Table.Briefing: Europe

Zähmung der Digitalriesen + Abhängigkeit von Chinas Rohstoffen + Ausbauziele Offshore-Energie

  • Interview mit Andreas Schwab zum Digital Markets Act
  • EU-Kommission will Abhängigkeit von China bei Magneten senken
  • Experten warnen vor Ausbauzielen für Offshore-Energie
  • Maersk ordert Methanol-Schiffe
  • Im Portrait: Thomas Langkabel von Microsoft
Liebe Leserin, lieber Leser,

auf Andreas Schwab wartet viel Arbeit: Mehr als 1.200 Änderungsanträge zum Digital Markets Act muss der Berichterstatter des Europaparlaments in den kommenden Wochen sichten und zu einem mehrheitsfähigen Kompromiss zusammenfügen. Im Interview mit mir macht der CDU-Politiker deutlich, worauf es ihm ankommt: Die Digitalriesen sollen nicht einfach kleinere Rivalen aufkaufen können, die ihnen gefährlich werden könnten – was bislang für Facebook oder Google gängige Praxis ist. Schwab hat konkrete Ideen, wie die Wettbewerbshüter hier leichter einschreiten können.

Einer problematischen Dominanz geht auch Timo Landenberger nach – jener Chinas bei Seltenen Erden, die für die Herstellung von Permanentmagneten benötigt werden. Diese wiederum sind wichtig für Windkraftturbinen und Elektromotoren – zentrale Technologien für den Green Deal. Die EU-Kommission macht sich deshalb daran, die Abhängigkeit von der Volksrepublik zu reduzieren. Aber in Industrie und Europaparlament gibt es Zweifel, ob das der richtige Ansatz ist.

Dies ist übrigens die zehnte Ausgabe von Europe.Table. Für uns in der Redaktion ist die Zeit seit dem Start Anfang August wie im Fluge vergangen. Ich hoffe, für Sie als Leser:in auch. Wenn Ihnen Europe.Table gefällt, empfehlen Sie uns bitte weiter. Und schreiben Sie mir gerne, was wir besser machen können: till.hoppe@table.media.

Ihr
Till Hoppe
Bild von Till  Hoppe

Analyse

Andreas Schwab: “Werden sehr viel leichter einschreiten können”

Auf dem Foto sieht man drei Männer am Tisch sitzen, im Vordergrund redet und gestikuliert ein Mann: Andreas Schwab (CDU) ist Berichterstatter des Europaparlaments zum Digital Markets Act
Andreas Schwab (CDU) ist binnenmarktpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion und Berichterstatter des Europaparlaments zum Digital Markets Act.

Der CDU-Politiker hat eines der brisantesten Dossiers übernommen, die derzeit im Europaparlament beraten werden: Der Digital Markets Act (DMA) soll für mehr Wettbewerb auf den Digitalmärkten sorgen, die von Konzernen wie Google, Amazon, Facebook, Apple oder Microsoft dominiert werden. Während der parallel beratene Digital Services Act den Umgang der Plattformen mit den Inhalten regelt, sieht der DMA umfassende Verhaltensregen für die sogenannten Gatekeeper im Umgang mit Konkurrenten vor. Als Sprecher der EVP-Fraktion im Binnenmarktausschuss beschäftigt sich Andreas Schwab (48) schon lange mit diesen Fragen.

Herr Schwab, wie haben Sie Ihren Sommer verbracht? Mit der Lektüre der mehr als 1.200 Änderungsanträge, die andere Abgeordnete zu Ihrem Bericht zum Digital Markets Act eingereicht haben?

Da kommt tatsächlich sehr viel Arbeit auf mich als Berichterstatter zu, aber ich freue mich darauf! Immerhin haben wir seit 2014 auf diese Vorschläge gewartet. Und ich achte natürlich auch auf das gleichzeitig laufende Gesetzgebungsverfahren zum Digital Services Act, damit es keine Widersprüche zwischen beiden Rechtsakten gibt.

Bis wann soll die Position des Europaparlaments stehen?

Unser gemeinsames Ziel ist, die erste Lesung im Dezemberplenum des Parlaments in Straßburg abzustimmen. Im Binnenmarktausschuss wollen wir Ende Oktober so weit sein – das ist sehr sportlich. Aber wir müssen zügig zu Potte kommen. Denn wir sehen immer mehr Fälle, wo die Digitalriesen Märkte unter sich aufteilen oder die Konkurrenz mit ungerechtfertigten Methoden ausschalten.

Sie wollen den Kreis der zu regulierenden Plattformen auf die ganz großen beschränken, jene mit mehr als zehn Milliarden Euro Umsatz und 100 Milliarden Marktwert. Eine Lex GAFAM also?

Wir sind uns im Europaparlament im Grunde einig: Die Gesetzgebung sollte sich auf die allergrößten Digitalunternehmen der Welt beschränken. Die Wettbewerbsverfahren der Europäischen Kommission haben gezeigt, dass eine ex-post-Kontrolle zu langsam und zu ineffektiv ist – die Entscheidungen in den betreffenden Verfahren kamen immer zu spät.

Im Falle von Google Shopping zog sich das Verfahren über fast sieben Jahre.

Die Unternehmen können ihre Geschäftspraktiken außerdem schnell umstellen und so Katz und Maus mit den Wettbewerbsbehörden spielen. Deshalb müssen bestimmte wettbewerbswidrige Praktiken von Gatekeepern schon vorab, also “ex-ante”, als rechtswidrig gelten. Das aber bringt zweifelsohne eine gewisse Bürokratie aufseiten der Unternehmen mit sich. Diese Bürokratie müssen wir aber den Unternehmen ersparen, von denen kaum Gefahren für den Wettbewerb ausgehen, weil sie ihre Marktmacht nicht mit Hebelwirkung auf andere Märkte übertragen können – wie die ganz Großen.

Gehen den Regulierern damit nicht aufstrebende Unternehmen durch die Lappen, wie etwa die Grünen befürchten? Unternehmen wie Zoom, die sehr schnell große Marktanteile erreicht haben?

Zoom oder das deutsche Start-up “Trade Republic” haben sich stark entwickelt. Aber sie sind nur in einem einzelnen Sektor stark, und selbst innerhalb dieses Sektors gibt es ausreichend Wettbewerber. Auch für Fälle wie Booking.com reicht nach meiner Auffassung das bestehende Wettbewerbsrecht aus. Das Kernproblem liegt doch zweifellos bei den Unternehmen, die in mehreren Sektoren gleichzeitig Marktführer sind, und ihre Marktmacht aus einem Sektor in einen oder mehrere andere Sektoren übertragen. Sie nutzen ihre Ökosysteme, um einen Wettbewerb gar nicht erst entstehen zu lassen, oder um die Wettbewerber außen vor zu halten.

Europäische Firmen blieben damit verschont.

Die aufstrebenden Digitalunternehmen sind doch heute alle von internationalen Investoren finanziert. Und wenn sie die Kapitalisierung von Unternehmen wie Booking.com ansehen, haben die 2021 schon über der 100-Milliarden-Schwelle für die Gatekeeper gelegen. Der Begriff “europäische Unternehmen” ist deshalb etwas gefährlich. Entscheidend ist doch, dass wir jetzt nicht neue Hürden für die Unternehmen errichten, die als Wettbewerber mit innovativen Ideen in den Markt drängen. Wir wollen die bestehenden Oligopole zur peniblen Einhaltung der Wettbewerbsregeln zwingen, nicht aber anderen Unternehmen den Markteintritt erschweren.

Hat die Kommission die technische Expertise, um die Geschäftspraktiken der Tech-Konzerne wirksam zu kontrollieren?

Ich glaube, die EU-Kommission ist gut ausgestattet, aber notfalls wird sie sich die Fähigkeiten eben zusätzlich von außen holen müssen. Ihre Arbeit wird dadurch erleichtert, dass die Gatekeeper sie als Aufseher von Anfang an in wettbewerbsrelevante Entscheidungen einbeziehen müssen.

In den USA nimmt die FTC einen neuen Anlauf vor Gericht, um Facebook zu zerschlagen. Warum schreckt Europa vor einem solch klaren Schnitt zurück?

