die Energiepreise explodieren – und die EU ringt mit der Frage, welche Lehren sie aus dieser Situation ziehen soll. Einige Mitgliedstaaten fordern ein gemeinsames Vorgehen. EVP-Fraktionschef Weber setzte einen Tweet ab, in dem er den Vorstoß unterstützte – und von “russischer Erpressung” sprach. Ganz anderer Meinung ist die deutsche Bundeskanzlerin. Lukas Scheid analysiert die Debatte.
Die angespannte Lage auf den Energiemärkten beschäftigte auch die EU-Umweltminister bei ihrem Treffen in Luxemburg. Sie kamen am Mittwoch erstmals seit Vorstellung des Fit-for-55-Pakets zusammen und stellten gleich ihre Uneinigkeit unter Beweis. Timo Landenberger fasst die wesentlichen Streitpunkte zusammen.
Tief im Westen Berlins treffen sie sich: die Verhandlungsgruppen von SPD, Grünen und FDP. Während es in der Union gärt, wollen sich die Ampel-Sondierer sechs Stunden lang an der Berliner Messe beraten. Den Stand der Annäherung und mögliche zeitliche Szenarien hat Falk Steiner zusammengetragen.
Am Mittwochmorgen sah es auf den weltweiten Energiemärkten noch nicht nach einer Verbesserung aus. Die Preise für Gas stiegen weiter sprunghaft und erreichten neue Rekordwerte. Dann am Nachmittag die überraschende Ankündigung: Der russische Präsident Wladimir Putin will zusätzliche Gaslieferungen in die EU durch die Ukraine ermöglichen. Prompt entspannte sich der Markt.
Der europäische Terminkontrakt auf Erdgas verbilligte sich um 9,5 Prozent auf 105 Euro je Megawattstunde, nachdem er zuvor ein Rekordhoch bei einem Preis von 162,125 Euro markiert hatte. Der US-Future und die Ölsorte Brent aus der Nordsee konnten ihre Mehrjahreshochs ebenfalls nicht halten und fielen auf 5,803 Dollar je Millionen BTU beziehungsweise 81,29 Dollar je Barrel.
Putins Ankündigung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Europa sich schon längst in einer Debatte um die geeigneten Maßnahmen verfangen hat. Die Rufe nach mittel- und langfristigen Strategien werden lauter, um künftige Steigerung der Preise von Gas besser im Griff zu haben.
Frankreich, Spanien, Tschechien und Griechenland fordern ein kollektives und koordiniertes Vorgehen der EU-Staaten, auch EVP-Fraktionschef Manfred Weber unterstützt den Vorstoß. Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez forderte am Mittwoch, dass die EU-Kommission im Namen aller 27 Mitgliedsstaaten um Gasverträge verhandeln solle. “Und wenn einige von ihnen dagegen sind, schlagen wir eine verstärkte Zusammenarbeit vor, bei der die Länder, die das wollen, sich anschließen können und die Kommission verhandelt”, sagte Sánchez.
Länder wie Deutschland, die Niederlande, Belgien und Portugal sind skeptisch. Sie warnen vor einer vorschnellen Reaktion, die den europäischen Energiemarkt grundlegend verändern könnte. Der Anstieg der Preise von Gas und Energie sei vor allem auf die gesteigerte Nachfrage nach der Corona-Krise und einmalige Faktoren wie die Windenergie-Knappheit diesen Sommer zurückzuführen. Bundeskanzlerin Angela Merkel verwies zudem auf die gute Konjunktur in Ostasien als Faktor – und warnte vor vorschnellen Vorwürfen in Richtung Russland.
EU-Energiekommissarin Kadri Simson reagierte bei der Aussprache zwischen EU-Parlament, Kommission und Rat in Straßburg am Mittwoch ebenfalls skeptisch auf die Idee kollektiver Gasverträge. Sie würden keine neue Idee darstellen, aber hohe praktische Hürden und nur geringe Vorteile mit sich bringen. Dennoch solle es bei der Debatte um regulatorische Maßnahmen keine Tabus geben, betonte die Kommissarin.
Bis zum Ende des Jahres will die Kommission ein langfristiges Reformpaket für den Energiemarkt vorschlagen, “um ihn widerstandsfähiger gegen Preiserhöhungen zu machen”. Dabei soll auch der Vorschlag, die Gasspeicherkapazitäten in der EU auszuweiten, berücksichtigt werden.
Simson mahnte jedoch bereits zur Vorsicht vor zu weitreichenden Reformen. Der europäische Energiemarkt sei der zuverlässigste der ganzen Welt und nicht für die aktuelle Situation verantwortlich. Sie schlug deshalb vor, eine Studie zur Preisbildung und Investitionsanreizen auf dem Energiemarkt durchzuführen, um mehr über die Ursachen der aktuellen Lage zu erfahren.
Wie eine Energiemarkt-Reform aussehen könnte, soll auch beim Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs am 21. und 22. Oktober diskutiert werden. Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, kündigte an, dass die Preise von Gas und Energie dort “weit oben auf der Agenda” stehen würden. Es gebe “politischen Raum für einen europäischen Ansatz”.
Viele Beobachter erwarten, dass sich die hohen Gas- und Energie-Preise schon im kommenden Frühjahr wieder stabilisieren. Entsprechend geht es bei der politischen Debatte insbesondere um kurzfristige Maßnahmen, die den Mitgliedstaaten sofort helfen. Welche Maßnahmen europarechtlich möglich sind, will die Kommission kommende Woche in einer “Toolbox” aufzeigen. Und auch hier erreichten die Kommission am Mittwoch deutliche Forderungen – diesmal aus dem Parlament.
Die durch die Energiepreissteigerung ebenfalls gestiegenen Steuereinnahmen müssten von der Kommission offengelegt und für die Entlastung der schwachen Haushalte eingesetzt werden, forderte Pascal Canfin (Renew). Ersterem Wunsch kam die Kommission umgehend nach. Simson bezifferte die zusätzlichen Einnahmen der Mitgliedstaaten in Folge der Energiepreissteigerung auf 10,8 Milliarden Euro. Auch sie ließ durchklingen, dass dieses Geld sozial gerecht eingesetzt werden sollte.
Für die Entlastung der Unternehmen brachte Simson befristete Steuererleichterungen ins Spiel und bekam dafür Unterstützung aus der Industrie. Der Beihilferahmen der EU-Kommission müsse so gestaltet werden, “dass weitgehende Entlastungen bei den Energiepreisen – zum Beispiel durch einen Industriestrompreis – überhaupt möglich werden”, sagte Jörg Rothermel zu Europe.Table. Rothermel ist Abteilungsleiter für Energie, Klimaschutz und Rohstoffe beim Verband der Chemischen Industrie. Die deutsche Grünenpolitikerin Jutta Paulus warnte allerdings davor, durch Steuererleichterungen indirekt Subventionen für fossile Brennstoffe auszuschütten.
Auch die Rolle Russlands sorgt für Diskussionen. Der rumänische Abgeordnete Siegfried Mureșan (EVP) etwa verdächtigte den russischen Staatskonzern Gazprom der Marktmanipulation und forderte von der Kommission, diese zu untersuchen. Falls sich der Verdacht, dass Gazprom die Preise von Gas durch künstliche Verknappung in die Höhe treibt, bestätigen sollte, müssten Sanktionen die Folge sein, so Mureșan.
Noch deutlicher wurde der niederländische Grünen-Abgeordnete Bas Eickhout. Gaslieferungen aus Russland in die EU durch Belarus seien vergangene Woche um 70 Prozent zurückgegangen. “Gazprom und Russland führen uns an der Nase herum.” Sollten dies “geopolitische Spielchen” sein, sollte die EU reagieren, forderte Eickhout und nannte die russische Gas-Pipeline Nord Stream 2 “keine gute Idee”. Das richtete sich vor allem an Deutschland.
Merkel widersprach: “Russland kann ja nur Gas liefern auf der Grundlage von vertraglichen Bindungen und nicht einfach so.” Vielmehr stelle sich die Frage, ob genug Gas bestellt oder ob gerade wegen des hohen Preises derzeit nicht so viel Gas geordert werde. Das alles solle bis zum EU-Gipfel Ende Oktober analysiert werden.
Die Klimaziele sind klar: Bis zum Jahr 2030 will die EU ihre Treibhausgasemissionen um 55 Prozent und bis 2050 auf null senken. Wie das gelingen soll, daran scheiden sich jedoch die Geister. Mit ihrem Fit-for-55-Paket hat die EU-Kommission ein umfassendes Maßnahmenbündel zum Erreichen der Klimaziele vorgelegt, das nun in den Mitgliedstaaten diskutiert wird. Am Mittwoch kamen in Luxemburg erstmals die EU-Umweltminister zusammen – und demonstrierten alles andere als Einigkeit.
Den stärksten Gegenwind erfuhr der Vorschlag der Kommission, auch für die Bereiche Verkehr und Gebäude ein Emissionshandelssystem (ETS) einzuführen. Besonders die osteuropäischen Länder stehen der Idee skeptisch gegenüber, lehnen sie teils vehement ab. “Selbst mit den Kompensationsmaßnahmen der Kommission würde die Situation, besonders in Mittel- und Osteuropa, in Schieflage geraten”, sagte etwa der Vertreter Ungarns. Andere verwiesen auf die nach wie vor starke Abhängigkeit ihrer Länder von der Kohle beim Heizen, auf die unterschiedliche Kaufkraft und die ohnehin schon hohe finanzielle Belastung der Haushalte durch die zuletzt stark gestiegenen Energiepreise.
Die angespannte Lage auf den Energiemärkten verfolgen mehrere Delegationen erklärtermaßen mit Sorge. Klimaschutz sei hier aber die Lösung und nicht das Problem, entgegnete Kommissionvizepräsident Frans Timmermans. Ein zügiger Ausbau der erneuerbaren Energien verringere die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und Importen aus dem Ausland.
Bedenken hinsichtlich steigender Kosten äußerte auch Frankreich. Jedenfalls müsse die Entwicklung des CO2-Preises sichtbarer gemacht werden. Frankreichs Umweltministerin Barbara Pompili forderte “detaillierte Analysen angesichts der Volatilität des Preises”.
Timmermans verteidigte den Vorstoß der Kommission: Statt zurückzugehen, seien die Emissionen im Verkehrsbereich weiter angestiegen. Im Gebäudesektor entwickle sich die Energieeffizienz ebenfalls nicht in die gewünschte Richtung. “Die bestehenden Instrumente reichen also nicht und wir müssen uns etwas Neues einfallen lassen.” Er sei offen für Vorschläge, die das gleiche oder ein besseres Ergebnis erzielen. Aber man dürfe den Bürgern auch nichts vormachen, und das ETS habe sich in anderen Sektoren bewährt.
Deutschland unterstützt den Vorschlag. Die Bundesregierung hatte Anfang des Jahres einen CO2-Preis für Verkehr und Gebäude eingeführt, der mittelfristig in einem europäischen ETS aufgehen soll. “Das fair zu gestalten ist möglich. Das ist uns in Deutschland genauso wichtig und das geht auch europäisch”, sagte Umweltministerin Svenja Schulze. Um für einen sozialen Ausgleich zu sorgen und soziale Schieflagen durch die CO2-Bepreisung zu vermeiden, hat die EU-Kommission die Einführung eines Sozialfonds angekündigt.
