Table.Briefing: Europe

Belästigung im EP + Gasleitungen + Energiecharta

Liebe Leserin, lieber Leser,

Mark Rutte ist ein politischer Überlebenskünstler. Seit bald 13 Jahren hält sich der rechtsliberale Politiker in den Niederlanden an der Macht, und das in einer arg zersplitterten Parteienlandschaft. Am Freitag trug der 56-Jährige bereits seine vierte Koalition zu Grabe. Und kann doch auf eine weitere Amtszeit hoffen, wenn er denn will.

Heute wird das Parlament in Den Haag über die Lage und den Termin für eine Neuwahl beraten – voraussichtlich im November. Das Bündnis von Ruttes Partei VVD mit der linksliberalen D66, der Christen-Union sowie der christdemokratischen CDA hielt nur rund eineinhalb Jahre. Die Koalitionspartner wollten die vom Premier verlangte Einschränkung des Familiennachzugs für Kriegsflüchtlinge nicht mittragen.

Die Ex-Partner werfen Rutte vor, den Bruch forciert zu haben. Tatsächlich spricht einiges dafür, dass Rutte kalkuliert handelt. Von der politischen Konkurrenz in der Mitte und von links hat er wenig zu befürchten: D66 und CDA stehen in Umfragen schlecht da, deren Parteichefs Sigrid Kaag und Wopke Hoekstra sind intern umstritten. Für die neue, bei den Provinzwahlen erfolgreiche Bauern-Bürger-Bewegung könnte die vorgezogene Parlamentswahl zu früh kommen. Bewahrheitet sich dieses Szenario, könnte Rutte danach erneut die Regierung führen – womöglich an der Spitze eines neuen Rechtsbündnisses.

Ich wünsche Ihnen einen guten Wochenstart.

Ihr
Till Hoppe
Bild von Till  Hoppe

Analyse

EP: Viele Mitarbeiter berichten von Belästigung

Rund die Hälfte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Europaparlament, die an einer Umfrage teilgenommen haben, haben dort schon einmal sexuelle, psychische oder physische Belästigung oder Gewalt erfahren. Das geht aus der Erhebung der Initiative MeTooEP hervor, die heute veröffentlicht wird und Table.Media vorliegt.

Die Initiatoren hatten alle etwa 10.000 Mitarbeiter im Parlament per Mail angeschrieben und um Auskunft gebeten. Vom 27. Juni bis 5. Juli haben 1001 Mitarbeiter geantwortet, 655 der Antwortenden bezeichneten sich als Frauen, 312 als Männer.

Rund 16 Prozent haben demnach bereits sexuelle Belästigung oder Gewalt im Umfeld des EP erlebt. 48 Prozent der Antwortenden haben der Umfrage zufolge psychische Gewalt oder Belästigung erlebt, sieben Prozent physische Gewalt oder Belästigung erfahren. Über psychische Belästigung oder Gewalt berichteten Männer und Frauen in etwa zu gleichen Anteilen.

164 Fälle blieben ohne Konsequenzen

Unabhängig vom eigenen Erleben berichteten 412 der Befragten, dass sie Zeuge wurden von sexueller, psychischer oder physischer Belästigung im Umfeld der Arbeit. Der Umfrage zufolge haben 423 Personen, die Opfer von Belästigung wurden, den Vorfall innerhalb des EP zur Sprache gebracht. In 164 Fällen habe dies keine Konsequenzen gehabt. 39 der Befragten sagten, ihnen sei geraten worden, das EP zu verlassen.

MeTooEP legt die vorläufigen Ergebnisse der Befragung heute vor, endgültige Ergebnisse sollen im September vorgelegt werden. Die Initiatoren wollen damit die Notwendigkeit von Reformen unterstreichen. Heute Abend berät das EP-Präsidium erstmals über strengere Maßnahmen gegen Belästigung und Schikanen.

Die Anti-Harassment-Vorschläge, die die Quästoren im Auftrag von Parlamentspräsidentin Roberta Metsola erarbeitet haben, sehen vor:

  • Angebot der Mediation im Fall von Belästigungen, das allen Mitarbeitern offenstehen soll
  • Pflicht zur Teilnahme für MEPs an Schulungen zur Sensibilisierung
  • Schärfere Sanktionen
  • Reform der Arbeitsweise in den beiden bestehenden Anti-Harassment-Gremien, um den Schutz der Betroffenen zu verbessern  

Acht von 14 Vize-Präsidenten gehen die vorgeschlagenen Maßnahmen der Quästoren aber nicht weit genug. Sie fordern weitergehende Schritte in einem Brief, den Table.Media einsehen konnte.

Whistleblower-Richtlinie gilt nicht in EU-Institutionen

Heute diskutiert das EP-Präsidium zudem über einen besseren Schutz von Whistleblowern. Das Generalsekretariat hat dafür erste Vorschläge erarbeitet. Es sollen Verfahren eingeführt werden, wie künftig Fehlverhalten vertraulich angezeigt und über welche Kanäle Beweismaterial geliefert werden kann sowie wie die angezeigten Fälle weiterverfolgt werden. Es gibt die Forderung, dass auch anonyme Hinweise auf Fehlverhalten verfolgt werden.

Die EU hat 2019 eine Whistleblower-Richtlinie für private und öffentliche Unternehmen beschlossen, die bis Dezember 2021 von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen war. Die Richtlinie gilt aber ausdrücklich nicht für die EU-Institutionen. 21 Mitgliedstaaten hatten die Richtlinie bei Inkrafttreten noch nicht in nationales Recht umgesetzt.

Sowohl die Maßnahmen für einen besseren Schutz gegen Belästigung und Schikane im Europaparlament als auch der bessere Whistleblower-Schutz gehören zum 14-Punkte-Plan von Roberta Metsola, den die Parlamentspräsidentin als Konsequenz aus dem Bestechungsskandal um Eva Kaili umsetzen will. Nach der Sommerpause sollen die Reformen im EP-Präsidium und vom Parlament beschlossen werden. Im September will auch die Transparenz-Arbeitsgruppe des Verfassungsausschusses unter der Leitung von Rainer Wieland (CDU) ihre Vorschläge vorlegen.  