Der Vorschlag der Kommission sieht auch in Europa strukturelle Maßnahmen als ultima ratio vor, und ich habe diese Möglichkeit in meinem Bericht noch gestärkt.

Wettbewerbskommisarin Margrethe Vestager hat aber klargemacht, dass sie eine Zerschlagung für unangemessen hält.

Das Recht auf Eigentum ist in den Staaten der Europäischen Union verfassungsrechtlich fest verankert. Eingriffe müssen deshalb rechtliche Hürden überwinden, die es so in den USA nicht gibt. Man muss sich in jedem Falle fragen, was eine Zerschlagung besser machen würde. Gleichwohl bleibt diese Option auf dem Tisch.

Die Wettbewerbshüter in den USA oder Großbritannien schauen inzwischen auch genauer hin, wenn die Digitalkonzerne Konkurrenten aufkaufen, wie Facebook bei der Übernahme von Giphy. Bietet der DMA genug Handhabe gegen solche Killerakquisitionen?

Ich habe die Vorschläge der Kommission dazu noch verschärft. Der EU-Vertrag grenzt unseren Spielraum aber ein, denn Änderungen am Fusionskontrollregime müssten im Rat einstimmig beschlossen werden. Das wollte die EU-Kommission aber zu Recht umgehen. Deshalb müssen wir eine praxistaugliche Lösung finden, die es erlaubt, alle relevanten Informationen über solche Fusionen vorab zusammenzuführen und zu beurteilen.

Wie soll das gelingen?

Gatekeeper müssen künftig die EU-Kommission auch über Fusionen unterhalb der europäischen Aufgriffsschwellen informieren. Wir sollten außerdem die Definition relevanter Märkte im Digitalbereich sehr viel enger fassen – die Kommission überarbeitet derzeit ja ihre Leitlinien für die Definition relevanter Märkte. Insgesamt wird dadurch Transparenz geschaffen – und es wird sehr viel leichter werden einzuschreiten, wenn eine Übernahme nur dazu dient, Marktmacht einzukaufen.

Welche Rolle sollten die nationalen Behörden bei der Durchsetzung des DMA spielen?

Viele nationale Behörden verfügen über eine Expertise, die wir auf keinen Fall verlieren dürfen. Andererseits ist es der Schlüssel zum Erfolg, dass wir die Unternehmen nach einheitlichen europäischen Maßstäben an die Kandare nehmen. Deshalb sollte es die Aufgabe der EU-Kommission sein zu entscheiden, wer als Gatekeeper eingestuft wird. Wenn es darum geht, die in Artikel 5 und 6 des DMA festgelegten Regeln gegen die Unternehmen durchzusetzen, können wir die Fähigkeiten der nationalen Behörden sehr gut gebrauchen.

Denken Sie dabei vor allem an die Wettbewerbsbehörden oder an Regulierer wie die Bundesnetzagentur?

Es geht darum, beide möglichst effektiv zusammenzuspannen. Die Kernaufgabe liegt aus meiner Sicht bei den Wettbewerbsbehörden. Aber die digitalen Märkte durchdringen inzwischen auch andere Märkte so tief, dass wir eine holistische Herangehensweise gewährleisten müssen, bei der auch die Regulierungsbehörden eine wichtige Rolle spielen müssen.

Wie wollen Sie die vielen Akteure zusammenbringen?

Mein Vorschlag sieht zwei Gremien zur Abstimmung vor: Zum einen die High-Level Expert Group, in der die Wettbewerbsbehörden den Ton angeben; und zum anderen den beratenden Ausschuss, in dem die Regulierungsbehörden miteinbezogen werden können. Am Ende wird es darum gehen, eine einheitliche Anwendung der Regeln zu gewährleisten und zu viel Bürokratie zu vermeiden.

Werden nationale Instrumente gegen die Digitalkonzerne wie die jüngste GWB-Novelle überflüssig, wenn der DMA in Kraft tritt?

Natürlich brauchen die Mitgliedsstaaten eine gewisse Freiheit, auch über die europäischen Regeln hinauszugehen. Auf der anderen Seite sollten wir mit den Gatekeepern möglichst einheitlich in der EU verfahren. In jedem Falle werden den Mitgliedstaaten in den Bereichen, in denen nicht das Wettbewerbsrecht im engeren Sinne betroffen ist, Möglichkeiten zur Regulierung bleiben.

Ist es realistisch, dass die Kommission bestimmte Geschäftspraktiken einfach untersagt – und die Konzerne sich fügen, ohne langwierige Gerichtsverfahren anzustrengen?

Natürlich können auch die Entscheidungen auf Grundlage des DMA gerichtlich angefochten werden. Das sollte uns aber keine Angst machen. Die Beweislast wird künftig bei den Unternehmen liegen, und die Anordnungen der Kommission können mit sofortiger Wirkung vollzogen werden. Anders als bisher bringt es den Unternehmen also wenig, auf eine Verzögerungstaktik zu setzen.

Einige Europaabgeordnete wollen die Digitalunternehmen dazu verpflichten, ihre Dienste interoperabel zu machen. Wäre es nicht wünschenswert, wenn Signal-Nutzer Freunde oder Kollegen bei WhatsApp erreichen könnten, ohne die Geschäftsbedingungen von Facebook akzeptieren zu müssen?

An sich, ja. Ich schlage auch vor, dass Interoperabilität zu den möglichen Auflagen zählt, die die Kommission im Einzelfall verhängen kann. Die politische Vorstellung, die Messengerdienste einfach zusammenzubinden wie bei der SMS, ist aber etwas weltfremd. Wer definiert dann die Standards für den Datenaustausch? Welche Sicherheits- und Datenschutzniveaus gelten? Die Gefahr wäre groß, dass der Anbieter mit den geringsten Standards die größten wirtschaftlichen Vorteile hätte.  

Andere Abgeordnete wollen die personalisierte Werbung erschweren, durch ein Verbot des Zusammenführens von Daten unterschiedlicher Dienste. Was halten Sie davon, auch angesichts des geplanten Cookie-Verbots von Google und Co?

Ich glaube nicht, dass wir personalisierte Werbung verbieten werden. Aber wir brauchen eindeutige Regeln. Margrethe Vestager hat ja bestätigt, dass sie von den US-Vorwürfen gegen Google weiß, wo eigene Werbe-Tools zulasten der Wettbewerber bevorzugt wurden. Wir werden entschieden darauf achten müssen, bei der Werbevermarktung mehr Transparenz und wieder mehr Wettbewerb zu gewährleisten. Die Marktregeln sollten vom Gesetzgeber definiert werden, nicht von einzelnen Gatekeepern und deren Cookie-Regeln.

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Magnete: Kommission will weniger Abhängigkeit von China

Die Umstellung der europäischen Industrie auf klimafreundlichere Technologien bringt neue Probleme mit sich: Die Nachfrage nach Rohstoffen aus Drittländern steigt, was die Europäische Kommission bereits dazu veranlasste, vor wachsenden Abhängigkeiten zu warnen – etwa bei sogenannten Permanentmagneten.

Auf der Liste der kritischen Rohstoffe mit hohem Versorgungsrisiko stehen auch Seltene Erden, die als Bestandteil von Permanentmagneten eine wichtige Rolle für die Umsetzung der Klimaziele spielen. Die Magnete kommen in Laptops und Smartphones zum Einsatz, aber auch in Windkraftturbinen oder in Motoren von Elektroautos. Letztere kommen durch Seltene Erden mit weniger Batterieleistung aus als mit gewöhnlichen Magneten – die Reichweite steigt.

98 Prozent kommen aus China

Der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Elektrifizierung des Straßenverkehrs treiben die Nachfrage nach Seltenen Erden – laut Kommission könnte sich diese bis 2050 verzehnfachen. Zwar sind Seltene Erden gar nicht so selten, sondern nahezu überall auf der Erde auffindbar, in wirtschaftlich rentablen Mengen treten sie aber weniger häufig auf: Die EU bezieht 98 Prozent ihres Bedarfs aus China.

