es überhaupt realistisch, den gigantischen Strombedarf Ihrer Industrie mit Erneuerbaren in Deutschland zu decken?
Es ist ein gewaltiger Kraftakt. Das neue Deutschlandtempo ist bislang ein Bummelzug. Wir brauchen fünf bis sechs neue Windkraftanlagen pro Tag – im Moment sind wir bei einer pro Tag. Wir brauchen allein in unserer Branche, wenn wir uns komplett elektrifizieren, in etwa die gesamte Strommenge der Bundesrepublik Deutschland heute. Und das natürlich als Grünstrom. Am Ende wird die Welt uns auch helfen müssen.
Und wie?
Wir brauchen französische Atomkraft – ohne jede Frage. Wir brauchen aber auch zukünftig erneuerbare Energien und weitere Quellen wie Wasserstoff aus anderen Ländern der Welt – Afrika und Südeuropa sind da ein großes Thema. Und wir müssen dahin kommen, dass wir unsere Probleme in Deutschland nicht auf Kosten der Welt lösen.
Was meinen Sie damit?
Wir schalten bei uns die Atomkraft ab, importieren aber gerne Atomstrom aus Frankreich. Fracking wollen wir nicht in Deutschland, aber Gas aus den USA, das durch Fracking gewonnen wurde. CCS lehnen wir für uns ab, aber die Norweger sollen das gerne bei sich machen. Das ist eine Form des Sankt-Florian-Prinzips, die so auf Dauer einfach nicht geht.
Sie plädieren also für eine CO₂-Speicherung nicht nur in der Nordsee, sondern auch an Land hier in der Bundesrepublik?
Ja, diese Optionen müssen wir uns erhalten. Das sind Themen, über die wir diskutieren müssen.
Bisher blockieren hier die Bundesländer. Was müsste passieren, um mehr CCS zu ermöglichen?
Das ist ein Thema von vielen, wo wir uns als Nation den Realitäten stellen besinnen müssen. CCS ist ein dickes Brett, weil völlig klar ist, dass die Parlamente und die Parteien sich über Jahre so eindeutig dagegen positioniert haben, dass es eigentlich kaum ein Zurück gibt. Aber wir brauchen einen neuen gesellschaftlichen Diskurs darüber.
Wie wollen Sie diesen Diskurs führen?
Indem wir konkret über das Zielbild des Standorts Deutschland sprechen. Wo wollen wir als Gesellschaft hin, wie wollen wir zukünftig unseren Wohlstand erhalten? Klar, wir wollen Treibhausgas-neutral sein, aber wir wollen hoffentlich auch die Industrie erhalten. Der industrielle Kern Deutschlands hat uns in der Vergangenheit generell, vor allem auch über viele Krisen hinweg, extrem geholfen. Diesen sollten wir stützen. Dazu brauchen wir zum Beispiel 12.000 Kilometer neue Überlandleitungen – sonst gibt es im Süden keinen Strom und in der Folge zum Beispiel ein anderes BMW und ein anderes Siemens.
Sie haben den Inflation Reduction Act angesprochen. Der Ansatz ist ja nicht gerade marktwirtschaftlich gedacht – und trotzdem eine Blaupause für Europa?
Natürlich nicht. Die europäischen Töpfe sind sogar größer als der IRA-Topf, aber wahnsinnig bürokratisch. Ich kenne Großunternehmen, die haben 30, 40 Leute damit beschäftigt, Unterlagen für ein IPCEI-Verfahren zu generieren, das dann zwei Jahre dauert. So etwas geht in den USA derzeit ratzfatz. Was wir brauchen als Antwort auf den IRA, ist ein RRA – ein Regulation Reduction Act. Geld ist genug da, willige Unternehmerschaft ist da, aber die Unternehmer kommen in den Prozessen nicht weiter und verlieren darüber die Hoffnung.
Die Instrumente, die Kommissionspräsidentin von der Leyen als Antwort auf den IRA vorgelegt hat, helfen also nicht viel?
Der gesamte Green Deal produziert nach unseren Berechnungen 14.000 Seiten Regulierung. Das können Sie einem Unternehmer nicht erklären, der in Ostwestfalen-Lippe über den Ausbau seiner Produktionsanlagen nachdenkt. Vieles, was da kommt, die PFAS-Regelung, die Chemikalien-Gesetzgebung, das Lieferkettengesetz: Das raubt den Firmen die Zuversicht, dass sie hier noch einigermaßen vernünftig handeln können.
