breite Zustimmung von SPD und FDP: Am Wochenende haben die Delegierten beider Parteien auf Sonderparteitagen grünes Licht für den Koalitionsvertrag des Ampel-Bündnisses gegeben. Bei den Liberalen stimmten 92,2 Prozent der Delegierten dafür, bei der SPD sogar 98,8 Prozent.
Nun steht noch das Ergebnis der Mitgliederbefragung der Grünen aus, das die Partei heute präsentieren will. Gibt es ein Ja, kann Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch vom Deutschen Bundestag zum neuen Bundeskanzler gewählt werden.
Auch bei den Grünen wird mit Zustimmung gerechnet, größere Überraschungen dürften hier nicht zu erwarten sein. Mit Spannung erwartet wird hingegen die Vergabe eines Postens, über den sich Scholz bisher beharrlich ausschweigt: Wer wird neue Gesundheitsministerin oder neuer Gesundheitsminister? Das will der designierte Kanzler heute bekannt geben.
Im Verhältnis zu China könnte die viel beschworene Einigkeit der künftigen Ampel-Regierung bald Risse bekommen. Laut Medienberichten hat Olaf Scholz bereits deutlich vor Amtsantritt Chinas Präsident Xi Jinping signalisiert, den China-Kurs seiner Vorgängerin Angela Merkel (CDU) weiterzuführen. Dabei hatten Grüne und FDP im Koalitionsvertrag einen Kurswechsel gegenüber der Volksrepublik durchgesetzt. Mehr dazu lesen Sie in den News.
CDU und CSU sind derweil damit beschäftigt, nach ihrer Rolle in der Opposition zu suchen. Der Abgang von Angela Merkel lässt nicht nur eine verunsicherte Union zurück, die sich an den Verlust ihrer Macht gewöhnen muss. Auch die EVP steckt in einer Krise.
Im Rat hat sie keine Mehrheit mehr, EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) ist geschwächt und ein Sieg der EVP-Kandidatin Roberta Metsola bei der anstehenden Wahl des EU-Parlamentspräsidenten keinesfalls sicher – um nur ein paar Probleme zu nennen. Brüssel-Korrespondent Eric Bonse analysiert, was zurzeit schiefläuft in der Parteienfamilie.
Der kommende Mittwoch wird ein schwarzer Tag für die Europäische Volkspartei (EVP). Wenn der SPD-Politiker Olaf Scholz wie erwartet zum nächsten deutschen Kanzler gewählt wird, verliert nicht nur Angela Merkel (CDU) nach sechzehn Jahren die Macht. Auch die EVP muss Federn lassen – mit weitreichenden Folgen für ganz Europa.
Jahrelang hatte die christlich-konservative Parteienfamilie die Geschicke der EU bestimmt und die wichtigsten Ämter besetzt. Im Europäischen Rat, in der EU-Kommission und im Parlament gab die EVP-Fraktion den Ton an, CDU und CSU haben davon besonders profitiert. Doch mit Merkels Abschied wird alles anders.
Im Europäischen Rat wird künftig Scholz für Deutschland sprechen. Beim nächsten EU-Gipfel am 16. Dezember beginnt die Nach-Merkel-Ära – und damit eine neue, schwierige Zeit für die EVP-Fraktion. Bisher hat sie bei ihrem traditionellen Vorgipfeltreffen gemeinsam mit Merkel die Marschroute bestimmt. Nun wird der EVP-Gipfel zur Zwergenrunde.
Wenn die deutsche Kanzlerin ausscheidet, bleiben nur noch kleine EU-Staaten unter Führung von EVP-Politikern. Das größte Mitglied ist dann Griechenland, wahrlich keine Großmacht in der EU. Insgesamt stehen in nur noch neun von 27 Mitgliedsstaaten EVP-Politiker an der Spitze. Die drei großen EU-Länder Deutschland, Frankreich und Italien gehören nicht mehr dazu.
Die “großen Drei” werden künftig sozialdemokratisch, liberal und parteilos regiert, die Konservativen sind außen vor. Für Ratspräsident Charles Michel, der die EU-Gipfel leitet, dürfte dies kein Problem sein – er ist selbst Liberaler. Doch um EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) könnte es einsam werden.
Auch Manfred Weber (CSU), der Chef der EVP-Fraktion im Europaparlament, muss sich Sorgen machen. Der Abgang Merkels ändert zwar nichts an der Sitzverteilung. Die EVP stellt mit 178 Parlamentariern weiter die meisten Abgeordneten. Doch die Sozialdemokraten fühlen sich nicht mehr an die Absprache gebunden, wonach die EVP ab 2022 den Parlamentspräsidenten stellen soll.
Es wäre unfair und unangemessen, wenn die EVP-Fraktion zwei von drei EU-Institutionen leiten würde (Kommission und Parlament), heißt es bei der SPD. In der S&D-Fraktion spielt man sogar mit dem Gedanken, den Amtsinhaber David Sassoli erneut aufzustellen. “Hier macht niemand niemandem ein Geschenk”, stellte die Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten klar, die Spanierin Iratxe García Pérez.
Hinter den Kulissen des EU-Parlaments tobt ein Machtkampf, bei dem es auch um die Verteilung der Vizepräsidenten und anderer Posten geht. Die EVP ist dabei nicht so gut aufgestellt wie gewohnt. Mit seiner Ankündigung, selbst nicht für die Nachfolge von David Sassoli zu kandidieren und stattdessen die Führung der EVP anzustreben, hat Weber seine Position geschwächt.