Branchenvertreter befürchten durch die Importabhängigkeit nicht nur Lieferengpässe, sondern auch hohe Preisschwankungen. Der Preis von Neodymium, Hauptbestandteil von Permanentmagneten, hat sich seit Anfang 2020 bereits mehr als verdoppelt. Auch Kommissions-Vizepräsident Maroš Šefčovič warnt: “Wir können es uns nicht erlauben, unsere derzeitige Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen gegen eine Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen einzutauschen.”

China dagegen möchte seine Rolle im weltweiten Rohstoffmarkt behaupten. Peking sei bestrebt, die Kontrolle über die Wertschöpfungskette für Seltene Erden und Magnete zu stärken, so ein Kommissionsprecher auf Anfrage. Anfang des Jahres hat das Land eine Konsultation über das künftige Management von Seltenen Erden eingeleitet. Es sei zwar positiv, dass die Verordnung die Nachhaltigkeit und Transparenz der Lieferketten verbessern wolle, sagte der Sprecher. “Es ist jedoch noch unklar, wie.” Auch werfe das vorgesehene System zur Rückverfolgbarkeit Fragen über die Verwendung und den Schutz von Daten nicht-chinesischer Unternehmen auf, die an der Lieferkette beteiligt sind.

Abhängigkeit von Drittstaaten verringern

Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie, fordert deshalb: “Die Abhängigkeit von Drittstaaten muss verringert werden.” Für die preisstabile Verfügbarkeit von Rohstoffen seien “offene Märkte, ein level playing field im globalen Kontext und politische Stabilität wichtig”, sagte sie Europe.Table.

Der Windenergieverband WindEurope mahnt, “bis auf Weiteres wird China ein wichtiger Partner bleiben”. Die EU müsse daher den freien Handel sicherstellen und Lieferketten für Seltene Erden, Permanentmagnete und Generatoren aufrechterhalten, so ein Verbandssprecher.

Im Rahmen ihrer Industriestrategie hat die Kommission bereits einen Aktionsplan für kritische Rohstoffe vorgelegt und die European Raw Materials Alliance (ERMA) ins Leben gerufen. Ziel ist es, die Kreislaufwirtschaft bei kritischen Rohstoffen zu stärken, die Beschaffung aus Drittländern zu diversifizieren sowie europäische Lieferketten aufzubauen.

Rohstoffproduktion in Europa erhöhen

Entscheidend sei dabei, so der Kommissionsprecher, Bewusstsein und Akzeptanz in der Bevölkerung für eine europäische Rohstoffproduktion zu verbessern. Dafür müsse sichergestellt sein, “dass Bergbau und mineralgewinnende Tätigkeiten ressourceneffizient sind und die höchsten Umwelt- und Sozialstandards einhalten”.

Die industriepolitische Sprecherin der Grünen, Henrike Hahn, überzeugt das nicht: “Statt in Europa verstärkt auf Mining zu setzen, müssen wir den Bedarf nach kritischen Rohstoffen reduzieren und auch auf Alternativen setzen”, so die Europaabgeordnete, die auch Mitglied der China-Delegation ist.

Hahn wirft der Kommission vor, unsauber zu argumentieren und die falsche Methodik sowie die falschen Grundannahmen zu nutzen. Eine vor ihr in Auftrag gegebene Studie des Öko-Instituts komme zu dem Schluss, dass nur ein Bruchteil der künftigen Nachfrage nach kritischen Rohstoffen mit der Nutzung von grünen Technologien zusammenhängt. “Nur mit einer realistischen Nachfrageprognose bekommen wir auch ein korrektes Bild zu potenziellen Versorgungsproblemen, zur Wettbewerbsfähigkeit und eine realistische Handlungsgrundlage für den Green Deal”, so Hahn.

Tatsächlich werde auf dem deutschen Windenergie-Markt bereits weitestgehend auf Permanentmagnete verzichtet, sagt Wolfram Axthelm, Geschäftsführer vom Bundesverband Windenergie. Die zur Stromerzeugung erforderlichen Magnetfelder im Generator würden bei deutschen Herstellern wie Enercon und Nordex elektrisch erzeugt. “Auch vor dem Hintergrund der Kosten arbeitet die Branche seit Jahren intensiv daran, die Nutzung von Neodym zu reduzieren beziehungsweise durch Recycling besser zu gestalten”, so Axthelm.

Auch ein BMW-Sprecher betont: “Seit der Umstellung auf die aktuelle fünfte Generation unseres elektrischen Antriebsstrangs im vergangenen Jahr setzen wir in unseren Elektromotoren keinerlei seltene Erden mehr ein.”

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News

Experten warnen vor Ausbauzielen für Offshore-Energie

Das Centrum für Europäische Politik (CEP) hat die Strategie der EU-Kommission für mehr grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten beim Ausbau der Offshore-Energie analysiert. Der Thinktank pocht darauf, dass sich die EU-Länder gemeinsam auf optimale Standorte für die Anlagen einigen, um den limitierten Meeresraum effizient zu nutzen und Kosten zu sparen. Zudem könnten Offshore-Projekte, die an mehrere Länder angebunden sind, die Erzeugungskapazitäten erhöhen und den EU-Stromhandel bestärken, so die CEP-Autoren.

Allerdings warnt der Thinktank vor festgelegten Ausbauzielen bestimmter Offshore-Technologien. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Energieversorgung sollte nicht politisch, sondern im Wettbewerb bestimmt und zu möglichst geringen Kosten erreicht werden, heißt es. Überwiegend durch Subventionen forcierte Ausbauziele würden nicht zu einer zusätzlichen Emissionsreduktion, sondern nur zu “unnötigen kostentreibenden Emissionsverlagerungen innerhalb der EU führen, da die Energieerzeugung bereits durch das EU-Emissionshandelssystem (ETS) reguliert ist”. Der ETS biete genügend Anreize für einen effizienten Ausbau der Erneuerbaren.

Soll heißen: Da der ETS bereits eine jährlich sinkende (2,2% p.a.) maximale Gesamtmenge an Emissionsrechten für den Energiesektor vorgibt, wären europäische Energieproduzenten ohnehin angehalten, sich untereinander beim Ausbau der Erneuerbaren abzustimmen. Festgelegte Ausbauziele einzelner Mitgliedstaaten könnten dafür sorgen, dass Erneuerbare an suboptimalen Standorten produziert werden und somit nicht das volle Potential der Energiegewinnung ausschöpfen.

Im Juli hatten deutsche Offshore-Windenergie-Verbände explizit die Anhebung der deutschen Ausbauziele für Offshore-Windenergie gefordert, da sie eine Ausbaulücke befürchteten und die Politik in der Verantwortung sahen. Im Gegensatz zum CEP begrüßten die Verbände die Zielsetzung der EU, die Offshore-Windenergie bis 2050 auf 300 GW auszubauen.

Das Bundeswirtschaftsministerium teilte auf Anfrage mit, dass es weiter an seinen Offshore-Ausbauzielen von 20 Gigawatt Leistung bis 2030 und 40 Gigawatt bis 2040 festhalten werde. luk

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Klimawende: Maersk bestellt Methanol-Schiffe

Lange Zeit war von Dekarbonisierungsplänen der Schifffahrtsbranche wenig zu hören. Nun hat die dänische Reederei Maersk vorgelegt und acht neue Containerschiffe bestellt, die sowohl mit herkömmlichem Treibstoff als auch mit dem klimafreundlicheren Methanol betrieben werden können. Die Schiffe können 16.000 Container befördern und von China nach Europa sowie über den Pazifik fahren.

Methanol wird in Branchenkreisen neben Ammoniak als vielversprechende Antriebsalternative zu Schiffsdiesel oder Schweröl gehandelt, da es sich verhältnismäßig leicht produzieren und handhaben lässt. Containerschiffe können ohne allzu großen finanziellen Aufwand auf Methanol-Betrieb umgerüstet werden. Allerdings wird beim Verbrennen CO2 freigesetzt, weshalb der Treibstoff nur dann wirklich grün ist, wenn er ohne fossile Brennstoffe gewonnen wurde.

