Table.Briefing: Europe

EVP-Forderungen zu NGOs + Europäische ESG-Ratings + Ökozid

  • NGO-Transparenz: Was dran ist an den Forderungen der EVP
  • ESG-Ratings: Europa muss eigene Grammatik entwickeln
  • EU-Monitoring
  • Unabhängige Ethikbehörde: Vorschlag der Kommission im März
  • IRA-Resolution: Scharfe Kritik an Manfred Weber
  • Bundesbankpräsident: “Europa schöpft Potenzial des Binnenmarkts nicht aus”
  • Rohstoffsicherheit: Scholz betont Zusammenarbeit mit Japan
  • Italien will Verbrennerverbot aufweichen
  • Menschenrechtler kritisieren EU-China-Dialog
  • Neue Regierung in Moldau bekennt sich zu Europa
  • What’s cooking in Brussels? Ökozid in der Ukraine
Liebe Leserin, lieber Leser,

als Konsequenz aus den Korruptionsfällen im Europaparlament fordert die EVP stärkere Transparenzregeln für Nichtregierungsorganisationen. Vertreter von NGOs wehren sich – und sprechen von einer “Hexenjagd”. Charlotte Wirth hat sich die Fälle der in den Korruptionsskandal verwickelten NGOs No Peace without Justice und Fight Impunity genauer angeschaut. Ihr Fazit: Die Machenschaften blieben nicht unbemerkt, weil NGOs am Werk waren. Sondern weil EU-Kommission, Europaparlament und belgische Behörden die Einhaltung der geltenden Regeln nicht ausreichend kontrollierten.

Um bei der Entwicklung globaler ESG-Standards mitreden zu können, brauche man ein starkes Ökosystem in Europa und eine “gemeinsame Grammatik”. Davon ist Carole Sirou, Direktorin der französischen ESG-Ratingagentur Ethifinance, überzeugt. Im Gespräch mit Claire Stam erklärt sie, warum es einen europäischen Akteur braucht, der den amerikanischen Rating-Giganten etwas entgegensetzen kann.

Der Ökozid, also eine massive Schädigung und Zerstörung von Ökosystemen, ist bis heute nicht im europäischen Recht anerkannt. Die grüne Europaabgeordnete Marie Toussaint will das ändern. Sie setzt sich dafür ein, den Ökozid in der EU-Richtlinie zur Umweltkriminalität zu verankern. Dabei geht es besonders um Umweltschäden in bewaffneten Konflikten, wie aktuell im Krieg Russlands gegen die Ukraine. Mehr erfahren Sie in Claire Stams Kolumne “What’s cooking in Brussels”.

Ihre
Sarah Schaefer
Bild von Sarah  Schaefer

Analyse

NGO-Transparenz: Was dran ist an den Forderungen der EVP

“Der Korruptionsfall Kaili/Panzeri hätte durch ausreichende Transparenz bei NGOs verhindert werden können”, sagte Markus Pieper am Montag im Plenum des Europaparlaments. Der CDU-Politiker fordert bereits seit Jahren mehr Offenlegungspflichten – 2017 war er Berichterstatter eines Initiativberichts zur Transparenz von NGOs. Doch die EVP zog den Bericht aufgrund des Widerstands der Zivilgesellschaft sowie des linken Flügels im Parlament zurück.

Wegen Katargate lässt die EVP nun die Forderungen aus dem Bericht wieder aufleben. Dazu gehören:

  • die Einführung eines NGO-Transparenzgesetzes sowie eines Initiativberichts durch den Haushaltskontrollausschuss;
  • ein systematisches Screening von NGOs, die sich ins Transparenzregister eintragen müssen;
  • die Offenlegung aller Geldgeber;
  • die Veröffentlichung aller Verträge mit NGOs;
  • die Rückverfolgbarkeit von Finanzhilfen an NGOs bis zum letzten Empfänger;
  • eine schwarze Liste von NGOs, die in kriminelle Aktivitäten oder Korruption verwickelt sind oder bei denen dieser Verdacht besteht.

Keine Definition von NGOs

Doch was sind eigentlich NGOs? Die Frage lässt sich nicht einfach beantworten, denn es gibt keine international anerkannte Definition. In einem Sonderbericht von 2018 verweist der Europäische Rechnungshof auf eine Mitteilung der EU-Kommission von 1997. Demnach handele es sich um freiwillige, formalisierte Organisationen, die keine Gewinne ausschütten, unabhängig von staatlichen Behörden agieren und deren Tätigkeit zumindest teilweise dem Gemeindewohl dient.

Markus Pieper ging in seinem Bericht von 2017 weiter: Er zielte auf Organisationen, die in den Bereichen Gesundheit, Sozialpolitik, Umwelt oder Entwicklungshilfe tätig sind. Pieper unterschied auch klar zwischen NGOs und Lobbyeinrichtungen. NGOs, so eine seiner Forderungen, sollten nur dann Fördermittel erhalten, wenn sie keine Unwahrheiten verbreiteten, ihre Ziele mit den Grundwerten der EU vereinbar seien und nicht gegen “strategische, handels- und sicherheitspolitische Ziele” der EU handelten.

Fördermittel nicht an NGO-Status gebunden

Der NGO-Status einer Organisation lässt auch sich nicht aus der Rechtsform ableiten. Eine NGO kann etwa ein eingetragener Verein (e.V.), nach belgischem Recht eine “asbl” (Verein ohne Gewinnzweck) oder eine Stiftung sein. So hielt der Rechnungshof auch 2018 fest: “In den meisten Fällen hängt eine Fördermittelfähigkeit nicht vom NGO-Status ab”. Und: “Der EU-Haushalt unterscheidet nicht zwischen Begünstigten mit NGO-Status und anderen Begünstigten.”

Konkretes Beispiel: Die NGO Fight Impunity von Pier Antonio Panzeri war als asbl nach belgischem Recht registriert. Das lässt sich über das belgische Unternehmensregister nachprüfen. Damit hatte sie dasselbe Statut wie etliche Lobbyverbände in Brüssel: Der Industrieverband Business Europe ist etwa als asbl registriert.

Fehlende Konten nicht aufgefallen

Im belgischen Handelsregister findet man denn auch die Registrierungsdokumente von Fight Impunity. Eigentlich müssten auch die Jahresbilanzen der NGO verfügbar sein. Nach belgischem Recht müssen kleine Vereine diese jährlich beim Handelsgericht hinterlegen, große Vereine bei der Nationalbank. Asbl unterliegen der Kontrolle des Handelsgerichts und des Justizministeriums.

Bei Fight Impunity fehlen jegliche Bilanzen Dokumente, wie ein Besuch beim Handelsgericht zeigt. Auch für eine weitere in Katargate verwickelte Organisation, No Peace without Justice (NPWJ), liegen keine Jahresbilanzen vor. NPWJ wurde von Niccolo Figa Talamanca gegründet, der Italiener wird der Korruption und Geldwäsche beschuldigt. Für keine seiner zahlreichen Organisationen wurden jemals Bilanzen hinterlegt.

Mangelnde Überprüfung durch EU-Institutionen

Das hätte der Europäischen Kommission auffallen müssen. Sie schüttete in den vergangenen Jahren rund vier Millionen Euro an NPWJ aus. Dabei achtete sie ihre eigenen Regeln nicht: Laut EU-Haushaltsordnung müssen Begünstigte bei “Finanzhilfen für eine Maßnahme von über 750.000 Euro oder für Betriebskosten von mehr als 100.000 Euro einen von einem externen Rechnungsprüfer erstellten Bericht vorlegen”, inklusive bescheinigter Bilanzen der letzten (bis zu drei) Jahre. NPWJ erhielt zweimal Beträge von mehr als zwei Millionen von der Kommission. Das Fehlen jeglicher Bilanzen hätte ihr nicht entgehen dürfen.

Panzeris NGO Fight Impunity arbeitete regelmäßig mit dem Europaparlament zusammen. Auch dieses hat verpasst zu überprüfen, ob die Organisation seiner Transparenzpflicht nachkommt. Die Organisation stand nicht im Transparenzregister, obwohl sich Interessensvertreter dort registrieren müssen, wenn sie Veranstaltungen im Parlament organisieren oder daran teilnehmen.

Und während die Kommission alle Zuschüsse an Interessensvertreter, also auch die an NPWJ, in ihrem Finanztranspanzregister veröffentlicht, muss das Parlament über Engagements unter 15.000 Euro keine Rechenschaft ablegen. Die Zusammenarbeit mit Fight Impunity lässt sich nirgendwo nachvollziehen.

NGOs müssen bereits Geldgeber preisgeben

Hätte Panzeris Scheinorganisation im EU-Transparenzregister gestanden, hätte sie auch ihre Geldgeber preisgeben müssen. Für NGOs ist das bereits heute Pflicht. Es sind vor allem die unzureichenden Kontrollen der europäischen Institutionen, die dazu führten, dass Fight Impunity durch das Raster fiel.

Auf ähnliche Mängel wies der Rechnungshof 2018 schon hin: Er kritisierte, dass die Auswahlverfahren für Finanzhilfen an Nichtregierungsorganisationen nicht immer transparent seien und nicht immer nachverfolgbar sei, auf welche Weise die Finanzmittel an NGOs verwendet werden.

Hinzu kommt: Begünstigte von EU-Fördermitteln, die gegen die Haushaltsordnung verstoßen, müssen eigentlich in einem öffentlich zugänglichen Register namens EDES stehen. Dort sind nur vier Entitäten gelistet. NPWJ ist bis heute nicht darunter.

Die Rechtsform war ausschlaggebend

Es liegt nahe, dass nicht der NGO-Status, sondern die Rechtsform von Fight Impunity die Machenschaften Panzeris erleichterte. Gemeinnützige Vereine würden in Belgien nur unzureichend kontrolliert, erklärt der Whistleblower Claude Archer von Transparencia Belgium: “Asbl sind das bevorzugte Werkzeug für öffentliche und private Strukturen, um Korruption und Geldwäsche zu betreiben.” Die Bilanzen und Protokolle der Generalversammlungen seien nicht online verfügbar, man müsse sich daher zum Handelsgericht begeben und für teurere Kopien bezahlen, um die Konten einzusehen. “Die Kontrollen durch die belgischen Behörden sind ebenfalls sehr dürftig.”

Tatsächlich gibt es zahlreiche Beispiele, in denen belgische asbl missbraucht wurden. Eines davon ist Azerigate: 2017 haben zwei Europarat-Abgeordnete einen belgischen Verein zur Wahlbeobachtung genutzt, um aserbaidschanische Bestechungsgelder zu waschen. Auch die deutschen Abgeordneten Karin Strenz (CDU) und Eduard Lintner (CSU) waren in die Affäre verwickelt.

NGOs sprechen von Hexenjagd

“Die EVP mag recht haben, wenn sie sagt, dass NGOs viel Einfluss in der Brüsseler Blase haben”, sagt John Dalhuisen von der European Stability Initiative, die Azerigate aufdeckte. “Allerdings hat sie unrecht, wenn sie behauptet, dass sie besonders anfällig für Korruption sind. Was bei Katargate schieflief war, dass Parlament und Kommission ihre eigenen Regeln nicht durchgesetzt haben.”