Hinzu kommt: Die Kandidatin der EVP für das Amt der EU-Parlamentspräsidentin, Roberta Metsola aus Malta, ist nicht unumstritten (Europe.Table berichtete). Sie konnte sich nur mithilfe von CDU und CSU durchsetzen. Zwei profilierte liberale Europaabgeordnete – Esther de Lange aus den Niederlanden und Othmar Karas aus Österreich – zogen den Kürzeren, was für Murren in der EVP-Fraktion sorgt.
Zudem hat sich Metsola gegen ein Grundrecht auf Abtreibung ausgesprochen. Damit ist sie für viele Abgeordnete des linksliberalen Lagers kaum wählbar. Der Ausgang der Wahl des nächsten Parlamentspräsidenten, die Mitte Januar geplant ist, ist offen. Ein Sieg der EVP-Kandidatin ist alles andere als sicher.
Doch das sind nicht die einzigen Probleme, mit denen die Konservativen kämpfen müssen. Sie wirken auch politisch orientierungslos. Jahrelang richtete sich die EVP-Fraktion nach den Wünschen Merkels und der deutschen Christdemokraten aus. Doch schon im Streit um die ungarische Fidesz-Partei verloren Merkel und ihre Partei die Hegemonie.
Die gemäßigt konservativen Parteien aus den Benelux-Staaten begehrten auf und konnten sich am Ende durchsetzen – Fidesz flog aus Fraktion und Partei. Merkel und ihre Parteifreunde waren zu spät von Fidesz abgerückt, nur EVP-Fraktionschef Weber hatte rechtzeitig die Zeichen der Zeit erkannt.
Selbst wenn jetzt wieder CDU und CSU die Zügel halten – der Richtungsstreit geht weiter. Nach dem Abgang Merkels braucht die EVP neue Zugpferde. Bis vor Kurzem sah es so aus, als könne sie sich an Sebastian Kurz orientieren. Der Österreicher galt als zukunftsfähiger “Shooting Star” der Konservativen.
Doch nach seinem abrupten Rückzug aus der Politik taugt auch Kurz nicht mehr als Identifikationsfigur. Nun ist also Kurz weg, Angela Merkel ist weg, es gibt keine Mehrheit mehr im Rat und keine sichere Mehrheit im Parlament: Die EVP, einst vom Erfolg verwöhnt, wird sich neu erfinden müssen. Doch selbst dabei ist sie in die Defensive geraten.
Am Wochenende haben Rechtspopulisten und Nationalisten aus Ungarn, Polen, Frankreich und anderen Ländern den Schulterschluss geprobt. Beim “Warschauer Gipfel” riefen sie zur Bildung eines gemeinsamen konservativen Blocks in der EU auf. In der Vergangenheit sind ähnliche Appelle zwar ohne Folgen geblieben.
Doch die EVP ist nicht mehr die einzige Parteienfamilie, die sich auf konservative Werte wie Heimat und Nation beruft. Und sie kann sich auch nicht mehr als “die” Europapartei präsentieren, die das Schicksal der EU bestimmt – dafür ist sie nach dem Abgang von Merkel und Kurz zu schwach.
Im Verhältnis zu China könnte sich ein Konflikt zwischen den Ampel-Koalitionären auftun: Laut Berichten der “Wirtschaftswoche” hat der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Chinas Präsident Xi Jinping signalisiert, den China-Kurs seiner Vorgängerin Angela Merkel (CDU) fortzusetzen.
Das Magazin zitiert einen EU-Diplomaten, der sagte, Ratspräsident Charles Michel habe Xi die Botschaft von Scholz überbracht, dass er die China-Politik von Merkel weiterführen wolle. Scholz habe bei dem Gespräch, das bereits im Oktober stattgefunden haben soll, zudem seine Unterstützung für das umstrittene Investitionsabkommen zwischen der EU und China (CAI) zum Ausdruck gebracht.
Damit weicht Scholz deutlich von den Positionen seiner Koalitionspartner ab. Grüne und FDP hatten im Koalitionsvertrag einen Kurswechsel gegenüber China durchgesetzt. Das Ampel-Bündnis betont darin außerdem die Bedeutung einer gemeinsamen EU-China-Politik und einer engen transatlantischen Abstimmung. Erst kürzlich hatte die designierte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) angekündigt (China.Table berichtete), China gegenüber wesentlich deutlichere Worte finden zu wollen als ihre Vorgänger.
Die Zukunft des EU-China-Investitionsabkommens ist ohnehin ungewiss. Die Aussichten auf einen zeitnahen Fortschritt der Abschließung des CAI stehen einem ranghohen EU-Vertreter zufolge eher schlecht: Er könne zwar nicht sagen, ob das Abkommen tot sei, so der Generalsekretär des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS), Stefano Sannino. “Aber ich sehe in absehbarer Zeit keine wesentliche Entwicklung“, so Sannino bei einer Veranstaltung des US-Thinktanks Brookings.
Brüssel plant, Montag oder Dienstag die Sanktionen gegen China auf Grundlage von Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang neu aufzurollen. Die EU-Sanktionen und chinesische Gegen-Sanktionen sind der Hauptgrund für einen Stillstand, was das CAI angeht. Das Europaparlament hatte angekündigt, nicht an dem Abkommen weiterzuarbeiten, bis die Sanktionen gegen EU-Abgeordnete aufgehoben sind. Peking wiederum sieht Brüssel als den Auslöser des Streits und fordert, dass zunächst die EU-Sanktionen zurückgenommen werden müssen. sas/ari
Der Chef der Deutschen Post, Frank Appel, hat Insidern zufolge die besten Karten für den Aufsichtsratsvorsitz der Deutschen Telekom. Appel sei Favorit für die Nachfolge von Amtsinhaber Ulrich Lehner, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag von zwei mit der Angelegenheit vertrauten Personen. Post und Telekom wollten keine Stellung nehmen. Zuvor hatten “Handelsblatt” und “Manager Magazin” über die Personalie berichtet.