Mit der ersten Schiffsbestellung seit sechs Jahren reagiert die größte Containerreederei der Welt auch auf die Klimaziele der EU. Die Kommission hatte zuletzt vorgeschlagen, durch die Ausweitung des europäischen Emissionshandelssystems ab 2023 auch die globale Schifffahrt erstmals für ihren Treibhausgasausstoß in die Pflicht zu nehmen (Europe.Table berichtete). til

  • Klimaschutz
  • Schifffahrt

Presseschau

Rettungsmission in Kabul endet kommende Woche SUEDDEUTSCHE
Scientists see link between climate change and Europe’s floods POLITICO
Willkommen im Club: Bundesregierung will Staaten in neuem Klimagremium vereinen HANDELSBLATT
Spain Plans Government Aid for Regions Affected by Wildfires BLOOMBERG
Ludwig kritisiert Gewessler wegen Klimatickets und Lobautunnels STANDARD
Hyperloops and sleeper trains: The tech making rail travel in Europe more accessible than ever EURONEWS
Spain counts cost of agribusiness in rising desertification FT
Campaign against targeted ad spills over the DMA amid business concerns EURACTIV

Portrait

Thomas Langkabel – Brückenbauer zum Fortschritt

Thomas Langkabel (c) Privat
Verwaltung könne durch Künstliche Intelligenz entlastet werden
Thomas Langkabel (c) Privat

Thomas Langkabel ist ein ruhig wirkender Mensch. Doch seine Begeisterung für digitale Technologien kann und will er nicht verbergen. Eigentlich studierte er Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität der Bundeswehr in München. Der Wechsel in die IT kam dann beinahe zufällig zustande. Irgendwer sollte ein Konzept für die anfangs unkoordinierte IT-Infrastruktur der Bundeswehr entwerfen. Und so wurden die “jungen, frischen Leute von der Uni, die sich mit diesem komischen Zeug schon beschäftigt haben” in die Pflicht genommen, erinnert er sich schmunzelnd. Thomas Langkabel war einer dieser jungen Leute, heute ist er National Technology Officer bei Microsoft Deutschland.

Deutschlands Verwaltung liegt bei ihrem digitalen Angebot auf Rang 21 im europäischen Vergleich, und damit im unteren Drittel. Thomas Langkabel macht dafür eine allgemeine Innovations- und Technikscheu der Bundesbürgerinnen und Bürger verantwortlich. Aktenordner, Fax-Geräte und umständliche Excel-Tabellen gehören noch immer zum deutschen Behörden-Alltag. “Es gibt positive Tendenzen, es tut sich was, aber eben viel zu langsam”, sagt Langkabel – und klingt dabei ein bisschen resigniert.

Doch die Hoffnung auf den großen Transformationsturbo habe er nicht verloren, sagt er. Auch durch die Pandemie seien neue Impulse ausgelöst worden. Langsam entwickle sich in der Politik ein Bewusstsein für die Bedeutung einer modernen Verwaltung, erklärt Langkabel. Und das sei entscheidend, denn die technischen Möglichkeiten existieren längst. Und es würde neue hinzukommen, sagt er – wie die sogenannte Künstliche Intelligenz (KI).

Die Gefahr, dass Arbeitsplätze durch Künstliche Intelligenz ersetzt werden und dadurch Menschen in die Arbeitslosigkeit rutschen, hält Langkabel für unbegründet. Vielmehr könnte Künstliche Intelligenz eine momentan überlastete Verwaltung entlasten und die Qualität der Arbeit verbessern. Zwar verstehe er, dass viele Menschen bei dem Gedanken an Künstliche Intelligenz ein mulmiges Gefühl bekommen, aber irrationale Ängste dürften nicht blockieren. Stattdessen will er aufklären und Sorgen nehmen, indem berechtigte ethische und andere Bedenken ernst genommen und diskutiert werden.

Neuer Rechtsrahmen für Künstliche Intelligenz

Langkabel spricht damit ein hochaktuelles Thema an: Die EU-Kommission hat ihren Vorschlag für einen KI-Rechtsrahmen vorgelegt, Europaparlament und Rat beraten sich nun. Mit der Regulierung soll den weit verbreiteten Ängsten entgegengewirkt und eine Künstliche Intelligenz geschaffen werden, die Vertrauen verdient. “Es ist die Aufgabe der gesamten Digital-Industrie sich transparent und ehrlich mit diesen Risiken auseinanderzusetzen“, betont Thomas Langkabel.

Er ist kein Verkäufer, sondern ein Brückenbauer. Und zwar einer mit langem Atem. Er ist Vize-Präsident der Initiative D21. Das ist der Verein, der seit Gerhard Schröders Zeiten Unternehmen, Politik und Gesellschaft zusammenbringen soll, um die großen Fragen der Digitalisierung zu besprechen.

Langkabel ist dort seit langem engagiert: Im Vorstand des Bitkom, als Kuratoriumsmitglied von Fraunhofer FOKUS und bei Wikimedia Deutschland. Er ist immer dort zu finden, wo unterschiedliche Perspektiven zusammenkommen. Langkabel hat Deutschlands Digitalpolitik hinter den Kulissen leise mitgestaltet – in einer Zeit, in der immer mehr Kompetenzen nach Europa übertragen wurden, um es noch besser zu machen.

Abgesehen von naturwissenschaftlichen und ethischen Grundsätze sieht er alles im Leben einem ständigen Verbesserungsparadigma unterworfen. Und Verbesserung komme nun mal durch technologische Innovationen. Langkabel ist sich sicher: Technologien werden weiterhin die Welt verändern und “das Internet war nicht die letzte technologische Disruption“. (David Zauner)

  • Digitalisierung
  • Künstliche Intelligenz
  • Microsoft

Apéropa

Deutliche Worte hat der Vorstandsvorsitzende der Arbeitsagentur Detlef Scheele gefunden: “Wir brauchen 400.000 Zuwanderer pro Jahr. Also deutlich mehr als in den vergangenen Jahren”, so Scheele im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Deutschlands alternde Bevölkerung und geringe Geburtenrate führen zu einem massiven Arbeitskräftemangel.

Scheeles Ansatz: “Deutschland kann das Problem nur lösen, indem es Ungelernte und Menschen mit wegfallenden Jobs qualifiziert, Arbeitnehmerinnen mit unfreiwilliger Teilzeit länger arbeiten lässt – und vor allem, indem es Zuwanderer ins Land holt.” Aber woher sollen diese kommen? Irgendwo aus Europa lautet der gängige Lösungsversuch. Doch das wird nichts werden.

Denn nicht nur Deutschland, sondern große Teile Europas stecken mitten im demografischen Wandel: Insbesondere der Süden und Osten überaltert rapide. Ungarn, Italien, Finnland und Estland verlieren laut Vorausberechnungen von Eurostat vor 2100 bis zu 20 Prozent ihrer heutigen Einwohnerzahl. Bis zu 27 Prozent verlieren demnach die Slowakei, Portugal und Griechenland. Kroatien, Bulgarien, Rumänien und Litauen büßen sogar mehr als 30 Prozent ihrer Einwohner ein.

Einsam an der Spitze steht: Lettland. Dort dürften bis 2100 43,7 Prozent weniger Einwohner leben, berechnen die europäischen Statistiker. Die Europäer werden dabei auch noch im Schnitt immer älter. Für Polen etwa erwartet Eurostat, dass dort Ende des Jahrhunderts jeder sechste Einwohner älter als 80 Jahre und damit heute bereits geboren ist.