Auch aus Österreich kommt Zustimmung. Mit seiner öko-sozialen Steuerreform hat das Land vor wenigen Tagen ebenfalls eine CO2-Bepreisung auf nationaler Ebene eingeführt (Europe.Table berichtete). Man werde nun genau prüfen, wie ein europäisches ETS die Maßnahmen in Österreich ergänzen könne, sagte Umweltministerin Leonore Gewessler.
Mit der Überarbeitung der Verordnung zur Lastenteilung will die EU-Kommission den Ländern strengere Ziele zur Senkung ihrer Emissionen in den Bereichen zuweisen, die nicht vom Emissionshandel erfasst werden. Grundlage für die Neuberechnung soll das BIP pro Kopf sein. Das stößt in manchen Ländern auf Ablehnung, mehrfach wurde die Forderung nach mehr Flexibilität geäußert. Daneben müssten weitere Faktoren in die Berechnung mit einfließen, etwa die regional unterschiedlich starken Auswirkungen des Klimawandels, sagte Spaniens Ministerin für ökologischen Wandel Teresa Ribera. Konkretes Beispiel seien die jüngsten Waldbrände im Mittelmeerraum. Nur die bestehenden Hektar Waldfläche zugrunde zu legen, sei zu kurz gedacht.
Tschechiens Umweltminister Vladislav Smrž erklärte, für sein Land seien die vorgeschlagenen neuen Ziele fast doppelt so hoch wie bisher und aufgrund der damit verbundenen Kosten kaum zu erreichen. Auch Schweden kritisierte die “unrealistisch hohen Ziele”. Die Bundesregierung hingegen hatte bereits mehrfach betont, die nationalen Klimaziele stünden im Einklang mit dem EU-Klimaschutzgesetz und den Zielen der Lastenteilung.
Neben der Einführung eines Emissionshandels für den Verkehrsbereich sollen auch verschärfte CO2-Standards für PKW den weiter steigenden Schadstoffausstoß stoppen. Die Pläne der Kommission sehen eine Emissionsminderung um 100 Prozent bis 2035 vor, was de facto einem Aus des Verbrenners gleichkommt und deshalb höchst umstritten ist.
Auch Deutschland konnte sich hier noch auf keine klare Position festlegen. Eine Aufgabe, die wohl der nächsten Bundesregierung zukommen wird. Österreich hingegen forderte noch ambitioniertere Ziele, die CO2-Standards müssten auch schon vor 2030 einen ausreichenden Beitrag leisten. Auch Schweden plädierte dafür, die Ziele vorzuziehen, betonte aber auch, dies könne nur im Einklang mit einem stärkeren Ausbau der Ladeinfrastruktur passieren.
Für Tschechien kommt ein Verbot des Verbrennungsmotors im Jahr 2035 zu früh. Brabec: “Das werden unsere Bürger nicht akzeptieren. Es entspricht auch nicht dem technologischen Fortschritt und wir sind überzeugt, die Null-Emissionen im Verkehrsbereich auf diese Art nicht zu erreichen.”
Frankreich forderte mehr Technologieoffenheit im gesamten Paket. Die Leistungsfähigkeit sämtlicher Technologien müsse berücksichtigt werden.
Die im EU-Gesetz zum Klimaschutz beschlossenen Emissionsreduktionen sind ein Netto-Ziel, in dem auch die natürliche CO2-Senkleistung, etwa durch Wälder oder Moore, berücksichtigt wird. Entsprechend wird die Europäische Land- und Forstnutzungsverordnung (LULUCF) angepasst, was besonders im von Forstwirtschaft geprägten Schweden auf Ablehnung stößt.
“Wir glauben nicht, dass damit das Ziel erreicht werden kann. Ein verstärkter Fokus auf Kohlenstoffsenken darf nicht die Emissionsreduktion ersetzen”, so Schwedens Umweltminister Per Bolund. Verbindliche Jahresziele seien schwer mit einem von starken Schwankungen geprägten Sektor vereinbar. Die Forstwirtschaft müsse in nationaler Zuständigkeit bleiben.
Auch für Svenja Schulze steht fest: Die neue LULUCF stelle den Sektor vor enorme Herausforderungen. Dabei dürften die nachhaltig erschließbaren Potenziale der Biomassenutzung nicht überschritten werden.
Aller Kontroversen zum Trotz konnten sich die EU-Umweltminister und der slowenische Ratsvorsitz auf eine gemeinsame Schlussfolgerung zum globalen Klimaschutz einigen. Diese bildet die Grundlage für die Position der EU bei der Weltklimakonferenz COP26 Anfang November in Glasgow. Somit könne die Europäische Delegation bei der Konferenz einen klaren und konvergenten Standpunkt vertreten und die EU ihrer Vorreiter-Rolle beim internationalen Klimaschutz gerecht werden, sagte der slowenische Umweltminister Andrej Vizjak.
Umstritten war bis zu zuletzt insbesondere die Frage nach einem angemessenen Zeitrahmen für die nationalen Klimaschutzziele (NDC). Das Gremium einigte sich darauf, in der Schlussfolgerung der EU-Klimaziele eine Laufzeit von fünf Jahren festzulegen, was der Position der meisten Industriestaaten entspricht. “Sollte es dennoch in Glasgow in dieser Frage zu keiner Einigung kommen, sind die fünf Jahre auch für die EU-Staaten nicht bindend”, stellte Vizjak klar. Besonders Polen hatte Bedenken geäußert, ein zu kurzer Zeitrahmen werde früher zu einer erneuten Verschärfung der Ziele führen.
08.10.2021 – 09:30-10:00 Uhr, online
GIGA/CERI, Presentation Franco-German Observatory of the Indo-Pacific
The Franco-German Observatory of the German Institute of Global and Area Studies (GIGA) invites speakers from the Indo-Pacific to discuss such issues as economic interdependence and independence, trade and investment, and the expectations of Indo-Pacific countries towards Europe. REGISTRATION
09.10.2021 – 09:30 Uhr, München
HSS, Seminar Marktwirtschaft & Klimaschutz nach der Bundestagswahl
Die von der Hanns Seidel Stiftung (HSS) geladenen Expert:innen widmen sich dem Spannungsfeld Wirtschaft und Klimaschutz und behandeln dabei Fragen wie: Wie kann eine nachhaltige Marktwirtschaft aussehen? Wie kann die Marktwirtschaft sinnvoll für eine rationale Klimapolitik eingesetzt werden? INFOS & ANMELDUNG
11.10-14.10.2021, online
CSR Europe, Conference The European SDG Summit
This years’ Sustainable Development Goals (SDG) Summit focuses on the European Pact for Sustainable Industry and publishes a Barometer to show sustainability levels and maturity of European industry associations. Representatives from business, industry and politics will have an opportunity to discuss climate policy, financing the future, the future of work beyond skills as well as resilient and inclusive supply chains. REGISTRATION
11.10.-15.10.2021, Hamburg
ERTICO, Conference ITS World Congress
The Intelligent Transport Systems (ITS) Congress deals with intelligent mobility and the digitalization of transport. Experts and participants will focus on issues such as the importance of ITS in cities and the relevance of political and public awareness for smart mobility solutions. INFOS & ANMELDUNG
12.10.2021 – 10:00-11:30 Uhr, online
VDMA, Vortrag Nachhaltige Unternehmensführung und CSR im Maschinenbau
Die Veranstaltung des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) soll aufzeigen, wie Nachhaltigkeit in der Industrie aktiv umgesetzt werden kann. Dabei sollen sowohl Unternehmen als auch Lieferketten in den Blick genommen werden. INFOS & ANMELDUNG
12.10.2021 – 14:00 Uhr, Hamburg/online
CIGRE/CIRED, Vortrag Die Netze werden grüner!
Die Referent:innen der CIGRE/CIRED Informationsveranstaltung 2021 werden Lösungsansätze zur Dekarbonisierung für Netzbetreiber diskutieren. Dabei werden auch Möglichkeiten wie Wasserstoff thematisiert. Diskutiert wird außerdem, wie die Biodiversität auch bei Hoch- und Höchstspannungsanlagen erhöht werden kann. ANMELDUNG
27.10.-29.10.2021, online
ERA, Conference Intellectual Property and Artificial Intelligence
The Academy of European Law (ERA) conference will discuss the European legal framework for intellectual property in the context of new technology developments. Key topics will include trademark strategies for artificial intelligence (AI) technologies, legal issues related to patent and copyright law, and the impact of the European strategy for data on intellectual property law. EARLY BOOKING DISCOUNT UNTIL 10.10.2021
01.11.-04.11.2021, Lissabon
CIL, Conference Web Summit
The Web Summit technology conference addresses topics related to Internet technology, new technologies and venture capital. Founders, CEOs of large tech corporations and start-ups, as well as politicians will discuss future challenges. REGULAR TICKETS UNTIL 08.10.2021
08.12.2021 – 10:45 Uhr, Frankfurt
Eco, Konferenz Eco Award & Kongress 2021
Im Rahmen des Kongresses und Awards des Verbands der Internetwirtschaft (Eco) treffen sich Vertreter:innen der IT-Branche, diskutieren aktuelle Herausforderungen sowie neue Strategien und tauschen Erfahrungen aus. Die Konferenz steht unter dem Motto: “Digital sovereignty meets future internet”. FRÜHBUCHERRABATT BIS ZUM 08.10.2021
Freude strahlten weder Annalena Baerbock und Robert Habeck noch Christian Lindner aus, als sie am Mittwoch vor die Kameras traten. Baerbock betonte, dass es eine große Herausforderung sei, eine umfassende Erneuerung anzugehen. Habeck erläuterte, dass sich in den Vorgesprächen zu einer möglichen Ampel-Koalition “größte inhaltlichen Schnittmengen” gezeigt hätten, “das gilt vor allem für den breiten Bereich der Gesellschaftspolitik”. Die Union habe sich wirklich bemüht, dennoch gebe es größere Differenzen im Jamaika-Bündnis.
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner, mit dem die Grünenvorsitzenden vorab kommuniziert hatten, trat nach zweistündigen Beratungen mit Bundesvorstand und mit der Bundestagsfraktion vor die Mikrofone. Man habe sich dort entschlossen, den Gesprächsvorschlag der SPD anzunehmen, “um Gemeinsamkeiten zu prüfen, die unser Land nach vorne bringen”. Lindner betonte: “Für uns bleibt eine Jamaika-Koalition eine inhaltlich tragfähige Option. Allerdings werden in der Öffentlichkeit Regierungswille und Geschlossenheit der Unionsparteien diskutiert.“
Genau diese stand wenig später erneut infrage: Nur kurz äußerte sich der CDU-Vorsitzende Armin Laschet: Die FDP habe signalisiert, dass es in sehr vielen Punkten Übereinstimmung mit der Union gebe. Aber das weitere Verfahren sei die Entscheidung von FDP und Grünen: “Wir stehen bereit als Gesprächspartner, CDU und CSU”.