  • Europäisches Parlament
  • Eva Kaili
  • Katargate
  • Transparenz

Wie Brüssel den Rückbau von Gasleitungen vorbereitet

Es sei nicht davon auszugehen, dass alle Gasverteilnetze auf Wasserstoff umgestellt werden. Was sich so lapidar liest in der Begründung zum deutschen Gebäudeenergiegesetz (GEG), zieht in Wahrheit viele unangenehme Fragen nach sich:

  • Wer plant, welche Gasleitungen stillgelegt werden? Die Transformationspläne im GEG regeln nur die Umrüstung auf Wasserstoff, nicht explizit den Rückbau der übrigen Leitungen.
  • Wer soll die Kosten für die Stilllegung und die noch verbleibenden Erdgasnetze tragen – die immer weiter schrumpfende Zahl von Kunden oder die Allgemeinheit?
  • Dürfen Gasunternehmen Haushalte und Betriebe von der Versorgung abklemmen, wenn einzelne Netze unwirtschaftlich werden?

All diese Themen schob die Bundesregierung seit der Entlassung von Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen auf die lange Bank. Allenfalls in Eröffnungsreden für parlamentarische Sommerfeste blitzen sie in diesen Tagen anekdotisch auf. In Brüssel haben sich Mitgliedstaaten und Parlament zu diesen Fragen allerdings schon vor Monaten festgelegt – in ihren Positionen zur Gasmarkt-Richtlinie.

Rückbau auch für Verteilnetzbetreiber

Die Kommission wollte in Artikel 51 die Übertragungsnetzbetreiber verpflichten, in ihren regelmäßigen Plänen zum Netzausbau auch Informationen über geplante Stilllegungen und Umnutzungen – zum Beispiel für Wasserstoff – zu veröffentlichen. Ob und welche Leitungen dies betrifft, sollte aber erst einmal den Netzbetreibern selbst überlassen bleiben.

Die fürs Heizen weit wichtigeren Verteilnetze in den Kommunen blieben komplett unberücksichtigt. Parlament und Rat wollen dagegen auch die Verteilnetzbetreiber in die Pflicht nehmen, allerdings auf unterschiedlichen Wegen.

EU-Staaten: Trennung von Gasleitungen regeln

Die Ratsposition setzt bei den individuellen Anschlüssen ans Gasnetz an. In Artikel 34 wollen die Mitgliedstaaten die Verantwortung für die Stilllegung von Verteilnetzen ihren nationalen Regulierungsbehörden überantworten. Die Regulierer sollen Stilllegungspläne nicht nur genehmigen, sondern auch Kriterien für das Abklemmen der Nutzer vom Gasnetz festlegen.

Die politische Tragweite dieses Ansatzes könnte beträchtlich sein. Man erinnere sich an den Wirbel, den die Pläne der Bundesnetzagentur für “Lade-Beschränkungen” für E-Autos auslösten. Die mögliche Trennung der Nutzer vom Gasnetz begründet der Rat ausdrücklich mit dem Ziel der Klimaneutralität.

Parlament: Planung in den Kommunen

Die Position des Parlaments verfolgt dagegen einen stärker dezentralen Ansatz. Die Abgeordneten betonen die Planungshoheit der Gemeinden und wollen frühzeitig die Einwohner vor Ort einbinden. Zum einen übernehmen sie im neuen Artikel 52a die Pflicht für Kommunen, Wärmepläne zu erstellen, wie sie die neu gefasste Energieeffizienz-Richtlinie (EED) einführt. Schon am 11. bzw. 24. Juli wollen Parlament und Rat die Effizienz-Richtlinie beschließen.

Die lokale Wärmeplanung will das Parlament in der Gasmarkt-Richtlinie um eine Gasnetzplanung der Verteilnetzbetreiber ergänzen. Wie bei den Übertragungsnetzen soll auch die Stilllegung und Umnutzung von Erdgasleitungen mitgeplant werden. Ein scharfes Enddatum für das Gasnetz gibt es zwar nicht. Allerdings enthält die Position zwei weichere Anforderungen, die sich auf Stilllegungspläne auswirken könnten:

  • Als Ziel der lokalen Gasnetzpläne wird vorgeschrieben, “die Verwendung von Gas in Gebäuden zu reduzieren, falls energie- und kosteneffizientere nachhaltige Technologien verfügbar sind”. Wobei das Parlament unter “Gas” auch Wasserstoff versteht.
  • Bei der Umrüstung von Erdgasleitungen auf Wasserstoff sollen Sektoren bevorzugt werden, die mit anderen Mitteln schwer zu dekarbonisieren sind.

Industrie soll Wasserstoff vorrangig bekommen

“Kein Sektor ist aus der Nutzung von Wasserstoff ausgeschlossen, doch müssen wir Wasserstoff bevorzugt dort einsetzen, wo er am meisten CO2 einsparen kann”, sagt der Berichterstatter des Parlaments zur Gasmarkt-Richtlinie, Jens Geier (SPD). “Solange Wasserstoff nicht in ausreichendem Maße verfügbar ist, müssen schwer zu dekarbonisierende Sektoren, wie die Stahlindustrie, das erste Zugriffsrecht haben, da es dort keine Alternative gibt, um Emissionen einzusparen. Eine Dekarbonisierung durch Deindustrialisierung lehne ich ab”

Allerdings will auch das Parlament die letzte Entscheidung darüber, welche Verteilnetze stillgelegt werden, den nationalen Regulierungsbehörden überantworten: “Der Verteilernetzbetreiber muss die von der Regulierungsbehörde beschlossenen Eingriffe umsetzen”, heißt es im Bericht.

Finanzielle Unterstützung für Betreiber

Den nationalen Regierungen geben die Parlamentarier ausdrücklich die Aufgabe auf, den Regulierungsbehörden gesetzliche Klarheit über Stilllegungen zu verschaffen. Besonders unbequem: Die Regierungen sollen die finanzielle Unterstützung der Netzbetreiber regeln – etwa über neue steuerliche Abschreibungsbedingungen, falls Gasleitungen vorzeitig stillgelegt werden.

Finanziert werden müsste dies wohl durch die Allgemeinheit. Denn nach der Parlamentsposition sollen die Regierungen auch darauf achten, dass die Netzentgelte für die schrumpfende Zahl von Nutzern bezahlbar bleiben, die immer noch an Gasleitungen hängen. “Wir müssen die letzten angeschlossenen Verbraucherinnen und Verbraucher vor der Belastung durch stark ansteigende Netztarife schützen“, sagt Geier.

Setzt sich die Parlamentsposition im Trilog durch, müssen die Mitgliedstaaten also bald jene Fragen beantworten, denen sie im Moment noch aus dem Weg gehen.