Damit all diese Berechnungen aufgehen, müsste aber vor allem eines konstant bleiben: Dass einige Länder wie Deutschland auch weiterhin viele Arbeitskräfte aus den anderen Mitgliedstaaten erhalten. Doch das wird immer schwieriger, je stärker auch dort Fachkräftemangel und gesellschaftliche Alterung voranschreiten. Und damit bleibt eigentlich nur eines: die Migration von außerhalb der EU. Und die ist gerade in einigen der Staaten besonders unpopulär, die am stärksten vom demografischen Wandel betroffen sind. Am Ende geht Nationalität wohl über Rationalität. Falk Steiner

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    • Interview mit Andreas Schwab zum Digital Markets Act
    • EU-Kommission will Abhängigkeit von China bei Magneten senken
    • Experten warnen vor Ausbauzielen für Offshore-Energie
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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    auf Andreas Schwab wartet viel Arbeit: Mehr als 1.200 Änderungsanträge zum Digital Markets Act muss der Berichterstatter des Europaparlaments in den kommenden Wochen sichten und zu einem mehrheitsfähigen Kompromiss zusammenfügen. Im Interview mit mir macht der CDU-Politiker deutlich, worauf es ihm ankommt: Die Digitalriesen sollen nicht einfach kleinere Rivalen aufkaufen können, die ihnen gefährlich werden könnten – was bislang für Facebook oder Google gängige Praxis ist. Schwab hat konkrete Ideen, wie die Wettbewerbshüter hier leichter einschreiten können.

    Einer problematischen Dominanz geht auch Timo Landenberger nach – jener Chinas bei Seltenen Erden, die für die Herstellung von Permanentmagneten benötigt werden. Diese wiederum sind wichtig für Windkraftturbinen und Elektromotoren – zentrale Technologien für den Green Deal. Die EU-Kommission macht sich deshalb daran, die Abhängigkeit von der Volksrepublik zu reduzieren. Aber in Industrie und Europaparlament gibt es Zweifel, ob das der richtige Ansatz ist.

    Dies ist übrigens die zehnte Ausgabe von Europe.Table. Für uns in der Redaktion ist die Zeit seit dem Start Anfang August wie im Fluge vergangen. Ich hoffe, für Sie als Leser:in auch. Wenn Ihnen Europe.Table gefällt, empfehlen Sie uns bitte weiter. Und schreiben Sie mir gerne, was wir besser machen können: till.hoppe@table.media.

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    Till Hoppe
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    Analyse

    Andreas Schwab: “Werden sehr viel leichter einschreiten können”

    Auf dem Foto sieht man drei Männer am Tisch sitzen, im Vordergrund redet und gestikuliert ein Mann: Andreas Schwab (CDU) ist Berichterstatter des Europaparlaments zum Digital Markets Act
    Andreas Schwab (CDU) ist binnenmarktpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion und Berichterstatter des Europaparlaments zum Digital Markets Act.

    Der CDU-Politiker hat eines der brisantesten Dossiers übernommen, die derzeit im Europaparlament beraten werden: Der Digital Markets Act (DMA) soll für mehr Wettbewerb auf den Digitalmärkten sorgen, die von Konzernen wie Google, Amazon, Facebook, Apple oder Microsoft dominiert werden. Während der parallel beratene Digital Services Act den Umgang der Plattformen mit den Inhalten regelt, sieht der DMA umfassende Verhaltensregen für die sogenannten Gatekeeper im Umgang mit Konkurrenten vor. Als Sprecher der EVP-Fraktion im Binnenmarktausschuss beschäftigt sich Andreas Schwab (48) schon lange mit diesen Fragen.

    Herr Schwab, wie haben Sie Ihren Sommer verbracht? Mit der Lektüre der mehr als 1.200 Änderungsanträge, die andere Abgeordnete zu Ihrem Bericht zum Digital Markets Act eingereicht haben?

    Da kommt tatsächlich sehr viel Arbeit auf mich als Berichterstatter zu, aber ich freue mich darauf! Immerhin haben wir seit 2014 auf diese Vorschläge gewartet. Und ich achte natürlich auch auf das gleichzeitig laufende Gesetzgebungsverfahren zum Digital Services Act, damit es keine Widersprüche zwischen beiden Rechtsakten gibt.

    Bis wann soll die Position des Europaparlaments stehen?

    Unser gemeinsames Ziel ist, die erste Lesung im Dezemberplenum des Parlaments in Straßburg abzustimmen. Im Binnenmarktausschuss wollen wir Ende Oktober so weit sein – das ist sehr sportlich. Aber wir müssen zügig zu Potte kommen. Denn wir sehen immer mehr Fälle, wo die Digitalriesen Märkte unter sich aufteilen oder die Konkurrenz mit ungerechtfertigten Methoden ausschalten.

    Sie wollen den Kreis der zu regulierenden Plattformen auf die ganz großen beschränken, jene mit mehr als zehn Milliarden Euro Umsatz und 100 Milliarden Marktwert. Eine Lex GAFAM also?

    Wir sind uns im Europaparlament im Grunde einig: Die Gesetzgebung sollte sich auf die allergrößten Digitalunternehmen der Welt beschränken. Die Wettbewerbsverfahren der Europäischen Kommission haben gezeigt, dass eine ex-post-Kontrolle zu langsam und zu ineffektiv ist – die Entscheidungen in den betreffenden Verfahren kamen immer zu spät.

    Im Falle von Google Shopping zog sich das Verfahren über fast sieben Jahre.

    Die Unternehmen können ihre Geschäftspraktiken außerdem schnell umstellen und so Katz und Maus mit den Wettbewerbsbehörden spielen. Deshalb müssen bestimmte wettbewerbswidrige Praktiken von Gatekeepern schon vorab, also “ex-ante”, als rechtswidrig gelten. Das aber bringt zweifelsohne eine gewisse Bürokratie aufseiten der Unternehmen mit sich. Diese Bürokratie müssen wir aber den Unternehmen ersparen, von denen kaum Gefahren für den Wettbewerb ausgehen, weil sie ihre Marktmacht nicht mit Hebelwirkung auf andere Märkte übertragen können – wie die ganz Großen.

    Gehen den Regulierern damit nicht aufstrebende Unternehmen durch die Lappen, wie etwa die Grünen befürchten? Unternehmen wie Zoom, die sehr schnell große Marktanteile erreicht haben?

    Zoom oder das deutsche Start-up “Trade Republic” haben sich stark entwickelt. Aber sie sind nur in einem einzelnen Sektor stark, und selbst innerhalb dieses Sektors gibt es ausreichend Wettbewerber. Auch für Fälle wie Booking.com reicht nach meiner Auffassung das bestehende Wettbewerbsrecht aus. Das Kernproblem liegt doch zweifellos bei den Unternehmen, die in mehreren Sektoren gleichzeitig Marktführer sind, und ihre Marktmacht aus einem Sektor in einen oder mehrere andere Sektoren übertragen. Sie nutzen ihre Ökosysteme, um einen Wettbewerb gar nicht erst entstehen zu lassen, oder um die Wettbewerber außen vor zu halten.

    Europäische Firmen blieben damit verschont.

    Die aufstrebenden Digitalunternehmen sind doch heute alle von internationalen Investoren finanziert. Und wenn sie die Kapitalisierung von Unternehmen wie Booking.com ansehen, haben die 2021 schon über der 100-Milliarden-Schwelle für die Gatekeeper gelegen. Der Begriff “europäische Unternehmen” ist deshalb etwas gefährlich. Entscheidend ist doch, dass wir jetzt nicht neue Hürden für die Unternehmen errichten, die als Wettbewerber mit innovativen Ideen in den Markt drängen. Wir wollen die bestehenden Oligopole zur peniblen Einhaltung der Wettbewerbsregeln zwingen, nicht aber anderen Unternehmen den Markteintritt erschweren.

    Hat die Kommission die technische Expertise, um die Geschäftspraktiken der Tech-Konzerne wirksam zu kontrollieren?

    Ich glaube, die EU-Kommission ist gut ausgestattet, aber notfalls wird sie sich die Fähigkeiten eben zusätzlich von außen holen müssen. Ihre Arbeit wird dadurch erleichtert, dass die Gatekeeper sie als Aufseher von Anfang an in wettbewerbsrelevante Entscheidungen einbeziehen müssen.

    In den USA nimmt die FTC einen neuen Anlauf vor Gericht, um Facebook zu zerschlagen. Warum schreckt Europa vor einem solch klaren Schnitt zurück?

    Der Vorschlag der Kommission sieht auch in Europa strukturelle Maßnahmen als ultima ratio vor, und ich habe diese Möglichkeit in meinem Bericht noch gestärkt.