In München klang das deutlich reservierter: “Klar ist das noch nicht die endgültige Regierung, aber wie wir wissen, da kann man nicht einfach wieder abbrechen, sondern der Weg ist beschritten”, sagte der CSU-Vorsitzende Markus Söder. Die Entscheidung von FDP und Grünen sei “de-facto eine Absage an Jamaika”. Dies komme nicht überraschend nach dem Wahlergebnis. Er sei gespannt auf die Ergebnisse der Gespräche zu einer möglichen Ampel-Koalition. “Wir bleiben zwar gesprächsbereit, aber nicht in einer Art Dauer-Lauerstellung.”
Die Absage an Jamaika dürfte Laschet intern noch weiter unter Druck bringen. Für die Union beginne jetzt “ein völlig neuer Zeitabschnitt“, so Söder. Man müsse mit dem Ergebnis nun umgehen.
Einer, der freute sich sichtlich: “Die Gespräche seien bislang sehr konstruktiv, professionell und ernsthaft verlaufen”, sagte der Kanzlerkandidat der SPD, Olaf Scholz. Es gehe darum, nun die “wirtschaftliche und industrielle Modernisierung in Angriff zu nehmen, den menschengemachten Klimawandel schnell aufzuhalten.” Gesellschaftspolitisch gehe es um Respekt. Sie sei “nach den vertrauensvollen Gesprächen zuversichtlich, dass wir einen gemeinsamen Pfad finden werden“, so die SPD-Vorsitzende Saskia Esken.
Noch gibt es keinen öffentlich bekannten Fahrplan für das weitere Vorgehen. Schnell soll es aber gehen, aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen wird für die Sondierungen ein Zeitraum von höchstens zweieinhalb Wochen veranschlagt. Am 26. Oktober wird der neue Bundestag konstituiert.
Die Grünen lassen über die Aufnahme der formellen Koalitionsverhandlungen einen (wahrscheinlicher) kleinen oder (unwahrscheinlicher) großen Parteitag abstimmen, so der Beschluss des Grünen-Länderrates am vergangenen Samstag. Über die Annahme eines Koalitionsvertrages dürfte dann ein großer Parteitag entscheiden, der Anfang Dezember stattfinden könnte.
Auch die SPD hat für das Jahresende noch einen Parteitag vor sich, auf dem die Parteispitze gewählt werden soll – auch hier würde sich eine Abstimmung über den Koalitionsvertrag anbieten. An Nikolaus könnte die GroKo dann schon Geschichte sein.
Österreichs Kanzler Kurz (ÖVP) gerät immer stärker unter Druck. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt nun auch in einem zweiten Fall gegen den konservativen Regierungschef. Diesmal geht es um den Verdacht der Untreue, Bestechlichkeit und Bestechung, wie die Behörde am Mittwoch mitteilte. Kurz wies die Anschuldigungen zurück. Gegen den 35-Jährigen wird bereits wegen mutmaßlicher Falschaussage in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss ermittelt.
Laut Staatsanwaltschaft wird neben dem Kanzler gegen neun weitere Beschuldigte sowie drei Verbände ermittelt, teils in unterschiedlichen Beteiligungsformen. Im Zuge dessen fanden der Behörde zufolge am Mittwoch Hausdurchsuchungen an mehreren Standorten statt, darunter auch in einzelnen Büros zweier Ministerien.
Die ÖVP bestätigte Razzien im Kanzleramt, der Parteizentrale sowie im Finanzministerium. Betroffen sind der Partei zufolge enge Vertraute und Berater des Kanzlers. Die Behörde geht eigenen Angaben zufolge dem Verdacht nach, dass zwischen 2016 und zumindest 2018 Gelder des Finanzministeriums zur Finanzierung von parteipolitisch motivierten und mitunter manipulierten Umfragen eines Meinungsforschungsinstituts verwendet worden seien.
Die Umfrageergebnisse sind der Staatsanwaltschaft zufolge – ohne als Anzeige deklariert worden zu sein – im redaktionellen Teil einer österreichischen Tageszeitung und anderen zu dieser Gruppe gehörenden Medien veröffentlicht worden. Laut der Behörde besteht der Verdacht, dass im Gegenzug von den Amtsträgern im Rahmen von Medien- und Inseratekooperationen Zahlungen an das Medienunternehmen geleistet worden seien.
Die ÖVP kritisierte die Razzien. “Wir haben kein Verständnis für die Hausdurchsuchungen, die heute durchgeführt wurden. Es ist aus unsere Sicht reine Show und Inszenierung”, sagte ÖVP-Klubobmann August Wöginger. Zurückhaltend zeigte sich der Koalitionspartner, die Grünen. “Wir haben vollstes Vertrauen in die Justiz. Die macht ihre Arbeit ohne Ansehen der Personen. Wir werden sehen, wie es weitergeht”, sagte Grünen-Klubfrau Sigrid Maurer. rtr
Die Europäische Union hält an einer möglichen Erweiterung um sechs Balkanstaaten fest, fordert von den Kandidaten aber Reformen. Mehrere Staats- und Regierungschefs sowie EU-Ratspräsident Charles Michel erklärten nach dem sogenannten informellen Treffen in Slowenien, dass Serbien, Albanien, Nordmazedonien, Montenegro, Kosovo und Bosnien-Herzegowina eines Tages EU-Mitglieder werden sollten. Eine Jahreszahl für den Beitritt, gegen die sich auch Kanzlerin Angela Merkel ausgesprochen hatte, wurde erneut nicht genannt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte, dass die EU vor einer Erweiterung erst ihre eigenen Entscheidungsprozesse reformieren müsse.
In einer knappen “Brdo-Erklärung” betonen die 27 EU-Staaten, an dem Beitrittsprozess festhalten zu wollen. Darauf hatte neben der EU-Kommission und etlichen osteuropäischen Staaten auch Deutschland gepocht. Dafür sei es nötig, dass die sechs Länder ihren Reformprozess fortsetzten. In der Erklärung wird darauf verwiesen, dass die EU mit Abstand engster Partner, größter Investor und Hauptgeldgeber sei. Die sechs Staaten müssten dies auch öffentlich herausstellen, heißt es in Anspielung auf die Versuche etwa Chinas oder Russlands, ihre Hilfen herauszustellen.
Während es mit Serbien und Montenegro bereits EU-Beitrittsverhandlungen gibt, sollen sie mit Albanien und Nordmazedonien erst eröffnet werden. Bosnien und Herzegowina hat einen Antrag auf Gespräche gestellt, Kosovo dagegen noch nicht. Es gebe eine tiefe Sehnsucht nach einer Aufnahme in die EU, die für die Region der bevorzugte Partner sei, sagte von der Leyen. rtr
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Polen wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Unabhängigkeit der Justiz verurteilt. Das Gericht stellte am Mittwoch fest, dass dem polnischen Richter Waldemar Zurek zu unrecht verweigert wurde, gegen seine Amtsenthebung im Jahr 2018 zu klagen. Zurek hatte zuvor die Justizreform der polnischen Regierung kritisiert. Es ist Polens Justiz überlassen, wie sie die Entscheidung des EuGH umsetzt. Die EU könnte aber auch dies per Gerichtsentscheid forcieren.
Die Vorsitzenden der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Daniel Caspary und Angelika Niebler, forderten die EU-Mitgliedstaaten auf, sich hinter den EuGH zu stellen und uneingeschränkt die Gültigkeit von Entscheidungen des höchsten europäischen Gerichts einzufordern. “Andernfalls droht ein irreparabler Schaden für die EU.”
Der von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eingeschlagene Weg, Mittel aus dem Corona-Wiederaufbaufonds für Rechtsstaatssünder zurückzuhalten, sei “der richtige Weg”. Die Brüsseler Behörde hat den nationalen Umsetzungsplänen von Polen und Ungarn bislang die Zustimmung verweigert. rtr/tho
Laut eines Entwurfs des Kommissions-Arbeitsprogramms, der Europe.Table vorliegt, plant die EU-Kommission das “Recht auf Reparatur” im dritten Quartal 2022 zu verabschieden. Angekündigt hatte sie das Vorhaben bereits bei der Vorstellung des Green Deals im Dezember 2019. Im März konkretisierte sie es im neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft.
Das Gesetz soll Verbraucherrechte stärken, indem es klare Regeln zur Verfügbarkeit von Ersatzteilen und dem Zugang zu Reparaturen schafft. Der Schwerpunkt des Vorhabens soll auf Elektronik und Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) liegen. In diesen Sektoren will die Kommission über Reparaturen hinaus auch Nachrüstungen als Option prüfen.
Anna Cavazzini, Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) hatte zwar darauf gehofft, dass das Recht auf Reparatur noch dieses Jahr verabschiedet wird. Die Grünen-MEP begrüßt aber, dass die Kommission dem Entwurf ihres Arbeitsprogramms zufolge nun auch besonders auf faire Preise für Reparaturdienstleistungen und Ersatzteile achten wolle.
“Bei der Ausgestaltung werden wir als Europäisches Parlament darauf drängen, auch Informationen für Verbraucher:innen in Form eines Reparaturindexes und Ersatzteile für mindestens die erwartete Lebenszeit bereitzustellen”, sagte die Grünen-Politikerin Europe.Table auf Anfrage. Ihre Fraktion wolle außerdem die Hersteller in die Pflicht nehmen und die Gewährleistung ausdehnen. “Dafür werden wir in den Verhandlungen streiten”, so Cavazzini. Jasmin Kohl
Im Streit um die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 mit der EU hat der Pipeline-Betreiber einen Zwischenerfolg erzielt (Europe.Table berichtete). Ein Berater des obersten Gerichtshofs der Europäischen Union stellte am Mittwoch ein Urteil des zweithöchsten EU-Gerichts infrage. Die im Mai 2020 gefällte Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union gegen Nord Stream 2 sei fehlerhaft gewesen und sollte nochmals verhandelt werden, erklärte Generalanwalt Michal Bobek. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) folgt seinen Vorschlägen in der Regel, er ist aber nicht an seine Beurteilung gebunden.
Die vom russischen Gasriesen Gazprom betriebene Nord Stream 2 sei zur Anfechtung der Erdgasrichtlinie befugt, die im Zentrum des Gerichtsstreits zwischen der EU und dem Pipeline-Betreiber steht, hieß es in einer Pressemitteilung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Der Generalanwalt halte den Rechtsstreit in dieser Hinsicht nicht für entscheidungsreif und schlage vor, die Sache an das Gericht zurückzuverweisen. Die Richter wollen nun darüber und zu einem späteren Zeitpunkt ein Urteil fällen.
Im Kern geht es bei dem Streit zwischen dem Pipeline-Betreiber und der EU darum, ob die europäische Erdgasrichtlinie, die 2019 geändert wurde, angewandt wird oder nicht. Die Richtlinie sieht vor, dass Gaspipelines zwischen der EU und Drittstaaten, also auch Nord Stream 2, den Vorgaben der europäischen Regulierung zu unterwerfen sind. Der Pipeline-Betreiber hatte dagegen geklagt, mit der Begründung, die Richtlinie sei nur mit dem Ziel geändert worden, die Pipeline zu benachteiligen und zu behindern. Im Mai 2020 hat das Gericht der Europäischen Union diese Klage als unzulässig abgewiesen. rtr
Die EU-Kommission will offenbar das Wettbewerbsverfahren gegen Apple wegen seines Bezahldienstes verschärfen. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete unter Berufung auf Insider, die Kommission arbeite derzeit an Beschwerdepunkten, die Apple im kommenden Jahr zugesendet werden könnten.