Wer ist Ihr wichtigster Ansprechpartner für diese Themen?
Natürlich Wirtschaftsminister Habeck, mit Unterstützung des Bundeskanzlers, der einen anderen Blick auf die Themen hat. Und natürlich ist die Brüsseler Ebene extrem wichtig. Was wir eigentlich erwarten von der Bundesregierung ist eine klare Positionierung in Brüssel. Deutschland findet in Brüssel nicht statt.
Frankreich setzt sich vehement für die Interessen seiner Atomindustrie ein.
Genau. Das ist der Unterschied. Paris spielt die Klaviatur der Europäischen Union für den Standort Frankreich. Nehmen Sie das Beispiel Taxonomie: Atomkraft ist dort als grün eingestuft. Und unsere Unternehmer gehen zur Volksbank in Minden für einen Kredit, und bekommen dort zu hören: Als Chemie sind Sie braun, da gibt’s keinen Kredit, das geht leider nicht.
Im Ernst, das passiert?
Das passiert, und zwar im vorauseilenden Gehorsam dessen, was über die EU-Taxonomie jetzt kommt.
Würden Sie sich wünschen, dass die CDU-Kommissionspräsidentin ihrem Vize Frans Timmermans stärker Einhalt gebieten würde?
In Brüssel lernt man gerade ein Wort neu: Wettbewerbsfähigkeit. Das kommt über die EVP-Fraktion etwa beim Naturschutzpaket, wenn auch leider recht spät. Es wäre wichtig, wenn man mehr Ziele setzen würde, statt jeden Zentimeter auf dem Weg dorthin genau zu beschreiben. Das hilft uns nicht, sondern blockiert uns. Die EU braucht wieder mehr Vertrauen in unternehmerisches Handeln statt Millimeter-genauer Begleitung. Das nimmt der Industrie die Luft zum Atmen und den Glauben an die Zukunft des Standorts.
Die Verhandler aus Kommission, Rat und EU-Parlament bereiten sich auf eine längere Sitzung zum Data Act am Dienstagabend vor. Es wird wahrscheinlich die letzte Trilogverhandlung sein. Denn fast alle Seiten wollen noch unter schwedischer Ratspräsidentschaft eine Einigung erzielen. Frankreich ist ebenso wie Deutschland noch unzufrieden mit der Regelung zum Schutz der Geschäftsgeheimnisse. Doch Deutschland möchte seine Zustimmung an dem Punkt nicht scheitern lassen. Bei Frankreich ist das nicht so klar.
Beide Länder wollen Geschäftsgeheimnisse besser geschützt wissen. Das bedeutet: Unternehmen sollen mehr Möglichkeiten bekommen, die Herausgabe von Daten mit der Berufung auf Geschäftsgeheimnisse zu verweigern. Deutschland sieht allerdings kaum Chancen, dass sich die anderen Mitgliedstaaten noch bewegen und sich die Mehrheitsverhältnisse noch ändern.
Der Data Act soll die Datennutzung in der EU befördern, um innovative Geschäftsmodelle und Dienstleistungen zu ermöglichen. Dabei geht es nicht um personenbezogene Daten, deren Behandlung bereits in der DSGVO geregelt ist. Sondern es geht um Daten vernetzter Geräte, wie sie etwa von Sensoren in Maschinen, Autos oder Flugzeugen erfasst werden. Harmonisierte Vorschriften sollen dabei für einen fairen Datenaustausch zwischen Unternehmen und auch zwischen Unternehmen und dem Staat sorgen. Geschäftsgeheimnisse bleiben geschützt. Der Schutz soll aber nicht so weit gehen, dass gar keine Daten herausgegeben werden.
Im Kompromissentwurf der schwedischen Ratspräsidentschaft vom 20. Juni, der Europa.Table vorliegt, heißt es: Das Parlament wolle das Recht des Dateninhabers, die Weitergabe von Daten zu verweigern, auf Ausnahmefälle beschränken. Die Weitergabe sollte Standard sein. Das Mandat des Rates wiederum sehe ein feines Gleichgewicht zwischen dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen und den Hauptzielen des Datengesetzes vor.