In Branchenkreisen hieß es, der Aufsichtsrat der Post tage am Mittwoch. Eine Woche später soll dann eine Sitzung des Aufsichtsratspräsidiums der Telekom anstehen. Dem “Handelsblatt” zufolge dürfte der Telekom-Aufsichtsrat dem Vorschlag des Präsidiums folgen und Frank Appel zur Wahl auf der Hauptversammlung am 7. April vorschlagen.
Die Amtszeit des früheren Henkel-Chefs Lehner, der das Telekom-Kontrollgremium seit 2008 leitet, endet mit dem Aktionärstreffen im kommenden Jahr. Der 75-jährige Manager hatte bereits bestätigt, dass auch extern nach einem Nachfolgekandidaten gesucht wird.
Der ehemalige McKinsey-Berater Appel ist seit dem Jahr 2000 bei der Deutschen Post. 2002 wurde er Mitglied des Vorstands, 2008 rückte er auf den Posten des Vorstandsvorsitzenden. Der 60-Jährige ist bis 2022 bestellt. rtr
Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber, hat vor einer militärischen Eskalation des Ukraine-Konflikts gewarnt und die Ampel-Koalition zum Handeln aufgefordert. “Wenn Putin Waffen einsetzt, dann ist die Gaspipeline Nord Stream 2 am Ende”, sagte Manfred Weber der “Bild am Sonntag”. Und weiter sagte er (Europe.Table berichtete): “Eine Inbetriebnahme wäre ausgeschlossen. Diesen Preis muss die künftige Bundesregierung klar benennen.”
Die Situation sei “ein Test für die Nato und die westliche Wertegemeinschaft. Es war wichtig, dass die Nato klargestellt hat, dass eine russische Aktion gegen die Ukraine einen hohen Preis haben wird”. rtr
Präsident Emmanuel Macron hat für die Präsidentschaftswahlen im April eine neue ernsthafte Konkurrentin bekommen. Valérie Pécresse, die Präsidentin der Hauptstadtregion Île de France, hat die Onlineabstimmung der rund 140.000 Anhänger von Frankreichs Partei Les Républicains überraschend gewonnen – der konservativen Partei der früheren Präsidenten Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy.
Sie steht seit Jahren als Konkurrentin der sozialistischen Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo im Rampenlicht. Auch Hidalgo ist Präsidentschaftskandidatin. Zusammen mit der Rechtsextremen Marine Le Pen treten drei Frauen für die Präsidentschaftswahlen an.
Fünf Kandidaten hatten sich bei den Republikanern zur Wahl gestellt, die 54-jährige Pécresse, die gern einen knallroten Blazer trägt, um sich von den dunkel gekleideten Herren abzuheben, war zusammen mit dem Abgeordneten Eric Ciotti aus Südfrankreich in die Stichwahl gekommen. Und hat haushoch gewonnen, mit 60,95 Prozent gegenüber 39,05 Prozent.
Damit haben die Konservativen zum ersten Mal eine Frau aufgestellt. Valérie Pécresse erklärte nach ihrer Wahl: “Ich denke an alle Frauen in Frankreich. Ich werde alles tun, um zu triumphieren.” Mit ihr sei die “republikanische Rechte” zurück. Zuletzt stellten die Konservativen mit Nicolas Sarkozy von 2007 bis 2012 den Präsidenten. Politisch sagt sie über sich: “Ich bin zwei Drittel Merkel und ein Drittel Thatcher.” Sie bewundert den Pragmatismus von Angela Merkel, will aber härter sein.
Die Politikerin ist in Frankreich schon lange keine Unbekannte mehr, Valérie Pécresse war unter Nicolas Sarkozy Haushalts- und Bildungsministerin und Regierungssprecherin. Sie hatte die konservative Partei vor einigen Jahren verlassen, weil ihr die Richtung zu rechts geworden waren, kehrte aber in diesem Jahr zurück.
Valérie Pécresse ist als hartnäckig bekannt – und eine typische Vertreterin der französischen Elite. Sie hat schon mit 16 Jahren ihr Abitur gemacht, wie viele französische Politiker die Verwaltungshochschule ENA absolviert, außerdem Wirtschaft an der Eliteschule HEC studiert. Ihr großer Förderer war der ehemalige Präsident Jacques Chirac, er holte sie als Beraterin in den Élysée-Palast.
Seit 2015 ist sie Präsidentin der Region Île-de-France und wurde 2021 erneut gewählt. Dabei kämpfte sie häufig gegen die Umweltprojekte von Anne Hidalgo und vertrat die Interessen der Autofahrer aus dem Umland. Sie stammt aus einer großbürgerlichen Familie in dem luxuriösen Pariser Vorort Neuilly-sur-Seine bei Paris, wo Nicolas Sarkozy lange Bürgermeister war, ist Mutter von drei erwachsenen Kindern.
Damit entspricht sie dem Bild vieler französischer Frauen, die eine Karriere und mehrere Kinder haben. Unterstützt wurde sie dabei von ihrem Mann, dem Geschäftsmann Jérôme Pécresse, mit dem sie seit 1994 verheiratet ist. Skandale gab es um Pécresse nie.