  • Erdgas
  • Wasserstoff
Translation missing.

News

Neuseeland nimmt an Horizon Europe teil

Die EU und Neuseeland haben am Sonntag eine enge Zusammenarbeit in der Forschungspolitik vereinbart. Erstmals können damit Forscher aus einem entfernten Land vom EU-Forschungsprogramm Horizon Europe profitieren. Die Vereinbarung ist Teil der Strategie, gleichgesinnte Partner enger an Europa zu binden.

Parallel dazu unterzeichneten EU und Neuseeland das gemeinsame Freihandelsabkommen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach im Beisein des neuseeländischen Premiers Chris Hipkins davon, dass der Handel zwischen den beiden Partnern durch das Abkommen um geschätzt 30 Prozent zunehmen könnte. EU-Investitionen in Neuseeland könnten um bis zu 80 Prozent steigen, sagte Kommissionsvize Valdis Dombrovskis. tho

  • Handelspolitik

Ethikbehörde soll vor Wahl ausverhandelt sein

Die erste Runde der Verhandlungen über die Schaffung einer Ethikbehörde für alle EU-Institutionen dauerte am Freitag weniger als eine Stunde. Vertreter aller Institutionen waren zusammengekommen, um erstmals über den Vorschlag der Vize-Präsidentin der Kommission, Věra Jourová, zu sprechen. Dem Vernehmen nach fand nur ein erster Austausch statt.

Wie zu hören war, äußerten sich die Vertreter von Europaparlament und EZB dabei am ehesten positiv zum Kommissionsvorschlag. Die eigentlichen Verhandlungen sollen im September losgehen. Jourová erklärte, dass sie noch vor den Europawahlen im Juni 2024 abgeschlossen sein sollen. mgr

  • Ethik
  • Eva Kaili
  • Katargate

Energiecharta: Kommission schlägt EU-Austritt vor

Die EU-Kommission hat am Freitag den kollektiven Austritt der EU und ihrer Mitgliedstaaten aus dem Energiecharta-Vertrag (ECT) vorgeschlagen. Sie reagierte damit auf die fehlende Unterstützung für die im vergangenen Jahr ausgehandelte Reform des internationalen Vertrages aus den 1990er-Jahren, der Grundlage für viele Klagen von Energieunternehmen vor privaten Schiedsgerichten ist.

Die Kommission hatte zunächst versucht, die EU-Staaten für die Modernisierung des ECT zu gewinnen. Sie erreichte dafür aber nicht die nötige qualifizierte Mehrheit. In den vergangenen Monaten hatte ein EU-Staat nach dem anderen seinen Austritt aus der Charta angekündigt. Im Dezember beschloss die Bundesregierung formell den Ausstieg Deutschlands. Auch das Europaparlament hat sich vergangenen November für einen Rückzug ausgesprochen.

“Rückzug einzige Option”

Da die nötige Zustimmung zum modernisierten Vertrag fehle, sei “ein Rückzug der EU aus dem ECT die einzige verfügbare Option”, schreibt die Kommission in ihrer Vorlage für den Ratsbeschluss. Diese braucht ebenfalls eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten. Die Energieminister sollen beim informellen Rat im spanischen Valladolid diese Woche darüber beraten.

Laut dem Vorschlag würde die EU ein Jahr nach der Notifizierung des Rückzuges aus dem ECT austreten. Die Bestimmungen zum Schutz von Investoren würden wegen der Sunset-Klausel aber dann noch weitere 20 Jahre gelten. Um Klagen innerhalb der EU zu erschweren, schlägt die Kommission eine entsprechende Vereinbarung der Mitgliedstaaten vor.

Die Berichterstatterin im Europaparlament, Anna Cavazzini, bezeichnete den Schritt der Kommission als richtig. “Diese Entscheidung ist der rechtlich einwandfreie Weg”, sagte die Grünen-Politikerin. “Die Mitgliedsstaaten sollten ihn so schnell wie möglich bestätigen und sich gegen anhängige ungerechtfertigte Verfahren wehren.” tho

  • Energie
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  • Klima & Umwelt
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Seeverkehr: Brüssel und Berlin begrüßen neue Klimaziele

EU-Kommission und Bundesregierung haben die verschärften Klimaziele für den internationalen Seeverkehr begrüßt. Die Mitgliedstaaten der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) hatten am Freitag vereinbart, bis etwa 2050 die Netto-Treibhausgasemissionen der Schiffe auf null zu senken. Die bisherige IMO-Strategie aus dem Jahr 2018 hatte lediglich eine Reduzierung um die Hälfte angestrebt.

Die EU-Kommission bezeichnete die Einigung im Rahmen der UN-Organisation als “Meilenstein” in den Bemühungen, die Emissionen des Transportsektors zu senken. Der Seeverkehr macht rund drei Prozent des globalen Ausstoßes aus. Der Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft, Dieter Janecek (Grüne), sprach von einem “richtigen und wichtigen Schritt”. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte, nun gehe es darum, die Ziele mit konkreten Maßnahmen zu unterlegen.

Laut der IMO-Vereinbarung sollen die jährlichen Treibhausgasemissionen des internationalen Seeverkehrs bis 2030 um mindestens 20 Prozent im Vergleich zu 2008 gesenkt werden, angestrebt werden aber 30 Prozent. Bis 2040 sollen sie um mindestens 70 Prozent sinken, wobei 80 Prozent angestrebt werden. Bis 2030 soll zudem der Einsatz von klimaneutralen Treibstoffen auf mindestens fünf Prozent erhöht werden. Bis 2025 wollen die IMO-Mitglieder die nötigen Maßnahmen beschließen, um die Ziele zu erreichen. tho/rtr

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  • Klimapolitik
  • Schifffahrt