Während die EVP ihre Transparenzforderungen lediglich an Nichtregierungsorganisationen stellen will, fordern letztere strengere Regeln für alle Interessensvertreter, ganz gleich, ob es sich um NGOs oder andere Interessensverbände handelt. “Es ist eine Hexenjagd gegen NGOs. Die EVP instrumentalisiert nun Katargate, um den Handlungsraum der Zivilgesellschaft weiter einzuschränken”, sagt Alberto Alemanno von The Good Lobby.

Der SPD-Europaabgeordnete René Ripasi drückte es am Montag so aus: “Zum Tangotanzen gehören immer zwei. Wir müssen jegliche Beeinflussung konsequent zurückweisen.”

ESG-Ratings: Europa muss eigene Grammatik entwickeln

Bewegung in der stillen Welt der grünen Finanzen: Auf eine Phase, in der US-Konzerne europäische “Nuggets” des ESG-Ratings aufkauften, reagieren die Europäer mit eigenen Aktivitäten. So wurde im Februar 2022 Ethifinance gegründet, nachdem das französische Unternehmen Qivalio, die spanische Nr. 1 für Kreditratings Axesor Rating, übernommen hatte. 

Ziel sei es, ein “führender europäischer Akteur in den Bereichen Research, Beratung und integriertes, finanzielles und ESG-orientiertes Rating” zu werden, sagte die Direktorin von Ethifinance, Carole Sirou, in einem Interview mit Table.Media in Paris.

Carole Sirou, die rund dreißig Jahre bei Standard & Poor’s Ratings verbracht hatte, wurde vier Monate nach dem Start von Ethifinance eingestellt. Ihre Aufgabe: Die Entwicklung dieses Akteurs zu beschleunigen, der in der Liga der Großen im Bereich der ESG-Ratings mitspielen will und gleichzeitig unabhängig bleiben soll.

Starkes Ökosystem in Europa

Die Französin bringt große Kenntnisse des amerikanischen Finanz- und ESG-Marktes mit: Sie trat 1990 bei Standard & Poor’s Ratings ein und wurde nacheinander Präsidentin von S&P Frankreich und Leiterin des französischsprachigen Raums in Europa und Afrika. Anschließend leitete sie die sechs europäischen Büros, bevor sie 2014 nach New York versetzt wurde, um die neuen Vorschriften für Ratingagenturen umzusetzen. Zwischen 2016 und 2018 bekleidete sie verschiedene Führungspositionen im Bereich Risiko und Compliance innerhalb der S&P Global Inc.

Um bei der Entwicklung globaler ESG-Standards mitreden zu können, brauche man ein starkes Ökosystem in Europa, davon ist Carole Sirou überzeugt. So müssten europäische Investoren und europäische Agenten in die Lage versetzt werden, die von Europäern erstellten Analysen über Unternehmen in Europa lesen zu können, “was heute schwierig ist”. Denn derzeit gebe es auf dem europäischen ESG-Markt “keine gemeinsamen Instrumente, keine gemeinsame Grammatik, die es Europa ermöglichen, sein eigenes Wirtschaftsgefüge zu analysieren, sei es unter finanziellen oder nicht-finanziellen Aspekten”, sagt sie. Um eine gemeinsame Grammatik entwickeln zu können, müsse man zunächst einmal die Konvergenzpunkte finden.

“Clashs” zwischen USA und EU

Dies gelte umso mehr, weil es “eine sehr starke Divergenz der Ansichten” zwischen den ESG-Akteuren aus den USA und Europa gebe, insbesondere über “die ökologischen und sozialen Aspekte”. Die Direktorin von Ethifinance spricht sogar von einem “Clash” beider Wirtschaftsräume in diesen Zusammenhang. “Es scheint uns entscheidend und lebenswichtig zu sein, ein bestimmtes Modell, eine bestimmte Art, über Wirtschaft und Finanzen nachzudenken, zu verteidigen.”

In diesem Zusammenhang weist Carole Sirou darauf hin, dass der europäische Markt für ESG-Daten derzeit strukturiert wird, hauptsächlich durch die Arbeiten der EFRAG zu den Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Umsetzung der europäischen Taxonomie. “Der europäische Markt für Analysen verbessert sich ständig und beschleunigt sich stark, da es einen immer größeren Bedarf an Quantität und Qualität gibt, den wir versuchen, bestmöglich zu decken”, betont sie.

Expansion in Europas Norden steht bevor

Ethifinance plant zunächst, seine Aktivitäten in Südeuropa (Frankreich, Spanien, Portugal) auszubauen. Dann will sich das Unternehmen den skandinavischen Ländern und Deutschland zuwenden, einem Markt, der aufgrund seines wirtschaftlichen Gewichts, seines Potenzials – und seiner Verbindungen zu Frankreich – als “unumgänglich” angesehen wird. Die Gruppe will bis zum Herbst 2.300 Unternehmen abdecken. Sie fokussiert sich vor allem auf KMU mit einer Marktkapitalisierung von 150 Millionen Euro bis zehn Milliarden Euro.

Die Expertin für nachhaltige Finanzen sieht in dieser Erweiterung “einen ersten wichtigen Schritt hin zum Aufbau einer europäischen Agentur für doppelte Materialität”, welche in Europa eine führende Rolle spielen könnte. Um ein Unternehmen unter dem ESG-Blickwinkel zu analysieren, muss man nicht nur die Auswirkungen der Umwelt auf das Unternehmen untersuchen, sondern auch die Auswirkungen des Unternehmens auf seine Umwelt”, sagt Carole Sirou.

Transatlantische Kulturunterschiede

“Das ist einer der Hauptpunkte, der uns von unseren amerikanischen Konkurrenten unterscheidet”, fügt sie hinzu. Diese Strategie ermögliche es, “eine Verbindung zwischen dem Konzept der Auswirkungen (Impact) und den Zielen der nachhaltigen Entwicklung herzustellen”, erläutert sie. Die Direktorin von Ethifinance verweist auf das Beispiel der Brände in Kalifornien. Ein Großteil davon sei durch die mangelnde Wartung des nationalen Betreibers verursacht worden, der diese Infrastruktur nicht instand hielt.

Die Dekarbonisierung von Unternehmen ist der andere strategische Pfeiler von Ethifinance. Auch wenn das Thema Klima “weiterhin im Mittelpunkt steht”, nennt die Direktorin abnehmende Biodiversität ein “unumgängliches” Thema, auf das Antworten gefunden werden müssten. “Wir sind davon überzeugt, dass die Finanzbranche bei der Umsetzung des ökologischen und energetischen Wandels eine Rolle spielen muss”, so Carole Sirou weiter. Durch Finanzierungen und Investitionen könne das Finanzwesen “Verhaltensänderungen bewirken”.

  • ESG
  • Europapolitik
  • Klima & Umwelt

Security.Table berichtet zur Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) vom 17.-19. Februar

Alle wichtigen Informationen für die entscheidenden Köpfe in der sicherheitspolitischen Szene liefert unsere Redaktion in zwei Sonderausgaben – zum Auftakt und Konferenzrückblick der 59. MSC. Vier erfahrene Security.Table-Journalisten werden in München vor Ort sein und tiefenfundierte Analysen und News veröffentlichen. Security.Table ist das wöchentliche Professional Briefing zur Sicherheitslage, Strategie, Verteidigungspolitik und Beschaffung von Militärtechnologie.

Sie möchten die MSC-Berichterstattung nicht verpassen? Dann melden Sie sich jetzt an und testen Sie Security.Table 30 Tage lang kostenlos und unverbindlich.

EU-Monitoring

20.02.2023 – 09:30 Uhr
Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten
Themen: Gedankenaustausch zur russischen Aggression gegen die Ukraine, Gedankenaustausch zu Afghanistan, Gedankenaustausch zur Klima- und Energiediplomatie. Vorläufige Tagesordnung

21.02.2023 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Allgemeine Angelegenheiten
Themen: Vorbereitung der Tagung des Europäischen Rates am 23./24. März 2023. Vorläufige Tagesordnung

22.02.2023
Wöchentliche Kommissionssitzung
Themen: Orientierungsdebatte über die Wettbewerbsfähigkeit (Folgemaßnahmen zur Tagung des Europäischen Rates). Vorläufige Tagesordnung

News

Unabhängige Ethikbehörde: Vorschlag der Kommission im März

Die Kommission will im März ihren Vorschlag für eine unabhängige Ethikbehörde vorlegen. Dies kündigte EU-Kommissarin Věra Jourová im Europaparlament an. Die Brüsseler Behörde reagiert damit auf den als Katargate bekannten Korruptionsskandal, der seit Dezember das Parlament erschüttert und das Vertrauen in die EU beschädigt.

Die Abgeordneten begrüßten den Vorstoß, forderten jedoch mehr Tempo und größeren Ehrgeiz. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe die ordnungsgemäße Durchsetzung der Ethikregeln und eine unabhängige Aufsicht bereits 2019 versprochen, sagte Daniel Freund (Grüne), Berichterstatter des Parlaments. Geliefert habe sie bisher aber nicht.

Besserer Schutz für Whistleblower

Wenn die Vorlage wie angekündigt im März kommt, müssten die Verhandlungen mit dem Parlament noch vor der Sommerpause abgeschlossen werden, heißt es in der am Donnerstag verabschiedeten Entschließung. Die neue Behörde solle eine Schlüsselrolle beim Schutz von Whistleblowern spielen und eng mit anderen EU-Behörden wie OLAF oder der europäischen Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten.

In einer weiteren Resolution fordern die Abgeordneten eine bessere Umsetzung des bestehenden Code of Conduct in den EU-Institutionen. Der Strafkatalog müsse ausgeweitet werden, zudem müsse es bei Verstößen auch Geldstrafen geben. Teure Luxusreisen in ferne Länder auf Kosten der Gastgeber dürfe es nicht mehr geben, heißt es in Anspielung auf vergangene Einladungen aus Katar.

Katargate habe gezeigt, dass schon ein einzelner Fehltritt reichen könne, um die EU in Misskredit zu bringen, sagte Stéphane Séjourné, Chef der liberalen Renew-Fraktion. Eine unabhängige Ethikbehörde sei die “Antwort auf diese inakzeptablen Fehltritte”. Es gehe um “eine der wichtigsten Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung in den EU-Institutionen”, meint auch Daniel Freund.

Allerdings sind die Ankündigungen der Kommission noch vage. Jourová bekannte sich zwar zu gemeinsamen und hohen Ethikstandards in allen Institutionen. Sie ließ aber durchblicken, dass die Kommission die bisherige Selbstkontrolle von Politikern nicht durch unabhängige Experten ersetzen wolle. Damit würde sie hinter den Forderungen des Parlaments zurückbleiben, warnt Freund. ebo

  • Europäische Kommission
  • Europäisches Parlament
  • Transparenz

IRA-Resolution: Scharfe Kritik an Manfred Weber

Nach der Abstimmung über eine Resolution zur Wettbewerbsfähigkeit haben Vertreter der anderen Fraktionen EVP-Fraktionschef Manfred Weber scharf kritisiert. Die Verhandlungsführerin der liberalen Renew-Fraktion im Europaparlament, Valérie Hayer, bezeichnete die Annahme des Textes als “große Niederlage” für Weber. Dieser habe versucht, auf Kosten der heimischen Industrie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Niederlage zuzufügen.