Sie kann Emmanuel Macron gefährlich werden. Weil sie eine Frau ist, bringt sie frischen Wind in den Wahlkampf. Macron hatte 2017 damit gewonnen, dass viele sich von dem Newcomer einen Neubeginn in Frankreich erhofften. Nun fordert ihn Pécresse heraus. Sie hat eine lange Politikkarriere hinter sich und ist bestens vernetzt, sie gilt innerhalb des Spektrums der Republikaner als gemäßigt, im Gegensatz zu Ciotti, der zum rechten Rand gehört.
Laut Medienberichten soll Macron auf Ciotti gehofft haben, er wäre ein leichterer Gegner gewesen. Über Pécresse hieß es aus seinem Umfeld: “Sie ist die Gefährlichste von allen.” Denn die Wähler von Pécresse überschneiden sich mit denen, die Macron seit Jahren umwirbt, die traditionellen Konservativen. Bruno Jeanbart, Vize-Präsident des Institutes Opinionway, sagte, sie sei “eine Bedrohung” für Macron: “Sie erneuert die Republikaner: eine Frau, relativ jung in der konservativen Partei, in der Frauen nicht immer Platz hatten. Sie ist auch lokal verankert, eine der Schwächen von Emmanuel Macron.”
Im Wahlkampf hatte Pécresse betont, sie wolle den “französischen Stolz” wieder herstellen und sich als “Frau der Ordnung und Reformerin” bezeichnet. Sie sprach sich außerdem für eine starke EU aus. Im Vorwahlkampf rückten die Konservativen immer weiter nach rechts. Pécresse ist härter als Macron bei den Themen Sicherheitspolitik und Immigration, sie will stärker gegen illegale Immigration vorgehen.
Sie bezeichnet sich als Wirtschaftsliberale, will wieder Ordnung in den Staatshaushalt bringen und dafür 200.000 Beamtenstellen streichen. Auch eine Rentenreform will Valérie Pécresse durchziehen, das Rentenalter von 62 auf 65 Jahre erhöhen und die 35-Stunde-Woche in Frankreich abschaffen. Sie will die Sozialabgaben kürzen, damit die Unternehmer die Löhne erhöhen, und die Arbeitslosenunterstützung reduzieren. Sie kritisierte den Präsidenten: “Emmanuel Macron ist nur davon besessen zu gefallen. Ich bin davon besessen, Dinge zu erledigen.”
Für die Republikaner bleibt allerdings nicht viel Platz zwischen den Rechtsextremen und Macron, der immer weiter nach rechts gerückt ist. Marine Le Pen betonte, Pécresse habe ähnliche Positionen wie Macron und rief die enttäuschten Wähler der Republikaner auf, für ihre Partei zu stimmen. Laut Umfragen war Macron immer der Favorit, gefolgt von den Rechtsextremen Le Pen und Eric Zemmour. Egal welcher Kandidat der Konservativen getestet wurde, lag dieser immer frühestens auf Platz vier für den ersten Wahlgang, Valérie Pécresse bei etwa 10 Prozent gegenüber Macron mit 25 Prozent, der noch nicht offiziell seine Kandidatur für Frankreichs Präsidentschaftswahl erklärt hat.
Doch Pécresse hat noch genug Zeit, um aufzuholen. Sie zeigte ihre Einheit mit dem unterlegenen Eric Ciotti und will schon heute in dessen Region um Nizza ihre erste offizielle Reise als Kandidatin unternehmen, begleitet von Ciotti. So macht sie den Brückenschlag zwischen den beiden Lagern der Konservativen. Tanja Kuchenbecker
Es ist in diesen Tagen spannend, CDU und CSU in einer Ausnahmesituation zu erleben – in der Rolle von Oppositionsparteien. Verständlich, dass Unionspolitiker:innen fieberhaft auf der Suche nach Themen sind, mit denen sie die auf Professionalität und Harmonie bedachten Ampel-Parteien an einer Schwachstelle erwischen können.
Nun hat Hendrik Wüst, Armin Laschets Nachfolger als Ministerpräsident in NRW, ein für die Union nicht ganz alltägliches Thema entdeckt: Frauen. “Die Zeit ist aus meiner Sicht reif für eine Frau im Schloss Bellevue“, sagte Wüst in einem Interview mit “Welt am Sonntag”. Damit sprach er sich zugleich gegen eine Wiederwahl Frank-Walter Steinmeiers (SPD) aus.
“Wenn die CDU über Frauen nachdenkt, sollte sie in der eigenen Partei anfangen”, konterte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im gleichen Blatt. Ganz unrecht hat er damit nicht. Zwar hat die Union die erste Bundeskanzlerin, die erste EU-Kommissionspräsidentin und die erste Bundesverteidigungsministerin gestellt, wie Wüst betonte. Doch in vielen anderen Bereichen der Partei sieht es in Sachen Geschlechtergerechtigkeit eher mau aus.
Die Kandidaten für den Unionsvorsitz sind – wieder einmal – drei Männer. Und unter den insgesamt 197 Abgeordneten von CDU und CSU im Bundestag sind lediglich 46 Frauen – das sind weniger als 23,5 Prozent. Nur bei der AfD ist das Verhältnis von Männern und Frauen noch weniger ausgeglichen. Die FDP liegt mit einem Frauenanteil von 25 Prozent knapp vor der Union.
Einen konkreten Vorschlag für eine Kandidatin nannte Wüst nicht. Aber offenbar hat er bereits eine recht genaue Vorstellung, wo die Kernkompetenz einer Bundespräsidentin liegen würde: im Zusammenhalt. Eine Frau an der Staatsspitze, so Wüst, könne “wichtige neue Impulse” geben, in einer Zeit, in der der “gesellschaftliche Zusammenhalt zur vordersten Staatsräson wird”. Sarah Schaefer
breite Zustimmung von SPD und FDP: Am Wochenende haben die Delegierten beider Parteien auf Sonderparteitagen grünes Licht für den Koalitionsvertrag des Ampel-Bündnisses gegeben. Bei den Liberalen stimmten 92,2 Prozent der Delegierten dafür, bei der SPD sogar 98,8 Prozent.