Presseschau

Streubomben für die Ukraine: auch aus der EU kommt Kritik EURONEWS
Wachsende Exporte erhofft: EU schließt Handelsabkommen mit Neuseeland ZDF
Neuer Verbündeter: Japan soll Europas starker Partner werden WELT
Shoring up NATO alliance tops Biden agenda on Europe trip NPR
CNN Exclusive: Biden says war with Russia must end before NATO can consider membership for Ukraine CNN
India to hold trade deal talks with UK, European nations STRAITSTIMES
Wie die neue Rechte in der EU salonfähig wurde NWZONLINE
CSU-Europapolitiker Weber: AfD ist “Gegner und Feind” SUEDDEUTSCHE
Forscherin: Der Artenschutz braucht das EU-Renaturierungsgesetz DEUTSCHLANDFUNK
Neue Plattform vergleicht Transparenz von Medien in Europa KURIER
Mindestlohn könnte durch EU-Richtlinie auch in Deutschland weiter steigen MDR
Heimliche Abschaffung des Bargelds? So rechtfertigt die EU den digitalen Euro WELT
Frauen mit Behinderung: EU-Parlament will Zwangssterilisation verbieten ZDF
EU: Bahnen fordern mehr Investitionen für Hochgeschwindigkeitsnetz NAU
Streiks im italienischen Bahn- und Flugverkehr angekündigt DERSTANDARD
Le Maire says France is the place to be for Tesla POLITICO
Eramet in talks with European carmakers over Argentina lithium plan, CEO says REUTERS
Lübeck: EU fördert Technikzentrum und Flughafen HL-LIVE
Basel schiebt Bettler zukünftig ab – auch EU-Bürger BADISCHE-ZEITUNG
Austria’s OMV to continue to import Russian gas, chief says FT
Pro-Brexit-Politiker fordert Visa für Europäer wegen Arbeitskräftemangel WELT

Heads

Moritz Körner – Abgeordneter ohne Freizeitproblem

Moritz Körner im Straßburger Europaparlament.

“Ich habe gelernt, dass ich gut reden kann, weil ich viele Mannschaftsansprachen gehalten habe”, antwortet Moritz Körner lachend auf die Frage, wie ihn seine Zeit als Hockeytrainer im Verein für seine politische Karriere geprägt haben. “Auch die Idee von Gemeinschaft: Man gewinnt nur gemeinsam als Mannschaft, man muss sich abstimmen und gucken, dass man gemeinsam erfolgreich ist – und man muss sich gut motivieren.” Der 33-Jährige ist innen- und haushaltspolitischer Sprecher der FDP im Europaparlament.

Während seines Masterstudiums für Politikmanagement, Public Policy und öffentliche Verwaltung an der NRW School of Governance der Universität Duisburg-Essen und einem Praktikum in Brüssel kommt er erstmals mit Europa in Berührung. Seine Masterarbeit schreibt er über Lobbying in der EU.

Zunächst ist er bei den Jungen Liberalen in Nordrhein-Westfalen, fünf Jahre lang sogar deren Vorsitzender und Landtagsabgeordneter für die FDP, bis er 2019 ins EU-Parlament gewählt wird. “Es heißt so schön: ‘Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa’ und dann hat man sich dazu entschieden, endlich mal einen jungen Menschen nach Europa zu schicken“, sagt Körner augenzwinkernd.

“Europapolitik ist absolute Innenpolitik”

Seit 2022 ist Körner auch Generalsekretär der FDP in Nordrhein-Westfalen. “Ich würde gar nicht sagen, dass eines von beiden schlechter oder besser ist, manche fragen, ob das eine Champions League und das andere 2. Bundesliga wäre – nein, würde ich nicht sagen, das ist eine ganz andere Sportart.” Als Landtagsabgeordneter sei man viel näher dran an konkreten Themen. Auf der anderen Seite sei Europa nicht mehr “irgendwo” – Europapolitik sei mittlerweile “absolute Innenpolitik”.

Als Beispiele führt er das Verbrenner-Aus oder die Migrationspolitik an. Europapolitik habe viele Auswirkungen, man müsse gut vernetzt sein. Deswegen sei es gut für die Partei, dass der Generalsekretär auch Europapolitik mache. “Deshalb habe ich kein Freizeitproblem. Landesgeneralsekretär und Europaabgeordneter gleichzeitig zu sein, ist schon eine Herausforderung, aber es ist eine spannende Aufgabe”, sagt Körner.

An Europa begeistere ihn, dass oft ganz neuartige Regulierungen erarbeitet werden – und das über Partei- und Ländergrenzen hinweg. Bei Fragen der Rechtsstaatlichkeit arbeite er beispielsweise eng mit Daniel Freund von den Grünen zusammen. Sie seien bei dem Thema auf einer Linie, damit könne man gemeinsam etwas durchsetzen.

Klare Haltung bei der Rechtsstaatlichkeit

Körner hat hauptverantwortlich den Rechtsstaatsmechanismus mitverhandelt und viel Druck gemacht, damit die EU-Kommission diesen endlich anwendet. “Das war über Jahre ein Kampf. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie viele Resolutionen wir dazu verabschiedet haben.” Im letzten Winter gibt die Kommission nach, der Mechanismus wird das erste Mal gegen Ungarn angewandt. “Die Frage ist jetzt halt: Sehen wir tatsächlich Reformen, die zu mehr Rechtsstaatlichkeit führen?”, fragt er.

Länder wie Ungarn sollen sich an EU-Regeln halten, Reformen vorlegen für eine unabhängigere Justiz oder Korruptionsbekämpfung. “Es ist so wichtig, dass wir hier eine klare Haltung haben, da andere auf uns schauen”, meint Körner mit Blick auf den Spionageskandal in Griechenland oder die Debatte um die Besetzung des Verfassungsgerichtes in Spanien. “Deshalb ist es so wichtig, dass es endlich Konsequenzen gibt, was Polen und Ungarn angeht, sonst wird das mehr und mehr zum Flächenbrand.”

Normaleres Instrument statt nukleare Option

Dabei müsse man davon wegkommen, den Mechanismus als “nukleare Option” einzusetzen. “Ich wünsche mir, dass der Rechtsstaatsmechanismus ein normaleres Instrument wird, das häufiger angewandt wird und dass gleichzeitig die notwendigere Konsequenz behält und dafür sorgt, dass wir Verbesserung bei der Rechtsstaatlichkeit sehen.”

Mit Blick auf Auseinandersetzungen zwischen Demokratien und autokratischen Staaten wie Russland und China müsse die Europäische Union stärker zu den eigenen Werten stehen. “Wenn wir Rechtsstaatlichkeit und gemeinsame Werte und Regeln nicht mehr haben, dann funktioniert erstens die Werte-Union nicht mehr und zweitens der Binnenmarkt und die Wirtschaftsunion, wenn man sich auf die Durchsetzung von EU-Recht nicht mehr einigen kann.”