Die Resolution wurde gestern mit Stimmen von Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken angenommen. 78 Abgeordnete der Christdemokraten stimmten wie von der Fraktionsführung gewünscht gegen die Resolution, 38 dafür, 22 enthielten sich. “Der endgültige Text hatte gute Aspekte, aber diese wurden von grüner und roter Rhetorik überdeckt“, begründete der industriepolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Christian Ehler (CDU), die Entscheidung. Die Ablehnung hatte wie berichtet auch in der EVP-Fraktionssitzung am Mittwochabend für intensive Diskussionen gesorgt.

In der Resolution spricht sich das Parlament unter anderem dafür aus, notfalls vor der Welthandelsorganisation gegen bestimmte Regelungen im US-Inflation Reduction Act vorzugehen. Zudem befürwortet es flexiblere Beihilferegeln und schnellere Genehmigungsverfahren für Erneuerbare-Energien-Projekte. Für den von der Kommission angekündigten Europäischen Souveränitätsfonds fordert der Text eine Bedarfsanalyse. 

Machtkampf mit von der Leyen

In den anderen Fraktionen wird das Abstimmungsverhalten der Christdemokraten als Teil eines Machtkampfes zwischen Weber und von der Leyen gewertet. Die CDU-Politikerin hatte Anfang Februar ihre Antwort auf den US-Inflation Reduction Act vorgelegt, viele der Elemente werden in der EP-Resolution aufgegriffen.

Weber sei aber nicht einmal die eigene Fraktion gefolgt, sagte Hayer. “Niemand wird mehr einem Fraktionsvorsitzenden folgen, der seine eigenen politischen Interessen über die der Industrie, der Europäer stellt”, schrieb sie auf Twitter.

Weber hatte in einem Interview Ende Januar von der Leyen und Parlamentspräsidentin Roberta Metsola beide als “hervorragende Spitzenkandidatinnen” bezeichnet. Viele Parteifreunde werfen dem EVP-Chef vor, dadurch de facto mehr als ein Jahr vor der Wahl einen Konkurrenzkampf der beiden christdemokratischen Politikerinnen ausgerufen zu haben und unnötige Unruhe zu erzeugen.

Weber rechtfertigte sich intern mit dem Hinweis, von der Leyen sei in Teilen der Partei umstritten: Ihr fehle bei Kernthemen wie Migration oder Industriepolitik ein klares christdemokratisches Profil. Selbst Parlamentarier von CDU und CSU, die von der Leyen kritisch sehen, räumen aber ein: Die Kommissionspräsidentin würde Spitzenkandidatin der EVP, wenn sie dazu bereit ist. Die 64-Jährige hat sich bislang nicht festgelegt, ob sie eine zweite Amtszeit anstrebt. tho

  • Europapolitik
  • Industriepolitik
  • Inflation Reduction Act

Bundesbankpräsident: “Europa schöpft Potenzial des Binnenmarkts nicht aus”

Bundesbankpräsident Joachim Nagel hält es für keinen guten Weg, wenn Europa sich mit den USA auf einen Subventionswettlauf bei grünen Technologien einlässt. “Europa kann auch durch einen vertieften Binnenmarkt als Standort attraktiver werden“, sagte Nagel bei seiner Europe Lecture beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Bisher schöpfe die EU das Potenzial des Binnenmarktes bei Weitem nicht aus. Ausbaubedarf sieht der Bundesbankpräsident zum Beispiel beim Dienstleistungsverkehr, bei der Kapitalmarktunion und im Bereich des Digitalen.

In der Diskussion um neue Subventionen gab Nagel zu bedenken, was bereits an Fördermitteln zur Verfügung stehe: Das EU-Programm NextGenerationEU etwa könne bis 2027 insgesamt 800 Milliarden Euro vergeben. Mehr als ein Drittel davon solle in den grünen Wandel fließen. Hinzu kämen etwa 100 Milliarden Euro an EU-Kohäsionsausgaben für die Jahre 2021 bis 2027. Zum Vergleich: Der Inflation Reduction Act (IRA) der USA hat ein Volumen von 369 Milliarden US-Dollar bis 2032.

Behörden sollten ihre Dienste digitalisieren

Bei der Stärkung des Binnenmarkts sei es wichtig, “dass der Staat mit dem Tempo des digitalen Wandels Schritt hält“, sagte Nagel. Das erwarteten die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen auch im Umgang mit der öffentlichen Verwaltung. “Behörden sollten ihre Informationen und Dienstleistungen möglichst vollständig online anbieten“, forderte er.

Auch den Zahlungsverkehr betrachtet Nagel als eine Branche mit strategischer Bedeutung. “Zum einen für die künftige Entwicklung der europäischen Finanzwirtschaft; zum anderen für die europäische Souveränität in einer zunehmend globaler ausgerichteten, digitalen Welt.” Allerdings gebe es keine einheitliche, europaweite Lösung, die auf europäischer Infrastruktur aufbaue. “Das schafft Abhängigkeiten in einem Bereich, der zur kritischen Infrastruktur zählt“, warnte Nagel. “Europa sollte hier auch auf eigenen Füßen stehen können.”

Digitaler Euro könnte Souveränität erhöhen

Das Projekt zum digitalen Euro könne dazu einen Beitrag leisten. Noch sei die Entscheidung dazu nicht gefallen. Sollte der digitale Euro kommen, könne er zu Effizienzgewinnen beitragen und Abhängigkeiten verringern. “Das würde die europäische Souveränität erhöhen“, sagte Nagel. Und könne auf längere Sicht innovative Geschäftsprozesse in der europäischen Wirtschaft vorantreiben. vis

  • Digitaler Euro
  • Digitalpolitik
  • EU-Binnenmarkt
  • Europäische Souveränität
  • Europapolitik
  • Inflation Reduction Act

Rohstoffsicherheit: Scholz betont Zusammenarbeit mit Japan

Bundeskanzler Olaf Scholz hat bei seinem gestrigen Besuch der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover die Bedeutung einer engeren Abstimmung der Rohstoffstrategien zwischen Deutschland und Japan hervorgehoben. Die Bundesregierung wolle im Bereich der Versorgung mit strategisch wichtigen Rohstoffen eng mit Japan zusammenarbeiten.

“Wenn wir unsere Regierungskonsultationen haben, wird es um Rohstoffsicherheit gehen und um die Verknüpfung unserer unterschiedlichen Strategien in dieser Frage”, sagte Scholz. Dabei sei es wichtig, in enger Abstimmung mit der Europäischen Union zu handeln und die Kooperation glaubwürdig zu gestalten.

Die Regierungskonsultationen zwischen beiden Staaten sollen in diesem Jahr zum ersten Mal und danach regelmäßig stattfinden. Das hatte Scholz bei seinem Besuch in Tokio im vergangenen April gemeinsam mit dem japanischen Ministerpräsidenten Fumio Kishida angekündigt.

Japan verfolgt bereits seit Längerem eine aktive Rohstoffstrategie und wird im Zuge der Vorbereitung einer deutschen und europäischen Rohstoffstrategie oft als Vorbild bezeichnet. Deutschland und Frankreich hatten in einem gemeinsamen Non-Paper im Rat die Einrichtung einer EU-Behörde ähnlich der staatlichen Rohstoffagentur Japan Organization for Metals and Energy Security (JOGMEC) vorgeschlagen. Die JOGMEC koordiniert mit Unternehmen den Rohstoffbedarf für Krisenfälle, den Einkauf und die Lagerung. Sie exploriert auch neue Rohstoffvorkommen, um die Lizenzen an japanische Unternehmen zu verkaufen. leo

  • Japan
  • Olaf Scholz
  • Rohstoffe
  • Rohstoffstrategie

Italien will Verbrennerverbot aufweichen

Italien will die Pläne der EU für ein Aus neuer Benzin- und Dieselfahrzeuge ab 2035 laut Außenminister Antonio Tajani aufweichen. Statt wie von der EU geplant, den CO₂-Ausstoß von Neuwagen mit Verbrennermotoren in zwölf Jahren um 100 Prozent zu reduzieren, sollten es nur 90 Prozent sein, wurde Tajani am Donnerstag von “Corriere della Sera” zitiert.

Italien werde einen entsprechenden Gegenvorschlag vorlegen. Damit solle der Industrie die Möglichkeit gegeben werden, sich anzupassen. “Ich bin ein großer Befürworter des Elektroautos, aber ehrgeizige Ziele müssen in der Realität erreicht werden, nicht nur auf dem Papier”, sagte Tajani. “Wir müssen unsere Autoindustrie schützen.”

Die Autoindustrie in Italien, die weitgehend auf die traditionelle Verbrenner-Technologie ausgerichtet ist, beschäftigt laut dem Branchenverband Anfia direkt oder indirekt mehr als 270.000 Menschen und erwirtschaftet mehr als fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Verkäufe vollelektrischer Autos sind demnach in Italien im vergangenen Jahr um 27 Prozent gesunken und machen nur 3,7 Prozent der gesamten Neuzulassungen aus. rtr

  • Autoindustrie

Menschenrechtler kritisieren EU-China-Dialog

Mehrere Menschenrechtsorganisationen haben sich gegen die Wiederaufnahme des Dialogs zu Menschenrechten zwischen China und der EU ausgesprochen. Dieser sollte weiterhin ausgesetzt bleiben, bis die Bedingungen für “greifbare Ergebnisse und Fortschritte” erfüllt seien, schrieben die Organisationen in einem offenen Brief an den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Die EU und China wollen am Freitag erstmals seit vier Jahren wieder zu einem Menschenrechtsdialog zusammentreffen. Dieser war seit 2019 ausgesetzt.

Zu den Unterzeichnern des offenen Briefes gehören unter anderem Amnesty International, Human Rights Watch und der World Uyghur Congress. “Der Eifer, diese Dialoge trotz ihrer erwiesenen Wirkungslosigkeit wieder aufzunehmen, könnte signalisieren, dass die EU bereit ist, die Menschenrechte beiseite zu schieben, um engere Handelsbeziehungen und Zusammenarbeit mit Peking zu sichern”, sagte Philippe Dam, EU-Direktor bei Human Rights Watch. Es gebe keine Aussichten auf konkrete Fortschritte bei dem Dialog.

Die Menschenrechtsorganisationen forderten indes, dass sich die EU verpflichtet, den UN-Bericht zur Lage in Xinjiang weiterzuverfolgen. Außerdem sollten sich Brüssel und die Mitgliedstaaten für ein regelmäßiges Überwachungs- und Berichterstattungsverfahren beim UN-Menschenrechtsrat einsetzen. Die EU solle zudem öffentlich ein Ende der “Unterdrückung durch China in Xinjiang, Tibet und Hongkong sowie die Freilassung willkürlich inhaftierter Menschenrechtsverteidiger und -aktivisten fordern” und Verantwortliche sanktionieren. ari

  • China
  • Europapolitik
  • Menschenrechte

Neue Regierung in Moldau bekennt sich zu Europa

In der Republik Moldau ist eine neue, pro-europäische Regierung vereidigt worden. Das Parlament in Chişinău stimmte am Donnerstag mit 62 der 101 Stimmen für Dorin Recean als neuen Regierungschef. Zuvor hatte der 48-Jährige die Leitlinien seiner Regierung vorgestellt. “Wir wollen in einer sicheren Welt leben, in der internationale Verträge respektiert werden, in der Probleme zwischen Staaten durch Dialog gelöst werden, in der kleine Staaten respektiert werden”, heißt es im Regierungsprogramm mit Blick auf die russische Invasion der Ukraine.