Die EU-Wettbewerbshüter hatten Apple vergangenen Sommer in zwei separaten Verfahren ins Visier genommen und prüfen seither unter anderem, ob Apple Pay gegen EU-Regeln verstößt. Die Untersuchung konzentriert sich demnach inzwischen auf den NFC-Chip in iPhones, auf den nur Apple Pay zugreifen kann. Die Abkürzung NFC steht für Near Field Communication, ein Funkstandard, der kontaktloses Bezahlen ermöglicht. Die EU-Kommission wollte keine Stellung nehmen. rtr/tho
Der US-Grafikkartenspezialist Nvidia buhlt bei der EU-Kommission um die kartellrechtliche Genehmigung für die 54 Milliarden Dollar schwere Übernahme des britischen Chip-Entwicklers Arm. Nvidia habe der EU Zugeständnisse angeboten, hieß es am Mittwoch in Unterlagen, die bei der EU-Kommission eingereicht wurden. Die EU-Wettbewerbshüter nannten keine Einzelheiten, wollen aber bis zum 27. Oktober eine Entscheidung treffen.
Vor knapp einem Jahr hatte Nvidia angekündigt, Arm vom japanischen Technologieinvestor Softbank übernehmen zu wollen. In der Branche sorgte das für einen Aufschrei. Arm gilt bislang als neutraler Akteur, der an verschiedene Unternehmen wie Qualcomm, Samsung Electronics und Apple Patente verkauft. Fast jedes Smartphone und Millionen anderer Geräte verfügen über lizenzierte Arm-Prozessoren. Laut Nvidia sollen inzwischen Arm-Kunden wie Broadcom und MediaTek den Deal unterstützen. rtr
Die Verbraucherpreisinflation in der Eurozone hat sich im September weiter beschleunigt. Sie liegt nun mit 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf dem höchsten Stand seit 13 Jahren, was eine Welle alarmierter Schlagzeilen ausgelöst hat. Die jährliche Inflation in den USA lag im August bei 5,3 Prozent. Wie besorgt sollten die politischen Entscheidungsträger in Europa und den USA also über einen möglichen lang anhaltenden Anstieg der Inflation sein?
In der Eurozone zumindest kommen die gegenwärtigen Inflationsschlagzeilen nicht unerwartet. Die Erfahrung legt nahe, dass eine Wirtschaftskrise zunächst zu Deflations- und dann zu Inflationsängsten führt. Nach der globalen Finanzkrise von 2008 folgte auf die deflationären Sorgen auf dem Tiefpunkt der anschließenden Rezession ein leichter Anstieg der Inflation während der dann folgenden Konjunkturerholung.
Ein ähnliches Muster zeichnet sich in der Covid-Krise ab. Im letzten Jahr fielen die Preise in der Eurozone zeitweise; damals war von anhaltenden deflationären Auswirkungen der Pandemie die Rede.
Man muss die Situation also etwas relativieren. Zunächst einmal beschreibt die gemeldete Inflation normalerweise den Anstieg des Verbraucherpreisindex im Vergleich zur Zeit von vor zwölf Monaten. Ungewöhnlich niedrige Vorjahrespreise verzerren die Zahl daher. Dieser Basiseffekt ist heute nicht bloß ein Faktor unter vielen, die den steigenden Inflationszahlen zugrunde liegen; er ist angesichts des Tiefpunktes im Vorjahr der Schlüssel zu ihrem Verständnis.
Deshalb bietet es sich an, die Inflation über die letzten 24 Monate hinweg statt über die letzten zwölf zu berechnen. Auf dieser Basis legen die jüngsten Zahlen aus der Eurozone keine starke Inflationsdynamik nahe: Die Gesamtinflationsrate (gemessen am harmonisierten Verbraucherpreisindex) betrug im September 3,4 Prozent, doch ist der Index über die vergangenen zwei Jahre hinweg um bloße 1,5 Prozent jährlich gestiegen.
Die Gesamtinflation wird zudem durch schwankungsanfällige Energiepreise beeinflusst. Es sollte daher nicht überraschen, dass die jährliche Kerninflation in der Eurozone (die die Energiepreise unberücksichtigt lässt) in den vergangene Jahren niedrig war und gemessen über Zweijahresintervalle in einem engen Korridor von rund 1 bis 1,5 Prozent verlief.
Doch gibt es klare transatlantische Unterschiede. In den USA weist die Zwei-Jahres-Inflation nach oben. Die amerikanischen Verbraucherpreise sind in den vergangenen 24 Monaten im Schnitt um 3,3 Prozent jährlich gestiegen. Selbst der Kernindex der persönlichen Konsumausgaben (PCE) liegt für die vergangenen zwei Jahre inzwischen bei über 2,5 Prozent und damit deutlich über dem Korridor von 1,5 bis 2 Prozent, der während des vergangenen Jahrzehnts die Regel war.
Ein weiterer Grund, warum einige fürchten, dass sich die Inflation gegenüber diesem relativ bescheidenen Niveau beschleunigen könnte, ist der starke Anstieg vieler Rohstoffpreise. Aber auch dieser war im Kontext einer globalen Konjunkturerholung zu erwarten.
Während die Preise für Rohöl-Futures auf dem Höhepunkt der pandemiebedingen Turbulenzen an den Finanzmärkten Anfang 2020 kurzzeitig in Negative drehten, wird Öl derzeit mit 70 bis 80 Dollar pro Barrel gehandelt. Eine ähnliche Achterbahnfahrt gab es nach der globalen Finanzkrise.
Die Preise für Gas-Futures sind in Europa zuletzt in die Höhe geschnellt, doch dürfte dieser Preisanstieg zwangsläufig vorübergehender Art sein. Da die Preise in den europäischen Handelszentren beim Fünffachen des US-Niveaus liegen, wird eine Arbitrage mit preisgünstigerem US-Schiefergas die europäischen Preise im Laufe der Zeit nach unten treiben. Die Preise für andere Rohstoffe – wie etwa Metalle – neigen ebenfalls dazu, bei einer Branchenerholung anzuziehen.
Höhere Rohstoffpreise steigern kurzfristig die Gesamtinflation, aber leiten nicht zwangsläufig eine Inflationsspirale ein. Zwar entwickelte sich eine derartige Inflationsspirale nach den Ölschocks der 1970er-Jahre. Doch lag dies daran, dass die Arbeitnehmer und Verbraucher in rohstoffimportierenden Regionen wie Europa und – im geringeren Umfang – in den USA sich weigerten, die aus der Energieverteuerung herrührenden Kaufkraftverluste zu akzeptieren, und höhere Löhne verlangten.
Dass es heute zu einer derartigen Spirale kommt, ist deutlich unwahrscheinlicher. Schließlich folgte auf den Preisboom bei den Rohstoffen Anfang der 2000er-Jahre kein bleibender Anstieg der Inflation. Dies lag teilweise daran, dass sich die Energie- und Rohstoffintensität der hoch entwickelten Volkswirtschaften im Laufe der Zeit verringert hat. Die heutigen Preise für Öl und viele andere Rohstoffe erscheinen im Vergleich zum vergangenen Jahr hoch, aber liegen weiterhin unter ihrem Höchstwert des Jahres 2008.
Die Notenbanken fangen an, sich Sorgen zu machen, wenn eine erhöhte Inflation bei den Verbrauchern höhere Inflationserwartungen auslöst. Auch hier sind transatlantische Unterschiede zu verzeichnen. Verbrauchererhebungen der Europäischen Kommission zeigen, dass die Inflationserwartungen während der tiefen Rezession des Jahres 2020 fielen und inzwischen wieder steigen.
Doch ihr aktuelles Niveau legt nahe, dass die Verbraucher in der Eurozone den Aufwärtsdruck auf die Preise nicht für stärker halten als während der Erholung von der globalen Finanzkrise in den Jahren 2010 und 2011. Dagegen zeigt eine ähnliche Verbraucherbefragung der New York Federal Reserve, dass die mittelfristigen Inflationserwartungen in den USA inzwischen bei 4 Prozent liegen.
Die führenden Notenbanken ähneln heutzutage Schiffen, die durch den Covid-Schock gefährlich nah an deflationäre Klippen getrieben wurden. Nun dreht der Wind, und ihre Anti-Inflations-Anker geraten ins Rutschen. Für die Europäische Zentralbank könnte das – in Maßen – etwas Gutes sein, weil sie zuvor gefährlich nahe am Ufer geankert hatte. Doch die US-Federal-Reserve sollte womöglich anfangen, sich Sorgen zu machen, dass sie ins offene Meer abtreibt.
In Kooperation mit Project Syndicate
“Stell dir vor, es ist Rat, und keiner geht hin.” Zugegeben, die ursprünglich pazifistische Parole lautet ein wenig anders, ein Krieg stand auch nicht auf der Tagesordnung beim Treffen der EU-Umweltminister am Mittwoch. Wohl aber ein Kampf. Der “alles entscheidende, richtungsweisende, historische Kampf gegen den Klimawandel”. Derlei Bezeichnungen fielen bereits bei den Eingangsstatements der Teilnehmer zur Genüge. Schade nur, dass sie niemand hörte, denn die Anzahl an Journalisten, die sich am Mittwoch auf den Weg nach Luxemburg machten, um der historischen Debatte beizuwohnen, ließ sich an einer Hand abzählen.
Dabei war das erste Treffen des Umweltrates seit der Vorstellung des Fit-for-55-Klimapakets durch die Kommission durchaus bedeutend. Denn die Umsetzung der im Paket enthaltenen Gesetzesvorschläge wird unweigerlich tiefgreifende Veränderungen für die Europäische Wirtschaft ebenso wie für die Bevölkerung mit sich bringen.
Warum also blieb der Presse-Arbeitsraum des European Convention Center in Luxemburg, der Platz für mehrere Hundert Journalisten bietet, am Mittwoch praktisch verwaist? Womöglich ist die Reisebereitschaft in Folge der Corona-Krise nach wie vor getrübt. Vielleicht versprach auch der zeitgleich stattfindende Westbalkan-Gipfel mit den EU-Staats- und Regierungschefs die noch spannenderen Debatten.
Vielleicht hatte aber auch einfach niemand Lust, den eigentlich sinnlosen Weg nach Luxemburg auf sich zu nehmen. Schließlich könnte der Rat genauso gut in seinem Stammhaus in Brüssel zusammenkommen. Aber die Europäischen Verträge sehen nun mal vor, dass der Rat der EU seine Tagungen im April, Juni und Oktober in Luxemburg abhält. Das ist zwar sehr teuer und im Grunde von niemandem gewollt. Ändern lässt es sich aber auch nicht so einfach. Ein bisschen wie der Klimawandel. Timo Landenberger
die Energiepreise explodieren – und die EU ringt mit der Frage, welche Lehren sie aus dieser Situation ziehen soll. Einige Mitgliedstaaten fordern ein gemeinsames Vorgehen. EVP-Fraktionschef Weber setzte einen Tweet ab, in dem er den Vorstoß unterstützte – und von “russischer Erpressung” sprach. Ganz anderer Meinung ist die deutsche Bundeskanzlerin. Lukas Scheid analysiert die Debatte.