Nun steht noch das Ergebnis der Mitgliederbefragung der Grünen aus, das die Partei heute präsentieren will. Gibt es ein Ja, kann Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch vom Deutschen Bundestag zum neuen Bundeskanzler gewählt werden.
Auch bei den Grünen wird mit Zustimmung gerechnet, größere Überraschungen dürften hier nicht zu erwarten sein. Mit Spannung erwartet wird hingegen die Vergabe eines Postens, über den sich Scholz bisher beharrlich ausschweigt: Wer wird neue Gesundheitsministerin oder neuer Gesundheitsminister? Das will der designierte Kanzler heute bekannt geben.
Im Verhältnis zu China könnte die viel beschworene Einigkeit der künftigen Ampel-Regierung bald Risse bekommen. Laut Medienberichten hat Olaf Scholz bereits deutlich vor Amtsantritt Chinas Präsident Xi Jinping signalisiert, den China-Kurs seiner Vorgängerin Angela Merkel (CDU) weiterzuführen. Dabei hatten Grüne und FDP im Koalitionsvertrag einen Kurswechsel gegenüber der Volksrepublik durchgesetzt. Mehr dazu lesen Sie in den News.
CDU und CSU sind derweil damit beschäftigt, nach ihrer Rolle in der Opposition zu suchen. Der Abgang von Angela Merkel lässt nicht nur eine verunsicherte Union zurück, die sich an den Verlust ihrer Macht gewöhnen muss. Auch die EVP steckt in einer Krise.
Im Rat hat sie keine Mehrheit mehr, EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) ist geschwächt und ein Sieg der EVP-Kandidatin Roberta Metsola bei der anstehenden Wahl des EU-Parlamentspräsidenten keinesfalls sicher – um nur ein paar Probleme zu nennen. Brüssel-Korrespondent Eric Bonse analysiert, was zurzeit schiefläuft in der Parteienfamilie.
Der kommende Mittwoch wird ein schwarzer Tag für die Europäische Volkspartei (EVP). Wenn der SPD-Politiker Olaf Scholz wie erwartet zum nächsten deutschen Kanzler gewählt wird, verliert nicht nur Angela Merkel (CDU) nach sechzehn Jahren die Macht. Auch die EVP muss Federn lassen – mit weitreichenden Folgen für ganz Europa.
Jahrelang hatte die christlich-konservative Parteienfamilie die Geschicke der EU bestimmt und die wichtigsten Ämter besetzt. Im Europäischen Rat, in der EU-Kommission und im Parlament gab die EVP-Fraktion den Ton an, CDU und CSU haben davon besonders profitiert. Doch mit Merkels Abschied wird alles anders.
Im Europäischen Rat wird künftig Scholz für Deutschland sprechen. Beim nächsten EU-Gipfel am 16. Dezember beginnt die Nach-Merkel-Ära – und damit eine neue, schwierige Zeit für die EVP-Fraktion. Bisher hat sie bei ihrem traditionellen Vorgipfeltreffen gemeinsam mit Merkel die Marschroute bestimmt. Nun wird der EVP-Gipfel zur Zwergenrunde.
Wenn die deutsche Kanzlerin ausscheidet, bleiben nur noch kleine EU-Staaten unter Führung von EVP-Politikern. Das größte Mitglied ist dann Griechenland, wahrlich keine Großmacht in der EU. Insgesamt stehen in nur noch neun von 27 Mitgliedsstaaten EVP-Politiker an der Spitze. Die drei großen EU-Länder Deutschland, Frankreich und Italien gehören nicht mehr dazu.
Die “großen Drei” werden künftig sozialdemokratisch, liberal und parteilos regiert, die Konservativen sind außen vor. Für Ratspräsident Charles Michel, der die EU-Gipfel leitet, dürfte dies kein Problem sein – er ist selbst Liberaler. Doch um EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) könnte es einsam werden.
Auch Manfred Weber (CSU), der Chef der EVP-Fraktion im Europaparlament, muss sich Sorgen machen. Der Abgang Merkels ändert zwar nichts an der Sitzverteilung. Die EVP stellt mit 178 Parlamentariern weiter die meisten Abgeordneten. Doch die Sozialdemokraten fühlen sich nicht mehr an die Absprache gebunden, wonach die EVP ab 2022 den Parlamentspräsidenten stellen soll.
Es wäre unfair und unangemessen, wenn die EVP-Fraktion zwei von drei EU-Institutionen leiten würde (Kommission und Parlament), heißt es bei der SPD. In der S&D-Fraktion spielt man sogar mit dem Gedanken, den Amtsinhaber David Sassoli erneut aufzustellen. “Hier macht niemand niemandem ein Geschenk”, stellte die Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten klar, die Spanierin Iratxe García Pérez.
Hinter den Kulissen des EU-Parlaments tobt ein Machtkampf, bei dem es auch um die Verteilung der Vizepräsidenten und anderer Posten geht. Die EVP ist dabei nicht so gut aufgestellt wie gewohnt. Mit seiner Ankündigung, selbst nicht für die Nachfolge von David Sassoli zu kandidieren und stattdessen die Führung der EVP anzustreben, hat Weber seine Position geschwächt.