    Wettbewerbskommisarin Margrethe Vestager hat aber klargemacht, dass sie eine Zerschlagung für unangemessen hält.

    Das Recht auf Eigentum ist in den Staaten der Europäischen Union verfassungsrechtlich fest verankert. Eingriffe müssen deshalb rechtliche Hürden überwinden, die es so in den USA nicht gibt. Man muss sich in jedem Falle fragen, was eine Zerschlagung besser machen würde. Gleichwohl bleibt diese Option auf dem Tisch.

    Die Wettbewerbshüter in den USA oder Großbritannien schauen inzwischen auch genauer hin, wenn die Digitalkonzerne Konkurrenten aufkaufen, wie Facebook bei der Übernahme von Giphy. Bietet der DMA genug Handhabe gegen solche Killerakquisitionen?

    Ich habe die Vorschläge der Kommission dazu noch verschärft. Der EU-Vertrag grenzt unseren Spielraum aber ein, denn Änderungen am Fusionskontrollregime müssten im Rat einstimmig beschlossen werden. Das wollte die EU-Kommission aber zu Recht umgehen. Deshalb müssen wir eine praxistaugliche Lösung finden, die es erlaubt, alle relevanten Informationen über solche Fusionen vorab zusammenzuführen und zu beurteilen.

    Wie soll das gelingen?

    Gatekeeper müssen künftig die EU-Kommission auch über Fusionen unterhalb der europäischen Aufgriffsschwellen informieren. Wir sollten außerdem die Definition relevanter Märkte im Digitalbereich sehr viel enger fassen – die Kommission überarbeitet derzeit ja ihre Leitlinien für die Definition relevanter Märkte. Insgesamt wird dadurch Transparenz geschaffen – und es wird sehr viel leichter werden einzuschreiten, wenn eine Übernahme nur dazu dient, Marktmacht einzukaufen.

    Welche Rolle sollten die nationalen Behörden bei der Durchsetzung des DMA spielen?

    Viele nationale Behörden verfügen über eine Expertise, die wir auf keinen Fall verlieren dürfen. Andererseits ist es der Schlüssel zum Erfolg, dass wir die Unternehmen nach einheitlichen europäischen Maßstäben an die Kandare nehmen. Deshalb sollte es die Aufgabe der EU-Kommission sein zu entscheiden, wer als Gatekeeper eingestuft wird. Wenn es darum geht, die in Artikel 5 und 6 des DMA festgelegten Regeln gegen die Unternehmen durchzusetzen, können wir die Fähigkeiten der nationalen Behörden sehr gut gebrauchen.

    Denken Sie dabei vor allem an die Wettbewerbsbehörden oder an Regulierer wie die Bundesnetzagentur?

    Es geht darum, beide möglichst effektiv zusammenzuspannen. Die Kernaufgabe liegt aus meiner Sicht bei den Wettbewerbsbehörden. Aber die digitalen Märkte durchdringen inzwischen auch andere Märkte so tief, dass wir eine holistische Herangehensweise gewährleisten müssen, bei der auch die Regulierungsbehörden eine wichtige Rolle spielen müssen.

    Wie wollen Sie die vielen Akteure zusammenbringen?

    Mein Vorschlag sieht zwei Gremien zur Abstimmung vor: Zum einen die High-Level Expert Group, in der die Wettbewerbsbehörden den Ton angeben; und zum anderen den beratenden Ausschuss, in dem die Regulierungsbehörden miteinbezogen werden können. Am Ende wird es darum gehen, eine einheitliche Anwendung der Regeln zu gewährleisten und zu viel Bürokratie zu vermeiden.

    Werden nationale Instrumente gegen die Digitalkonzerne wie die jüngste GWB-Novelle überflüssig, wenn der DMA in Kraft tritt?

    Natürlich brauchen die Mitgliedsstaaten eine gewisse Freiheit, auch über die europäischen Regeln hinauszugehen. Auf der anderen Seite sollten wir mit den Gatekeepern möglichst einheitlich in der EU verfahren. In jedem Falle werden den Mitgliedstaaten in den Bereichen, in denen nicht das Wettbewerbsrecht im engeren Sinne betroffen ist, Möglichkeiten zur Regulierung bleiben.

    Ist es realistisch, dass die Kommission bestimmte Geschäftspraktiken einfach untersagt – und die Konzerne sich fügen, ohne langwierige Gerichtsverfahren anzustrengen?

    Natürlich können auch die Entscheidungen auf Grundlage des DMA gerichtlich angefochten werden. Das sollte uns aber keine Angst machen. Die Beweislast wird künftig bei den Unternehmen liegen, und die Anordnungen der Kommission können mit sofortiger Wirkung vollzogen werden. Anders als bisher bringt es den Unternehmen also wenig, auf eine Verzögerungstaktik zu setzen.

    Einige Europaabgeordnete wollen die Digitalunternehmen dazu verpflichten, ihre Dienste interoperabel zu machen. Wäre es nicht wünschenswert, wenn Signal-Nutzer Freunde oder Kollegen bei WhatsApp erreichen könnten, ohne die Geschäftsbedingungen von Facebook akzeptieren zu müssen?

    An sich, ja. Ich schlage auch vor, dass Interoperabilität zu den möglichen Auflagen zählt, die die Kommission im Einzelfall verhängen kann. Die politische Vorstellung, die Messengerdienste einfach zusammenzubinden wie bei der SMS, ist aber etwas weltfremd. Wer definiert dann die Standards für den Datenaustausch? Welche Sicherheits- und Datenschutzniveaus gelten? Die Gefahr wäre groß, dass der Anbieter mit den geringsten Standards die größten wirtschaftlichen Vorteile hätte.  

    Andere Abgeordnete wollen die personalisierte Werbung erschweren, durch ein Verbot des Zusammenführens von Daten unterschiedlicher Dienste. Was halten Sie davon, auch angesichts des geplanten Cookie-Verbots von Google und Co?

    Ich glaube nicht, dass wir personalisierte Werbung verbieten werden. Aber wir brauchen eindeutige Regeln. Margrethe Vestager hat ja bestätigt, dass sie von den US-Vorwürfen gegen Google weiß, wo eigene Werbe-Tools zulasten der Wettbewerber bevorzugt wurden. Wir werden entschieden darauf achten müssen, bei der Werbevermarktung mehr Transparenz und wieder mehr Wettbewerb zu gewährleisten. Die Marktregeln sollten vom Gesetzgeber definiert werden, nicht von einzelnen Gatekeepern und deren Cookie-Regeln.

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    Magnete: Kommission will weniger Abhängigkeit von China

    Die Umstellung der europäischen Industrie auf klimafreundlichere Technologien bringt neue Probleme mit sich: Die Nachfrage nach Rohstoffen aus Drittländern steigt, was die Europäische Kommission bereits dazu veranlasste, vor wachsenden Abhängigkeiten zu warnen – etwa bei sogenannten Permanentmagneten.

    Auf der Liste der kritischen Rohstoffe mit hohem Versorgungsrisiko stehen auch Seltene Erden, die als Bestandteil von Permanentmagneten eine wichtige Rolle für die Umsetzung der Klimaziele spielen. Die Magnete kommen in Laptops und Smartphones zum Einsatz, aber auch in Windkraftturbinen oder in Motoren von Elektroautos. Letztere kommen durch Seltene Erden mit weniger Batterieleistung aus als mit gewöhnlichen Magneten – die Reichweite steigt.

    98 Prozent kommen aus China

    Der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Elektrifizierung des Straßenverkehrs treiben die Nachfrage nach Seltenen Erden – laut Kommission könnte sich diese bis 2050 verzehnfachen. Zwar sind Seltene Erden gar nicht so selten, sondern nahezu überall auf der Erde auffindbar, in wirtschaftlich rentablen Mengen treten sie aber weniger häufig auf: Die EU bezieht 98 Prozent ihres Bedarfs aus China.