Die ehemalige Sowjetrepublik grenzt an den Westen der Ukraine an. Ähnlich wie im Nachbarland hat sich auch in der Republik Moldau mit Transnistrien ein Landesteil abgespalten, der von pro-russischen Separatisten beherrscht wird und in dem russische Soldaten stationiert sind. Seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine sind in Chişinău Befürchtungen gewachsen, Russland wolle das Land destabilisieren. Präsidentin Maia Sandu warf Russland am Montag vor, einen Umsturz zu planen. Die Regierung in Moskau wies die Anschuldigungen zurück.

Abhängig von russischem Gas

Vor einer Woche war Ministerpräsidentin Natalia Gavrilița nach nur 18-monatiger Amtszeit vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Turbulenzen zurückgetreten. Es war mehrfach zu Protesten gegen die inflationsbedingte Preissteigerungen gekommen. Vor allem die Energiekosten und gestiegene Lebensmittelpreise setzten den rund 2,5 Millionen Einwohnern zu. Das Land ist abhängig von russischen Gaslieferungen. Dazu kommt eine Flüchtlingswelle aus der Ukraine.

Präsidentin Sandu hatte wegen der angespannten wirtschaftlichen Lage im Januar beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos Verbündete um Hilfe gebeten. Deutschland hatte dem Land vergangenen November rund 30 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um im Winter eine Energiekrise zu vermeiden.

Eine der Hauptaufgaben des neuen Ministerpräsidenten Recean wird es sein, den EU-Beitritt voranzutreiben. Der frühere Innenminister hat bereits verschiedene Reformen durchgesetzt, durch die Moldau sich europäischen Standards angenähert hat. Gleichwohl werden bis zu einem möglichen Beitritt zur EU noch Jahre vergehen. Recean hat starke und transparente Behörden und den Wettbewerb fördernde wirtschaftliche Rahmenbedingungen versprochen. rtr

  • Erdgas
  • EU-Außenpolitik
  • EU-Beitritt
  • Moldau

Presseschau

EU-Parlament stimmt für weitere Transparenzregeln HANDELSBLATT
EU-Korruptionsskandal: Tarabellas Anwalt stellt Befangenheitsantrag gegen Ermittlungsrichter EURONEWS
Showdown im März: EU-Schuldenregeln treffen auf Industriepolitik EURACTIV
Baerbock wirbt für Mehrheitsprinzip in EU auch bei Außenpolitik YAHOO
Europaparlament fordert Prüfung von Kampfjetlieferungen für Ukraine RND
Bilanz der EU-Ukraine-Hilfe: “Wir hätten schneller sein können” EURONEWS
Mehrheit in EU glaubt an ukrainischen Sieg BOERSE
Neue EU-Sanktionen: Keine Toiletten mehr für Russland BERLINER-ZEITUNG
EU-Abgeordnete drängen EU zur Ratifizierung der Istanbul-Konvention EURACTIV
EU nimmt deutlich mehr Geflüchtete auf STATISTA
Gutachten: Sozialleistung für abhängige Mutter stellt Aufenthaltsrecht in EU-Land nicht in Frage YAHOO
EU erlässt erste Maßnahmen für Nordsee-Schutzgebiete OLDENBURGER-ONLINEZEITUNG
EU: “Viele, die für die europäischen Institutionen arbeiten, nehmen Drogen” WELT
Theo Waigel legt Vorsitz der Münchner Europa Konferenz nieder SUEDDEUTSCHE
Brexit und die Folgen: London akzeptiert Niederlage im Streit um Bleiberecht für EU-Bürger FAZ
EU-Pläne zu Industrieemissionen: Mehr Tierhalter betroffen als angenommen EURACTIV
Spanien vor EU-Ratsvorsitz: Müssen Europa “reindustrialisieren” ARIVA
Spanien verabschiedet Gesetze für “Menstruationsurlaub” und freie Geschlechtswahl DER STANDARD
Portugal will Schlüsselrolle in den EU-Afrika-Beziehungen spielen EURACTIV
UK requests for Horizon Europe fee renegotiation risk further delaying association SCIENCEBUSINESS
Ziele für Neuwagen: Italien will geplantes Verbrenner-Aus in EU aufweichen SPIEGEL
Europäischer Gerichtshof: EU darf die Sprachen Englisch, Französisch und Deutsch in Bewerbungsverfahren nicht automatisch bevorzugen DEUTSCHLANDFUNK
Doppelstandards: Obst & Gemüse aus Nicht-EU-Ländern voller verbotener Pestizide SALZBURG24
Uniper sells UAE-based unit to fulfil EU obligations MONTELNEWS
Medizinprodukteverordnung: EU-Parlament gibt grünes Licht für Änderung der MDR PHARMAZEUTISCHE-ZEITUNG
Why there are so few babies in southern Europe? ECONOMIST
EU AI Act: Schiebt er ChatGPT und Co. den Riegel vor? T3N
Wasserstoff-Busse in Niedersachsen setzen schon heute EU-Vorschläge um KREISZEITUNG

Kolumne

What’s cooking in Brussels? Ökozid in der Ukraine

Schwarz-weiß Portrait von Claire Stam

Unter Ökozid versteht man im weitesten Sinne eine massive Schädigung und Zerstörung von Ökosystemen – also eine weit verbreitete oder langfristige schwere Schädigung der Natur.

“Als ich 2019 ins Europäische Parlament kam, war das Konzept den europäischen Institutionen völlig unbekannt”, sagt sich die französische Europaabgeordnete Marie Toussaint, die den Kampf um den Ökozid nach Brüssel trägt. In der Zwischenzeit hätten sich “die Dinge schnell entwickelt”, dank der hartnäckigen Arbeit zahlreicher Juristinnen, Anwälte, Richterinnen und Akademiker sowie der zunehmenden Mobilisierung der Zivilgesellschaft. “Heute könnte die Anerkennung des Ökozids in der Richtlinie zur Umweltkriminalität, die derzeit überarbeitet wird, durchaus anerkannt werden“, sagt sie.

Umweltschäden in der Ukraine

Toussaint meint damit einen Vorschlag, den sie im Namen ihrer Fraktion einbringt – dabei geht es darum, Ökozid in der Richtlinie zur Umweltkriminalität zu verankern. Die Grünen stützen sich dabei auf die Definition der Stop Ecocide Foundation, die Ökozid beschreibt als “rechtswidrige oder willkürliche Handlungen, mit dem Wissen begangen, dass eine erhebliche Wahrscheinlichkeit schwerer und entweder weitreichender oder langfristiger Schäden für die Umwelt besteht (…)”.

Toussaints Initiative befasst sich insbesondere mit den Umweltschäden in bewaffneten Konflikten, wie aktuell im Krieg Russlands gegen die Ukraine. Durch russische Angriffe hat die Ukraine in vielerlei Hinsicht große Umweltschäden erlitten: Wälder wurden zerstört, landwirtschaftliche Felder ruiniert und Flüsse verschmutzt.

Gute Aussichten im Parlament

Die Aussichten, dass der Gesetzesvorschlag vom Parlament verabschiedet wird, sind gut: Es gibt derzeit keine Blockade des Europäischen Parlaments. Vier von fünf Ausschüssen (PETI, DEVE, LIBE und ENVI), die sich zur Richtlinie über Umweltkriminalität äußern sollten, haben bereits die Anerkennung des Ökozids unterstützt und folgen auch der Definition der Stop Ecocide Foundation.

Der letzte parlamentarische Ausschuss, der Rechtsausschuss, der für das Dossier zuständig ist, soll sich Ende März äußern – “die Verhandlungen sind noch im Gange”. Die Abstimmung im Plenum wird dann im April stattfinden und “wir sind zuversichtlich, dass das Europäische Parlament dort die Aufnahme des Ökozids in das Gesetz offiziell unterstützen wird“, sagt Toussaint.

Die Verhandlungen werden damit jedoch noch nicht abgeschlossen sein, da der Text anschließend im Trilog mit der Kommission und dem Europäischen Rat diskutiert wird. “Die Kommission hatte die Anerkennung dieses Verbrechens nicht in ihren ursprünglichen Vorschlag aufgenommen, verwendet den Begriff aber immer häufiger in ihrer Kommunikation.”

Situation in den Mitgliedstaaten unterschiedlich

Die Mitgliedstaaten werden wohl am schwierigsten zu überzeugen sein, “aber mit einer starken Position des Parlaments ist alles möglich”. In diesem Zusammenhang betont Marie Toussaint, dass die Situation in den Mitgliedstaaten unterschiedlich ist:

  • Belgien hat sich dieses Themas angenommen, es in internationale Gremien eingebracht und ist dabei, es in seinem eigenen nationalen Recht zu verankern.
  • In Frankreich wurde der Ökozid auf Antrag der Citizen Climate Convention gesetzlich anerkannt, aber laut Toussaint ist die Definition “besonders schwach” und “weit von der auf internationaler Ebene diskutierten Definition entfernt”.
  • In Spanien und den Niederlanden haben sich Parlamentarier positioniert und eine offizielle Stellungnahme ihrer Versammlungen erwirkt.

Bedeutet dies also, dass die Ukraine Russland wegen Umweltverbrechen verklagen kann? Marie Toussaint verweist darauf, dass sowohl die Ukraine als auch Russland das Verbrechen des Ökozids anerkannt haben. Aber es stelle sich die Frage, welche Gerichte sich überhaupt mit diesem Straftatbestand befassen können.

Anerkennung im Römischen Statut

“Dazu muss der Tatbestand des Ökozids international anerkannt werden”, sagt die Europaabgeordnete. Zwar gebe es im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs einen Artikel über Kriegsverbrechen, der sich explizit mit dem Umweltschutz befasst. Aber es sei kompliziert, sich darauf zu berufen, und er sei vom IStGH noch nie verwendet worden. Daher kämpfe man dafür, das Verbrechen des Ökozids im Römischen Statut anzuerkennen, und zwar sowohl in Kriegs- als auch in Friedenszeiten, sagt Toussaint.

Bei der vergangenen Generalversammlung des IStGH sei die Anerkennung des Ökozids ein wichtiges Diskussionsthema gewesen. Im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine habe die Parlamentarische Versammlung des Europarats seine dringende Anerkennung gefordert. “Insgesamt erleben wir einen wahren Aufschwung für die Anerkennung des Ökozids“, sagt Toussaint. Es sei dringend, “da das Überleben der Menschheit auf dem Spiel steht”.