Hinzu kommt: Die Kandidatin der EVP für das Amt der EU-Parlamentspräsidentin, Roberta Metsola aus Malta, ist nicht unumstritten (Europe.Table berichtete). Sie konnte sich nur mithilfe von CDU und CSU durchsetzen. Zwei profilierte liberale Europaabgeordnete – Esther de Lange aus den Niederlanden und Othmar Karas aus Österreich – zogen den Kürzeren, was für Murren in der EVP-Fraktion sorgt.
Zudem hat sich Metsola gegen ein Grundrecht auf Abtreibung ausgesprochen. Damit ist sie für viele Abgeordnete des linksliberalen Lagers kaum wählbar. Der Ausgang der Wahl des nächsten Parlamentspräsidenten, die Mitte Januar geplant ist, ist offen. Ein Sieg der EVP-Kandidatin ist alles andere als sicher.
Doch das sind nicht die einzigen Probleme, mit denen die Konservativen kämpfen müssen. Sie wirken auch politisch orientierungslos. Jahrelang richtete sich die EVP-Fraktion nach den Wünschen Merkels und der deutschen Christdemokraten aus. Doch schon im Streit um die ungarische Fidesz-Partei verloren Merkel und ihre Partei die Hegemonie.
Die gemäßigt konservativen Parteien aus den Benelux-Staaten begehrten auf und konnten sich am Ende durchsetzen – Fidesz flog aus Fraktion und Partei. Merkel und ihre Parteifreunde waren zu spät von Fidesz abgerückt, nur EVP-Fraktionschef Weber hatte rechtzeitig die Zeichen der Zeit erkannt.
Selbst wenn jetzt wieder CDU und CSU die Zügel halten – der Richtungsstreit geht weiter. Nach dem Abgang Merkels braucht die EVP neue Zugpferde. Bis vor Kurzem sah es so aus, als könne sie sich an Sebastian Kurz orientieren. Der Österreicher galt als zukunftsfähiger “Shooting Star” der Konservativen.
Doch nach seinem abrupten Rückzug aus der Politik taugt auch Kurz nicht mehr als Identifikationsfigur. Nun ist also Kurz weg, Angela Merkel ist weg, es gibt keine Mehrheit mehr im Rat und keine sichere Mehrheit im Parlament: Die EVP, einst vom Erfolg verwöhnt, wird sich neu erfinden müssen. Doch selbst dabei ist sie in die Defensive geraten.
Am Wochenende haben Rechtspopulisten und Nationalisten aus Ungarn, Polen, Frankreich und anderen Ländern den Schulterschluss geprobt. Beim “Warschauer Gipfel” riefen sie zur Bildung eines gemeinsamen konservativen Blocks in der EU auf. In der Vergangenheit sind ähnliche Appelle zwar ohne Folgen geblieben.
Doch die EVP ist nicht mehr die einzige Parteienfamilie, die sich auf konservative Werte wie Heimat und Nation beruft. Und sie kann sich auch nicht mehr als “die” Europapartei präsentieren, die das Schicksal der EU bestimmt – dafür ist sie nach dem Abgang von Merkel und Kurz zu schwach.
Im Verhältnis zu China könnte sich ein Konflikt zwischen den Ampel-Koalitionären auftun: Laut Berichten der “Wirtschaftswoche” hat der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Chinas Präsident Xi Jinping signalisiert, den China-Kurs seiner Vorgängerin Angela Merkel (CDU) fortzusetzen.
Das Magazin zitiert einen EU-Diplomaten, der sagte, Ratspräsident Charles Michel habe Xi die Botschaft von Scholz überbracht, dass er die China-Politik von Merkel weiterführen wolle. Scholz habe bei dem Gespräch, das bereits im Oktober stattgefunden haben soll, zudem seine Unterstützung für das umstrittene Investitionsabkommen zwischen der EU und China (CAI) zum Ausdruck gebracht.
Damit weicht Scholz deutlich von den Positionen seiner Koalitionspartner ab. Grüne und FDP hatten im Koalitionsvertrag einen Kurswechsel gegenüber China durchgesetzt. Das Ampel-Bündnis betont darin außerdem die Bedeutung einer gemeinsamen EU-China-Politik und einer engen transatlantischen Abstimmung. Erst kürzlich hatte die designierte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) angekündigt (China.Table berichtete), China gegenüber wesentlich deutlichere Worte finden zu wollen als ihre Vorgänger.
Die Zukunft des EU-China-Investitionsabkommens ist ohnehin ungewiss. Die Aussichten auf einen zeitnahen Fortschritt der Abschließung des CAI stehen einem ranghohen EU-Vertreter zufolge eher schlecht: Er könne zwar nicht sagen, ob das Abkommen tot sei, so der Generalsekretär des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS), Stefano Sannino. “Aber ich sehe in absehbarer Zeit keine wesentliche Entwicklung“, so Sannino bei einer Veranstaltung des US-Thinktanks Brookings.
Brüssel plant, Montag oder Dienstag die Sanktionen gegen China auf Grundlage von Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang neu aufzurollen. Die EU-Sanktionen und chinesische Gegen-Sanktionen sind der Hauptgrund für einen Stillstand, was das CAI angeht. Das Europaparlament hatte angekündigt, nicht an dem Abkommen weiterzuarbeiten, bis die Sanktionen gegen EU-Abgeordnete aufgehoben sind. Peking wiederum sieht Brüssel als den Auslöser des Streits und fordert, dass zunächst die EU-Sanktionen zurückgenommen werden müssen. sas/ari
Der Chef der Deutschen Post, Frank Appel, hat Insidern zufolge die besten Karten für den Aufsichtsratsvorsitz der Deutschen Telekom. Appel sei Favorit für die Nachfolge von Amtsinhaber Ulrich Lehner, erfuhr die Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag von zwei mit der Angelegenheit vertrauten Personen. Post und Telekom wollten keine Stellung nehmen. Zuvor hatten “Handelsblatt” und “Manager Magazin” über die Personalie berichtet.