Dabei gehen im Rat die Interessen der einzelnen Staaten weit auseinander. Mitgliedstaaten mit größerem Dienstleistungssektor wollen, dass möglichst viele Daten geteilt werden. Mitgliedstaaten mit starken industriellen Playern sind eher dagegen. Aber auch innerhalb der Industrieverbände herrscht keine Einigkeit.
Auf der einen Seite fürchten Hersteller wie Airbus oder Siemens um ihre Innovationskraft, wenn sie Daten ihrer Flugzeuge oder Maschinen mit Nutzern oder Dritten teilen müssen, auf die sie bisher exklusiven Zugriff hatten. Auf der anderen Seite warten Lufthansa und andere Dienstleister nur darauf, endlich Zugriff zu bekommen, um ihren Kunden besseren Service anbieten zu können.
Ein ähnlicher Riss geht auch durch die Automobilbranche: Während die Autohersteller die Daten aus den Fahrzeugen gern exklusiv nutzen wollen, sehen Zulieferer wie Bosch, Navigationsdienstleister oder auch Wetterdienste das ganz anders.
So übt sich auch der Automobilverband VDA in Diplomatie. Der VDA unterstütze den Data Act, teilt der Verband mit. “Es ist von zentraler Bedeutung, dass wir in Europa Regeln für den Zugang und die Nutzung von Daten haben.” Jedoch seien aus Sicht des VDA zwingende Anpassungen notwendig, “insbesondere hinsichtlich einer klaren Rechtssicherheit bei der Weitergabe von Daten, Verbesserungen beim Schutz von Geschäftsgeheimnissen und der Berücksichtigung der notwendigen Maßnahmen zur Cybersecurity“. Diese Anpassungen seien unerlässlich, damit die deutsche und europäische Automobilindustrie ihre internationale Führungsrolle bei intelligenten und vernetzten Fahrzeugen auch in Zukunft behaupten könne.
Auch setzt der VDA auf eigene Lösungen zum Teilen von Daten und verweist darauf, sich längst proaktiv mit einem Konzept eingebracht zu haben. Das ADAXO (Automotive Data Access, Extended and Open) Konzept garantiere die Datensouveränität für Kundinnen und Kunden, ein faires Teilen der Daten mit Serviceanbietern und einen sicheren Betrieb des Fahrzeugs.
Aber es geht auch um Marktmacht und Größe. Es geht um die Interessen weltweit agierender Unternehmen und etablierter Mittelständler, die über große Datenschätze verfügen, und Start-ups auf der anderen Seite, die vielfältige Ideen haben, wie man aus diesen Daten innovative Produkte und Dienste entwickeln kann.
“Die Sorge über die mögliche Verletzung von Geschäftsgeheimnissen sollte nicht überwiegen”, warnt Niclas Vogt, Sprecher des Startup-Verbands. “Zu große Schlupflöcher für die etablierte Industrie würden Innovationen eher behindern als fördern – im schlimmsten Fall verhindern sie jegliches Datenteilen.” Gerade im Mittelstand schlummere viel Potenzial, sagt Vogt. “Wir hoffen, dass der Data Act für klare Regeln sorgt, damit wir dieses Potenzial erschließen können.”
Nach dem Kompromisspapier der schwedischen Ratspräsidentschaft sind am Dienstag neben dem Thema Geschäftsgeheimnisse noch folgende Punkte zu klären:
Die Verhandler haben also noch ein größeres Arbeitspensum vor sich.
Binnenmarktkommissar Thierry Breton und eine Delegation des JURI-Ausschusses reisten vergangene Woche zu Gesprächen ins Silicon Valley. Dabei ging es unter anderem um die Regeln zu Künstlicher Intelligenz (KI). Breton weihte außerdem das neue European Union Office in San Francisco ein. Dabei tauschte sich Breton auch mit Eleni Kounalakis aus, Vizegouverneurin von Kalifornien. Mit dem Büro will die EU ihre digitale Diplomatie stärken.
Er sei in Kalifornien, “um den neuen europäischen Rechtsrahmen zu erläutern und US-Tech-Unternehmen dabei zu helfen, sich darauf vorzubereiten”, sagte Breton. Er habe einen konstruktiven Dialog mit Tech-Unternehmer Elon Musk und Twitter-CEO Linda Yaccarino über den DSA gegeben. Breton habe mit den beiden “die Ergebnisse des Bereitschaftsstresstests von Twitter” zum DSA diskutiert, sagte er. “Ich begrüße die Tatsache, dass Twitter freiwillig einer solchen Übung in seiner Zentrale zugestimmt hat.” Außerdem führte Breton Gespräche mit den CEOs von Meta, OpenAI, Qualcomm und Nvidia – vorrangig zur Regulierung von KI.