  • Europäisches Parlament

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • NGO-Transparenz: Was dran ist an den Forderungen der EVP
    • ESG-Ratings: Europa muss eigene Grammatik entwickeln
    • EU-Monitoring
    • Unabhängige Ethikbehörde: Vorschlag der Kommission im März
    • IRA-Resolution: Scharfe Kritik an Manfred Weber
    • Bundesbankpräsident: “Europa schöpft Potenzial des Binnenmarkts nicht aus”
    • Rohstoffsicherheit: Scholz betont Zusammenarbeit mit Japan
    • Italien will Verbrennerverbot aufweichen
    • Menschenrechtler kritisieren EU-China-Dialog
    • Neue Regierung in Moldau bekennt sich zu Europa
    • What’s cooking in Brussels? Ökozid in der Ukraine
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    als Konsequenz aus den Korruptionsfällen im Europaparlament fordert die EVP stärkere Transparenzregeln für Nichtregierungsorganisationen. Vertreter von NGOs wehren sich – und sprechen von einer “Hexenjagd”. Charlotte Wirth hat sich die Fälle der in den Korruptionsskandal verwickelten NGOs No Peace without Justice und Fight Impunity genauer angeschaut. Ihr Fazit: Die Machenschaften blieben nicht unbemerkt, weil NGOs am Werk waren. Sondern weil EU-Kommission, Europaparlament und belgische Behörden die Einhaltung der geltenden Regeln nicht ausreichend kontrollierten.

    Um bei der Entwicklung globaler ESG-Standards mitreden zu können, brauche man ein starkes Ökosystem in Europa und eine “gemeinsame Grammatik”. Davon ist Carole Sirou, Direktorin der französischen ESG-Ratingagentur Ethifinance, überzeugt. Im Gespräch mit Claire Stam erklärt sie, warum es einen europäischen Akteur braucht, der den amerikanischen Rating-Giganten etwas entgegensetzen kann.

    Der Ökozid, also eine massive Schädigung und Zerstörung von Ökosystemen, ist bis heute nicht im europäischen Recht anerkannt. Die grüne Europaabgeordnete Marie Toussaint will das ändern. Sie setzt sich dafür ein, den Ökozid in der EU-Richtlinie zur Umweltkriminalität zu verankern. Dabei geht es besonders um Umweltschäden in bewaffneten Konflikten, wie aktuell im Krieg Russlands gegen die Ukraine. Mehr erfahren Sie in Claire Stams Kolumne “What’s cooking in Brussels”.

    Ihre
    Sarah Schaefer
    Bild von Sarah  Schaefer

    Analyse

    NGO-Transparenz: Was dran ist an den Forderungen der EVP

    “Der Korruptionsfall Kaili/Panzeri hätte durch ausreichende Transparenz bei NGOs verhindert werden können”, sagte Markus Pieper am Montag im Plenum des Europaparlaments. Der CDU-Politiker fordert bereits seit Jahren mehr Offenlegungspflichten – 2017 war er Berichterstatter eines Initiativberichts zur Transparenz von NGOs. Doch die EVP zog den Bericht aufgrund des Widerstands der Zivilgesellschaft sowie des linken Flügels im Parlament zurück.

    Wegen Katargate lässt die EVP nun die Forderungen aus dem Bericht wieder aufleben. Dazu gehören:

    • die Einführung eines NGO-Transparenzgesetzes sowie eines Initiativberichts durch den Haushaltskontrollausschuss;
    • ein systematisches Screening von NGOs, die sich ins Transparenzregister eintragen müssen;
    • die Offenlegung aller Geldgeber;
    • die Veröffentlichung aller Verträge mit NGOs;
    • die Rückverfolgbarkeit von Finanzhilfen an NGOs bis zum letzten Empfänger;
    • eine schwarze Liste von NGOs, die in kriminelle Aktivitäten oder Korruption verwickelt sind oder bei denen dieser Verdacht besteht.

    Keine Definition von NGOs

    Doch was sind eigentlich NGOs? Die Frage lässt sich nicht einfach beantworten, denn es gibt keine international anerkannte Definition. In einem Sonderbericht von 2018 verweist der Europäische Rechnungshof auf eine Mitteilung der EU-Kommission von 1997. Demnach handele es sich um freiwillige, formalisierte Organisationen, die keine Gewinne ausschütten, unabhängig von staatlichen Behörden agieren und deren Tätigkeit zumindest teilweise dem Gemeindewohl dient.

    Markus Pieper ging in seinem Bericht von 2017 weiter: Er zielte auf Organisationen, die in den Bereichen Gesundheit, Sozialpolitik, Umwelt oder Entwicklungshilfe tätig sind. Pieper unterschied auch klar zwischen NGOs und Lobbyeinrichtungen. NGOs, so eine seiner Forderungen, sollten nur dann Fördermittel erhalten, wenn sie keine Unwahrheiten verbreiteten, ihre Ziele mit den Grundwerten der EU vereinbar seien und nicht gegen “strategische, handels- und sicherheitspolitische Ziele” der EU handelten.

    Fördermittel nicht an NGO-Status gebunden

    Der NGO-Status einer Organisation lässt auch sich nicht aus der Rechtsform ableiten. Eine NGO kann etwa ein eingetragener Verein (e.V.), nach belgischem Recht eine “asbl” (Verein ohne Gewinnzweck) oder eine Stiftung sein. So hielt der Rechnungshof auch 2018 fest: “In den meisten Fällen hängt eine Fördermittelfähigkeit nicht vom NGO-Status ab”. Und: “Der EU-Haushalt unterscheidet nicht zwischen Begünstigten mit NGO-Status und anderen Begünstigten.”

    Konkretes Beispiel: Die NGO Fight Impunity von Pier Antonio Panzeri war als asbl nach belgischem Recht registriert. Das lässt sich über das belgische Unternehmensregister nachprüfen. Damit hatte sie dasselbe Statut wie etliche Lobbyverbände in Brüssel: Der Industrieverband Business Europe ist etwa als asbl registriert.

    Fehlende Konten nicht aufgefallen

    Im belgischen Handelsregister findet man denn auch die Registrierungsdokumente von Fight Impunity. Eigentlich müssten auch die Jahresbilanzen der NGO verfügbar sein. Nach belgischem Recht müssen kleine Vereine diese jährlich beim Handelsgericht hinterlegen, große Vereine bei der Nationalbank. Asbl unterliegen der Kontrolle des Handelsgerichts und des Justizministeriums.

    Bei Fight Impunity fehlen jegliche Bilanzen Dokumente, wie ein Besuch beim Handelsgericht zeigt. Auch für eine weitere in Katargate verwickelte Organisation, No Peace without Justice (NPWJ), liegen keine Jahresbilanzen vor. NPWJ wurde von Niccolo Figa Talamanca gegründet, der Italiener wird der Korruption und Geldwäsche beschuldigt. Für keine seiner zahlreichen Organisationen wurden jemals Bilanzen hinterlegt.

    Mangelnde Überprüfung durch EU-Institutionen

    Das hätte der Europäischen Kommission auffallen müssen. Sie schüttete in den vergangenen Jahren rund vier Millionen Euro an NPWJ aus. Dabei achtete sie ihre eigenen Regeln nicht: Laut EU-Haushaltsordnung müssen Begünstigte bei “Finanzhilfen für eine Maßnahme von über 750.000 Euro oder für Betriebskosten von mehr als 100.000 Euro einen von einem externen Rechnungsprüfer erstellten Bericht vorlegen”, inklusive bescheinigter Bilanzen der letzten (bis zu drei) Jahre. NPWJ erhielt zweimal Beträge von mehr als zwei Millionen von der Kommission. Das Fehlen jeglicher Bilanzen hätte ihr nicht entgehen dürfen.

    Panzeris NGO Fight Impunity arbeitete regelmäßig mit dem Europaparlament zusammen. Auch dieses hat verpasst zu überprüfen, ob die Organisation seiner Transparenzpflicht nachkommt. Die Organisation stand nicht im Transparenzregister, obwohl sich Interessensvertreter dort registrieren müssen, wenn sie Veranstaltungen im Parlament organisieren oder daran teilnehmen.

    Und während die Kommission alle Zuschüsse an Interessensvertreter, also auch die an NPWJ, in ihrem Finanztranspanzregister veröffentlicht, muss das Parlament über Engagements unter 15.000 Euro keine Rechenschaft ablegen. Die Zusammenarbeit mit Fight Impunity lässt sich nirgendwo nachvollziehen.

    NGOs müssen bereits Geldgeber preisgeben

    Hätte Panzeris Scheinorganisation im EU-Transparenzregister gestanden, hätte sie auch ihre Geldgeber preisgeben müssen. Für NGOs ist das bereits heute Pflicht. Es sind vor allem die unzureichenden Kontrollen der europäischen Institutionen, die dazu führten, dass Fight Impunity durch das Raster fiel.

    Auf ähnliche Mängel wies der Rechnungshof 2018 schon hin: Er kritisierte, dass die Auswahlverfahren für Finanzhilfen an Nichtregierungsorganisationen nicht immer transparent seien und nicht immer nachverfolgbar sei, auf welche Weise die Finanzmittel an NGOs verwendet werden.

    Hinzu kommt: Begünstigte von EU-Fördermitteln, die gegen die Haushaltsordnung verstoßen, müssen eigentlich in einem öffentlich zugänglichen Register namens EDES stehen. Dort sind nur vier Entitäten gelistet. NPWJ ist bis heute nicht darunter.

    Die Rechtsform war ausschlaggebend

    Es liegt nahe, dass nicht der NGO-Status, sondern die Rechtsform von Fight Impunity die Machenschaften Panzeris erleichterte. Gemeinnützige Vereine würden in Belgien nur unzureichend kontrolliert, erklärt der Whistleblower Claude Archer von Transparencia Belgium: “Asbl sind das bevorzugte Werkzeug für öffentliche und private Strukturen, um Korruption und Geldwäsche zu betreiben.” Die Bilanzen und Protokolle der Generalversammlungen seien nicht online verfügbar, man müsse sich daher zum Handelsgericht begeben und für teurere Kopien bezahlen, um die Konten einzusehen. “Die Kontrollen durch die belgischen Behörden sind ebenfalls sehr dürftig.”

    Tatsächlich gibt es zahlreiche Beispiele, in denen belgische asbl missbraucht wurden. Eines davon ist Azerigate: 2017 haben zwei Europarat-Abgeordnete einen belgischen Verein zur Wahlbeobachtung genutzt, um aserbaidschanische Bestechungsgelder zu waschen. Auch die deutschen Abgeordneten Karin Strenz (CDU) und Eduard Lintner (CSU) waren in die Affäre verwickelt.

    NGOs sprechen von Hexenjagd

    “Die EVP mag recht haben, wenn sie sagt, dass NGOs viel Einfluss in der Brüsseler Blase haben”, sagt John Dalhuisen von der European Stability Initiative, die Azerigate aufdeckte. “Allerdings hat sie unrecht, wenn sie behauptet, dass sie besonders anfällig für Korruption sind. Was bei Katargate schieflief war, dass Parlament und Kommission ihre eigenen Regeln nicht durchgesetzt haben.”