Moritz Körner mache sich große Sorgen. “Aber ich sehe auch Fortschritte und wir müssen weiter dranbleiben, damit wir die Rechtsstaatlichkeit in Europa verteidigen“, sagt er. Für Hockey hat Moritz Körner mittlerweile keine Zeit mehr. Wenn die Möglichkeit bestehe, gehe er noch joggen. Er habe sich jedoch gefreut, als die deutsche Hockeymannschaft Weltmeister geworden ist. “Ich habe alle Spiele gesehen, wenn auch nicht immer live.” Er fiebere schon auf die Europameisterschaft in Mönchengladbach hin. “Die Tickets dafür sind schon bestellt.” Livia Hofmann

Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    Mark Rutte ist ein politischer Überlebenskünstler. Seit bald 13 Jahren hält sich der rechtsliberale Politiker in den Niederlanden an der Macht, und das in einer arg zersplitterten Parteienlandschaft. Am Freitag trug der 56-Jährige bereits seine vierte Koalition zu Grabe. Und kann doch auf eine weitere Amtszeit hoffen, wenn er denn will.

    Heute wird das Parlament in Den Haag über die Lage und den Termin für eine Neuwahl beraten – voraussichtlich im November. Das Bündnis von Ruttes Partei VVD mit der linksliberalen D66, der Christen-Union sowie der christdemokratischen CDA hielt nur rund eineinhalb Jahre. Die Koalitionspartner wollten die vom Premier verlangte Einschränkung des Familiennachzugs für Kriegsflüchtlinge nicht mittragen.

    Die Ex-Partner werfen Rutte vor, den Bruch forciert zu haben. Tatsächlich spricht einiges dafür, dass Rutte kalkuliert handelt. Von der politischen Konkurrenz in der Mitte und von links hat er wenig zu befürchten: D66 und CDA stehen in Umfragen schlecht da, deren Parteichefs Sigrid Kaag und Wopke Hoekstra sind intern umstritten. Für die neue, bei den Provinzwahlen erfolgreiche Bauern-Bürger-Bewegung könnte die vorgezogene Parlamentswahl zu früh kommen. Bewahrheitet sich dieses Szenario, könnte Rutte danach erneut die Regierung führen – womöglich an der Spitze eines neuen Rechtsbündnisses.

    Ich wünsche Ihnen einen guten Wochenstart.

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    Bild von Till  Hoppe

    Analyse

    EP: Viele Mitarbeiter berichten von Belästigung

    Rund die Hälfte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Europaparlament, die an einer Umfrage teilgenommen haben, haben dort schon einmal sexuelle, psychische oder physische Belästigung oder Gewalt erfahren. Das geht aus der Erhebung der Initiative MeTooEP hervor, die heute veröffentlicht wird und Table.Media vorliegt.

    Die Initiatoren hatten alle etwa 10.000 Mitarbeiter im Parlament per Mail angeschrieben und um Auskunft gebeten. Vom 27. Juni bis 5. Juli haben 1001 Mitarbeiter geantwortet, 655 der Antwortenden bezeichneten sich als Frauen, 312 als Männer.

    Rund 16 Prozent haben demnach bereits sexuelle Belästigung oder Gewalt im Umfeld des EP erlebt. 48 Prozent der Antwortenden haben der Umfrage zufolge psychische Gewalt oder Belästigung erlebt, sieben Prozent physische Gewalt oder Belästigung erfahren. Über psychische Belästigung oder Gewalt berichteten Männer und Frauen in etwa zu gleichen Anteilen.

    164 Fälle blieben ohne Konsequenzen

    Unabhängig vom eigenen Erleben berichteten 412 der Befragten, dass sie Zeuge wurden von sexueller, psychischer oder physischer Belästigung im Umfeld der Arbeit. Der Umfrage zufolge haben 423 Personen, die Opfer von Belästigung wurden, den Vorfall innerhalb des EP zur Sprache gebracht. In 164 Fällen habe dies keine Konsequenzen gehabt. 39 der Befragten sagten, ihnen sei geraten worden, das EP zu verlassen.

    MeTooEP legt die vorläufigen Ergebnisse der Befragung heute vor, endgültige Ergebnisse sollen im September vorgelegt werden. Die Initiatoren wollen damit die Notwendigkeit von Reformen unterstreichen. Heute Abend berät das EP-Präsidium erstmals über strengere Maßnahmen gegen Belästigung und Schikanen.

    Die Anti-Harassment-Vorschläge, die die Quästoren im Auftrag von Parlamentspräsidentin Roberta Metsola erarbeitet haben, sehen vor:

    • Angebot der Mediation im Fall von Belästigungen, das allen Mitarbeitern offenstehen soll
    • Pflicht zur Teilnahme für MEPs an Schulungen zur Sensibilisierung
    • Schärfere Sanktionen
    • Reform der Arbeitsweise in den beiden bestehenden Anti-Harassment-Gremien, um den Schutz der Betroffenen zu verbessern  

    Acht von 14 Vize-Präsidenten gehen die vorgeschlagenen Maßnahmen der Quästoren aber nicht weit genug. Sie fordern weitergehende Schritte in einem Brief, den Table.Media einsehen konnte.

    Whistleblower-Richtlinie gilt nicht in EU-Institutionen

    Heute diskutiert das EP-Präsidium zudem über einen besseren Schutz von Whistleblowern. Das Generalsekretariat hat dafür erste Vorschläge erarbeitet. Es sollen Verfahren eingeführt werden, wie künftig Fehlverhalten vertraulich angezeigt und über welche Kanäle Beweismaterial geliefert werden kann sowie wie die angezeigten Fälle weiterverfolgt werden. Es gibt die Forderung, dass auch anonyme Hinweise auf Fehlverhalten verfolgt werden.

    Die EU hat 2019 eine Whistleblower-Richtlinie für private und öffentliche Unternehmen beschlossen, die bis Dezember 2021 von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umzusetzen war. Die Richtlinie gilt aber ausdrücklich nicht für die EU-Institutionen. 21 Mitgliedstaaten hatten die Richtlinie bei Inkrafttreten noch nicht in nationales Recht umgesetzt.

    Sowohl die Maßnahmen für einen besseren Schutz gegen Belästigung und Schikane im Europaparlament als auch der bessere Whistleblower-Schutz gehören zum 14-Punkte-Plan von Roberta Metsola, den die Parlamentspräsidentin als Konsequenz aus dem Bestechungsskandal um Eva Kaili umsetzen will. Nach der Sommerpause sollen die Reformen im EP-Präsidium und vom Parlament beschlossen werden. Im September will auch die Transparenz-Arbeitsgruppe des Verfassungsausschusses unter der Leitung von Rainer Wieland (CDU) ihre Vorschläge vorlegen.  