Die angespannte Lage auf den Energiemärkten beschäftigte auch die EU-Umweltminister bei ihrem Treffen in Luxemburg. Sie kamen am Mittwoch erstmals seit Vorstellung des Fit-for-55-Pakets zusammen und stellten gleich ihre Uneinigkeit unter Beweis. Timo Landenberger fasst die wesentlichen Streitpunkte zusammen.
Tief im Westen Berlins treffen sie sich: die Verhandlungsgruppen von SPD, Grünen und FDP. Während es in der Union gärt, wollen sich die Ampel-Sondierer sechs Stunden lang an der Berliner Messe beraten. Den Stand der Annäherung und mögliche zeitliche Szenarien hat Falk Steiner zusammengetragen.
Am Mittwochmorgen sah es auf den weltweiten Energiemärkten noch nicht nach einer Verbesserung aus. Die Preise für Gas stiegen weiter sprunghaft und erreichten neue Rekordwerte. Dann am Nachmittag die überraschende Ankündigung: Der russische Präsident Wladimir Putin will zusätzliche Gaslieferungen in die EU durch die Ukraine ermöglichen. Prompt entspannte sich der Markt.
Der europäische Terminkontrakt auf Erdgas verbilligte sich um 9,5 Prozent auf 105 Euro je Megawattstunde, nachdem er zuvor ein Rekordhoch bei einem Preis von 162,125 Euro markiert hatte. Der US-Future und die Ölsorte Brent aus der Nordsee konnten ihre Mehrjahreshochs ebenfalls nicht halten und fielen auf 5,803 Dollar je Millionen BTU beziehungsweise 81,29 Dollar je Barrel.
Putins Ankündigung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Europa sich schon längst in einer Debatte um die geeigneten Maßnahmen verfangen hat. Die Rufe nach mittel- und langfristigen Strategien werden lauter, um künftige Steigerung der Preise von Gas besser im Griff zu haben.
Frankreich, Spanien, Tschechien und Griechenland fordern ein kollektives und koordiniertes Vorgehen der EU-Staaten, auch EVP-Fraktionschef Manfred Weber unterstützt den Vorstoß. Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez forderte am Mittwoch, dass die EU-Kommission im Namen aller 27 Mitgliedsstaaten um Gasverträge verhandeln solle. “Und wenn einige von ihnen dagegen sind, schlagen wir eine verstärkte Zusammenarbeit vor, bei der die Länder, die das wollen, sich anschließen können und die Kommission verhandelt”, sagte Sánchez.
Länder wie Deutschland, die Niederlande, Belgien und Portugal sind skeptisch. Sie warnen vor einer vorschnellen Reaktion, die den europäischen Energiemarkt grundlegend verändern könnte. Der Anstieg der Preise von Gas und Energie sei vor allem auf die gesteigerte Nachfrage nach der Corona-Krise und einmalige Faktoren wie die Windenergie-Knappheit diesen Sommer zurückzuführen. Bundeskanzlerin Angela Merkel verwies zudem auf die gute Konjunktur in Ostasien als Faktor – und warnte vor vorschnellen Vorwürfen in Richtung Russland.
EU-Energiekommissarin Kadri Simson reagierte bei der Aussprache zwischen EU-Parlament, Kommission und Rat in Straßburg am Mittwoch ebenfalls skeptisch auf die Idee kollektiver Gasverträge. Sie würden keine neue Idee darstellen, aber hohe praktische Hürden und nur geringe Vorteile mit sich bringen. Dennoch solle es bei der Debatte um regulatorische Maßnahmen keine Tabus geben, betonte die Kommissarin.
Bis zum Ende des Jahres will die Kommission ein langfristiges Reformpaket für den Energiemarkt vorschlagen, “um ihn widerstandsfähiger gegen Preiserhöhungen zu machen”. Dabei soll auch der Vorschlag, die Gasspeicherkapazitäten in der EU auszuweiten, berücksichtigt werden.
Simson mahnte jedoch bereits zur Vorsicht vor zu weitreichenden Reformen. Der europäische Energiemarkt sei der zuverlässigste der ganzen Welt und nicht für die aktuelle Situation verantwortlich. Sie schlug deshalb vor, eine Studie zur Preisbildung und Investitionsanreizen auf dem Energiemarkt durchzuführen, um mehr über die Ursachen der aktuellen Lage zu erfahren.
Wie eine Energiemarkt-Reform aussehen könnte, soll auch beim Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs am 21. und 22. Oktober diskutiert werden. Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, kündigte an, dass die Preise von Gas und Energie dort “weit oben auf der Agenda” stehen würden. Es gebe “politischen Raum für einen europäischen Ansatz”.
Viele Beobachter erwarten, dass sich die hohen Gas- und Energie-Preise schon im kommenden Frühjahr wieder stabilisieren. Entsprechend geht es bei der politischen Debatte insbesondere um kurzfristige Maßnahmen, die den Mitgliedstaaten sofort helfen. Welche Maßnahmen europarechtlich möglich sind, will die Kommission kommende Woche in einer “Toolbox” aufzeigen. Und auch hier erreichten die Kommission am Mittwoch deutliche Forderungen – diesmal aus dem Parlament.
Die durch die Energiepreissteigerung ebenfalls gestiegenen Steuereinnahmen müssten von der Kommission offengelegt und für die Entlastung der schwachen Haushalte eingesetzt werden, forderte Pascal Canfin (Renew). Ersterem Wunsch kam die Kommission umgehend nach. Simson bezifferte die zusätzlichen Einnahmen der Mitgliedstaaten in Folge der Energiepreissteigerung auf 10,8 Milliarden Euro. Auch sie ließ durchklingen, dass dieses Geld sozial gerecht eingesetzt werden sollte.
Für die Entlastung der Unternehmen brachte Simson befristete Steuererleichterungen ins Spiel und bekam dafür Unterstützung aus der Industrie. Der Beihilferahmen der EU-Kommission müsse so gestaltet werden, “dass weitgehende Entlastungen bei den Energiepreisen – zum Beispiel durch einen Industriestrompreis – überhaupt möglich werden”, sagte Jörg Rothermel zu Europe.Table. Rothermel ist Abteilungsleiter für Energie, Klimaschutz und Rohstoffe beim Verband der Chemischen Industrie. Die deutsche Grünenpolitikerin Jutta Paulus warnte allerdings davor, durch Steuererleichterungen indirekt Subventionen für fossile Brennstoffe auszuschütten.
Auch die Rolle Russlands sorgt für Diskussionen. Der rumänische Abgeordnete Siegfried Mureșan (EVP) etwa verdächtigte den russischen Staatskonzern Gazprom der Marktmanipulation und forderte von der Kommission, diese zu untersuchen. Falls sich der Verdacht, dass Gazprom die Preise von Gas durch künstliche Verknappung in die Höhe treibt, bestätigen sollte, müssten Sanktionen die Folge sein, so Mureșan.
Noch deutlicher wurde der niederländische Grünen-Abgeordnete Bas Eickhout. Gaslieferungen aus Russland in die EU durch Belarus seien vergangene Woche um 70 Prozent zurückgegangen. “Gazprom und Russland führen uns an der Nase herum.” Sollten dies “geopolitische Spielchen” sein, sollte die EU reagieren, forderte Eickhout und nannte die russische Gas-Pipeline Nord Stream 2 “keine gute Idee”. Das richtete sich vor allem an Deutschland.
Merkel widersprach: “Russland kann ja nur Gas liefern auf der Grundlage von vertraglichen Bindungen und nicht einfach so.” Vielmehr stelle sich die Frage, ob genug Gas bestellt oder ob gerade wegen des hohen Preises derzeit nicht so viel Gas geordert werde. Das alles solle bis zum EU-Gipfel Ende Oktober analysiert werden.
Die Klimaziele sind klar: Bis zum Jahr 2030 will die EU ihre Treibhausgasemissionen um 55 Prozent und bis 2050 auf null senken. Wie das gelingen soll, daran scheiden sich jedoch die Geister. Mit ihrem Fit-for-55-Paket hat die EU-Kommission ein umfassendes Maßnahmenbündel zum Erreichen der Klimaziele vorgelegt, das nun in den Mitgliedstaaten diskutiert wird. Am Mittwoch kamen in Luxemburg erstmals die EU-Umweltminister zusammen – und demonstrierten alles andere als Einigkeit.
Den stärksten Gegenwind erfuhr der Vorschlag der Kommission, auch für die Bereiche Verkehr und Gebäude ein Emissionshandelssystem (ETS) einzuführen. Besonders die osteuropäischen Länder stehen der Idee skeptisch gegenüber, lehnen sie teils vehement ab. “Selbst mit den Kompensationsmaßnahmen der Kommission würde die Situation, besonders in Mittel- und Osteuropa, in Schieflage geraten”, sagte etwa der Vertreter Ungarns. Andere verwiesen auf die nach wie vor starke Abhängigkeit ihrer Länder von der Kohle beim Heizen, auf die unterschiedliche Kaufkraft und die ohnehin schon hohe finanzielle Belastung der Haushalte durch die zuletzt stark gestiegenen Energiepreise.
Die angespannte Lage auf den Energiemärkten verfolgen mehrere Delegationen erklärtermaßen mit Sorge. Klimaschutz sei hier aber die Lösung und nicht das Problem, entgegnete Kommissionvizepräsident Frans Timmermans. Ein zügiger Ausbau der erneuerbaren Energien verringere die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern und Importen aus dem Ausland.
Bedenken hinsichtlich steigender Kosten äußerte auch Frankreich. Jedenfalls müsse die Entwicklung des CO2-Preises sichtbarer gemacht werden. Frankreichs Umweltministerin Barbara Pompili forderte “detaillierte Analysen angesichts der Volatilität des Preises”.
Timmermans verteidigte den Vorstoß der Kommission: Statt zurückzugehen, seien die Emissionen im Verkehrsbereich weiter angestiegen. Im Gebäudesektor entwickle sich die Energieeffizienz ebenfalls nicht in die gewünschte Richtung. “Die bestehenden Instrumente reichen also nicht und wir müssen uns etwas Neues einfallen lassen.” Er sei offen für Vorschläge, die das gleiche oder ein besseres Ergebnis erzielen. Aber man dürfe den Bürgern auch nichts vormachen, und das ETS habe sich in anderen Sektoren bewährt.
Deutschland unterstützt den Vorschlag. Die Bundesregierung hatte Anfang des Jahres einen CO2-Preis für Verkehr und Gebäude eingeführt, der mittelfristig in einem europäischen ETS aufgehen soll. “Das fair zu gestalten ist möglich. Das ist uns in Deutschland genauso wichtig und das geht auch europäisch”, sagte Umweltministerin Svenja Schulze. Um für einen sozialen Ausgleich zu sorgen und soziale Schieflagen durch die CO2-Bepreisung zu vermeiden, hat die EU-Kommission die Einführung eines Sozialfonds angekündigt.