    Branchenvertreter befürchten durch die Importabhängigkeit nicht nur Lieferengpässe, sondern auch hohe Preisschwankungen. Der Preis von Neodymium, Hauptbestandteil von Permanentmagneten, hat sich seit Anfang 2020 bereits mehr als verdoppelt. Auch Kommissions-Vizepräsident Maroš Šefčovič warnt: “Wir können es uns nicht erlauben, unsere derzeitige Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen gegen eine Abhängigkeit von kritischen Rohstoffen einzutauschen.”

    China dagegen möchte seine Rolle im weltweiten Rohstoffmarkt behaupten. Peking sei bestrebt, die Kontrolle über die Wertschöpfungskette für Seltene Erden und Magnete zu stärken, so ein Kommissionsprecher auf Anfrage. Anfang des Jahres hat das Land eine Konsultation über das künftige Management von Seltenen Erden eingeleitet. Es sei zwar positiv, dass die Verordnung die Nachhaltigkeit und Transparenz der Lieferketten verbessern wolle, sagte der Sprecher. “Es ist jedoch noch unklar, wie.” Auch werfe das vorgesehene System zur Rückverfolgbarkeit Fragen über die Verwendung und den Schutz von Daten nicht-chinesischer Unternehmen auf, die an der Lieferkette beteiligt sind.

    Abhängigkeit von Drittstaaten verringern

    Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie, fordert deshalb: “Die Abhängigkeit von Drittstaaten muss verringert werden.” Für die preisstabile Verfügbarkeit von Rohstoffen seien “offene Märkte, ein level playing field im globalen Kontext und politische Stabilität wichtig”, sagte sie Europe.Table.

    Der Windenergieverband WindEurope mahnt, “bis auf Weiteres wird China ein wichtiger Partner bleiben”. Die EU müsse daher den freien Handel sicherstellen und Lieferketten für Seltene Erden, Permanentmagnete und Generatoren aufrechterhalten, so ein Verbandssprecher.

    Im Rahmen ihrer Industriestrategie hat die Kommission bereits einen Aktionsplan für kritische Rohstoffe vorgelegt und die European Raw Materials Alliance (ERMA) ins Leben gerufen. Ziel ist es, die Kreislaufwirtschaft bei kritischen Rohstoffen zu stärken, die Beschaffung aus Drittländern zu diversifizieren sowie europäische Lieferketten aufzubauen.

    Rohstoffproduktion in Europa erhöhen

    Entscheidend sei dabei, so der Kommissionsprecher, Bewusstsein und Akzeptanz in der Bevölkerung für eine europäische Rohstoffproduktion zu verbessern. Dafür müsse sichergestellt sein, “dass Bergbau und mineralgewinnende Tätigkeiten ressourceneffizient sind und die höchsten Umwelt- und Sozialstandards einhalten”.

    Die industriepolitische Sprecherin der Grünen, Henrike Hahn, überzeugt das nicht: “Statt in Europa verstärkt auf Mining zu setzen, müssen wir den Bedarf nach kritischen Rohstoffen reduzieren und auch auf Alternativen setzen”, so die Europaabgeordnete, die auch Mitglied der China-Delegation ist.

    Hahn wirft der Kommission vor, unsauber zu argumentieren und die falsche Methodik sowie die falschen Grundannahmen zu nutzen. Eine vor ihr in Auftrag gegebene Studie des Öko-Instituts komme zu dem Schluss, dass nur ein Bruchteil der künftigen Nachfrage nach kritischen Rohstoffen mit der Nutzung von grünen Technologien zusammenhängt. “Nur mit einer realistischen Nachfrageprognose bekommen wir auch ein korrektes Bild zu potenziellen Versorgungsproblemen, zur Wettbewerbsfähigkeit und eine realistische Handlungsgrundlage für den Green Deal”, so Hahn.

    Tatsächlich werde auf dem deutschen Windenergie-Markt bereits weitestgehend auf Permanentmagnete verzichtet, sagt Wolfram Axthelm, Geschäftsführer vom Bundesverband Windenergie. Die zur Stromerzeugung erforderlichen Magnetfelder im Generator würden bei deutschen Herstellern wie Enercon und Nordex elektrisch erzeugt. “Auch vor dem Hintergrund der Kosten arbeitet die Branche seit Jahren intensiv daran, die Nutzung von Neodym zu reduzieren beziehungsweise durch Recycling besser zu gestalten”, so Axthelm.

    Auch ein BMW-Sprecher betont: “Seit der Umstellung auf die aktuelle fünfte Generation unseres elektrischen Antriebsstrangs im vergangenen Jahr setzen wir in unseren Elektromotoren keinerlei seltene Erden mehr ein.”

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    News

    Experten warnen vor Ausbauzielen für Offshore-Energie

    Das Centrum für Europäische Politik (CEP) hat die Strategie der EU-Kommission für mehr grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten beim Ausbau der Offshore-Energie analysiert. Der Thinktank pocht darauf, dass sich die EU-Länder gemeinsam auf optimale Standorte für die Anlagen einigen, um den limitierten Meeresraum effizient zu nutzen und Kosten zu sparen. Zudem könnten Offshore-Projekte, die an mehrere Länder angebunden sind, die Erzeugungskapazitäten erhöhen und den EU-Stromhandel bestärken, so die CEP-Autoren.

    Allerdings warnt der Thinktank vor festgelegten Ausbauzielen bestimmter Offshore-Technologien. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Energieversorgung sollte nicht politisch, sondern im Wettbewerb bestimmt und zu möglichst geringen Kosten erreicht werden, heißt es. Überwiegend durch Subventionen forcierte Ausbauziele würden nicht zu einer zusätzlichen Emissionsreduktion, sondern nur zu “unnötigen kostentreibenden Emissionsverlagerungen innerhalb der EU führen, da die Energieerzeugung bereits durch das EU-Emissionshandelssystem (ETS) reguliert ist”. Der ETS biete genügend Anreize für einen effizienten Ausbau der Erneuerbaren.

    Soll heißen: Da der ETS bereits eine jährlich sinkende (2,2% p.a.) maximale Gesamtmenge an Emissionsrechten für den Energiesektor vorgibt, wären europäische Energieproduzenten ohnehin angehalten, sich untereinander beim Ausbau der Erneuerbaren abzustimmen. Festgelegte Ausbauziele einzelner Mitgliedstaaten könnten dafür sorgen, dass Erneuerbare an suboptimalen Standorten produziert werden und somit nicht das volle Potential der Energiegewinnung ausschöpfen.

    Im Juli hatten deutsche Offshore-Windenergie-Verbände explizit die Anhebung der deutschen Ausbauziele für Offshore-Windenergie gefordert, da sie eine Ausbaulücke befürchteten und die Politik in der Verantwortung sahen. Im Gegensatz zum CEP begrüßten die Verbände die Zielsetzung der EU, die Offshore-Windenergie bis 2050 auf 300 GW auszubauen.

    Das Bundeswirtschaftsministerium teilte auf Anfrage mit, dass es weiter an seinen Offshore-Ausbauzielen von 20 Gigawatt Leistung bis 2030 und 40 Gigawatt bis 2040 festhalten werde. luk

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    Klimawende: Maersk bestellt Methanol-Schiffe

    Lange Zeit war von Dekarbonisierungsplänen der Schifffahrtsbranche wenig zu hören. Nun hat die dänische Reederei Maersk vorgelegt und acht neue Containerschiffe bestellt, die sowohl mit herkömmlichem Treibstoff als auch mit dem klimafreundlicheren Methanol betrieben werden können. Die Schiffe können 16.000 Container befördern und von China nach Europa sowie über den Pazifik fahren.

    Methanol wird in Branchenkreisen neben Ammoniak als vielversprechende Antriebsalternative zu Schiffsdiesel oder Schweröl gehandelt, da es sich verhältnismäßig leicht produzieren und handhaben lässt. Containerschiffe können ohne allzu großen finanziellen Aufwand auf Methanol-Betrieb umgerüstet werden. Allerdings wird beim Verbrennen CO2 freigesetzt, weshalb der Treibstoff nur dann wirklich grün ist, wenn er ohne fossile Brennstoffe gewonnen wurde.