In Branchenkreisen hieß es, der Aufsichtsrat der Post tage am Mittwoch. Eine Woche später soll dann eine Sitzung des Aufsichtsratspräsidiums der Telekom anstehen. Dem “Handelsblatt” zufolge dürfte der Telekom-Aufsichtsrat dem Vorschlag des Präsidiums folgen und Frank Appel zur Wahl auf der Hauptversammlung am 7. April vorschlagen.
Die Amtszeit des früheren Henkel-Chefs Lehner, der das Telekom-Kontrollgremium seit 2008 leitet, endet mit dem Aktionärstreffen im kommenden Jahr. Der 75-jährige Manager hatte bereits bestätigt, dass auch extern nach einem Nachfolgekandidaten gesucht wird.
Der ehemalige McKinsey-Berater Appel ist seit dem Jahr 2000 bei der Deutschen Post. 2002 wurde er Mitglied des Vorstands, 2008 rückte er auf den Posten des Vorstandsvorsitzenden. Der 60-Jährige ist bis 2022 bestellt. rtr
Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber, hat vor einer militärischen Eskalation des Ukraine-Konflikts gewarnt und die Ampel-Koalition zum Handeln aufgefordert. “Wenn Putin Waffen einsetzt, dann ist die Gaspipeline Nord Stream 2 am Ende”, sagte Manfred Weber der “Bild am Sonntag”. Und weiter sagte er (Europe.Table berichtete): “Eine Inbetriebnahme wäre ausgeschlossen. Diesen Preis muss die künftige Bundesregierung klar benennen.”
Die Situation sei “ein Test für die Nato und die westliche Wertegemeinschaft. Es war wichtig, dass die Nato klargestellt hat, dass eine russische Aktion gegen die Ukraine einen hohen Preis haben wird”. rtr
Präsident Emmanuel Macron hat für die Präsidentschaftswahlen im April eine neue ernsthafte Konkurrentin bekommen. Valérie Pécresse, die Präsidentin der Hauptstadtregion Île de France, hat die Onlineabstimmung der rund 140.000 Anhänger von Frankreichs Partei Les Républicains überraschend gewonnen – der konservativen Partei der früheren Präsidenten Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy.
Sie steht seit Jahren als Konkurrentin der sozialistischen Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo im Rampenlicht. Auch Hidalgo ist Präsidentschaftskandidatin. Zusammen mit der Rechtsextremen Marine Le Pen treten drei Frauen für die Präsidentschaftswahlen an.
Fünf Kandidaten hatten sich bei den Republikanern zur Wahl gestellt, die 54-jährige Pécresse, die gern einen knallroten Blazer trägt, um sich von den dunkel gekleideten Herren abzuheben, war zusammen mit dem Abgeordneten Eric Ciotti aus Südfrankreich in die Stichwahl gekommen. Und hat haushoch gewonnen, mit 60,95 Prozent gegenüber 39,05 Prozent.
Damit haben die Konservativen zum ersten Mal eine Frau aufgestellt. Valérie Pécresse erklärte nach ihrer Wahl: “Ich denke an alle Frauen in Frankreich. Ich werde alles tun, um zu triumphieren.” Mit ihr sei die “republikanische Rechte” zurück. Zuletzt stellten die Konservativen mit Nicolas Sarkozy von 2007 bis 2012 den Präsidenten. Politisch sagt sie über sich: “Ich bin zwei Drittel Merkel und ein Drittel Thatcher.” Sie bewundert den Pragmatismus von Angela Merkel, will aber härter sein.
Die Politikerin ist in Frankreich schon lange keine Unbekannte mehr, Valérie Pécresse war unter Nicolas Sarkozy Haushalts- und Bildungsministerin und Regierungssprecherin. Sie hatte die konservative Partei vor einigen Jahren verlassen, weil ihr die Richtung zu rechts geworden waren, kehrte aber in diesem Jahr zurück.
Valérie Pécresse ist als hartnäckig bekannt – und eine typische Vertreterin der französischen Elite. Sie hat schon mit 16 Jahren ihr Abitur gemacht, wie viele französische Politiker die Verwaltungshochschule ENA absolviert, außerdem Wirtschaft an der Eliteschule HEC studiert. Ihr großer Förderer war der ehemalige Präsident Jacques Chirac, er holte sie als Beraterin in den Élysée-Palast.
Seit 2015 ist sie Präsidentin der Region Île-de-France und wurde 2021 erneut gewählt. Dabei kämpfte sie häufig gegen die Umweltprojekte von Anne Hidalgo und vertrat die Interessen der Autofahrer aus dem Umland. Sie stammt aus einer großbürgerlichen Familie in dem luxuriösen Pariser Vorort Neuilly-sur-Seine bei Paris, wo Nicolas Sarkozy lange Bürgermeister war, ist Mutter von drei erwachsenen Kindern.
Damit entspricht sie dem Bild vieler französischer Frauen, die eine Karriere und mehrere Kinder haben. Unterstützt wurde sie dabei von ihrem Mann, dem Geschäftsmann Jérôme Pécresse, mit dem sie seit 1994 verheiratet ist. Skandale gab es um Pécresse nie.