Der AI Act stand auch im Mittelpunkt der Delegationsreise des JURI-Ausschusses. Die sieben Teilnehmenden trafen sich mit Forschern der Universitäten Berkeley und Stanford, sowie mit Vertretern von Open AI, Google, Meta und Roblox.
Gerade die Experten seien sich einig gewesen, dass der AI Act eine europäische Pionierleistung sei, die eine Strahlwirkung weltweit entfalten könnte, sagte Teilnehmer Sergey Lagodinsky (Grüne) zu Europe.Table. Er sei selbst überrascht gewesen, “wie sehr der Brüssel-Effekt auch in diesem Falle erwartet wird. Ich war hier bisher zurückhaltender.”
Bei den Unternehmen habe er den höflichen Respekt vor dem Projekt gespürt, eine leise versteckte Hoffnung auf die Trilog-Verhandlungen und Fragezeichen bezüglich der konkreten Auswirkungen. “Keinesfalls verspürte man negative Stimmung bei den großen Unternehmen“, sagte Lagodisky. Viele von ihnen passten ihre Arbeit gerade an den DSA an. “Ich denke, sie werden es dann auch mit dem KI-Gesetz schaffen.”
Ressourcen seien bei den Tech-Unternehmen ja genug vorhanden, und viele der hausinternen freiwilligen Prinzipien hörten sich zumindest auf der Oberfläche wie das europäische KI-Gesetz an. “Auf jeden Fall klar ist: Mit dem Gesetz haben wir gerade im Bereich generative KI den Nerv der Innovationsepoche getroffen”, sagte Lagodisky. “Die Technologie ist da und ein Verlangen nach normativer Orientierung liegt in der Luft.” vis
In der zweiten Runde der Parlamentswahl in Griechenland konnte sich Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis für seine Nea Dimocratia, die zur christdemokratischen Parteienfamilie EVP gehört, die absolute Mehrheit im Parlament sichern. Die Konservativen kamen nach offiziellen Ergebnissen auf über 40 Prozent und konnten damit die oppositionelle Syriza um mehr als 20 Prozent übertrumpfen.
Die Konservativen werden in der Wahlperiode 157 von 300 Sitzen stellen. In der ersten Runde der Parlamentswahl lagen die Konservativen zwar auch vorne. Wegen eines anderen Wahlsystems konnten sie damit aber nicht die absolute Mehrheit der Sitze holen. Das gelang ihnen erst in der zweiten Runde, in der ein anderes Wahlsystem galt und der Sieger einen Zuschlag von Sitzen bekam. mgr
Deutschland, Frankreich und Italien planen eine verstärkte Zusammenarbeit im Bereich kritischer Rohstoffe. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck trifft heute in Berlin seine französischen und italienischen Amtskollegen, Bruno Le Maire und Adolfo Urso, um diese Pläne zu diskutieren.
Laut BMWK sei das Ziel des Treffens, “gemeinsam Maßnahmen zu identifizieren, wie die drei Länder besser zusammenarbeiten können, um eine sichere und nachhaltige Rohstoffversorgung, insbesondere mit kritischen Rohstoffen, für die europäische Industrie zu stärken”.
Bei dem trilateralen Treffen sind auch Wirtschaftsdelegationen aus allen drei Ländern anwesend. Am Nachmittag ist eine gemeinsame Pressekonferenz der Wirtschaftsminister geplant.