    Mit der ersten Schiffsbestellung seit sechs Jahren reagiert die größte Containerreederei der Welt auch auf die Klimaziele der EU. Die Kommission hatte zuletzt vorgeschlagen, durch die Ausweitung des europäischen Emissionshandelssystems ab 2023 auch die globale Schifffahrt erstmals für ihren Treibhausgasausstoß in die Pflicht zu nehmen (Europe.Table berichtete). til

    • Klimaschutz
    • Schifffahrt

    Presseschau

    Rettungsmission in Kabul endet kommende Woche SUEDDEUTSCHE
    Scientists see link between climate change and Europe’s floods POLITICO
    Willkommen im Club: Bundesregierung will Staaten in neuem Klimagremium vereinen HANDELSBLATT
    Spain Plans Government Aid for Regions Affected by Wildfires BLOOMBERG
    Ludwig kritisiert Gewessler wegen Klimatickets und Lobautunnels STANDARD
    Hyperloops and sleeper trains: The tech making rail travel in Europe more accessible than ever EURONEWS
    Spain counts cost of agribusiness in rising desertification FT
    Campaign against targeted ad spills over the DMA amid business concerns EURACTIV

    Portrait

    Thomas Langkabel – Brückenbauer zum Fortschritt

    Thomas Langkabel (c) Privat
Verwaltung könne durch Künstliche Intelligenz entlastet werden
    Thomas Langkabel (c) Privat

    Thomas Langkabel ist ein ruhig wirkender Mensch. Doch seine Begeisterung für digitale Technologien kann und will er nicht verbergen. Eigentlich studierte er Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität der Bundeswehr in München. Der Wechsel in die IT kam dann beinahe zufällig zustande. Irgendwer sollte ein Konzept für die anfangs unkoordinierte IT-Infrastruktur der Bundeswehr entwerfen. Und so wurden die “jungen, frischen Leute von der Uni, die sich mit diesem komischen Zeug schon beschäftigt haben” in die Pflicht genommen, erinnert er sich schmunzelnd. Thomas Langkabel war einer dieser jungen Leute, heute ist er National Technology Officer bei Microsoft Deutschland.

    Deutschlands Verwaltung liegt bei ihrem digitalen Angebot auf Rang 21 im europäischen Vergleich, und damit im unteren Drittel. Thomas Langkabel macht dafür eine allgemeine Innovations- und Technikscheu der Bundesbürgerinnen und Bürger verantwortlich. Aktenordner, Fax-Geräte und umständliche Excel-Tabellen gehören noch immer zum deutschen Behörden-Alltag. “Es gibt positive Tendenzen, es tut sich was, aber eben viel zu langsam”, sagt Langkabel – und klingt dabei ein bisschen resigniert.

    Doch die Hoffnung auf den großen Transformationsturbo habe er nicht verloren, sagt er. Auch durch die Pandemie seien neue Impulse ausgelöst worden. Langsam entwickle sich in der Politik ein Bewusstsein für die Bedeutung einer modernen Verwaltung, erklärt Langkabel. Und das sei entscheidend, denn die technischen Möglichkeiten existieren längst. Und es würde neue hinzukommen, sagt er – wie die sogenannte Künstliche Intelligenz (KI).

    Die Gefahr, dass Arbeitsplätze durch Künstliche Intelligenz ersetzt werden und dadurch Menschen in die Arbeitslosigkeit rutschen, hält Langkabel für unbegründet. Vielmehr könnte Künstliche Intelligenz eine momentan überlastete Verwaltung entlasten und die Qualität der Arbeit verbessern. Zwar verstehe er, dass viele Menschen bei dem Gedanken an Künstliche Intelligenz ein mulmiges Gefühl bekommen, aber irrationale Ängste dürften nicht blockieren. Stattdessen will er aufklären und Sorgen nehmen, indem berechtigte ethische und andere Bedenken ernst genommen und diskutiert werden.

    Neuer Rechtsrahmen für Künstliche Intelligenz

    Langkabel spricht damit ein hochaktuelles Thema an: Die EU-Kommission hat ihren Vorschlag für einen KI-Rechtsrahmen vorgelegt, Europaparlament und Rat beraten sich nun. Mit der Regulierung soll den weit verbreiteten Ängsten entgegengewirkt und eine Künstliche Intelligenz geschaffen werden, die Vertrauen verdient. “Es ist die Aufgabe der gesamten Digital-Industrie sich transparent und ehrlich mit diesen Risiken auseinanderzusetzen“, betont Thomas Langkabel.

    Er ist kein Verkäufer, sondern ein Brückenbauer. Und zwar einer mit langem Atem. Er ist Vize-Präsident der Initiative D21. Das ist der Verein, der seit Gerhard Schröders Zeiten Unternehmen, Politik und Gesellschaft zusammenbringen soll, um die großen Fragen der Digitalisierung zu besprechen.

    Langkabel ist dort seit langem engagiert: Im Vorstand des Bitkom, als Kuratoriumsmitglied von Fraunhofer FOKUS und bei Wikimedia Deutschland. Er ist immer dort zu finden, wo unterschiedliche Perspektiven zusammenkommen. Langkabel hat Deutschlands Digitalpolitik hinter den Kulissen leise mitgestaltet – in einer Zeit, in der immer mehr Kompetenzen nach Europa übertragen wurden, um es noch besser zu machen.

    Abgesehen von naturwissenschaftlichen und ethischen Grundsätze sieht er alles im Leben einem ständigen Verbesserungsparadigma unterworfen. Und Verbesserung komme nun mal durch technologische Innovationen. Langkabel ist sich sicher: Technologien werden weiterhin die Welt verändern und “das Internet war nicht die letzte technologische Disruption“. (David Zauner)

    • Digitalisierung
    • Künstliche Intelligenz
    • Microsoft

    Apéropa

    Deutliche Worte hat der Vorstandsvorsitzende der Arbeitsagentur Detlef Scheele gefunden: “Wir brauchen 400.000 Zuwanderer pro Jahr. Also deutlich mehr als in den vergangenen Jahren”, so Scheele im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Deutschlands alternde Bevölkerung und geringe Geburtenrate führen zu einem massiven Arbeitskräftemangel.

    Scheeles Ansatz: “Deutschland kann das Problem nur lösen, indem es Ungelernte und Menschen mit wegfallenden Jobs qualifiziert, Arbeitnehmerinnen mit unfreiwilliger Teilzeit länger arbeiten lässt – und vor allem, indem es Zuwanderer ins Land holt.” Aber woher sollen diese kommen? Irgendwo aus Europa lautet der gängige Lösungsversuch. Doch das wird nichts werden.

    Denn nicht nur Deutschland, sondern große Teile Europas stecken mitten im demografischen Wandel: Insbesondere der Süden und Osten überaltert rapide. Ungarn, Italien, Finnland und Estland verlieren laut Vorausberechnungen von Eurostat vor 2100 bis zu 20 Prozent ihrer heutigen Einwohnerzahl. Bis zu 27 Prozent verlieren demnach die Slowakei, Portugal und Griechenland. Kroatien, Bulgarien, Rumänien und Litauen büßen sogar mehr als 30 Prozent ihrer Einwohner ein.

    Einsam an der Spitze steht: Lettland. Dort dürften bis 2100 43,7 Prozent weniger Einwohner leben, berechnen die europäischen Statistiker. Die Europäer werden dabei auch noch im Schnitt immer älter. Für Polen etwa erwartet Eurostat, dass dort Ende des Jahrhunderts jeder sechste Einwohner älter als 80 Jahre und damit heute bereits geboren ist.

    Damit all diese Berechnungen aufgehen, müsste aber vor allem eines konstant bleiben: Dass einige Länder wie Deutschland auch weiterhin viele Arbeitskräfte aus den anderen Mitgliedstaaten erhalten. Doch das wird immer schwieriger, je stärker auch dort Fachkräftemangel und gesellschaftliche Alterung voranschreiten. Und damit bleibt eigentlich nur eines: die Migration von außerhalb der EU. Und die ist gerade in einigen der Staaten besonders unpopulär, die am stärksten vom demografischen Wandel betroffen sind. Am Ende geht Nationalität wohl über Rationalität. Falk Steiner

    Europe.Table Redaktion

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