Auch aus Österreich kommt Zustimmung. Mit seiner öko-sozialen Steuerreform hat das Land vor wenigen Tagen ebenfalls eine CO2-Bepreisung auf nationaler Ebene eingeführt (Europe.Table berichtete). Man werde nun genau prüfen, wie ein europäisches ETS die Maßnahmen in Österreich ergänzen könne, sagte Umweltministerin Leonore Gewessler.
Mit der Überarbeitung der Verordnung zur Lastenteilung will die EU-Kommission den Ländern strengere Ziele zur Senkung ihrer Emissionen in den Bereichen zuweisen, die nicht vom Emissionshandel erfasst werden. Grundlage für die Neuberechnung soll das BIP pro Kopf sein. Das stößt in manchen Ländern auf Ablehnung, mehrfach wurde die Forderung nach mehr Flexibilität geäußert. Daneben müssten weitere Faktoren in die Berechnung mit einfließen, etwa die regional unterschiedlich starken Auswirkungen des Klimawandels, sagte Spaniens Ministerin für ökologischen Wandel Teresa Ribera. Konkretes Beispiel seien die jüngsten Waldbrände im Mittelmeerraum. Nur die bestehenden Hektar Waldfläche zugrunde zu legen, sei zu kurz gedacht.
Tschechiens Umweltminister Vladislav Smrž erklärte, für sein Land seien die vorgeschlagenen neuen Ziele fast doppelt so hoch wie bisher und aufgrund der damit verbundenen Kosten kaum zu erreichen. Auch Schweden kritisierte die “unrealistisch hohen Ziele”. Die Bundesregierung hingegen hatte bereits mehrfach betont, die nationalen Klimaziele stünden im Einklang mit dem EU-Klimaschutzgesetz und den Zielen der Lastenteilung.
Neben der Einführung eines Emissionshandels für den Verkehrsbereich sollen auch verschärfte CO2-Standards für PKW den weiter steigenden Schadstoffausstoß stoppen. Die Pläne der Kommission sehen eine Emissionsminderung um 100 Prozent bis 2035 vor, was de facto einem Aus des Verbrenners gleichkommt und deshalb höchst umstritten ist.
Auch Deutschland konnte sich hier noch auf keine klare Position festlegen. Eine Aufgabe, die wohl der nächsten Bundesregierung zukommen wird. Österreich hingegen forderte noch ambitioniertere Ziele, die CO2-Standards müssten auch schon vor 2030 einen ausreichenden Beitrag leisten. Auch Schweden plädierte dafür, die Ziele vorzuziehen, betonte aber auch, dies könne nur im Einklang mit einem stärkeren Ausbau der Ladeinfrastruktur passieren.
Für Tschechien kommt ein Verbot des Verbrennungsmotors im Jahr 2035 zu früh. Brabec: “Das werden unsere Bürger nicht akzeptieren. Es entspricht auch nicht dem technologischen Fortschritt und wir sind überzeugt, die Null-Emissionen im Verkehrsbereich auf diese Art nicht zu erreichen.”
Frankreich forderte mehr Technologieoffenheit im gesamten Paket. Die Leistungsfähigkeit sämtlicher Technologien müsse berücksichtigt werden.
Die im EU-Gesetz zum Klimaschutz beschlossenen Emissionsreduktionen sind ein Netto-Ziel, in dem auch die natürliche CO2-Senkleistung, etwa durch Wälder oder Moore, berücksichtigt wird. Entsprechend wird die Europäische Land- und Forstnutzungsverordnung (LULUCF) angepasst, was besonders im von Forstwirtschaft geprägten Schweden auf Ablehnung stößt.
“Wir glauben nicht, dass damit das Ziel erreicht werden kann. Ein verstärkter Fokus auf Kohlenstoffsenken darf nicht die Emissionsreduktion ersetzen”, so Schwedens Umweltminister Per Bolund. Verbindliche Jahresziele seien schwer mit einem von starken Schwankungen geprägten Sektor vereinbar. Die Forstwirtschaft müsse in nationaler Zuständigkeit bleiben.
Auch für Svenja Schulze steht fest: Die neue LULUCF stelle den Sektor vor enorme Herausforderungen. Dabei dürften die nachhaltig erschließbaren Potenziale der Biomassenutzung nicht überschritten werden.
Aller Kontroversen zum Trotz konnten sich die EU-Umweltminister und der slowenische Ratsvorsitz auf eine gemeinsame Schlussfolgerung zum globalen Klimaschutz einigen. Diese bildet die Grundlage für die Position der EU bei der Weltklimakonferenz COP26 Anfang November in Glasgow. Somit könne die Europäische Delegation bei der Konferenz einen klaren und konvergenten Standpunkt vertreten und die EU ihrer Vorreiter-Rolle beim internationalen Klimaschutz gerecht werden, sagte der slowenische Umweltminister Andrej Vizjak.
Umstritten war bis zu zuletzt insbesondere die Frage nach einem angemessenen Zeitrahmen für die nationalen Klimaschutzziele (NDC). Das Gremium einigte sich darauf, in der Schlussfolgerung der EU-Klimaziele eine Laufzeit von fünf Jahren festzulegen, was der Position der meisten Industriestaaten entspricht. “Sollte es dennoch in Glasgow in dieser Frage zu keiner Einigung kommen, sind die fünf Jahre auch für die EU-Staaten nicht bindend”, stellte Vizjak klar. Besonders Polen hatte Bedenken geäußert, ein zu kurzer Zeitrahmen werde früher zu einer erneuten Verschärfung der Ziele führen.
08.10.2021 – 09:30-10:00 Uhr, online
GIGA/CERI, Presentation Franco-German Observatory of the Indo-Pacific
The Franco-German Observatory of the German Institute of Global and Area Studies (GIGA) invites speakers from the Indo-Pacific to discuss such issues as economic interdependence and independence, trade and investment, and the expectations of Indo-Pacific countries towards Europe. REGISTRATION
09.10.2021 – 09:30 Uhr, München
HSS, Seminar Marktwirtschaft & Klimaschutz nach der Bundestagswahl
Die von der Hanns Seidel Stiftung (HSS) geladenen Expert:innen widmen sich dem Spannungsfeld Wirtschaft und Klimaschutz und behandeln dabei Fragen wie: Wie kann eine nachhaltige Marktwirtschaft aussehen? Wie kann die Marktwirtschaft sinnvoll für eine rationale Klimapolitik eingesetzt werden? INFOS & ANMELDUNG
11.10-14.10.2021, online
CSR Europe, Conference The European SDG Summit
This years’ Sustainable Development Goals (SDG) Summit focuses on the European Pact for Sustainable Industry and publishes a Barometer to show sustainability levels and maturity of European industry associations. Representatives from business, industry and politics will have an opportunity to discuss climate policy, financing the future, the future of work beyond skills as well as resilient and inclusive supply chains. REGISTRATION
11.10.-15.10.2021, Hamburg
ERTICO, Conference ITS World Congress
The Intelligent Transport Systems (ITS) Congress deals with intelligent mobility and the digitalization of transport. Experts and participants will focus on issues such as the importance of ITS in cities and the relevance of political and public awareness for smart mobility solutions. INFOS & ANMELDUNG
12.10.2021 – 10:00-11:30 Uhr, online
VDMA, Vortrag Nachhaltige Unternehmensführung und CSR im Maschinenbau
Die Veranstaltung des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) soll aufzeigen, wie Nachhaltigkeit in der Industrie aktiv umgesetzt werden kann. Dabei sollen sowohl Unternehmen als auch Lieferketten in den Blick genommen werden. INFOS & ANMELDUNG
12.10.2021 – 14:00 Uhr, Hamburg/online
CIGRE/CIRED, Vortrag Die Netze werden grüner!
Die Referent:innen der CIGRE/CIRED Informationsveranstaltung 2021 werden Lösungsansätze zur Dekarbonisierung für Netzbetreiber diskutieren. Dabei werden auch Möglichkeiten wie Wasserstoff thematisiert. Diskutiert wird außerdem, wie die Biodiversität auch bei Hoch- und Höchstspannungsanlagen erhöht werden kann. ANMELDUNG
27.10.-29.10.2021, online
ERA, Conference Intellectual Property and Artificial Intelligence
The Academy of European Law (ERA) conference will discuss the European legal framework for intellectual property in the context of new technology developments. Key topics will include trademark strategies for artificial intelligence (AI) technologies, legal issues related to patent and copyright law, and the impact of the European strategy for data on intellectual property law. EARLY BOOKING DISCOUNT UNTIL 10.10.2021
01.11.-04.11.2021, Lissabon
CIL, Conference Web Summit
The Web Summit technology conference addresses topics related to Internet technology, new technologies and venture capital. Founders, CEOs of large tech corporations and start-ups, as well as politicians will discuss future challenges. REGULAR TICKETS UNTIL 08.10.2021
08.12.2021 – 10:45 Uhr, Frankfurt
Eco, Konferenz Eco Award & Kongress 2021
Im Rahmen des Kongresses und Awards des Verbands der Internetwirtschaft (Eco) treffen sich Vertreter:innen der IT-Branche, diskutieren aktuelle Herausforderungen sowie neue Strategien und tauschen Erfahrungen aus. Die Konferenz steht unter dem Motto: “Digital sovereignty meets future internet”. FRÜHBUCHERRABATT BIS ZUM 08.10.2021
Freude strahlten weder Annalena Baerbock und Robert Habeck noch Christian Lindner aus, als sie am Mittwoch vor die Kameras traten. Baerbock betonte, dass es eine große Herausforderung sei, eine umfassende Erneuerung anzugehen. Habeck erläuterte, dass sich in den Vorgesprächen zu einer möglichen Ampel-Koalition “größte inhaltlichen Schnittmengen” gezeigt hätten, “das gilt vor allem für den breiten Bereich der Gesellschaftspolitik”. Die Union habe sich wirklich bemüht, dennoch gebe es größere Differenzen im Jamaika-Bündnis.
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner, mit dem die Grünenvorsitzenden vorab kommuniziert hatten, trat nach zweistündigen Beratungen mit Bundesvorstand und mit der Bundestagsfraktion vor die Mikrofone. Man habe sich dort entschlossen, den Gesprächsvorschlag der SPD anzunehmen, “um Gemeinsamkeiten zu prüfen, die unser Land nach vorne bringen”. Lindner betonte: “Für uns bleibt eine Jamaika-Koalition eine inhaltlich tragfähige Option. Allerdings werden in der Öffentlichkeit Regierungswille und Geschlossenheit der Unionsparteien diskutiert.“
Genau diese stand wenig später erneut infrage: Nur kurz äußerte sich der CDU-Vorsitzende Armin Laschet: Die FDP habe signalisiert, dass es in sehr vielen Punkten Übereinstimmung mit der Union gebe. Aber das weitere Verfahren sei die Entscheidung von FDP und Grünen: “Wir stehen bereit als Gesprächspartner, CDU und CSU”.