Deutschland und Frankreich hatten bereits im September in einem Non-Paper eine gemeinsame Position zur europäischen Rohstoffstrategie vorgestellt und im Anschluss eine Debatte im Rat der EU angestoßen. Der Rat arbeitet zurzeit an seinem Verhandlungsmandat zum Critical Raw Materials Act, für den die Kommission im März einen Entwurf vorgelegt hatte. Die schwedische Ratspräsidentschaft hat angekündigt, bis Ende Juni eine Einigung erreichen zu wollen. leo
In der Diskussion um die Klimapolitik der EU für 2040 warnt die deutsche Automobilwirtschaft vor einer Verfehlung des 2030er-Ziels. In den Szenarien für die Festlegung des Treibhausgas-Ziels für 2040 solle die EU-Kommission “eine mögliche Nichterreichung der 2030er-Ziele” berücksichtigen, schreibt der VDA in seiner Stellungnahme. Am vergangenen Freitag endete die entsprechende Konsultation der Kommission. Für kommendes Jahr hat die Behörde einen Gesetzentwurf für ein unionsweites Klimaziel 2040 angekündigt. Zudem soll es eine Folgenabschätzung mit Szenariorechnungen für die betroffenen Sektoren geben.
Die Chemieindustrie warnt auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität 2050 vor einem “linearen Pfad”, “da weder Technologieentwicklungen noch deren Transfer – inklusive der notwendigen Bereitstellung von Energie, Rohmaterialien und Infrastruktur – linear erfolgen”, schreibt der VCI.
Die Deutsche Industrie und Handelskammer verweist vor allem auf den globalen Wettbewerb. Die Kommission ruft die DIHK dazu auf, rasch ein Online-Tool zu entwickeln, mit dem Unternehmen kostenlos prüfen können, inwiefern sie vom CO2-Grenzausgleichsmechanismus CBAM betroffen sind.
Festlegungen auf konkrete Emissionsziele kommen aus der Energiewirtschaft. Eon setzt sich für eine Senkung des CO2-Ausstoßes um 80 bis 90 Prozent netto ein und EDF für “mindestens 80 Prozent”. Gegen ein Klimaziel jenseits der 80-Prozent-Marke spricht sich dagegen der polnische Kohlekonzern PGE aus. Dies könne eine vollständige Dekarbonisierung der Stromerzeugung noch vor 2040 nach sich ziehen. Die erforderlichen Investitionen könnten einige Mitgliedstaaten aber nicht stemmen.
Wenig Beteiligung gibt es ausgerechnet aus der Immobilienwirtschaft. Auf Anfrage äußerte sich GdW-Präsident Axel Gedaschko. Die Wohnungswirtschaft stehe hinter den Klimazielen. “Doch die politischen Ziele sind inzwischen so anspruchsvoll geworden, dass die Klimapolitik und die Förderung neu ausgerichtet werden müssen und für die Mieter mit kleinen sowie mittleren Einkommen erhebliche Hilfen gewährt werden müssen”, sagte Gedaschko.
Die Treibhausgasneutralität vorziehen will dagegen das Climate Action Network. Schon 2040 müsse die EU die Netto-Null bei den Emissionen erreichen, um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten, schreibt CAN Europe. Die NGO fordert außerdem ein neues Zwischenziel für 2035 – ähnlich wie der VDA, der ein 2035-Ziel für die “Defossilierung von Energieträgern” will. ber
“Ein neuer Konsens für die Völker und den Planeten”: Mit diesem Motto fasst Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Freitag die Ergebnisse seines zu Ende gegangenen Gipfels für einen neuen globalen Finanzpakt zusammen. Die teilnehmenden Delegationen sind eingeladen, sich dem Konsens per Unterzeichnung anzuschließen. Macron verspricht, alles sechs Monate ein Follow-up durchzuführen. Auf Seiten der Zivilgesellschaft wurden die Teilnahme einer starken afrikanischen Stimme und der Konsens über die Notwendigkeit einer Reform der Bretton-Woods-Institutionen begrüßt.
Darüber hinaus will Macron weitere Arbeiten durchführen, insbesondere “neue Wege” finden “für eine internationale Besteuerung der Sektoren, die am meisten von der Globalisierung profitieren“. In diesem Zusammenhang versichert er, dass Frankreich mit weiteren Staaten die Besteuerung des maritimen Sektors unterstütze. Die Unterstützer sind: Frankreich, Dänemark, Norwegen, Zypern, Spanien, Slowenien, Monaco, Georgien, Vanuatu, Südkorea, Griechenland, Vietnam, Litauen, Barbados, Marshallinseln, Solomoninseln, Irland, Mauritius, Kenia, Niederlande, Portugal und Neuseeland.
Derzeit wird der Vorschlag jedoch weder von China noch von den USA unterstützt. US-Finanzministerin Janet Yellen versichert, ihr Land werde sich “mit der Frage beschäftigen”. Die Steuer wird Anfang Juli bei den Verhandlungen unter der Schirmherrschaft der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation wieder Thema.