    • Europäisches Parlament
    • Eva Kaili
    • Katargate
    • Transparenz

    Wie Brüssel den Rückbau von Gasleitungen vorbereitet

    Es sei nicht davon auszugehen, dass alle Gasverteilnetze auf Wasserstoff umgestellt werden. Was sich so lapidar liest in der Begründung zum deutschen Gebäudeenergiegesetz (GEG), zieht in Wahrheit viele unangenehme Fragen nach sich:

    • Wer plant, welche Gasleitungen stillgelegt werden? Die Transformationspläne im GEG regeln nur die Umrüstung auf Wasserstoff, nicht explizit den Rückbau der übrigen Leitungen.
    • Wer soll die Kosten für die Stilllegung und die noch verbleibenden Erdgasnetze tragen – die immer weiter schrumpfende Zahl von Kunden oder die Allgemeinheit?
    • Dürfen Gasunternehmen Haushalte und Betriebe von der Versorgung abklemmen, wenn einzelne Netze unwirtschaftlich werden?

    All diese Themen schob die Bundesregierung seit der Entlassung von Wirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen auf die lange Bank. Allenfalls in Eröffnungsreden für parlamentarische Sommerfeste blitzen sie in diesen Tagen anekdotisch auf. In Brüssel haben sich Mitgliedstaaten und Parlament zu diesen Fragen allerdings schon vor Monaten festgelegt – in ihren Positionen zur Gasmarkt-Richtlinie.

    Rückbau auch für Verteilnetzbetreiber

    Die Kommission wollte in Artikel 51 die Übertragungsnetzbetreiber verpflichten, in ihren regelmäßigen Plänen zum Netzausbau auch Informationen über geplante Stilllegungen und Umnutzungen – zum Beispiel für Wasserstoff – zu veröffentlichen. Ob und welche Leitungen dies betrifft, sollte aber erst einmal den Netzbetreibern selbst überlassen bleiben.

    Die fürs Heizen weit wichtigeren Verteilnetze in den Kommunen blieben komplett unberücksichtigt. Parlament und Rat wollen dagegen auch die Verteilnetzbetreiber in die Pflicht nehmen, allerdings auf unterschiedlichen Wegen.

    EU-Staaten: Trennung von Gasleitungen regeln

    Die Ratsposition setzt bei den individuellen Anschlüssen ans Gasnetz an. In Artikel 34 wollen die Mitgliedstaaten die Verantwortung für die Stilllegung von Verteilnetzen ihren nationalen Regulierungsbehörden überantworten. Die Regulierer sollen Stilllegungspläne nicht nur genehmigen, sondern auch Kriterien für das Abklemmen der Nutzer vom Gasnetz festlegen.

    Die politische Tragweite dieses Ansatzes könnte beträchtlich sein. Man erinnere sich an den Wirbel, den die Pläne der Bundesnetzagentur für “Lade-Beschränkungen” für E-Autos auslösten. Die mögliche Trennung der Nutzer vom Gasnetz begründet der Rat ausdrücklich mit dem Ziel der Klimaneutralität.

    Parlament: Planung in den Kommunen

    Die Position des Parlaments verfolgt dagegen einen stärker dezentralen Ansatz. Die Abgeordneten betonen die Planungshoheit der Gemeinden und wollen frühzeitig die Einwohner vor Ort einbinden. Zum einen übernehmen sie im neuen Artikel 52a die Pflicht für Kommunen, Wärmepläne zu erstellen, wie sie die neu gefasste Energieeffizienz-Richtlinie (EED) einführt. Schon am 11. bzw. 24. Juli wollen Parlament und Rat die Effizienz-Richtlinie beschließen.

    Die lokale Wärmeplanung will das Parlament in der Gasmarkt-Richtlinie um eine Gasnetzplanung der Verteilnetzbetreiber ergänzen. Wie bei den Übertragungsnetzen soll auch die Stilllegung und Umnutzung von Erdgasleitungen mitgeplant werden. Ein scharfes Enddatum für das Gasnetz gibt es zwar nicht. Allerdings enthält die Position zwei weichere Anforderungen, die sich auf Stilllegungspläne auswirken könnten:

    • Als Ziel der lokalen Gasnetzpläne wird vorgeschrieben, “die Verwendung von Gas in Gebäuden zu reduzieren, falls energie- und kosteneffizientere nachhaltige Technologien verfügbar sind”. Wobei das Parlament unter “Gas” auch Wasserstoff versteht.
    • Bei der Umrüstung von Erdgasleitungen auf Wasserstoff sollen Sektoren bevorzugt werden, die mit anderen Mitteln schwer zu dekarbonisieren sind.

    Industrie soll Wasserstoff vorrangig bekommen

    “Kein Sektor ist aus der Nutzung von Wasserstoff ausgeschlossen, doch müssen wir Wasserstoff bevorzugt dort einsetzen, wo er am meisten CO2 einsparen kann”, sagt der Berichterstatter des Parlaments zur Gasmarkt-Richtlinie, Jens Geier (SPD). “Solange Wasserstoff nicht in ausreichendem Maße verfügbar ist, müssen schwer zu dekarbonisierende Sektoren, wie die Stahlindustrie, das erste Zugriffsrecht haben, da es dort keine Alternative gibt, um Emissionen einzusparen. Eine Dekarbonisierung durch Deindustrialisierung lehne ich ab”

    Allerdings will auch das Parlament die letzte Entscheidung darüber, welche Verteilnetze stillgelegt werden, den nationalen Regulierungsbehörden überantworten: “Der Verteilernetzbetreiber muss die von der Regulierungsbehörde beschlossenen Eingriffe umsetzen”, heißt es im Bericht.

    Finanzielle Unterstützung für Betreiber

    Den nationalen Regierungen geben die Parlamentarier ausdrücklich die Aufgabe auf, den Regulierungsbehörden gesetzliche Klarheit über Stilllegungen zu verschaffen. Besonders unbequem: Die Regierungen sollen die finanzielle Unterstützung der Netzbetreiber regeln – etwa über neue steuerliche Abschreibungsbedingungen, falls Gasleitungen vorzeitig stillgelegt werden.