Sie kann Emmanuel Macron gefährlich werden. Weil sie eine Frau ist, bringt sie frischen Wind in den Wahlkampf. Macron hatte 2017 damit gewonnen, dass viele sich von dem Newcomer einen Neubeginn in Frankreich erhofften. Nun fordert ihn Pécresse heraus. Sie hat eine lange Politikkarriere hinter sich und ist bestens vernetzt, sie gilt innerhalb des Spektrums der Republikaner als gemäßigt, im Gegensatz zu Ciotti, der zum rechten Rand gehört.
Laut Medienberichten soll Macron auf Ciotti gehofft haben, er wäre ein leichterer Gegner gewesen. Über Pécresse hieß es aus seinem Umfeld: “Sie ist die Gefährlichste von allen.” Denn die Wähler von Pécresse überschneiden sich mit denen, die Macron seit Jahren umwirbt, die traditionellen Konservativen. Bruno Jeanbart, Vize-Präsident des Institutes Opinionway, sagte, sie sei “eine Bedrohung” für Macron: “Sie erneuert die Republikaner: eine Frau, relativ jung in der konservativen Partei, in der Frauen nicht immer Platz hatten. Sie ist auch lokal verankert, eine der Schwächen von Emmanuel Macron.”
Im Wahlkampf hatte Pécresse betont, sie wolle den “französischen Stolz” wieder herstellen und sich als “Frau der Ordnung und Reformerin” bezeichnet. Sie sprach sich außerdem für eine starke EU aus. Im Vorwahlkampf rückten die Konservativen immer weiter nach rechts. Pécresse ist härter als Macron bei den Themen Sicherheitspolitik und Immigration, sie will stärker gegen illegale Immigration vorgehen.
Sie bezeichnet sich als Wirtschaftsliberale, will wieder Ordnung in den Staatshaushalt bringen und dafür 200.000 Beamtenstellen streichen. Auch eine Rentenreform will Valérie Pécresse durchziehen, das Rentenalter von 62 auf 65 Jahre erhöhen und die 35-Stunde-Woche in Frankreich abschaffen. Sie will die Sozialabgaben kürzen, damit die Unternehmer die Löhne erhöhen, und die Arbeitslosenunterstützung reduzieren. Sie kritisierte den Präsidenten: “Emmanuel Macron ist nur davon besessen zu gefallen. Ich bin davon besessen, Dinge zu erledigen.”
Für die Republikaner bleibt allerdings nicht viel Platz zwischen den Rechtsextremen und Macron, der immer weiter nach rechts gerückt ist. Marine Le Pen betonte, Pécresse habe ähnliche Positionen wie Macron und rief die enttäuschten Wähler der Republikaner auf, für ihre Partei zu stimmen. Laut Umfragen war Macron immer der Favorit, gefolgt von den Rechtsextremen Le Pen und Eric Zemmour. Egal welcher Kandidat der Konservativen getestet wurde, lag dieser immer frühestens auf Platz vier für den ersten Wahlgang, Valérie Pécresse bei etwa 10 Prozent gegenüber Macron mit 25 Prozent, der noch nicht offiziell seine Kandidatur für Frankreichs Präsidentschaftswahl erklärt hat.
Doch Pécresse hat noch genug Zeit, um aufzuholen. Sie zeigte ihre Einheit mit dem unterlegenen Eric Ciotti und will schon heute in dessen Region um Nizza ihre erste offizielle Reise als Kandidatin unternehmen, begleitet von Ciotti. So macht sie den Brückenschlag zwischen den beiden Lagern der Konservativen. Tanja Kuchenbecker
Es ist in diesen Tagen spannend, CDU und CSU in einer Ausnahmesituation zu erleben – in der Rolle von Oppositionsparteien. Verständlich, dass Unionspolitiker:innen fieberhaft auf der Suche nach Themen sind, mit denen sie die auf Professionalität und Harmonie bedachten Ampel-Parteien an einer Schwachstelle erwischen können.
Nun hat Hendrik Wüst, Armin Laschets Nachfolger als Ministerpräsident in NRW, ein für die Union nicht ganz alltägliches Thema entdeckt: Frauen. “Die Zeit ist aus meiner Sicht reif für eine Frau im Schloss Bellevue“, sagte Wüst in einem Interview mit “Welt am Sonntag”. Damit sprach er sich zugleich gegen eine Wiederwahl Frank-Walter Steinmeiers (SPD) aus.
“Wenn die CDU über Frauen nachdenkt, sollte sie in der eigenen Partei anfangen”, konterte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im gleichen Blatt. Ganz unrecht hat er damit nicht. Zwar hat die Union die erste Bundeskanzlerin, die erste EU-Kommissionspräsidentin und die erste Bundesverteidigungsministerin gestellt, wie Wüst betonte. Doch in vielen anderen Bereichen der Partei sieht es in Sachen Geschlechtergerechtigkeit eher mau aus.
Die Kandidaten für den Unionsvorsitz sind – wieder einmal – drei Männer. Und unter den insgesamt 197 Abgeordneten von CDU und CSU im Bundestag sind lediglich 46 Frauen – das sind weniger als 23,5 Prozent. Nur bei der AfD ist das Verhältnis von Männern und Frauen noch weniger ausgeglichen. Die FDP liegt mit einem Frauenanteil von 25 Prozent knapp vor der Union.
Einen konkreten Vorschlag für eine Kandidatin nannte Wüst nicht. Aber offenbar hat er bereits eine recht genaue Vorstellung, wo die Kernkompetenz einer Bundespräsidentin liegen würde: im Zusammenhalt. Eine Frau an der Staatsspitze, so Wüst, könne “wichtige neue Impulse” geben, in einer Zeit, in der der “gesellschaftliche Zusammenhalt zur vordersten Staatsräson wird”. Sarah Schaefer