Außerdem stellte der neue Präsident der Weltbank, Ajay Banga, eine neue Vision für seine Institution vor. Die Weltbank setzt sich für die Bekämpfung der Armut ein. Sie hat dabei insbesondere die Klimakrise im Blick, die den Entwicklungsfortschritt zu zerstören droht.
Sylvie Goulard, ehemalige Abgeordnete des Europäischen Parlaments und vom Parlament abgelehnte Kandidatin für die von der Leyen-Kommission, soll zusammen mit der Britin Amelia Fawcett eine Beratergruppe für Biodiversität leiten. Frankreich und das Vereinigte Königreich haben bei dem Treffen einen globalen Fahrplan zur Einführung eines “inklusiven Mitgestaltungsprozesses für hochintegrierte Märkte für Biodiversitätskredite” auf den Weg gebracht. cst
Das 11. Paket an Sanktionen, das die EU gegen Russland wegen des Ukraine-Krieges verhängt, wurde am Freitag offiziell angenommen. Ziel ist, die Umgehung von bestehenden Sanktionen zu verhindern. Erstmals werden in die Liste von Organisationen, die sanktioniert werden, weil sie den russischen Krieg unterstützen, auch Organisationen aufgenommen, die in folgenden Ländern registriert sind:
Bislang waren nur Organisationen betroffen, die ihren Sitz in Russland oder Iran haben. 87 zusätzliche Organisationen werden auf die Sanktionsliste der EU gesetzt. Damit treten strengere Ausfuhrbeschränkungen für Güter in Kraft, die einen doppelten Verwendungszweck haben, sowie für fortgeschrittene Technologien. Außerdem wird die EU den Export von bestimmten sanktionierten Gütern und Technologien in Drittländer beschränken, bei denen das Umgehungsrisiko besonders hoch ist. Weitere Sanktionen wurden in den Bereichen Verkehr, Energie und Medien beschlossen. Es wurden zudem die Vermögenswerte von zusätzlich über 100 Personen und Organisationen eingefroren. mgr
Nach 18 Monaten, mehr als 40 technischen Sitzungen und rund 90 Erwägungsgründen hat der AI Act mit der Abstimmung des EU-Parlaments eine große Hürde genommen. Die gesamte europäische KI-Branche beobachtet genau, was nun passiert. Denn besonders für viele junge Tech-Unternehmen geht es dabei um die Existenz. Als Gründer und CEO eines forschungsbasierten KI-Start-ups schaue ich deshalb mit besonderem Interesse auf den AI Act.
Zunächst einmal ist es sehr positiv zu bewerten, dass die EU-Politiker und Politikerinnen die Zeichen der Zeit erkannt und sich (gerade für eine solch komplexe Institution) intensiv dem Thema gewidmet haben. Aus Sicht eines deutschen Start-ups ist dies ein erfrischender Perspektivwechsel, da wir hier leider die vergangenen Jahrzehnte erleben mussten, wie viel notwendige zukunftsgerichtete Gestaltung unter anderem bei der Digitalisierung schlichtweg verschlafen wurde.
Ein weiterer sehr wichtiger Punkt: Verabschiedet die EU den AI Act, wird es die weltweit erste umfassende KI-Verordnung sein. Dies setzt auch einen Anspruch auf globaler Ebene und zeigt den europäischen Gestaltungswillen. Durch den Anchoring Effect kann auch erwartet werden, dass Europa damit global den Ton in der KI-Gesetzgebung angibt – vergleichbar mit der internationalen Strahlkraft, die die DSGVO entfaltet hat. Rund 47 Prozent der deutschen KI-Start-ups bewerteten deshalb in einer Umfrage des Bundesverbands Deutsche Startups 2021 eine europäische Regulierung sogar als Vertrauen-bildende Maßnahme, die im internationalen Wettbewerb zum USP (Unique Selling Point, Alleinstellungsmerkmal) werden kann.
Außerdem zeigen sich im AI Act auch das Bekenntnis und der Anspruch Europas zu seinen Werten: Denn im AI Act wurden mit dem risikobasierten Ansatz zum ersten Mal Regeln zum Schutz von Menschenrechten kombiniert mit Regeln zur Produktsicherheit. Deshalb ist es auch gut, dass der Act rote Linien zieht und zum Beispiel Technologien zum Social Scoring ausdrücklich verbietet.