    Während die EVP ihre Transparenzforderungen lediglich an Nichtregierungsorganisationen stellen will, fordern letztere strengere Regeln für alle Interessensvertreter, ganz gleich, ob es sich um NGOs oder andere Interessensverbände handelt. “Es ist eine Hexenjagd gegen NGOs. Die EVP instrumentalisiert nun Katargate, um den Handlungsraum der Zivilgesellschaft weiter einzuschränken”, sagt Alberto Alemanno von The Good Lobby.

    Der SPD-Europaabgeordnete René Ripasi drückte es am Montag so aus: “Zum Tangotanzen gehören immer zwei. Wir müssen jegliche Beeinflussung konsequent zurückweisen.”

    ESG-Ratings: Europa muss eigene Grammatik entwickeln

    Bewegung in der stillen Welt der grünen Finanzen: Auf eine Phase, in der US-Konzerne europäische “Nuggets” des ESG-Ratings aufkauften, reagieren die Europäer mit eigenen Aktivitäten. So wurde im Februar 2022 Ethifinance gegründet, nachdem das französische Unternehmen Qivalio, die spanische Nr. 1 für Kreditratings Axesor Rating, übernommen hatte. 

    Ziel sei es, ein “führender europäischer Akteur in den Bereichen Research, Beratung und integriertes, finanzielles und ESG-orientiertes Rating” zu werden, sagte die Direktorin von Ethifinance, Carole Sirou, in einem Interview mit Table.Media in Paris.

    Carole Sirou, die rund dreißig Jahre bei Standard & Poor’s Ratings verbracht hatte, wurde vier Monate nach dem Start von Ethifinance eingestellt. Ihre Aufgabe: Die Entwicklung dieses Akteurs zu beschleunigen, der in der Liga der Großen im Bereich der ESG-Ratings mitspielen will und gleichzeitig unabhängig bleiben soll.

    Starkes Ökosystem in Europa

    Die Französin bringt große Kenntnisse des amerikanischen Finanz- und ESG-Marktes mit: Sie trat 1990 bei Standard & Poor’s Ratings ein und wurde nacheinander Präsidentin von S&P Frankreich und Leiterin des französischsprachigen Raums in Europa und Afrika. Anschließend leitete sie die sechs europäischen Büros, bevor sie 2014 nach New York versetzt wurde, um die neuen Vorschriften für Ratingagenturen umzusetzen. Zwischen 2016 und 2018 bekleidete sie verschiedene Führungspositionen im Bereich Risiko und Compliance innerhalb der S&P Global Inc.

    Um bei der Entwicklung globaler ESG-Standards mitreden zu können, brauche man ein starkes Ökosystem in Europa, davon ist Carole Sirou überzeugt. So müssten europäische Investoren und europäische Agenten in die Lage versetzt werden, die von Europäern erstellten Analysen über Unternehmen in Europa lesen zu können, “was heute schwierig ist”. Denn derzeit gebe es auf dem europäischen ESG-Markt “keine gemeinsamen Instrumente, keine gemeinsame Grammatik, die es Europa ermöglichen, sein eigenes Wirtschaftsgefüge zu analysieren, sei es unter finanziellen oder nicht-finanziellen Aspekten”, sagt sie. Um eine gemeinsame Grammatik entwickeln zu können, müsse man zunächst einmal die Konvergenzpunkte finden.

    “Clashs” zwischen USA und EU

    Dies gelte umso mehr, weil es “eine sehr starke Divergenz der Ansichten” zwischen den ESG-Akteuren aus den USA und Europa gebe, insbesondere über “die ökologischen und sozialen Aspekte”. Die Direktorin von Ethifinance spricht sogar von einem “Clash” beider Wirtschaftsräume in diesen Zusammenhang. “Es scheint uns entscheidend und lebenswichtig zu sein, ein bestimmtes Modell, eine bestimmte Art, über Wirtschaft und Finanzen nachzudenken, zu verteidigen.”

    In diesem Zusammenhang weist Carole Sirou darauf hin, dass der europäische Markt für ESG-Daten derzeit strukturiert wird, hauptsächlich durch die Arbeiten der EFRAG zu den Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Umsetzung der europäischen Taxonomie. “Der europäische Markt für Analysen verbessert sich ständig und beschleunigt sich stark, da es einen immer größeren Bedarf an Quantität und Qualität gibt, den wir versuchen, bestmöglich zu decken”, betont sie.

    Expansion in Europas Norden steht bevor

    Ethifinance plant zunächst, seine Aktivitäten in Südeuropa (Frankreich, Spanien, Portugal) auszubauen. Dann will sich das Unternehmen den skandinavischen Ländern und Deutschland zuwenden, einem Markt, der aufgrund seines wirtschaftlichen Gewichts, seines Potenzials – und seiner Verbindungen zu Frankreich – als “unumgänglich” angesehen wird. Die Gruppe will bis zum Herbst 2.300 Unternehmen abdecken. Sie fokussiert sich vor allem auf KMU mit einer Marktkapitalisierung von 150 Millionen Euro bis zehn Milliarden Euro.

    Die Expertin für nachhaltige Finanzen sieht in dieser Erweiterung “einen ersten wichtigen Schritt hin zum Aufbau einer europäischen Agentur für doppelte Materialität”, welche in Europa eine führende Rolle spielen könnte. Um ein Unternehmen unter dem ESG-Blickwinkel zu analysieren, muss man nicht nur die Auswirkungen der Umwelt auf das Unternehmen untersuchen, sondern auch die Auswirkungen des Unternehmens auf seine Umwelt”, sagt Carole Sirou.

    Transatlantische Kulturunterschiede

    “Das ist einer der Hauptpunkte, der uns von unseren amerikanischen Konkurrenten unterscheidet”, fügt sie hinzu. Diese Strategie ermögliche es, “eine Verbindung zwischen dem Konzept der Auswirkungen (Impact) und den Zielen der nachhaltigen Entwicklung herzustellen”, erläutert sie. Die Direktorin von Ethifinance verweist auf das Beispiel der Brände in Kalifornien. Ein Großteil davon sei durch die mangelnde Wartung des nationalen Betreibers verursacht worden, der diese Infrastruktur nicht instand hielt.

    Die Dekarbonisierung von Unternehmen ist der andere strategische Pfeiler von Ethifinance. Auch wenn das Thema Klima “weiterhin im Mittelpunkt steht”, nennt die Direktorin abnehmende Biodiversität ein “unumgängliches” Thema, auf das Antworten gefunden werden müssten. “Wir sind davon überzeugt, dass die Finanzbranche bei der Umsetzung des ökologischen und energetischen Wandels eine Rolle spielen muss”, so Carole Sirou weiter. Durch Finanzierungen und Investitionen könne das Finanzwesen “Verhaltensänderungen bewirken”.

    • ESG
    • Europapolitik
    • Klima & Umwelt

    Security.Table berichtet zur Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) vom 17.-19. Februar

    Alle wichtigen Informationen für die entscheidenden Köpfe in der sicherheitspolitischen Szene liefert unsere Redaktion in zwei Sonderausgaben – zum Auftakt und Konferenzrückblick der 59. MSC. Vier erfahrene Security.Table-Journalisten werden in München vor Ort sein und tiefenfundierte Analysen und News veröffentlichen. Security.Table ist das wöchentliche Professional Briefing zur Sicherheitslage, Strategie, Verteidigungspolitik und Beschaffung von Militärtechnologie.

    Sie möchten die MSC-Berichterstattung nicht verpassen? Dann melden Sie sich jetzt an und testen Sie Security.Table 30 Tage lang kostenlos und unverbindlich.

    EU-Monitoring

    20.02.2023 – 09:30 Uhr
    Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten
    Themen: Gedankenaustausch zur russischen Aggression gegen die Ukraine, Gedankenaustausch zu Afghanistan, Gedankenaustausch zur Klima- und Energiediplomatie. Vorläufige Tagesordnung

    21.02.2023 – 10:00 Uhr
    Rat der EU: Allgemeine Angelegenheiten
    Themen: Vorbereitung der Tagung des Europäischen Rates am 23./24. März 2023. Vorläufige Tagesordnung

    22.02.2023
    Wöchentliche Kommissionssitzung
    Themen: Orientierungsdebatte über die Wettbewerbsfähigkeit (Folgemaßnahmen zur Tagung des Europäischen Rates). Vorläufige Tagesordnung

    News

    Unabhängige Ethikbehörde: Vorschlag der Kommission im März

    Die Kommission will im März ihren Vorschlag für eine unabhängige Ethikbehörde vorlegen. Dies kündigte EU-Kommissarin Věra Jourová im Europaparlament an. Die Brüsseler Behörde reagiert damit auf den als Katargate bekannten Korruptionsskandal, der seit Dezember das Parlament erschüttert und das Vertrauen in die EU beschädigt.

    Die Abgeordneten begrüßten den Vorstoß, forderten jedoch mehr Tempo und größeren Ehrgeiz. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe die ordnungsgemäße Durchsetzung der Ethikregeln und eine unabhängige Aufsicht bereits 2019 versprochen, sagte Daniel Freund (Grüne), Berichterstatter des Parlaments. Geliefert habe sie bisher aber nicht.

    Besserer Schutz für Whistleblower

    Wenn die Vorlage wie angekündigt im März kommt, müssten die Verhandlungen mit dem Parlament noch vor der Sommerpause abgeschlossen werden, heißt es in der am Donnerstag verabschiedeten Entschließung. Die neue Behörde solle eine Schlüsselrolle beim Schutz von Whistleblowern spielen und eng mit anderen EU-Behörden wie OLAF oder der europäischen Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten.

    In einer weiteren Resolution fordern die Abgeordneten eine bessere Umsetzung des bestehenden Code of Conduct in den EU-Institutionen. Der Strafkatalog müsse ausgeweitet werden, zudem müsse es bei Verstößen auch Geldstrafen geben. Teure Luxusreisen in ferne Länder auf Kosten der Gastgeber dürfe es nicht mehr geben, heißt es in Anspielung auf vergangene Einladungen aus Katar.

    Katargate habe gezeigt, dass schon ein einzelner Fehltritt reichen könne, um die EU in Misskredit zu bringen, sagte Stéphane Séjourné, Chef der liberalen Renew-Fraktion. Eine unabhängige Ethikbehörde sei die “Antwort auf diese inakzeptablen Fehltritte”. Es gehe um “eine der wichtigsten Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung in den EU-Institutionen”, meint auch Daniel Freund.

    Allerdings sind die Ankündigungen der Kommission noch vage. Jourová bekannte sich zwar zu gemeinsamen und hohen Ethikstandards in allen Institutionen. Sie ließ aber durchblicken, dass die Kommission die bisherige Selbstkontrolle von Politikern nicht durch unabhängige Experten ersetzen wolle. Damit würde sie hinter den Forderungen des Parlaments zurückbleiben, warnt Freund. ebo

    • Europäische Kommission
    • Europäisches Parlament
    • Transparenz

    IRA-Resolution: Scharfe Kritik an Manfred Weber

    Nach der Abstimmung über eine Resolution zur Wettbewerbsfähigkeit haben Vertreter der anderen Fraktionen EVP-Fraktionschef Manfred Weber scharf kritisiert. Die Verhandlungsführerin der liberalen Renew-Fraktion im Europaparlament, Valérie Hayer, bezeichnete die Annahme des Textes als “große Niederlage” für Weber. Dieser habe versucht, auf Kosten der heimischen Industrie Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Niederlage zuzufügen.