In München klang das deutlich reservierter: “Klar ist das noch nicht die endgültige Regierung, aber wie wir wissen, da kann man nicht einfach wieder abbrechen, sondern der Weg ist beschritten”, sagte der CSU-Vorsitzende Markus Söder. Die Entscheidung von FDP und Grünen sei “de-facto eine Absage an Jamaika”. Dies komme nicht überraschend nach dem Wahlergebnis. Er sei gespannt auf die Ergebnisse der Gespräche zu einer möglichen Ampel-Koalition. “Wir bleiben zwar gesprächsbereit, aber nicht in einer Art Dauer-Lauerstellung.”
Die Absage an Jamaika dürfte Laschet intern noch weiter unter Druck bringen. Für die Union beginne jetzt “ein völlig neuer Zeitabschnitt“, so Söder. Man müsse mit dem Ergebnis nun umgehen.
Einer, der freute sich sichtlich: “Die Gespräche seien bislang sehr konstruktiv, professionell und ernsthaft verlaufen”, sagte der Kanzlerkandidat der SPD, Olaf Scholz. Es gehe darum, nun die “wirtschaftliche und industrielle Modernisierung in Angriff zu nehmen, den menschengemachten Klimawandel schnell aufzuhalten.” Gesellschaftspolitisch gehe es um Respekt. Sie sei “nach den vertrauensvollen Gesprächen zuversichtlich, dass wir einen gemeinsamen Pfad finden werden“, so die SPD-Vorsitzende Saskia Esken.
Noch gibt es keinen öffentlich bekannten Fahrplan für das weitere Vorgehen. Schnell soll es aber gehen, aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen wird für die Sondierungen ein Zeitraum von höchstens zweieinhalb Wochen veranschlagt. Am 26. Oktober wird der neue Bundestag konstituiert.
Die Grünen lassen über die Aufnahme der formellen Koalitionsverhandlungen einen (wahrscheinlicher) kleinen oder (unwahrscheinlicher) großen Parteitag abstimmen, so der Beschluss des Grünen-Länderrates am vergangenen Samstag. Über die Annahme eines Koalitionsvertrages dürfte dann ein großer Parteitag entscheiden, der Anfang Dezember stattfinden könnte.
Auch die SPD hat für das Jahresende noch einen Parteitag vor sich, auf dem die Parteispitze gewählt werden soll – auch hier würde sich eine Abstimmung über den Koalitionsvertrag anbieten. An Nikolaus könnte die GroKo dann schon Geschichte sein.
Österreichs Kanzler Kurz (ÖVP) gerät immer stärker unter Druck. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt nun auch in einem zweiten Fall gegen den konservativen Regierungschef. Diesmal geht es um den Verdacht der Untreue, Bestechlichkeit und Bestechung, wie die Behörde am Mittwoch mitteilte. Kurz wies die Anschuldigungen zurück. Gegen den 35-Jährigen wird bereits wegen mutmaßlicher Falschaussage in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss ermittelt.
Laut Staatsanwaltschaft wird neben dem Kanzler gegen neun weitere Beschuldigte sowie drei Verbände ermittelt, teils in unterschiedlichen Beteiligungsformen. Im Zuge dessen fanden der Behörde zufolge am Mittwoch Hausdurchsuchungen an mehreren Standorten statt, darunter auch in einzelnen Büros zweier Ministerien.
Die ÖVP bestätigte Razzien im Kanzleramt, der Parteizentrale sowie im Finanzministerium. Betroffen sind der Partei zufolge enge Vertraute und Berater des Kanzlers. Die Behörde geht eigenen Angaben zufolge dem Verdacht nach, dass zwischen 2016 und zumindest 2018 Gelder des Finanzministeriums zur Finanzierung von parteipolitisch motivierten und mitunter manipulierten Umfragen eines Meinungsforschungsinstituts verwendet worden seien.
Die Umfrageergebnisse sind der Staatsanwaltschaft zufolge – ohne als Anzeige deklariert worden zu sein – im redaktionellen Teil einer österreichischen Tageszeitung und anderen zu dieser Gruppe gehörenden Medien veröffentlicht worden. Laut der Behörde besteht der Verdacht, dass im Gegenzug von den Amtsträgern im Rahmen von Medien- und Inseratekooperationen Zahlungen an das Medienunternehmen geleistet worden seien.
Die ÖVP kritisierte die Razzien. “Wir haben kein Verständnis für die Hausdurchsuchungen, die heute durchgeführt wurden. Es ist aus unsere Sicht reine Show und Inszenierung”, sagte ÖVP-Klubobmann August Wöginger. Zurückhaltend zeigte sich der Koalitionspartner, die Grünen. “Wir haben vollstes Vertrauen in die Justiz. Die macht ihre Arbeit ohne Ansehen der Personen. Wir werden sehen, wie es weitergeht”, sagte Grünen-Klubfrau Sigrid Maurer. rtr
Die Europäische Union hält an einer möglichen Erweiterung um sechs Balkanstaaten fest, fordert von den Kandidaten aber Reformen. Mehrere Staats- und Regierungschefs sowie EU-Ratspräsident Charles Michel erklärten nach dem sogenannten informellen Treffen in Slowenien, dass Serbien, Albanien, Nordmazedonien, Montenegro, Kosovo und Bosnien-Herzegowina eines Tages EU-Mitglieder werden sollten. Eine Jahreszahl für den Beitritt, gegen die sich auch Kanzlerin Angela Merkel ausgesprochen hatte, wurde erneut nicht genannt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte, dass die EU vor einer Erweiterung erst ihre eigenen Entscheidungsprozesse reformieren müsse.
In einer knappen “Brdo-Erklärung” betonen die 27 EU-Staaten, an dem Beitrittsprozess festhalten zu wollen. Darauf hatte neben der EU-Kommission und etlichen osteuropäischen Staaten auch Deutschland gepocht. Dafür sei es nötig, dass die sechs Länder ihren Reformprozess fortsetzten. In der Erklärung wird darauf verwiesen, dass die EU mit Abstand engster Partner, größter Investor und Hauptgeldgeber sei. Die sechs Staaten müssten dies auch öffentlich herausstellen, heißt es in Anspielung auf die Versuche etwa Chinas oder Russlands, ihre Hilfen herauszustellen.
Während es mit Serbien und Montenegro bereits EU-Beitrittsverhandlungen gibt, sollen sie mit Albanien und Nordmazedonien erst eröffnet werden. Bosnien und Herzegowina hat einen Antrag auf Gespräche gestellt, Kosovo dagegen noch nicht. Es gebe eine tiefe Sehnsucht nach einer Aufnahme in die EU, die für die Region der bevorzugte Partner sei, sagte von der Leyen. rtr
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat Polen wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Unabhängigkeit der Justiz verurteilt. Das Gericht stellte am Mittwoch fest, dass dem polnischen Richter Waldemar Zurek zu unrecht verweigert wurde, gegen seine Amtsenthebung im Jahr 2018 zu klagen. Zurek hatte zuvor die Justizreform der polnischen Regierung kritisiert. Es ist Polens Justiz überlassen, wie sie die Entscheidung des EuGH umsetzt. Die EU könnte aber auch dies per Gerichtsentscheid forcieren.
Die Vorsitzenden der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Daniel Caspary und Angelika Niebler, forderten die EU-Mitgliedstaaten auf, sich hinter den EuGH zu stellen und uneingeschränkt die Gültigkeit von Entscheidungen des höchsten europäischen Gerichts einzufordern. “Andernfalls droht ein irreparabler Schaden für die EU.”
Der von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eingeschlagene Weg, Mittel aus dem Corona-Wiederaufbaufonds für Rechtsstaatssünder zurückzuhalten, sei “der richtige Weg”. Die Brüsseler Behörde hat den nationalen Umsetzungsplänen von Polen und Ungarn bislang die Zustimmung verweigert. rtr/tho
Laut eines Entwurfs des Kommissions-Arbeitsprogramms, der Europe.Table vorliegt, plant die EU-Kommission das “Recht auf Reparatur” im dritten Quartal 2022 zu verabschieden. Angekündigt hatte sie das Vorhaben bereits bei der Vorstellung des Green Deals im Dezember 2019. Im März konkretisierte sie es im neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft.
Das Gesetz soll Verbraucherrechte stärken, indem es klare Regeln zur Verfügbarkeit von Ersatzteilen und dem Zugang zu Reparaturen schafft. Der Schwerpunkt des Vorhabens soll auf Elektronik und Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) liegen. In diesen Sektoren will die Kommission über Reparaturen hinaus auch Nachrüstungen als Option prüfen.
Anna Cavazzini, Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) hatte zwar darauf gehofft, dass das Recht auf Reparatur noch dieses Jahr verabschiedet wird. Die Grünen-MEP begrüßt aber, dass die Kommission dem Entwurf ihres Arbeitsprogramms zufolge nun auch besonders auf faire Preise für Reparaturdienstleistungen und Ersatzteile achten wolle.
“Bei der Ausgestaltung werden wir als Europäisches Parlament darauf drängen, auch Informationen für Verbraucher:innen in Form eines Reparaturindexes und Ersatzteile für mindestens die erwartete Lebenszeit bereitzustellen”, sagte die Grünen-Politikerin Europe.Table auf Anfrage. Ihre Fraktion wolle außerdem die Hersteller in die Pflicht nehmen und die Gewährleistung ausdehnen. “Dafür werden wir in den Verhandlungen streiten”, so Cavazzini. Jasmin Kohl
Im Streit um die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 mit der EU hat der Pipeline-Betreiber einen Zwischenerfolg erzielt (Europe.Table berichtete). Ein Berater des obersten Gerichtshofs der Europäischen Union stellte am Mittwoch ein Urteil des zweithöchsten EU-Gerichts infrage. Die im Mai 2020 gefällte Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union gegen Nord Stream 2 sei fehlerhaft gewesen und sollte nochmals verhandelt werden, erklärte Generalanwalt Michal Bobek. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) folgt seinen Vorschlägen in der Regel, er ist aber nicht an seine Beurteilung gebunden.
Die vom russischen Gasriesen Gazprom betriebene Nord Stream 2 sei zur Anfechtung der Erdgasrichtlinie befugt, die im Zentrum des Gerichtsstreits zwischen der EU und dem Pipeline-Betreiber steht, hieß es in einer Pressemitteilung des Gerichtshofs der Europäischen Union. Der Generalanwalt halte den Rechtsstreit in dieser Hinsicht nicht für entscheidungsreif und schlage vor, die Sache an das Gericht zurückzuverweisen. Die Richter wollen nun darüber und zu einem späteren Zeitpunkt ein Urteil fällen.
Im Kern geht es bei dem Streit zwischen dem Pipeline-Betreiber und der EU darum, ob die europäische Erdgasrichtlinie, die 2019 geändert wurde, angewandt wird oder nicht. Die Richtlinie sieht vor, dass Gaspipelines zwischen der EU und Drittstaaten, also auch Nord Stream 2, den Vorgaben der europäischen Regulierung zu unterwerfen sind. Der Pipeline-Betreiber hatte dagegen geklagt, mit der Begründung, die Richtlinie sei nur mit dem Ziel geändert worden, die Pipeline zu benachteiligen und zu behindern. Im Mai 2020 hat das Gericht der Europäischen Union diese Klage als unzulässig abgewiesen. rtr
Die EU-Kommission will offenbar das Wettbewerbsverfahren gegen Apple wegen seines Bezahldienstes verschärfen. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete unter Berufung auf Insider, die Kommission arbeite derzeit an Beschwerdepunkten, die Apple im kommenden Jahr zugesendet werden könnten.