Dies kann in der deutschen Tech-Szene auf fruchtbaren Boden fallen. Denn eine Sensibilität und Bereitschaft zu ethischen Positionen ist auch eine der beherrschenden Tendenzen der deutschen KI-Start-ups: So fanden 2021 zum Beispiel mehr als 80 Prozent der Befragten, dass ethische Fragen bei der KI-Entwicklung mitbedacht werden sollen; und fast 90 Prozent stimmten der Aussage zu, dass KI-Start-ups sich ihrer gesellschaftlichen Bedeutung und Verantwortung bewusst sein sollten.
Dennoch gibt es aber aus Sicht eines KI-Start-ups besonders drei große Herausforderungen, die der AI Act in der finalen und entscheidenden Phase noch bewältigen muss.
Erstens darf die Regulierung nicht nur die bereits bestehenden Monopole großer Konzerne weiter zementieren. Denn neue Vorgaben fallen oftmals gerade bei jüngeren und kleineren Unternehmen viel stärker ins Gewicht als bei etablierten Big Playern. Deshalb sollten bei der notwendigen Definition von Standards auch die Perspektiven von KMU und Start-ups mit einbezogen werden. Regulatory Sandboxes, die auf Start-ups zugeschnitten sind, können zusätzlich Raum für neue Entwicklungen bieten und so die Innovationskraft junger KI-Unternehmen unterstützen.
Damit verbunden ist auch der zweite Punkt: Die aus dem AI Act resultierenden Vorgaben müssen auch für Start-ups in der Praxis umsetzbar sein. Deshalb sollten nicht nur abstrakte Regeln formuliert, sondern auch die Umsetzung mitgedacht werden. Schließlich soll KI-Entwicklung ja nicht komplett verhindert, sondern in sinnvolle Bahnen gelenkt werden, sodass Menschen und Unternehmen in der EU davon langfristig profitieren können.
Die dritte Herausforderung betrifft den AI Act selbst – und die Kommunikation dazu. (Rechts-)Unsicherheiten müssen so gut es geht vermieden werden. Noch herrscht in der Branche eine große Unklarheit darüber, wer überhaupt wie sehr betroffen wäre und was für Auflagen für wen gelten würden. Dies hemmt nicht nur Entwicklungen auf Seiten der Start-ups, sondern verunsichert auch Investoren enorm.
Bereits jetzt zeichnet sich unter VCs (Venture Capital Fonds) das Stimmungsbild ab, dass sie wegen des AI Acts europäische KI-Startups bei Investitionen benachteiligen würden. Hierbei ist wahrscheinlich auch gar nicht so sehr die Tatsache entscheidend, ob es wegen des AI Acts wirklich gravierende Ein- und Beschränkungen für Unternehmen gäbe. Stattdessen ist das Kommunikationsklima ausschlaggebend: Wie verständlich wird der AI Act auf allen Ebenen kommuniziert? Wie aufgeklärt (zum Beispiel durch Best-Practices-Beispiele) fühlen sich Unternehmen und Investoren?
Aus Sicht eines jungen KI-Unternehmens reicht deshalb ein Gesetzestext allein nicht aus. Die EU-Gesetzesgeber- und -geberinnen müssen den AI Act in den größeren Kontext setzen und die unterschiedlichen Perspektiven mitdenken. Parallel dazu sollten die EU-Regierungen auch Geld in die Hand nehmen, um die einheimische europäische KI-Industrie zu fördern – und hier insbesondere auf die Start-ups schauen, da diese als agile Innovationstreiber handeln.
Leif-Nissen Lundbæk ist Mitgründer und CEO des KI-Unternehmens Xayn und seit 2021 Forbes 30Under30-Visionär. Der promovierte Informatiker ist spezialisiert auf Cybersecurity sowie datenschutzfreundliche Algorithmen und Künstliche Intelligenz. Gemeinsam mit Michael Huth und Felix Hahmann gründete er 2017 das Privacy-Tech-Unternehmen als Fortführung seines Forschungsprojektes zu Datenschutz und KI. Xayn ist ein europäisches forschungsbasiertes KI-Unternehmen mit Sitz in Berlin, das datenschutzfreundliche und energieeffiziente Personalisierung für Unternehmen entwickelt.