    Finanziert werden müsste dies wohl durch die Allgemeinheit. Denn nach der Parlamentsposition sollen die Regierungen auch darauf achten, dass die Netzentgelte für die schrumpfende Zahl von Nutzern bezahlbar bleiben, die immer noch an Gasleitungen hängen. “Wir müssen die letzten angeschlossenen Verbraucherinnen und Verbraucher vor der Belastung durch stark ansteigende Netztarife schützen“, sagt Geier.

    Setzt sich die Parlamentsposition im Trilog durch, müssen die Mitgliedstaaten also bald jene Fragen beantworten, denen sie im Moment noch aus dem Weg gehen.

    • Erdgas
    • Wasserstoff
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    Neuseeland nimmt an Horizon Europe teil

    Die EU und Neuseeland haben am Sonntag eine enge Zusammenarbeit in der Forschungspolitik vereinbart. Erstmals können damit Forscher aus einem entfernten Land vom EU-Forschungsprogramm Horizon Europe profitieren. Die Vereinbarung ist Teil der Strategie, gleichgesinnte Partner enger an Europa zu binden.

    Parallel dazu unterzeichneten EU und Neuseeland das gemeinsame Freihandelsabkommen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach im Beisein des neuseeländischen Premiers Chris Hipkins davon, dass der Handel zwischen den beiden Partnern durch das Abkommen um geschätzt 30 Prozent zunehmen könnte. EU-Investitionen in Neuseeland könnten um bis zu 80 Prozent steigen, sagte Kommissionsvize Valdis Dombrovskis. tho

    • Handelspolitik

    Ethikbehörde soll vor Wahl ausverhandelt sein

    Die erste Runde der Verhandlungen über die Schaffung einer Ethikbehörde für alle EU-Institutionen dauerte am Freitag weniger als eine Stunde. Vertreter aller Institutionen waren zusammengekommen, um erstmals über den Vorschlag der Vize-Präsidentin der Kommission, Věra Jourová, zu sprechen. Dem Vernehmen nach fand nur ein erster Austausch statt.

    Wie zu hören war, äußerten sich die Vertreter von Europaparlament und EZB dabei am ehesten positiv zum Kommissionsvorschlag. Die eigentlichen Verhandlungen sollen im September losgehen. Jourová erklärte, dass sie noch vor den Europawahlen im Juni 2024 abgeschlossen sein sollen. mgr

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    Energiecharta: Kommission schlägt EU-Austritt vor

    Die EU-Kommission hat am Freitag den kollektiven Austritt der EU und ihrer Mitgliedstaaten aus dem Energiecharta-Vertrag (ECT) vorgeschlagen. Sie reagierte damit auf die fehlende Unterstützung für die im vergangenen Jahr ausgehandelte Reform des internationalen Vertrages aus den 1990er-Jahren, der Grundlage für viele Klagen von Energieunternehmen vor privaten Schiedsgerichten ist.

    Die Kommission hatte zunächst versucht, die EU-Staaten für die Modernisierung des ECT zu gewinnen. Sie erreichte dafür aber nicht die nötige qualifizierte Mehrheit. In den vergangenen Monaten hatte ein EU-Staat nach dem anderen seinen Austritt aus der Charta angekündigt. Im Dezember beschloss die Bundesregierung formell den Ausstieg Deutschlands. Auch das Europaparlament hat sich vergangenen November für einen Rückzug ausgesprochen.

    “Rückzug einzige Option”

    Da die nötige Zustimmung zum modernisierten Vertrag fehle, sei “ein Rückzug der EU aus dem ECT die einzige verfügbare Option”, schreibt die Kommission in ihrer Vorlage für den Ratsbeschluss. Diese braucht ebenfalls eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten. Die Energieminister sollen beim informellen Rat im spanischen Valladolid diese Woche darüber beraten.

    Laut dem Vorschlag würde die EU ein Jahr nach der Notifizierung des Rückzuges aus dem ECT austreten. Die Bestimmungen zum Schutz von Investoren würden wegen der Sunset-Klausel aber dann noch weitere 20 Jahre gelten. Um Klagen innerhalb der EU zu erschweren, schlägt die Kommission eine entsprechende Vereinbarung der Mitgliedstaaten vor.

    Die Berichterstatterin im Europaparlament, Anna Cavazzini, bezeichnete den Schritt der Kommission als richtig. “Diese Entscheidung ist der rechtlich einwandfreie Weg”, sagte die Grünen-Politikerin. “Die Mitgliedsstaaten sollten ihn so schnell wie möglich bestätigen und sich gegen anhängige ungerechtfertigte Verfahren wehren.” tho

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    Seeverkehr: Brüssel und Berlin begrüßen neue Klimaziele

    EU-Kommission und Bundesregierung haben die verschärften Klimaziele für den internationalen Seeverkehr begrüßt. Die Mitgliedstaaten der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) hatten am Freitag vereinbart, bis etwa 2050 die Netto-Treibhausgasemissionen der Schiffe auf null zu senken. Die bisherige IMO-Strategie aus dem Jahr 2018 hatte lediglich eine Reduzierung um die Hälfte angestrebt.

    Die EU-Kommission bezeichnete die Einigung im Rahmen der UN-Organisation als “Meilenstein” in den Bemühungen, die Emissionen des Transportsektors zu senken. Der Seeverkehr macht rund drei Prozent des globalen Ausstoßes aus. Der Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft, Dieter Janecek (Grüne), sprach von einem “richtigen und wichtigen Schritt”. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) sagte, nun gehe es darum, die Ziele mit konkreten Maßnahmen zu unterlegen.

    Laut der IMO-Vereinbarung sollen die jährlichen Treibhausgasemissionen des internationalen Seeverkehrs bis 2030 um mindestens 20 Prozent im Vergleich zu 2008 gesenkt werden, angestrebt werden aber 30 Prozent. Bis 2040 sollen sie um mindestens 70 Prozent sinken, wobei 80 Prozent angestrebt werden. Bis 2030 soll zudem der Einsatz von klimaneutralen Treibstoffen auf mindestens fünf Prozent erhöht werden. Bis 2025 wollen die IMO-Mitglieder die nötigen Maßnahmen beschließen, um die Ziele zu erreichen. tho/rtr

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    Presseschau

    Streubomben für die Ukraine: auch aus der EU kommt Kritik EURONEWS
    Wachsende Exporte erhofft: EU schließt Handelsabkommen mit Neuseeland ZDF
    Neuer Verbündeter: Japan soll Europas starker Partner werden WELT
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    Wie die neue Rechte in der EU salonfähig wurde NWZONLINE
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    Neue Plattform vergleicht Transparenz von Medien in Europa KURIER
    Mindestlohn könnte durch EU-Richtlinie auch in Deutschland weiter steigen MDR
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    Le Maire says France is the place to be for Tesla POLITICO
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    Lübeck: EU fördert Technikzentrum und Flughafen HL-LIVE
    Basel schiebt Bettler zukünftig ab – auch EU-Bürger BADISCHE-ZEITUNG
    Austria’s OMV to continue to import Russian gas, chief says FT
    Pro-Brexit-Politiker fordert Visa für Europäer wegen Arbeitskräftemangel WELT

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    Moritz Körner – Abgeordneter ohne Freizeitproblem

    Moritz Körner im Straßburger Europaparlament.