Die EU-Wettbewerbshüter hatten Apple vergangenen Sommer in zwei separaten Verfahren ins Visier genommen und prüfen seither unter anderem, ob Apple Pay gegen EU-Regeln verstößt. Die Untersuchung konzentriert sich demnach inzwischen auf den NFC-Chip in iPhones, auf den nur Apple Pay zugreifen kann. Die Abkürzung NFC steht für Near Field Communication, ein Funkstandard, der kontaktloses Bezahlen ermöglicht. Die EU-Kommission wollte keine Stellung nehmen. rtr/tho
Der US-Grafikkartenspezialist Nvidia buhlt bei der EU-Kommission um die kartellrechtliche Genehmigung für die 54 Milliarden Dollar schwere Übernahme des britischen Chip-Entwicklers Arm. Nvidia habe der EU Zugeständnisse angeboten, hieß es am Mittwoch in Unterlagen, die bei der EU-Kommission eingereicht wurden. Die EU-Wettbewerbshüter nannten keine Einzelheiten, wollen aber bis zum 27. Oktober eine Entscheidung treffen.
Vor knapp einem Jahr hatte Nvidia angekündigt, Arm vom japanischen Technologieinvestor Softbank übernehmen zu wollen. In der Branche sorgte das für einen Aufschrei. Arm gilt bislang als neutraler Akteur, der an verschiedene Unternehmen wie Qualcomm, Samsung Electronics und Apple Patente verkauft. Fast jedes Smartphone und Millionen anderer Geräte verfügen über lizenzierte Arm-Prozessoren. Laut Nvidia sollen inzwischen Arm-Kunden wie Broadcom und MediaTek den Deal unterstützen. rtr
Die Verbraucherpreisinflation in der Eurozone hat sich im September weiter beschleunigt. Sie liegt nun mit 3,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr auf dem höchsten Stand seit 13 Jahren, was eine Welle alarmierter Schlagzeilen ausgelöst hat. Die jährliche Inflation in den USA lag im August bei 5,3 Prozent. Wie besorgt sollten die politischen Entscheidungsträger in Europa und den USA also über einen möglichen lang anhaltenden Anstieg der Inflation sein?
In der Eurozone zumindest kommen die gegenwärtigen Inflationsschlagzeilen nicht unerwartet. Die Erfahrung legt nahe, dass eine Wirtschaftskrise zunächst zu Deflations- und dann zu Inflationsängsten führt. Nach der globalen Finanzkrise von 2008 folgte auf die deflationären Sorgen auf dem Tiefpunkt der anschließenden Rezession ein leichter Anstieg der Inflation während der dann folgenden Konjunkturerholung.
Ein ähnliches Muster zeichnet sich in der Covid-Krise ab. Im letzten Jahr fielen die Preise in der Eurozone zeitweise; damals war von anhaltenden deflationären Auswirkungen der Pandemie die Rede.
Man muss die Situation also etwas relativieren. Zunächst einmal beschreibt die gemeldete Inflation normalerweise den Anstieg des Verbraucherpreisindex im Vergleich zur Zeit von vor zwölf Monaten. Ungewöhnlich niedrige Vorjahrespreise verzerren die Zahl daher. Dieser Basiseffekt ist heute nicht bloß ein Faktor unter vielen, die den steigenden Inflationszahlen zugrunde liegen; er ist angesichts des Tiefpunktes im Vorjahr der Schlüssel zu ihrem Verständnis.
Deshalb bietet es sich an, die Inflation über die letzten 24 Monate hinweg statt über die letzten zwölf zu berechnen. Auf dieser Basis legen die jüngsten Zahlen aus der Eurozone keine starke Inflationsdynamik nahe: Die Gesamtinflationsrate (gemessen am harmonisierten Verbraucherpreisindex) betrug im September 3,4 Prozent, doch ist der Index über die vergangenen zwei Jahre hinweg um bloße 1,5 Prozent jährlich gestiegen.
Die Gesamtinflation wird zudem durch schwankungsanfällige Energiepreise beeinflusst. Es sollte daher nicht überraschen, dass die jährliche Kerninflation in der Eurozone (die die Energiepreise unberücksichtigt lässt) in den vergangene Jahren niedrig war und gemessen über Zweijahresintervalle in einem engen Korridor von rund 1 bis 1,5 Prozent verlief.
Doch gibt es klare transatlantische Unterschiede. In den USA weist die Zwei-Jahres-Inflation nach oben. Die amerikanischen Verbraucherpreise sind in den vergangenen 24 Monaten im Schnitt um 3,3 Prozent jährlich gestiegen. Selbst der Kernindex der persönlichen Konsumausgaben (PCE) liegt für die vergangenen zwei Jahre inzwischen bei über 2,5 Prozent und damit deutlich über dem Korridor von 1,5 bis 2 Prozent, der während des vergangenen Jahrzehnts die Regel war.
Ein weiterer Grund, warum einige fürchten, dass sich die Inflation gegenüber diesem relativ bescheidenen Niveau beschleunigen könnte, ist der starke Anstieg vieler Rohstoffpreise. Aber auch dieser war im Kontext einer globalen Konjunkturerholung zu erwarten.
Während die Preise für Rohöl-Futures auf dem Höhepunkt der pandemiebedingen Turbulenzen an den Finanzmärkten Anfang 2020 kurzzeitig in Negative drehten, wird Öl derzeit mit 70 bis 80 Dollar pro Barrel gehandelt. Eine ähnliche Achterbahnfahrt gab es nach der globalen Finanzkrise.
Die Preise für Gas-Futures sind in Europa zuletzt in die Höhe geschnellt, doch dürfte dieser Preisanstieg zwangsläufig vorübergehender Art sein. Da die Preise in den europäischen Handelszentren beim Fünffachen des US-Niveaus liegen, wird eine Arbitrage mit preisgünstigerem US-Schiefergas die europäischen Preise im Laufe der Zeit nach unten treiben. Die Preise für andere Rohstoffe – wie etwa Metalle – neigen ebenfalls dazu, bei einer Branchenerholung anzuziehen.
Höhere Rohstoffpreise steigern kurzfristig die Gesamtinflation, aber leiten nicht zwangsläufig eine Inflationsspirale ein. Zwar entwickelte sich eine derartige Inflationsspirale nach den Ölschocks der 1970er-Jahre. Doch lag dies daran, dass die Arbeitnehmer und Verbraucher in rohstoffimportierenden Regionen wie Europa und – im geringeren Umfang – in den USA sich weigerten, die aus der Energieverteuerung herrührenden Kaufkraftverluste zu akzeptieren, und höhere Löhne verlangten.
Dass es heute zu einer derartigen Spirale kommt, ist deutlich unwahrscheinlicher. Schließlich folgte auf den Preisboom bei den Rohstoffen Anfang der 2000er-Jahre kein bleibender Anstieg der Inflation. Dies lag teilweise daran, dass sich die Energie- und Rohstoffintensität der hoch entwickelten Volkswirtschaften im Laufe der Zeit verringert hat. Die heutigen Preise für Öl und viele andere Rohstoffe erscheinen im Vergleich zum vergangenen Jahr hoch, aber liegen weiterhin unter ihrem Höchstwert des Jahres 2008.
Die Notenbanken fangen an, sich Sorgen zu machen, wenn eine erhöhte Inflation bei den Verbrauchern höhere Inflationserwartungen auslöst. Auch hier sind transatlantische Unterschiede zu verzeichnen. Verbrauchererhebungen der Europäischen Kommission zeigen, dass die Inflationserwartungen während der tiefen Rezession des Jahres 2020 fielen und inzwischen wieder steigen.
Doch ihr aktuelles Niveau legt nahe, dass die Verbraucher in der Eurozone den Aufwärtsdruck auf die Preise nicht für stärker halten als während der Erholung von der globalen Finanzkrise in den Jahren 2010 und 2011. Dagegen zeigt eine ähnliche Verbraucherbefragung der New York Federal Reserve, dass die mittelfristigen Inflationserwartungen in den USA inzwischen bei 4 Prozent liegen.
Die führenden Notenbanken ähneln heutzutage Schiffen, die durch den Covid-Schock gefährlich nah an deflationäre Klippen getrieben wurden. Nun dreht der Wind, und ihre Anti-Inflations-Anker geraten ins Rutschen. Für die Europäische Zentralbank könnte das – in Maßen – etwas Gutes sein, weil sie zuvor gefährlich nahe am Ufer geankert hatte. Doch die US-Federal-Reserve sollte womöglich anfangen, sich Sorgen zu machen, dass sie ins offene Meer abtreibt.
In Kooperation mit Project Syndicate
“Stell dir vor, es ist Rat, und keiner geht hin.” Zugegeben, die ursprünglich pazifistische Parole lautet ein wenig anders, ein Krieg stand auch nicht auf der Tagesordnung beim Treffen der EU-Umweltminister am Mittwoch. Wohl aber ein Kampf. Der “alles entscheidende, richtungsweisende, historische Kampf gegen den Klimawandel”. Derlei Bezeichnungen fielen bereits bei den Eingangsstatements der Teilnehmer zur Genüge. Schade nur, dass sie niemand hörte, denn die Anzahl an Journalisten, die sich am Mittwoch auf den Weg nach Luxemburg machten, um der historischen Debatte beizuwohnen, ließ sich an einer Hand abzählen.
Dabei war das erste Treffen des Umweltrates seit der Vorstellung des Fit-for-55-Klimapakets durch die Kommission durchaus bedeutend. Denn die Umsetzung der im Paket enthaltenen Gesetzesvorschläge wird unweigerlich tiefgreifende Veränderungen für die Europäische Wirtschaft ebenso wie für die Bevölkerung mit sich bringen.
Warum also blieb der Presse-Arbeitsraum des European Convention Center in Luxemburg, der Platz für mehrere Hundert Journalisten bietet, am Mittwoch praktisch verwaist? Womöglich ist die Reisebereitschaft in Folge der Corona-Krise nach wie vor getrübt. Vielleicht versprach auch der zeitgleich stattfindende Westbalkan-Gipfel mit den EU-Staats- und Regierungschefs die noch spannenderen Debatten.
Vielleicht hatte aber auch einfach niemand Lust, den eigentlich sinnlosen Weg nach Luxemburg auf sich zu nehmen. Schließlich könnte der Rat genauso gut in seinem Stammhaus in Brüssel zusammenkommen. Aber die Europäischen Verträge sehen nun mal vor, dass der Rat der EU seine Tagungen im April, Juni und Oktober in Luxemburg abhält. Das ist zwar sehr teuer und im Grunde von niemandem gewollt. Ändern lässt es sich aber auch nicht so einfach. Ein bisschen wie der Klimawandel. Timo Landenberger