    Die Resolution wurde gestern mit Stimmen von Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken angenommen. 78 Abgeordnete der Christdemokraten stimmten wie von der Fraktionsführung gewünscht gegen die Resolution, 38 dafür, 22 enthielten sich. “Der endgültige Text hatte gute Aspekte, aber diese wurden von grüner und roter Rhetorik überdeckt“, begründete der industriepolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Christian Ehler (CDU), die Entscheidung. Die Ablehnung hatte wie berichtet auch in der EVP-Fraktionssitzung am Mittwochabend für intensive Diskussionen gesorgt.

    In der Resolution spricht sich das Parlament unter anderem dafür aus, notfalls vor der Welthandelsorganisation gegen bestimmte Regelungen im US-Inflation Reduction Act vorzugehen. Zudem befürwortet es flexiblere Beihilferegeln und schnellere Genehmigungsverfahren für Erneuerbare-Energien-Projekte. Für den von der Kommission angekündigten Europäischen Souveränitätsfonds fordert der Text eine Bedarfsanalyse. 

    Machtkampf mit von der Leyen

    In den anderen Fraktionen wird das Abstimmungsverhalten der Christdemokraten als Teil eines Machtkampfes zwischen Weber und von der Leyen gewertet. Die CDU-Politikerin hatte Anfang Februar ihre Antwort auf den US-Inflation Reduction Act vorgelegt, viele der Elemente werden in der EP-Resolution aufgegriffen.

    Weber sei aber nicht einmal die eigene Fraktion gefolgt, sagte Hayer. “Niemand wird mehr einem Fraktionsvorsitzenden folgen, der seine eigenen politischen Interessen über die der Industrie, der Europäer stellt”, schrieb sie auf Twitter.

    Weber hatte in einem Interview Ende Januar von der Leyen und Parlamentspräsidentin Roberta Metsola beide als “hervorragende Spitzenkandidatinnen” bezeichnet. Viele Parteifreunde werfen dem EVP-Chef vor, dadurch de facto mehr als ein Jahr vor der Wahl einen Konkurrenzkampf der beiden christdemokratischen Politikerinnen ausgerufen zu haben und unnötige Unruhe zu erzeugen.

    Weber rechtfertigte sich intern mit dem Hinweis, von der Leyen sei in Teilen der Partei umstritten: Ihr fehle bei Kernthemen wie Migration oder Industriepolitik ein klares christdemokratisches Profil. Selbst Parlamentarier von CDU und CSU, die von der Leyen kritisch sehen, räumen aber ein: Die Kommissionspräsidentin würde Spitzenkandidatin der EVP, wenn sie dazu bereit ist. Die 64-Jährige hat sich bislang nicht festgelegt, ob sie eine zweite Amtszeit anstrebt. tho

    • Europapolitik
    • Industriepolitik
    • Inflation Reduction Act

    Bundesbankpräsident: “Europa schöpft Potenzial des Binnenmarkts nicht aus”

    Bundesbankpräsident Joachim Nagel hält es für keinen guten Weg, wenn Europa sich mit den USA auf einen Subventionswettlauf bei grünen Technologien einlässt. “Europa kann auch durch einen vertieften Binnenmarkt als Standort attraktiver werden“, sagte Nagel bei seiner Europe Lecture beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Bisher schöpfe die EU das Potenzial des Binnenmarktes bei Weitem nicht aus. Ausbaubedarf sieht der Bundesbankpräsident zum Beispiel beim Dienstleistungsverkehr, bei der Kapitalmarktunion und im Bereich des Digitalen.

    In der Diskussion um neue Subventionen gab Nagel zu bedenken, was bereits an Fördermitteln zur Verfügung stehe: Das EU-Programm NextGenerationEU etwa könne bis 2027 insgesamt 800 Milliarden Euro vergeben. Mehr als ein Drittel davon solle in den grünen Wandel fließen. Hinzu kämen etwa 100 Milliarden Euro an EU-Kohäsionsausgaben für die Jahre 2021 bis 2027. Zum Vergleich: Der Inflation Reduction Act (IRA) der USA hat ein Volumen von 369 Milliarden US-Dollar bis 2032.

    Behörden sollten ihre Dienste digitalisieren

    Bei der Stärkung des Binnenmarkts sei es wichtig, “dass der Staat mit dem Tempo des digitalen Wandels Schritt hält“, sagte Nagel. Das erwarteten die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen auch im Umgang mit der öffentlichen Verwaltung. “Behörden sollten ihre Informationen und Dienstleistungen möglichst vollständig online anbieten“, forderte er.

    Auch den Zahlungsverkehr betrachtet Nagel als eine Branche mit strategischer Bedeutung. “Zum einen für die künftige Entwicklung der europäischen Finanzwirtschaft; zum anderen für die europäische Souveränität in einer zunehmend globaler ausgerichteten, digitalen Welt.” Allerdings gebe es keine einheitliche, europaweite Lösung, die auf europäischer Infrastruktur aufbaue. “Das schafft Abhängigkeiten in einem Bereich, der zur kritischen Infrastruktur zählt“, warnte Nagel. “Europa sollte hier auch auf eigenen Füßen stehen können.”

    Digitaler Euro könnte Souveränität erhöhen

    Das Projekt zum digitalen Euro könne dazu einen Beitrag leisten. Noch sei die Entscheidung dazu nicht gefallen. Sollte der digitale Euro kommen, könne er zu Effizienzgewinnen beitragen und Abhängigkeiten verringern. “Das würde die europäische Souveränität erhöhen“, sagte Nagel. Und könne auf längere Sicht innovative Geschäftsprozesse in der europäischen Wirtschaft vorantreiben. vis

    • Digitaler Euro
    • Digitalpolitik
    • EU-Binnenmarkt
    • Europäische Souveränität
    • Europapolitik
    • Inflation Reduction Act

    Rohstoffsicherheit: Scholz betont Zusammenarbeit mit Japan

    Bundeskanzler Olaf Scholz hat bei seinem gestrigen Besuch der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover die Bedeutung einer engeren Abstimmung der Rohstoffstrategien zwischen Deutschland und Japan hervorgehoben. Die Bundesregierung wolle im Bereich der Versorgung mit strategisch wichtigen Rohstoffen eng mit Japan zusammenarbeiten.

    “Wenn wir unsere Regierungskonsultationen haben, wird es um Rohstoffsicherheit gehen und um die Verknüpfung unserer unterschiedlichen Strategien in dieser Frage”, sagte Scholz. Dabei sei es wichtig, in enger Abstimmung mit der Europäischen Union zu handeln und die Kooperation glaubwürdig zu gestalten.

    Die Regierungskonsultationen zwischen beiden Staaten sollen in diesem Jahr zum ersten Mal und danach regelmäßig stattfinden. Das hatte Scholz bei seinem Besuch in Tokio im vergangenen April gemeinsam mit dem japanischen Ministerpräsidenten Fumio Kishida angekündigt.

    Japan verfolgt bereits seit Längerem eine aktive Rohstoffstrategie und wird im Zuge der Vorbereitung einer deutschen und europäischen Rohstoffstrategie oft als Vorbild bezeichnet. Deutschland und Frankreich hatten in einem gemeinsamen Non-Paper im Rat die Einrichtung einer EU-Behörde ähnlich der staatlichen Rohstoffagentur Japan Organization for Metals and Energy Security (JOGMEC) vorgeschlagen. Die JOGMEC koordiniert mit Unternehmen den Rohstoffbedarf für Krisenfälle, den Einkauf und die Lagerung. Sie exploriert auch neue Rohstoffvorkommen, um die Lizenzen an japanische Unternehmen zu verkaufen. leo

    • Japan
    • Olaf Scholz
    • Rohstoffe
    • Rohstoffstrategie

    Italien will Verbrennerverbot aufweichen

    Italien will die Pläne der EU für ein Aus neuer Benzin- und Dieselfahrzeuge ab 2035 laut Außenminister Antonio Tajani aufweichen. Statt wie von der EU geplant, den CO₂-Ausstoß von Neuwagen mit Verbrennermotoren in zwölf Jahren um 100 Prozent zu reduzieren, sollten es nur 90 Prozent sein, wurde Tajani am Donnerstag von “Corriere della Sera” zitiert.

    Italien werde einen entsprechenden Gegenvorschlag vorlegen. Damit solle der Industrie die Möglichkeit gegeben werden, sich anzupassen. “Ich bin ein großer Befürworter des Elektroautos, aber ehrgeizige Ziele müssen in der Realität erreicht werden, nicht nur auf dem Papier”, sagte Tajani. “Wir müssen unsere Autoindustrie schützen.”

    Die Autoindustrie in Italien, die weitgehend auf die traditionelle Verbrenner-Technologie ausgerichtet ist, beschäftigt laut dem Branchenverband Anfia direkt oder indirekt mehr als 270.000 Menschen und erwirtschaftet mehr als fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Verkäufe vollelektrischer Autos sind demnach in Italien im vergangenen Jahr um 27 Prozent gesunken und machen nur 3,7 Prozent der gesamten Neuzulassungen aus. rtr

    • Autoindustrie

    Menschenrechtler kritisieren EU-China-Dialog

    Mehrere Menschenrechtsorganisationen haben sich gegen die Wiederaufnahme des Dialogs zu Menschenrechten zwischen China und der EU ausgesprochen. Dieser sollte weiterhin ausgesetzt bleiben, bis die Bedingungen für “greifbare Ergebnisse und Fortschritte” erfüllt seien, schrieben die Organisationen in einem offenen Brief an den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Die EU und China wollen am Freitag erstmals seit vier Jahren wieder zu einem Menschenrechtsdialog zusammentreffen. Dieser war seit 2019 ausgesetzt.

    Zu den Unterzeichnern des offenen Briefes gehören unter anderem Amnesty International, Human Rights Watch und der World Uyghur Congress. “Der Eifer, diese Dialoge trotz ihrer erwiesenen Wirkungslosigkeit wieder aufzunehmen, könnte signalisieren, dass die EU bereit ist, die Menschenrechte beiseite zu schieben, um engere Handelsbeziehungen und Zusammenarbeit mit Peking zu sichern”, sagte Philippe Dam, EU-Direktor bei Human Rights Watch. Es gebe keine Aussichten auf konkrete Fortschritte bei dem Dialog.

    Die Menschenrechtsorganisationen forderten indes, dass sich die EU verpflichtet, den UN-Bericht zur Lage in Xinjiang weiterzuverfolgen. Außerdem sollten sich Brüssel und die Mitgliedstaaten für ein regelmäßiges Überwachungs- und Berichterstattungsverfahren beim UN-Menschenrechtsrat einsetzen. Die EU solle zudem öffentlich ein Ende der “Unterdrückung durch China in Xinjiang, Tibet und Hongkong sowie die Freilassung willkürlich inhaftierter Menschenrechtsverteidiger und -aktivisten fordern” und Verantwortliche sanktionieren. ari

    • China
    • Europapolitik
    • Menschenrechte

    Neue Regierung in Moldau bekennt sich zu Europa

    In der Republik Moldau ist eine neue, pro-europäische Regierung vereidigt worden. Das Parlament in Chişinău stimmte am Donnerstag mit 62 der 101 Stimmen für Dorin Recean als neuen Regierungschef. Zuvor hatte der 48-Jährige die Leitlinien seiner Regierung vorgestellt. “Wir wollen in einer sicheren Welt leben, in der internationale Verträge respektiert werden, in der Probleme zwischen Staaten durch Dialog gelöst werden, in der kleine Staaten respektiert werden”, heißt es im Regierungsprogramm mit Blick auf die russische Invasion der Ukraine.