    “Ich habe gelernt, dass ich gut reden kann, weil ich viele Mannschaftsansprachen gehalten habe”, antwortet Moritz Körner lachend auf die Frage, wie ihn seine Zeit als Hockeytrainer im Verein für seine politische Karriere geprägt haben. “Auch die Idee von Gemeinschaft: Man gewinnt nur gemeinsam als Mannschaft, man muss sich abstimmen und gucken, dass man gemeinsam erfolgreich ist – und man muss sich gut motivieren.” Der 33-Jährige ist innen- und haushaltspolitischer Sprecher der FDP im Europaparlament.

    Während seines Masterstudiums für Politikmanagement, Public Policy und öffentliche Verwaltung an der NRW School of Governance der Universität Duisburg-Essen und einem Praktikum in Brüssel kommt er erstmals mit Europa in Berührung. Seine Masterarbeit schreibt er über Lobbying in der EU.

    Zunächst ist er bei den Jungen Liberalen in Nordrhein-Westfalen, fünf Jahre lang sogar deren Vorsitzender und Landtagsabgeordneter für die FDP, bis er 2019 ins EU-Parlament gewählt wird. “Es heißt so schön: ‘Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa’ und dann hat man sich dazu entschieden, endlich mal einen jungen Menschen nach Europa zu schicken“, sagt Körner augenzwinkernd.

    “Europapolitik ist absolute Innenpolitik”

    Seit 2022 ist Körner auch Generalsekretär der FDP in Nordrhein-Westfalen. “Ich würde gar nicht sagen, dass eines von beiden schlechter oder besser ist, manche fragen, ob das eine Champions League und das andere 2. Bundesliga wäre – nein, würde ich nicht sagen, das ist eine ganz andere Sportart.” Als Landtagsabgeordneter sei man viel näher dran an konkreten Themen. Auf der anderen Seite sei Europa nicht mehr “irgendwo” – Europapolitik sei mittlerweile “absolute Innenpolitik”.

    Als Beispiele führt er das Verbrenner-Aus oder die Migrationspolitik an. Europapolitik habe viele Auswirkungen, man müsse gut vernetzt sein. Deswegen sei es gut für die Partei, dass der Generalsekretär auch Europapolitik mache. “Deshalb habe ich kein Freizeitproblem. Landesgeneralsekretär und Europaabgeordneter gleichzeitig zu sein, ist schon eine Herausforderung, aber es ist eine spannende Aufgabe”, sagt Körner.

    An Europa begeistere ihn, dass oft ganz neuartige Regulierungen erarbeitet werden – und das über Partei- und Ländergrenzen hinweg. Bei Fragen der Rechtsstaatlichkeit arbeite er beispielsweise eng mit Daniel Freund von den Grünen zusammen. Sie seien bei dem Thema auf einer Linie, damit könne man gemeinsam etwas durchsetzen.

    Klare Haltung bei der Rechtsstaatlichkeit

    Körner hat hauptverantwortlich den Rechtsstaatsmechanismus mitverhandelt und viel Druck gemacht, damit die EU-Kommission diesen endlich anwendet. “Das war über Jahre ein Kampf. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie viele Resolutionen wir dazu verabschiedet haben.” Im letzten Winter gibt die Kommission nach, der Mechanismus wird das erste Mal gegen Ungarn angewandt. “Die Frage ist jetzt halt: Sehen wir tatsächlich Reformen, die zu mehr Rechtsstaatlichkeit führen?”, fragt er.

    Länder wie Ungarn sollen sich an EU-Regeln halten, Reformen vorlegen für eine unabhängigere Justiz oder Korruptionsbekämpfung. “Es ist so wichtig, dass wir hier eine klare Haltung haben, da andere auf uns schauen”, meint Körner mit Blick auf den Spionageskandal in Griechenland oder die Debatte um die Besetzung des Verfassungsgerichtes in Spanien. “Deshalb ist es so wichtig, dass es endlich Konsequenzen gibt, was Polen und Ungarn angeht, sonst wird das mehr und mehr zum Flächenbrand.”

    Normaleres Instrument statt nukleare Option

    Dabei müsse man davon wegkommen, den Mechanismus als “nukleare Option” einzusetzen. “Ich wünsche mir, dass der Rechtsstaatsmechanismus ein normaleres Instrument wird, das häufiger angewandt wird und dass gleichzeitig die notwendigere Konsequenz behält und dafür sorgt, dass wir Verbesserung bei der Rechtsstaatlichkeit sehen.”

    Mit Blick auf Auseinandersetzungen zwischen Demokratien und autokratischen Staaten wie Russland und China müsse die Europäische Union stärker zu den eigenen Werten stehen. “Wenn wir Rechtsstaatlichkeit und gemeinsame Werte und Regeln nicht mehr haben, dann funktioniert erstens die Werte-Union nicht mehr und zweitens der Binnenmarkt und die Wirtschaftsunion, wenn man sich auf die Durchsetzung von EU-Recht nicht mehr einigen kann.”

    Moritz Körner mache sich große Sorgen. “Aber ich sehe auch Fortschritte und wir müssen weiter dranbleiben, damit wir die Rechtsstaatlichkeit in Europa verteidigen“, sagt er. Für Hockey hat Moritz Körner mittlerweile keine Zeit mehr. Wenn die Möglichkeit bestehe, gehe er noch joggen. Er habe sich jedoch gefreut, als die deutsche Hockeymannschaft Weltmeister geworden ist. “Ich habe alle Spiele gesehen, wenn auch nicht immer live.” Er fiebere schon auf die Europameisterschaft in Mönchengladbach hin. “Die Tickets dafür sind schon bestellt.” Livia Hofmann

    Europe.Table Redaktion

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