    Die ehemalige Sowjetrepublik grenzt an den Westen der Ukraine an. Ähnlich wie im Nachbarland hat sich auch in der Republik Moldau mit Transnistrien ein Landesteil abgespalten, der von pro-russischen Separatisten beherrscht wird und in dem russische Soldaten stationiert sind. Seit dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine sind in Chişinău Befürchtungen gewachsen, Russland wolle das Land destabilisieren. Präsidentin Maia Sandu warf Russland am Montag vor, einen Umsturz zu planen. Die Regierung in Moskau wies die Anschuldigungen zurück.

    Abhängig von russischem Gas

    Vor einer Woche war Ministerpräsidentin Natalia Gavrilița nach nur 18-monatiger Amtszeit vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Turbulenzen zurückgetreten. Es war mehrfach zu Protesten gegen die inflationsbedingte Preissteigerungen gekommen. Vor allem die Energiekosten und gestiegene Lebensmittelpreise setzten den rund 2,5 Millionen Einwohnern zu. Das Land ist abhängig von russischen Gaslieferungen. Dazu kommt eine Flüchtlingswelle aus der Ukraine.

    Präsidentin Sandu hatte wegen der angespannten wirtschaftlichen Lage im Januar beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos Verbündete um Hilfe gebeten. Deutschland hatte dem Land vergangenen November rund 30 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um im Winter eine Energiekrise zu vermeiden.

    Eine der Hauptaufgaben des neuen Ministerpräsidenten Recean wird es sein, den EU-Beitritt voranzutreiben. Der frühere Innenminister hat bereits verschiedene Reformen durchgesetzt, durch die Moldau sich europäischen Standards angenähert hat. Gleichwohl werden bis zu einem möglichen Beitritt zur EU noch Jahre vergehen. Recean hat starke und transparente Behörden und den Wettbewerb fördernde wirtschaftliche Rahmenbedingungen versprochen. rtr

    • Erdgas
    • EU-Außenpolitik
    • EU-Beitritt
    • Moldau

    Presseschau

    EU-Parlament stimmt für weitere Transparenzregeln HANDELSBLATT
    EU-Korruptionsskandal: Tarabellas Anwalt stellt Befangenheitsantrag gegen Ermittlungsrichter EURONEWS
    Showdown im März: EU-Schuldenregeln treffen auf Industriepolitik EURACTIV
    Baerbock wirbt für Mehrheitsprinzip in EU auch bei Außenpolitik YAHOO
    Europaparlament fordert Prüfung von Kampfjetlieferungen für Ukraine RND
    Bilanz der EU-Ukraine-Hilfe: “Wir hätten schneller sein können” EURONEWS
    Mehrheit in EU glaubt an ukrainischen Sieg BOERSE
    Neue EU-Sanktionen: Keine Toiletten mehr für Russland BERLINER-ZEITUNG
    EU-Abgeordnete drängen EU zur Ratifizierung der Istanbul-Konvention EURACTIV
    EU nimmt deutlich mehr Geflüchtete auf STATISTA
    Gutachten: Sozialleistung für abhängige Mutter stellt Aufenthaltsrecht in EU-Land nicht in Frage YAHOO
    EU erlässt erste Maßnahmen für Nordsee-Schutzgebiete OLDENBURGER-ONLINEZEITUNG
    EU: “Viele, die für die europäischen Institutionen arbeiten, nehmen Drogen” WELT
    Theo Waigel legt Vorsitz der Münchner Europa Konferenz nieder SUEDDEUTSCHE
    Brexit und die Folgen: London akzeptiert Niederlage im Streit um Bleiberecht für EU-Bürger FAZ
    EU-Pläne zu Industrieemissionen: Mehr Tierhalter betroffen als angenommen EURACTIV
    Spanien vor EU-Ratsvorsitz: Müssen Europa “reindustrialisieren” ARIVA
    Spanien verabschiedet Gesetze für “Menstruationsurlaub” und freie Geschlechtswahl DER STANDARD
    Portugal will Schlüsselrolle in den EU-Afrika-Beziehungen spielen EURACTIV
    UK requests for Horizon Europe fee renegotiation risk further delaying association SCIENCEBUSINESS
    Ziele für Neuwagen: Italien will geplantes Verbrenner-Aus in EU aufweichen SPIEGEL
    Europäischer Gerichtshof: EU darf die Sprachen Englisch, Französisch und Deutsch in Bewerbungsverfahren nicht automatisch bevorzugen DEUTSCHLANDFUNK
    Doppelstandards: Obst & Gemüse aus Nicht-EU-Ländern voller verbotener Pestizide SALZBURG24
    Uniper sells UAE-based unit to fulfil EU obligations MONTELNEWS
    Medizinprodukteverordnung: EU-Parlament gibt grünes Licht für Änderung der MDR PHARMAZEUTISCHE-ZEITUNG
    Why there are so few babies in southern Europe? ECONOMIST
    EU AI Act: Schiebt er ChatGPT und Co. den Riegel vor? T3N
    Wasserstoff-Busse in Niedersachsen setzen schon heute EU-Vorschläge um KREISZEITUNG

    Kolumne

    What’s cooking in Brussels? Ökozid in der Ukraine

    Schwarz-weiß Portrait von Claire Stam

    Unter Ökozid versteht man im weitesten Sinne eine massive Schädigung und Zerstörung von Ökosystemen – also eine weit verbreitete oder langfristige schwere Schädigung der Natur.

    “Als ich 2019 ins Europäische Parlament kam, war das Konzept den europäischen Institutionen völlig unbekannt”, sagt sich die französische Europaabgeordnete Marie Toussaint, die den Kampf um den Ökozid nach Brüssel trägt. In der Zwischenzeit hätten sich “die Dinge schnell entwickelt”, dank der hartnäckigen Arbeit zahlreicher Juristinnen, Anwälte, Richterinnen und Akademiker sowie der zunehmenden Mobilisierung der Zivilgesellschaft. “Heute könnte die Anerkennung des Ökozids in der Richtlinie zur Umweltkriminalität, die derzeit überarbeitet wird, durchaus anerkannt werden“, sagt sie.

    Umweltschäden in der Ukraine

    Toussaint meint damit einen Vorschlag, den sie im Namen ihrer Fraktion einbringt – dabei geht es darum, Ökozid in der Richtlinie zur Umweltkriminalität zu verankern. Die Grünen stützen sich dabei auf die Definition der Stop Ecocide Foundation, die Ökozid beschreibt als “rechtswidrige oder willkürliche Handlungen, mit dem Wissen begangen, dass eine erhebliche Wahrscheinlichkeit schwerer und entweder weitreichender oder langfristiger Schäden für die Umwelt besteht (…)”.

    Toussaints Initiative befasst sich insbesondere mit den Umweltschäden in bewaffneten Konflikten, wie aktuell im Krieg Russlands gegen die Ukraine. Durch russische Angriffe hat die Ukraine in vielerlei Hinsicht große Umweltschäden erlitten: Wälder wurden zerstört, landwirtschaftliche Felder ruiniert und Flüsse verschmutzt.

    Gute Aussichten im Parlament

    Die Aussichten, dass der Gesetzesvorschlag vom Parlament verabschiedet wird, sind gut: Es gibt derzeit keine Blockade des Europäischen Parlaments. Vier von fünf Ausschüssen (PETI, DEVE, LIBE und ENVI), die sich zur Richtlinie über Umweltkriminalität äußern sollten, haben bereits die Anerkennung des Ökozids unterstützt und folgen auch der Definition der Stop Ecocide Foundation.

    Der letzte parlamentarische Ausschuss, der Rechtsausschuss, der für das Dossier zuständig ist, soll sich Ende März äußern – “die Verhandlungen sind noch im Gange”. Die Abstimmung im Plenum wird dann im April stattfinden und “wir sind zuversichtlich, dass das Europäische Parlament dort die Aufnahme des Ökozids in das Gesetz offiziell unterstützen wird“, sagt Toussaint.

    Die Verhandlungen werden damit jedoch noch nicht abgeschlossen sein, da der Text anschließend im Trilog mit der Kommission und dem Europäischen Rat diskutiert wird. “Die Kommission hatte die Anerkennung dieses Verbrechens nicht in ihren ursprünglichen Vorschlag aufgenommen, verwendet den Begriff aber immer häufiger in ihrer Kommunikation.”

    Situation in den Mitgliedstaaten unterschiedlich

    Die Mitgliedstaaten werden wohl am schwierigsten zu überzeugen sein, “aber mit einer starken Position des Parlaments ist alles möglich”. In diesem Zusammenhang betont Marie Toussaint, dass die Situation in den Mitgliedstaaten unterschiedlich ist:

    • Belgien hat sich dieses Themas angenommen, es in internationale Gremien eingebracht und ist dabei, es in seinem eigenen nationalen Recht zu verankern.
    • In Frankreich wurde der Ökozid auf Antrag der Citizen Climate Convention gesetzlich anerkannt, aber laut Toussaint ist die Definition “besonders schwach” und “weit von der auf internationaler Ebene diskutierten Definition entfernt”.
    • In Spanien und den Niederlanden haben sich Parlamentarier positioniert und eine offizielle Stellungnahme ihrer Versammlungen erwirkt.

    Bedeutet dies also, dass die Ukraine Russland wegen Umweltverbrechen verklagen kann? Marie Toussaint verweist darauf, dass sowohl die Ukraine als auch Russland das Verbrechen des Ökozids anerkannt haben. Aber es stelle sich die Frage, welche Gerichte sich überhaupt mit diesem Straftatbestand befassen können.

    Anerkennung im Römischen Statut

    “Dazu muss der Tatbestand des Ökozids international anerkannt werden”, sagt die Europaabgeordnete. Zwar gebe es im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs einen Artikel über Kriegsverbrechen, der sich explizit mit dem Umweltschutz befasst. Aber es sei kompliziert, sich darauf zu berufen, und er sei vom IStGH noch nie verwendet worden. Daher kämpfe man dafür, das Verbrechen des Ökozids im Römischen Statut anzuerkennen, und zwar sowohl in Kriegs- als auch in Friedenszeiten, sagt Toussaint.

    Bei der vergangenen Generalversammlung des IStGH sei die Anerkennung des Ökozids ein wichtiges Diskussionsthema gewesen. Im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine habe die Parlamentarische Versammlung des Europarats seine dringende Anerkennung gefordert. “Insgesamt erleben wir einen wahren Aufschwung für die Anerkennung des Ökozids“, sagt Toussaint. Es sei dringend, “da das Überleben der Menschheit auf dem Spiel steht”.

    • Europäisches Parlament

    Europe.Table Redaktion

    EUROPE.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen