Table.Briefing: Europe

Beihilfeleitlinien + GAP-Reform + Industrie-Klimaforderungen + Ampel-Klima + DSA + Politische Werbung

  • Beihilfeleitlinien: Kommission reagiert auf Kritik
  • GAP-Reform: Ende der Debatte, Beginn der Umsetzung
  • BDI-Klimakongress: Forderungskatalog der deutschen Industrie
  • Ampel-Koalition: Kohleausstieg 2030 und Verbrenner-Ende 2035
  • EU-Kommission will politische Online-Werbung einschränken
  • DSA: EP-Verhandler erteilen Medienausnahme Absage
  • Europaabgeordnete fordern neue Regeln für legale Arbeitskräftemigration
  • E.ON: Eigene Sparte für Wasserstoff
  • Portrait: Chris Piallat – Digitalreferent der Bundestags-Grünen
Liebe Leserin, lieber Leser,

die Ampel ist unmittelbar vor der Ziellinie. Doch mit dem Koalitionsvertrag werden politische Absichtserklärungen formuliert – die erst noch Realität werden wollen. Und während heute in Berlin die Ampel sich und ihre Vorhaben vorstellt, arbeiten in Brüssel und Straßburg die Beteiligten unter Volldampf.

Die EU-Kommission lenkt bei den für die Wirtschaft so wichtigen Beihilfeleitlinien ein. Wie das mit der EEG-Umlage zusammenhängt und warum eine neue Rechenformel deutschen Unternehmensinteressen entgegenkommt, hat Till Hoppe für Sie recherchiert. Die neue Liste der förderfähigen Sektoren umfasst mehr als 100 Branchen – mehr als doppelt so viele wie im ersten Entwurf vom Sommer. Doch das sind immer noch deutlich weniger als bisher.

Eigentlich müsste die Gemeinsame Agrarpolitik viel zu den Zielen des Green Deal beisteuern. Doch die Ambitionen des Pakets sind nicht so ausgeprägt, wie Grüne und SPD das gerne gehabt hätten. Ein schweres Päckchen für die neue Koalition in Berlin, die den deutschen Strategieplan hierfür nun entwickeln muss, berichtet Lukas Scheid.

Die neue Bundesregierung wird sich auch mit Forderungen aus der deutschen Industrie auseinandersetzen müssen: BDI-Präsident Siegfried Russwurm stellte gestern einen Fünf-Punkte-Forderungskatalog zum Klima vor, der ausreichend Streitpotenzial bietet. Timo Landenberger berichtet davon – und von Forderungen nach einer Abwrackprämie für Verbrenner.

Da kommen einige Diskussionen auf den wahrscheinlichen grünen “Transformationsminister” Robert Habeck zu, dessen Ressortzuschnitt nun in Berlin breit diskutiert wird – während Christian Lindner das Finanzministerium nun sicher zu sein scheint.

Wo keine Hände sind, da wird keine Arbeit erledigt: Jasmin Kohl hat dem LIBE-Ausschuss im Europaparlament zugehört, der mit einem Initiativbericht die Kommission zur Schaffung weiterer legaler Migrationswege ins von Überalterung bedrohte Europa auffordert.

Derweil saßen Berichterstatterin und Schattenberichterstatter wie angekündigt erneut über dem Digital Services Act. Dabei wurden Kompromisse gefunden und andere Ideen verworfen, unter anderem die Medienausnahme.

Kommen Sie gesund durch den Tag!

Ihr
Falk Steiner
Bild von Falk  Steiner

Analyse

Beihilfeleitlinien: Kommission reagiert auf Kritik

Die EU-Kommission reagiert auf die Kritik an den geplanten Klima- und Energie-Beihilfeleitlinien (Europe.Table berichtete). Allerdings geht die Behörde dabei nicht so weit, wie von deutscher Industrie und Bundesregierung gefordert (Europe.Table berichtete). Das zeigt ein neuer Entwurf, der Europe.Table vorliegt.

Die neuen Klima- und Energie-Beihilfeleitlinien (KUEBLL) stecken ab, unter welchen Bedingungen die Mitgliedstaaten die Ziele des Green Deals mit staatlichen Subventionen fördern dürfen. Die Kommission will bis Jahresende neue Leitlinien vorlegen, die die bisherigen aus dem Jahr 2014 ersetzen. Da es sich dabei um kein gewöhnliches Gesetzgebungsverfahren handelt, bei dem Parlament und Rat beteiligt werden, sollen die neuen Leitlinien bereits Anfang 2022 in Kraft treten.

Ein erster Entwurf zu den Beihilfeleitlinien aus dem Sommer hatte vor allem die energieintensive Industrie in Deutschland in Aufruhr versetzt. Denn der Vorschlag von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sah vor (Europe.Table berichtete), die Voraussetzungen für die Entlastung stromkostenintensiver Unternehmen erheblich zu verschärfen. Die Bundesregierung warnte in ihrer Stellungnahme, dass dadurch Hunderte Unternehmen den Anspruch auf eine Begrenzung der EEG-Umlage verlieren würden.

Flexibler bei Handelsintensität

Die Kommission hat nun darauf reagiert. Die neue Liste der förderfähigen Sektoren umfasst mehr als 100 Branchen – mehr als doppelt so viele wie im ersten Entwurf vom Sommer. Allerdings sind es noch immer deutlich weniger als in den bislang geltenden Beihilfeleitlinien.

Der CDU-Europaabgeordnete Markus Pieper kritisiert den neuen Draft daher als unzureichend: “Der neue Vorschlag nähert sich wieder mehr der realen Wettbewerbssituation der Betriebe”, sagt der Sprecher des Parlamentskreises Mittelstand in der CDU/CSU-Gruppe. Es sei zu begrüßen, dass es wieder mehr Unternehmen auf die Carbon-Leakage-Schutzliste schafften, aber das reiche bei weitem nicht aus: “Da der Green Deal den globalen Wettbewerb massiv verschärft, müssen gegenüber der derzeit gültigen Liste mehr Branchen entlastet werden – und nicht weniger.

Im Vergleich zum ersten Entwurf hat die Kommission die Methode verändert, anhand derer die förderfähigen Sektoren bestimmt werden. Gemäß dem Entwurf vom Sommer mussten diese eine Handelsintensität von mindestens 20 Prozent und eine Stromkostenintensität von mindestens 10 Prozent nachweisen. Nach dem neuen Entwurf der Beihilfeleitlinien würde eine Beihilfe als zulässig gelten, wenn die Multiplikation der Werte bei Handels- und Stromkostenintensivität mindestens 2 Prozent ergibt.

Dies entspricht im Wesentlichen den vorigen Schwellen von 20 und 10 Prozent, erlaubt aber mehr Flexibilität bei den beiden Einzelindikatoren. So hatte etwa der Verband der Chemischen Industrie (VCI) kritisiert, die Kommission lege zu großen Wert auf die Handelsintensität, also die Exportorientierung der Sektoren und Unternehmen, die in internationalem Wettbewerb stehen.

Die Berücksichtigung dieses Faktors soll die Abwanderung CO2-intensiver Produktion ins Ausland verhindern (Carbon Leakage). Doch der Indikator ist umstritten. Schließlich stehe ein Betrieb auch dann im internationalen Wettbewerb, wenn er nur als Zulieferer für die heimische Industrie agiert, sich aber gegen Konkurrenz aus dem Ausland behaupten muss, sagen Kritiker.

Auch bei einem alternativen Schwellenwert für stark abwanderungsgefährdete Branchen wie Aluminium oder Kupfer hat die Kommission die Berechnungsmethode angepasst. Neu eingefügt hat die Behörde einen Passus, wonach die Kommission auch später noch neue Sektoren auf die Berechtigungsliste aufnehmen kann, wenn diese über drei Jahre hinweg die Kriterien erfüllen.

Beihilfeleitlinien können sich noch ändern

Auch bei der Beihilfenintensität und Belastungsgrenze geht die Kommission einen Schritt auf die Industrie zu. Die Beihilfeleitlinien können sich aber noch verändern, derzeit läuft der Abstimmungsprozess zwischen den beteiligten Generaldirektionen der Kommission.

Experten kritisieren den zusätzlichen Aufwand, den die neuen Beihilfeleitlinien mit sich bringen könnten. “Die Kommission will über die neuen Leitlinien die Ziele des Green Deal befördern, garniert dies aber mit zusätzlicher Bürokratie”, sagt Henning Wendt von der Kanzlei Görg. So würden Versteigerungen bei der Vergabe von Beihilfen noch stärker in den Vordergrund gerückt, was Unternehmen wegen des damit verbundenen Aufwandes abschrecken könne.

Zudem sollen die Mitgliedsstaaten künftig erst die Marktteilnehmer konsultieren, bevor sie eine Fördermaßnahme der Kommission zur Genehmigung vorlegen, was zusätzlichen Aufwand bedeute, so Wendt. “Daher wird sich erst zeigen müssen, wie praktikabel die neuen Leitlinien in der Praxis sein werden.” Mit Timo Landenberger

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    GAP-Reform: Ende der Debatte, Beginn der Umsetzung

    Das Ergebnis war so erwartet worden. Der Vorab-Deal, den Vertreter:innen des EU-Parlaments mit Verhandler:innen des Rates und der Kommission im Trilog bereits Ende Juni geschlossen haben, hat gestern auch die Hürde des Plenums genommen. Die drei Verordnungen zur Reform der gemeinsamen Agrarpolitik der EU wurden von etwa zwei Drittel der Abgeordneten angenommen. Stimmt nun auch der Rat zu, wovon auszugehen ist, wird die neue GAP ab 2023 in Kraft treten.

    Landwirte, die Zahlungen aus der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) erhalten wollen, müssen dann mindestens drei Prozent ihres Farmlandes für die Förderung der biologischen Vielfalt bereitstellen. Mindestens 25 Prozent der Direktzahlungen an die Landwirte sollen für klima- und umweltfreundliche Anbaumethoden ausgeschüttet werden – die sogenannten Eco-schemes. Insgesamt sollen 35 Prozent des 387 Milliarden Euro umfassenden GAP-Budgets für Maßnahmen zur Förderung von Klima- und Umweltschutz, biologischer Vielfalt und Tierschutz bereitgestellt werden. Umgesetzt wird die Reform von den 27 Mitgliedstaaten, von denen jedes einzelne einen nationalen Strategieplan der Kommission zur Prüfung vorlegen muss, in dem es darlegt, wie es die Instrumente einsetzen wird, um die GAP-Ziele im Einklang mit den Zielen des Green Deal zu erreichen.

    Peter Jahr, Berichterstatter der GAP-Strategieplanverordnung für die EVP, bezeichnete es in der Parlamentsdebatte in Straßburg als “guten Tag für die europäische Agrarpolitik und die Landwirte”. Denn um die gehe es, betonte er, sowie um die Versorgungssicherheit. Es sei wichtig gewesen, pünktlich einen Kompromiss zu liefern, statt eine “Agrar-Debatte auf Lebenszeit zu führen”. Damit versuchte er diejenigen Abgeordneten zu beschwichtigen, die bis zuletzt versucht hatten, das Reformpaket der gemeinsamen Agrarpolitik zu verhindern.

    Gemeinsame Agrarpolitik – Gegenwind verpufft

    Jahr adressierte damit vor allem die europäischen Grünen und einige Sozialdemokraten, darunter auch die SPD im EU-Parlament. Sie haben geschlossen gegen die Reform gestimmt, da die neue gemeinsame Agrarpolitik eher ein “Weiter so” statt einer ökologischen Reform im Sinne des Green Deals darstelle. Fördermittel würden weiterhin an “multinationale Holdings, Großgrundbesitzende und riesige Mastbetriebe gehen”, twitterte die umwelt- und klimapolitische Sprecherin der EU-SPD, Delara Burkhardt. Kleine und mittelgroße Höfe würden “weiterhin zum Aufgeben gezwungen”.

    Martin Häusling, Schattenberichterstatter der Grünen für die GAP-Strategiepläne, kritisierte, dass die Beteiligung der Landwirte an den neuen Eco-schemes nur freiwillig sei. Für ihn sei es ein “schwarzer Tag für die Klimapolitik” gewesen. Ohne eine “zwingende Überprüfung der Vereinbarkeit mit dem Green Deal” werde das Ergebnis sein, dass die künftige gemeinsame Agrarpolitik noch schlechter abschneide als bisher, erklärte Häusling am Dienstag. Er bemängelte zudem, dass die ambitionierteren Farm-to-Fork-Strategie (Europe.Table berichtete) sowie die Biodiversitätsstrategie in der neuen GAP nur am Rande erwähnt werden, statt zentraler Bestandteil zur Umsetzung zu sein. Der Gegenwind der europäischen Grünen und der deutschen Sozialdemokraten ist allerdings verpufft angesichts der breiten Zustimmung im Parlament.

    Die Hoffnung haben die Gegner der GAP-Reform jedoch noch nicht aufgegeben. Sie setzen nun auf die nationalen Strategiepläne. Der Grünen-Abgeordnete Bas Eickhout kündigte an, der Kommission bei der Bewertung der Pläne genau auf die Finger zu schauen. Vor allem bei der Reduzierung von Pestiziden, so Eickhout.

    Sache der neuen Regierung

    Der deutsche Strategieplan befindet sich noch in der Abstimmung zwischen Bundeslandwirtschafts- und Bundesumweltministerium. Dort dürfte er auch bis zum Abschluss der Koalitionsverhandlungen bleiben. Zwar läuft die Frist für die Einreichung bei der Kommission am 1. Januar 2022 aus, doch eine Fristverlängerung stellt keine maßgebliche Hürde dar.

    Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner stellte am Dienstag noch einmal klar, dass ihr Vorschlag “auf dem Tisch” liege und forderte die Ampelkoalition auf, sich bei den noch offenen Punkten zu einigen. Ihr Ministerium würde seinen ausgearbeiteten Plan gerne noch in dieser geschäftsführenden Amtsperiode im Kabinett beschließen, um ihn anschließend dem Bundesrat zur Genehmigung vorzulegen. Ziel sei es, eine Entscheidung des Bundesrates spätestens in der Plenarsitzung am 17. Dezember herbeizuführen, erklärte ein Sprecher des Ministeriums auf Anfrage des Europe.Table. Das SPD-geführte BMU wird da allerdings kaum mitziehen und sich das Papier stattdessen mit den künftigen Koalitionspartnern noch einmal vornehmen, wie aus Parteikreisen der Grünen zu hören war.

    Umsetzung der gemeinsamen Agrarpolitik

    Das Resultat könnte eine ambitioniertere Auslegung der gemeinsamen Agrarpolitik in Deutschland sein. So könnte die neue Bundesregierung strengere Maßnahmen für eine klimaresistente und dürreresiliente Landwirtschaft vorschreiben, indem sie beispielsweise weitreichende Vorgaben zum Schutz von kohlenstoffreichen Böden macht. Auch die Förderung von Agroforstwirtschaft – eine Kombination aus Acker- und Tierhaltungsfläche, die eine hohe CO₂-Speicherfähigkeit aufweist – könnte bestärkt werden, um die Landwirtschaft klimagerechter zu machen. Das derzeitige BMEL hatte diesem Zweig des Agrarsektors lange nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt und auch in der Bedarfsanalyse zum deutschen Strategieplan werden Agroforstsysteme nur beiläufig erwähnt.

    Der Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der gemeinsamen Agrarpolitik ist allerdings nur dann dem Klimaschutz zuträglich, wenn die nationalen Regierungen überhaupt Interesse an einer klimaschonenderen Landwirtschaft haben. Deutschlands neue Regierung möchte eine “Klimaregierung” sein. Eine entsprechende Ausgestaltung des nationalen GAP-Strategieplans kann also erwartet werden. Für andere EU-Staaten gilt das jedoch nicht. In der Vergangenheit hat sich schon des Öfteren gezeigt, dass in Ländern wie Ungarn oder Tschechien der Klimaschutz bei der Ausschüttung der EU-Agrarsubventionen eine eher untergeordnete Rolle gespielt hat.

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      BDI-Klimakongress: Forderungskatalog der deutschen Industrie

      Beim Klimakongress des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI) sparten die Wirtschaftsvertreter nicht mit Kritik an der Klimapolitik aus Berlin und Brüssel und stellten klare Forderungen – insbesondere an die sich bildende Bundesregierung.

      Zuvor hatte der BDI gemeinsam mit der Boston Consulting Group die Studie “Klimapfade 2.0” veröffentlicht und darin einen Investitionsbedarf in Höhe von rund 860 Milliarden Euro für die Umsetzung der deutschen Klimaschutzmaßnahmen ausgerechnet. Der Studie zufolge erfordert die Erreichung der gesetzlich vereinbarten Klimaschutzziele für 2030 beinahe eine Halbierung der Emissionen gegenüber 2019. Die aktuelle Klimapolitik reiche dafür in keinem Sektor aus. Zum Klimakongress präsentierte BDI-Präsident Siegfried Russwurm deshalb einen Fünf-Punkte-Plan mit konkreten Forderungen an die künftige Bundesregierung.

      1. Priorität müsse dem schnelleren Ausbau der Infrastruktur eingeräumt werden. Das gelte sowohl für den Verkehrs- als auch für den Energiebereich, wobei der ländliche Raum stärker berücksichtigt werden müsse. Der BDI rechnet allein für den Infrastrukturausbau bis 2030 mit Kosten in Höhe von 145 Milliarden Euro. Zentral sei außerdem, die Planungs- und Genehmigungsverfahren stark zu beschleunigen sowie Gerichtsverfahren erheblich zu verkürzen.
      2. Durch die Umstellung auf klimaneutrale Technologien rechnet die Industrie mit deutlich erhöhten Betriebskosten. Um wettbewerbsfähig zu bleiben sei entscheidend, die Unternehmen bei den Mehrkosten zu entlasten. Der BDI fordert bei seinem Klimakongress Bundeszuschüsse zu den Stromübertragungsnetzentgelten, eine Verlängerung des Spitzenausgleichs bei der Stromsteuer sowie einen Abbau der EEG-Umlage. Für besonders energieintensive Unternehmen seien befristet Betriebskostenzuschüsse über Differenzverträge (Carbon Contracts for Difference) notwendig. Die Europäische Union überarbeitet derzeit ihre Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen (KUEBLL/CEEAG). Die Reform soll es den Regierungen ermöglichen, zur Förderung der grünen Transformation weit höhere Subventionen auszuzahlen. Allerdings sieht der Entwurf auch vor, die Bedingungen für die Reduzierung von Elektrizitätsabgaben deutlich zu verschärfen.
      3. Bei einem früheren Ausstieg aus der Kohleverstromung sei die Sicherung der Energieversorgung nur durch einen erheblichen Zubau von Gaskraftwerken möglich. Die Finanzierung selbiger müsse über die EU-Taxonomie sichergestellt werden. Der BDI fordert, den deutschen Fokus auch in Brüssel hierauf zu richten, anstatt die Taxonomie durch Diskussionen mit Nachbarstaaten über deren Energiemix zu blockieren.
      4. Die künftige Bundesregierung solle die Instrumente des Klimaschutzgesetzes auf ihre Wirksamkeit überprüfen. Sektorspezifische Jahresziele sollten abgeschafft werden, so die Forderung. Ihre Verfehlung würden kurzfristige Sofortmaßnahmen auslösen, die ineffizient und teuer seien. Zielführender sei ein flexibles, zukunftsgerichtetes Monitoring mit Frühindikatoren. “Wenn in einem Sektor weniger möglich ist, dann müssen wir Alternativen woanders finden”, so Russwurm.
      5. Entscheidend sei auch, die globale Dimension des Klimawandels stärker zu berücksichtigen. Der BDI fordert die künftige Bundesregierung beim Klimakongress auf, die deutsche G7-Präsidentschaft im kommenden Jahr zu nutzen, auf mehr internationale Kooperation vorrangig im Bereich der CO2-Bepreisung zu setzen. Die Gründung von Klimaklubs aus ambitionierten Staaten sei nur hilfreich, sofern die großen Emittenten China und USA mitwirkten. Außerdem werde Deutschland weiterhin auf Energie-Importe angewiesen sein. Russwurm fordert die Politik auf, schon jetzt mit Handelspartnern zu sprechen und Kontingente an grüner Energie zu sichern.

      Beim Klimaschutz gebe es zwischen Wirtschaft und Politik eine klare Aufgabenverteilung, sagte Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), beim Klimakongress. “Wir werden nur erfolgreich sein, wenn wir beweisen, dass Klimaschutz und Wachstum nicht im Widerspruch stehen.” Dafür müsse die Politik aber “in die Mühlen der Transformation herunterkommen”. Besonders in Brüssel fehle noch immer das Verständnis für die praktische Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen, kritisiert Müller.

      Abwrackprämie gegen Verbrenner-Bestand?

      Speziell für den Automobilbereich gelte es, den Bestand an Fahrzeugen nicht aus den Augen zu verlieren. “Selbst wenn wir in Deutschland bis 2030 15 Millionen E-Autos auf den Markt bringen, wird immer noch das Doppelte an Verbrennern unterwegs sein”, so die VDA-Präsidentin. Neben den Flottengrenzwerten und dem Ausbau der Ladeinfrastruktur sei deswegen eine zentrale Frage: Wer können sich wie oft ein neues Auto leisten? “Wir werden mindestens 30 Millionen Autos in Deutschland haben, bei denen wir nur einen Beitrag leisten können, indem wir uns synthetischen Kraftstoffen zuwenden.” Müller fordert eine Quote von 30 Prozent synthetischer Kraftstoffe bis 2030.

      Einen Schritt weiter geht Gunther Kegel, Präsident des Zentralverbands der Elektroindustrie (ZVEI). Den Altbestand an Autos zu verkaufen, werde sich für die Besitzer bald nicht mehr lohnen. “Also werden sie gefahren, bis sie auseinanderbrechen. Das kann man nur abkürzen, indem man eine Abwrackprämie einführt.”

      Daneben forderte Kegel für den ländlichen Raum die gleiche Ladeinfrastruktur wie in den Ballungsräumen. Aufgrund des deutlich längeren Tankvorgangs im Vergleich zu Flüssigkraftstoff werde der Platzbedarf enorm sein. Insbesondere für Autobahn-Raststätten sei die Herausforderung groß, wenn die Fahrzeuge statt zwei bis drei Minuten 20 bis 30 Minuten lang die Ladesäule beanspruchen. “Wir müssen schnell zu einer Million Ladepunkte in Deutschland kommen, sonst bremsen wir unseren eigenen Weg in die E-Mobilität aus.”

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        Ampel-Koalition: Kohleausstieg 2030 und Verbrenner-Ende 2035

        Die geplante Ampel-Koalition hat sich im Klima-Kapitel auf Kernpunkte verständigt. Nach Angaben aus Verhandlungskreisen vom Dienstag wird im Koalitionsvertrag ein Kohleausstieg schon bis 2030 verankert.

        Das Datum werde im Koalitionsvertrag stehen, sagten mehrere an den Gesprächen Beteiligte am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Voraussetzung sei, dass die Versorgungssicherheit gewährleistet sein und soziale Härten für Beschäftigte abgefedert werden müssten. Das Datum 2030 für einen Kohleausstieg war eine Forderung der Grünen und für sie besonders wichtig. Bisher ist die Abschaltung des letzten Kohlemeilers bis spätestens 2038 geplant.

        Ferner hieß es, für die Stromerzeugung solle auf Erdgas spätestens ab 2040 verzichtet werden. In Neubauten soll dieser Brennstoff bei Heizungen schon in den nächsten Jahren nicht mehr eingesetzt werden. Alte müssten zudem bis Mitte der 2030er Jahre ausgetauscht werden.

        Den Angaben zufolge können die Grünen zur Durchsetzung der Klimaziele auf ein starkes Transformations-Ministerium bauen. Der Klimateil des Umweltressorts werde dafür mit Kernelementen des Wirtschaftsministeriums verbunden, sagten Verhandler. Dies sind in erster Linie die Energie- und die Industrie-Abteilung. Damit könnte die gegenseitige Blockade des bisherigen Umwelt- und des Wirtschaftsministeriums gelöst werden. Es gilt als sicher, dass Grünen-Chef Robert Habeck die Leitung übernimmt.

        Weniger Erfolg hatten demnach die Grünen im Verkehrssektor mit der Forderung nach einem Aus für Verbrenner schon bis 2030. Hier bleibe es im Wesentlichen bei den Formulierungen aus dem Sondierungspapier. Darin wird auf die Pläne der EU-Kommission verwiesen, dass ab 2035 keine Verbrenner mehr zugelassen werden sollen. rtr

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          EU-Kommission will politische Online-Werbung einschränken

          Die EU-Kommission will politische Werbung im Internet regulieren und umstrittene Online-Werbepraktiken wie Micro-Targeting und User Profiling dabei eng begrenzen. Google, Facebook und andere Plattformen sollen verpflichtet werden, relevante Werbedaten vorzuhalten und auf Anfrage herauszugeben.

          Dies geht aus einem Entwurf für den Vorschlag hervor, den EU-Kommissarin Vera Jourova in dieser Woche vorlegen will. Es gehe darum, mehr Transparenz und Rechenschaftspflichten auch für Wahlwerbung von Parteien im Internet zu schaffen, heißt es in der Vorlage, die Europe.Table einsehen konnte. Allerdings soll es für europäische Parteien besondere Regeln geben. Bei der Europawahl 2019 hatten kurzfristig erlassene Auflagen für politische Werbung für Streit gesorgt.

          Die neuen Regeln richten sich nicht nur an die Internet-Giganten, sondern auch Werbeagenturen, Werbebanner-Anbieter und Consultancies. Sogar Akteure aus der “Offline”-Welt wie Wahlkampfmanager sollen erfasst werden. Jourova will sich die Möglichkeit offen halten, bestimmte Werbeangebote zu verbieten, wenn sie nicht mit ihren Vorgaben übereinstimmen.

          Der Vorschlag ist Teil des “European Democracy Action Plan”, den die Kommission im Dezember 2020 angekündigt hatte. Er soll den Digital Services Act (DSA) ergänzen, der in Rat und Parlament kurz vor einer abschließenden Positionierung vor dem Trilog mit der Kommission steht.

          Ein Verbot von Micro-Targeting ist jedoch offenbar nicht geplant. Über die letzten Details werde noch verhandelt, hieß es in EU-Kreisen. “Wir müssen auf die Bremse treten, denn unsere Demokratie ist zu kostbar für die Überholspur”, kündigte Jourova Anfang November an. Politische Werbung im Internet dürfe die Bürger nicht überrollen und manipulieren. ebo

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            DSA: Verhandler im EU-Parlament erteilen Medienausnahme Absage

            Die Verhandler:innen im Europaparlament sind der Parlamentsposition zum “Digital Services Act” gestern ein gutes Stück nähergekommen, nachdem die Berichterstatterin im Binnenmarktausschuss (IMCO) Christel Schaldemose (S&D) neue Kompromissvorschläge vorgelegt hatte (Europe.Table berichtete). “Ich freue mich darüber, dass wir eine produktive und konstruktive Verhandlungsrunde hatten”, sagte Schaldemose im Anschluss an die dreistündige Sitzung auf Anfrage von Europe.Table. Man habe somit einen “großen Schritt” in Richtung finale Abstimmung im IMCO am 9. Dezember getan.

            Laut Verhandlungskreisen erteilten die Parlamentarier der Medienausnahme eine klare Absage, die der Rechts- (JURI) und der Kulturausschuss (CULT) des Europaparlaments in das Gesetzesvorhaben aufnehmen wollten.

            Digital Services Act – Schaldemoses Kompromisse

            Mit überwiegend großer Mehrheit haben sich die Verhandler:innen außerdem auf Schaldemoses Kompromisse zum Digital Services Act in diesen Punkten einigen können:

            • Artikel 5: Haftungsbestimmungen für Diensteanbieter: Konkrete Löschfristen für illegale Inhalte sind nicht mehr enthalten.
            • Neuer Artikel zur Entschädigung von Nutzer:innen: Sollten Nutzer:innen Schaden oder Verlust erlitten haben, die auf einen Verstoß der Anbieter gegen die Pflichten des Digital Services Act zurückgehen, können sie Entschädigungen verlangen.
            • Artikel 24: Personalisierte Werbung. Die umstrittene Werbe-Praxis soll nur für Minderjährige vollständig verboten werden. Personenbezogene Daten von Nutzer:innen sollen von den Online-Plattformen außerdem nicht automatisch für den Zweck der personalisierten Werbung verarbeitet werden dürfen.

            Keine Einigung konnten die Verhandler:innen zum Änderungsvorschlag der Grünen/EFA finden, der besondere Sorgfaltspflichten für Plattformen mit überwiegend nutzergenerierten pornografischen Inhalten schaffen soll. Auch den Kompromissvorschlag zu Artikel 16 des Digital Services Act, der eine Ausnahmeregelung für Klein- und Kleinstunternehmen schaffen soll, überwiesen die Parlamentarier mangels Konsens zurück an die technische Ebene. koj

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            E.ON: Eigene Sparte für Wasserstoff

            Der Energiekonzern E.ON will den Aufbau eines Wasserstoff-Geschäfts in einem eigenen Bereich vorantreiben. “Wir planen intern, dass wir ein eigenes Geschäft, eine eigene Einheit aufbauen, die sich um dieses Thema Vollzeit kümmert”, sagte Vorstandschef Leonhard Birnbaum am Dienstag in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Anschließend sollten die einzelnen Projekte zu profitablen Projekten entwickelt werden. Es werde wohl mindestens drei bis vier Jahre dauern, ehe das Geschäft profitabel sein werde, sagte Finanzchef Marc Spieker. rtr

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              Europaabgeordnete fordern neue Regeln für legale Arbeitskräftemigration

              Mit einem Initiativbericht zur legalen Migration fordert der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) die Kommission auf, die legale Zuwanderung für Arbeitskräfte in die EU zu erleichtern, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Der Bericht der schwedischen Europaabgeordneten Abir Al-Sahlani (Renew) enthält konkrete Vorschläge für neue Optionen legaler Zuwanderung in die EU.

              Bevor das Plenum des Europaparlaments heute über den Bericht abstimmt, haben die Parlamentarier ihren Entwurf gestern Abend mit Kommissionsvize Margaritis Schinas diskutiert. Al-Sahlani betonte dabei, dass der demografische Wandel und der Fachkräftemangel der EU schwer zu schaffen machen: “Der Qualifikations-Mismatch auf den Arbeitsmärkten der Mitgliedstaaten kostet unsere Wirtschaft jedes Jahr zwei Prozent an Produktivität.”

              Die EU müsse daher dringend durch einen neuen Rechtsrahmen zu einer attraktiveren Region für Arbeitsmigrant:innen aller Qualifikationsstufen werden, denn das Ergebnis könne ein Erfolg für Unternehmen, Arbeitnehmer:innen und die Mitgliedstaaten sein.

              Zentrale Forderungen des Berichts

              • Neuer EU-Talentpool, der Arbeitnehmer:innen aus Drittländern mit potenziellen Arbeitgeber:innen in der EU zusammenbringen soll,
              • Ehrgeiziges Zulassungssystem für gering- oder mittelqualifizierte Drittstaatsarbeitnehmer:innen
              • Sondermaßnahmen für Selbständige und Unternehmer:innen,
              • Verbesserung der Mobilität innerhalb der EU von langfristig aufenthaltsberechtigten Personen, die keine EU-Staatsangehörigen sind,
              • Verringerung des bürokratischen Aufwands für die Erlangung des Rechts, in einem Mitgliedstaat zu wohnen und zu arbeiten,
              • Maßnahmen, die die Anerkennung von Berufsqualifikationen erleichtern, gleiche Rechte für Arbeitnehmer:innen aus Drittstaaten gewährleisten, und die Ausbeutung von Arbeitskräften bekämpfen,
              • Überarbeitung der Richtlinie über langfristig Aufenthaltsberechtigte, die den Status von Drittstaatsangehörigen mit Langzeitaufenthaltstitel in einem EU-Staat regelt: Sie sollen sich künftig ähnlich wie EU-Bürger auch dauerhaft in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten dürfen und bereits nach drei Jahren EU-Aufenthalt einen Langzeitaufenthaltstitel beantragen können, statt wie bisher nach fünf Jahren,
              • Saisonarbeiter sollen drei Monate Zeit haben, eine neue Arbeit zu suchen, ohne dass ihnen ihre Aufenthaltserlaubnis entzogen wird.

              Mit dem Bericht fordern die Europaabgeordneten die Kommission auf, bis zum 31. Januar 2022 einen entsprechenden Gesetzesvorschlag zu machen. Kommissionsvize Margaritis Schinas bestätigte, dass die Kommission bereits an einem “Talent- und Kompetenzpaket” arbeite, in dessen Rahmen sie auch die Richtlinie über langfristig Aufenthaltsberechtigte sowie die Richtlinie über die kombinierte Aufenthaltserlaubnis überarbeiten will.

              Allein für Deutschland geht das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung davon aus, dass in den kommenden Jahren jeweils etwa 400.000 Arbeitskräfte benötigt werden, um die Erwerbstätigenzahl ohne Maßnahmen wie eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit konstant gegenüber 2020 zu halten. Ohne Zuwanderung würde im Jahr 2060 selbst bei steigendem Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung von 47,42 auf 38,32 Millionen sinken. Dabei schwindet alterungsbedingt das Zuwandererpotenzial aus anderen EU-Mitgliedstaaten, so die Arbeitsmarktforscher. koj

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                WHO rechnet mit 700.000 weiteren Toten in Europa SÜDDEUTSCHE
                Niederlande verlegen Corona-Patienten nach Deutschland AACHENER ZEITUNG
                118 Migranten von der Belarus-Grenze freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt; EU-Kommission droht Fluggesellschaften bei Schleuser-Hilfe mit Sanktionen N-TV
                EU-Kommission hat Polen, Lettland und Litauen 200 Millionen Euro zusätzlich für Grenzsicherung und für die Bewältigung der von Minsk orchestrierten Migrationskrise zugesagt FAZ
                Separatisten bringen sich in Ost-Ukraine in Stellung N-TV
                EU-Parlament stimmt für Änderungen der gemeinsamen Agrarpolitik zugunsten von Umweltverträglichkeit und gerechterer Subventionsverteilung ZEIT
                EGMR zu Putschversuch: Türkei muss ver­haf­tete Juristen ent­schä­d­igen LTO
                EU fordert von China Freilassung von Corona-Bloggerin Zhang Zhan SPIEGEL

                Portrait

                Chris Piallat: Digitalreferent der Bundestags-Grünen

                Chris Piallat, Referent für Netz- und Digitalpolitik der Grünen Bundestagsfraktion
                Chris Piallat, Referent für Netz- und Digitalpolitik der Grünen Bundestagsfraktion

                Eigentlich hat Chris Piallat keine Zeit für ein Interview. Denn die derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen nehmen fast alle Energien in Anspruch. Eine Gremiensitzung folgt auf die nächste. Denn jede der zweiundzwanzig Fachverhandlungsgruppen musste bis zum 10. November, also in nur zweieinhalb Wochen, ihren Vorschlag für den Koalitionsvertragstext finalisieren. Ambitioniert, doch die Parteien waren gut auf diesen Moment vorbereitet und nutzten jede Minute. Die Grünen hängen sich ganz besonders rein, betont der Digitalisierungsexperte augenzwinkernd: “Wir sind immer die Streber!”

                Chris Piallat arbeitet für die Arbeitsgemeinschaft “Digitale Innovation und digitale Infrastruktur” der Grünen-Bundestagsfraktion, führt aber auch viele Gespräche mit Kolleg:innen aus anderen Fachrunden. Denn Digitalisierung ist ein Querschnittsthema, erklärt der 37-Jährige: “Die Innenpolitik beschäftigt sich mit IT-Sicherheit und Datenschutz als Bürgerrecht. In der Wirtschaft geht es um Gründungsförderung, Startup-Aufbau und die Modernisierung des Wettbewerbsrechts. Technologiepolitik wird im Bereich Forschung und Innovation diskutiert. Und besonders großen Handlungsbedarf sehen alle beteiligten Parteien bei der Frage, wie Staat und Verwaltung mit digitalen Mitteln modernisiert werden können”.

                Mehr darf Chris Piallat über die Inhalte der Koalitionsverhandlungen nicht sagen. Klar ist aber: Ihm liegen gesellschaftspolitische Fragen der Digitalisierung besonders am Herzen. Und diese müssten auch auf europäischer Ebene beantwortet werden, erklärt der Politikwissenschafter: “Einerseits brauchen wir einen regulativen Ordnungsrahmen wie den Digital Services Act, der für alle Plattformen gelten soll, die es auf dem europäischen Markt gibt – von Facebook bis zum Arbeitsvermittlungsangebot. Und andererseits müssen wir auf europäischer Ebene bestimmte Technologien und Innovationen fördern.”

                Ob im Privatleben oder im Beruf – um sich zu informieren, nutzt Chris Piallat gerne unterschiedlichste Quellen von Twitter bis zu den Medien der großen Verlage. “In Zeiten der zunehmenden Desinformation lege ich Wert darauf, Informationen aufmerksam und kritisch einzuordnen”, sagt er. Besonders wichtig ist dem Berliner Familienvater auch, dass alle Menschen dauerhaft Zugang zu möglichst vielen und vielfältigen Informationen haben. Deshalb hat er sich schon im Studium mit dem Thema Urheberrecht beschäftigt.

                Kein Wunder also, dass sein kürzlich veröffentlichtes Buch “Der Wert der Digitalisierung. Gemeinwohl in der digitalen Welt” unter einer Open Access-Lizenz erschienen ist. Chris Piallat erklärt: “Das ist auch ein Weg, um auf ein Werk aufmerksam zu machen – mit dem Ziel, dass viele Menschen sich das Buch schließlich kaufen. Wichtiger als die Einnahmen ist für mich persönlich aber der Gedanke, dass ich das in dem Buch gesammelte Wissen so gut wie möglich zugänglich machen möchte.” Janna Degener-Storr

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                  Apéropa

                  Sind Sie schon oder noch auf der Suche nach einem ausgefallenen Weihnachtsgeschenk? Vielleicht ist dann der Berichtsentwurf des Sonderausschusses zu künstlicher Intelligenz im digitalen Zeitalter genau das Richtige, wenn der Empfänger sich für Science oder Fiction interessiert.

                  Darin heißt es, “dass die KI das Kontrollzentrum der neuen Datenebene ist, von der wir umgeben sind und die als das fünfte Element nach Luft, Erde, Wasser und Feuer betrachtet werden kann”. Diese philosophisch bis poetische, allerdings nicht sonderlich historische Betrachtung findet sich auf Seite 10 des Berichts.

                  Mit wenigen Seiten Abstand wird KI im gleichen Werk aber auch zur Vierten Industriellen Revolution erklärt. Nun waren die ersten drei Industriellen Revolutionen eng mit Erkenntnissen verknüpft: dass die Welt eben nicht nur aus Earth, Wind & Fire besteht. Sondern wissenschaftliche Grundlagen wie das Periodensystem und physikalische Gesetzmäßigkeiten industriellen Nutzen haben.

                  Vielleicht auch deshalb maßregelt der Autor Kritiker und Bedenkenträger, dass sie ihre Befürchtungen an einer fiktiven Realität messen würden, in der KI eine “Technologie mit magischen Kräften” ist, in der die Singularität und Terminator eine Hauptrolle spielten. Man muss den Bericht also wohl eher als Fan-Fiction lesen.

                  Künstliche Intelligenz muss spannend sein. Sie muss Verheißung bieten. Nahezu kritikfrei wird jede optimistische Industrie-Projektion übernommen. Etwa, dass die Künstliche Intelligenz alleine bis 2030 bis zu vier Prozent Treibhausgase einsparen könne, selbst wenn die Urheber von Microsoft und PwC erklären, dass für diese Prognose alle gegenläufigen Effekte ignoriert wurden. Und eigentlich alle Probleme vom Klimawandel bis zur Landwirtschaft, von COVID-19 bis zu Lieferketten könnten durch AI gelöst werden. Wenn man sie nur ließe. Und ein paar Milliarden investiert, vielleicht auch ein paar mehr.

                  Doch so einfach macht es sich der Autor dann doch nicht. Zugleich ist der Bericht nämlich voller allegorischer Dystopien, eine moderne Neufassung von Nenas “99 Luftballons”. Wenn etwa der Sonderausschuss besorgt hervorhebt, welch desaströse Folgen Künstliche Intelligenz in der Hand des chinesischen Militärs haben würde – und deshalb im nächsten Absatz den eigenen Truppen Algorithmen an die Hand geben will. Oder wenn das Risiko beschworen wird, dass eine KI die Finanzmärkte sabotieren könne – um kurz darauf zu fordern, regulatorische Hindernisse konsequent beiseite zu räumen. Axel Voss wagt den Blick in eine Zukunft, in der Europa im Weltenkampf mit China um die KI-Krone zurückfällt und alles verliert, wenn es nicht selbst voll in die Dystopie investiert.

                  Was bleibt? Eine faszinierende Melange aus dem Mammut-Buch der Technik und einem neuen Thriller aus der Feder von Dirk Roßmann. Zwar beschränkt sich der nicht-spekulative Gehalt auf jene Aspekte der Künstlichen Intelligenz, die man einer müde lächelnden 9-Jährigen erklären könnte, die aus der Lillifee- oder Dinosaurier-Begeisterung herauswächst und K-Pop noch nicht entdeckt hat. Aber Weihnachtsgeschenke müssen ja auch nicht dem Beschenkten gefallen. Torsten Kleinz

                  Europe.Table Redaktion

                  EUROPE.TABLE REDAKTION

                  Licenses:
                    • Beihilfeleitlinien: Kommission reagiert auf Kritik
                    • GAP-Reform: Ende der Debatte, Beginn der Umsetzung
                    • BDI-Klimakongress: Forderungskatalog der deutschen Industrie
                    • Ampel-Koalition: Kohleausstieg 2030 und Verbrenner-Ende 2035
                    • EU-Kommission will politische Online-Werbung einschränken
                    • DSA: EP-Verhandler erteilen Medienausnahme Absage
                    • Europaabgeordnete fordern neue Regeln für legale Arbeitskräftemigration
                    • E.ON: Eigene Sparte für Wasserstoff
                    • Portrait: Chris Piallat – Digitalreferent der Bundestags-Grünen
                    Liebe Leserin, lieber Leser,

                    die Ampel ist unmittelbar vor der Ziellinie. Doch mit dem Koalitionsvertrag werden politische Absichtserklärungen formuliert – die erst noch Realität werden wollen. Und während heute in Berlin die Ampel sich und ihre Vorhaben vorstellt, arbeiten in Brüssel und Straßburg die Beteiligten unter Volldampf.

                    Die EU-Kommission lenkt bei den für die Wirtschaft so wichtigen Beihilfeleitlinien ein. Wie das mit der EEG-Umlage zusammenhängt und warum eine neue Rechenformel deutschen Unternehmensinteressen entgegenkommt, hat Till Hoppe für Sie recherchiert. Die neue Liste der förderfähigen Sektoren umfasst mehr als 100 Branchen – mehr als doppelt so viele wie im ersten Entwurf vom Sommer. Doch das sind immer noch deutlich weniger als bisher.

                    Eigentlich müsste die Gemeinsame Agrarpolitik viel zu den Zielen des Green Deal beisteuern. Doch die Ambitionen des Pakets sind nicht so ausgeprägt, wie Grüne und SPD das gerne gehabt hätten. Ein schweres Päckchen für die neue Koalition in Berlin, die den deutschen Strategieplan hierfür nun entwickeln muss, berichtet Lukas Scheid.

                    Die neue Bundesregierung wird sich auch mit Forderungen aus der deutschen Industrie auseinandersetzen müssen: BDI-Präsident Siegfried Russwurm stellte gestern einen Fünf-Punkte-Forderungskatalog zum Klima vor, der ausreichend Streitpotenzial bietet. Timo Landenberger berichtet davon – und von Forderungen nach einer Abwrackprämie für Verbrenner.

                    Da kommen einige Diskussionen auf den wahrscheinlichen grünen “Transformationsminister” Robert Habeck zu, dessen Ressortzuschnitt nun in Berlin breit diskutiert wird – während Christian Lindner das Finanzministerium nun sicher zu sein scheint.

                    Wo keine Hände sind, da wird keine Arbeit erledigt: Jasmin Kohl hat dem LIBE-Ausschuss im Europaparlament zugehört, der mit einem Initiativbericht die Kommission zur Schaffung weiterer legaler Migrationswege ins von Überalterung bedrohte Europa auffordert.

                    Derweil saßen Berichterstatterin und Schattenberichterstatter wie angekündigt erneut über dem Digital Services Act. Dabei wurden Kompromisse gefunden und andere Ideen verworfen, unter anderem die Medienausnahme.

                    Kommen Sie gesund durch den Tag!

                    Ihr
                    Falk Steiner
                    Bild von Falk  Steiner

                    Analyse

                    Beihilfeleitlinien: Kommission reagiert auf Kritik

                    Die EU-Kommission reagiert auf die Kritik an den geplanten Klima- und Energie-Beihilfeleitlinien (Europe.Table berichtete). Allerdings geht die Behörde dabei nicht so weit, wie von deutscher Industrie und Bundesregierung gefordert (Europe.Table berichtete). Das zeigt ein neuer Entwurf, der Europe.Table vorliegt.

                    Die neuen Klima- und Energie-Beihilfeleitlinien (KUEBLL) stecken ab, unter welchen Bedingungen die Mitgliedstaaten die Ziele des Green Deals mit staatlichen Subventionen fördern dürfen. Die Kommission will bis Jahresende neue Leitlinien vorlegen, die die bisherigen aus dem Jahr 2014 ersetzen. Da es sich dabei um kein gewöhnliches Gesetzgebungsverfahren handelt, bei dem Parlament und Rat beteiligt werden, sollen die neuen Leitlinien bereits Anfang 2022 in Kraft treten.

                    Ein erster Entwurf zu den Beihilfeleitlinien aus dem Sommer hatte vor allem die energieintensive Industrie in Deutschland in Aufruhr versetzt. Denn der Vorschlag von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sah vor (Europe.Table berichtete), die Voraussetzungen für die Entlastung stromkostenintensiver Unternehmen erheblich zu verschärfen. Die Bundesregierung warnte in ihrer Stellungnahme, dass dadurch Hunderte Unternehmen den Anspruch auf eine Begrenzung der EEG-Umlage verlieren würden.

                    Flexibler bei Handelsintensität

                    Die Kommission hat nun darauf reagiert. Die neue Liste der förderfähigen Sektoren umfasst mehr als 100 Branchen – mehr als doppelt so viele wie im ersten Entwurf vom Sommer. Allerdings sind es noch immer deutlich weniger als in den bislang geltenden Beihilfeleitlinien.

                    Der CDU-Europaabgeordnete Markus Pieper kritisiert den neuen Draft daher als unzureichend: “Der neue Vorschlag nähert sich wieder mehr der realen Wettbewerbssituation der Betriebe”, sagt der Sprecher des Parlamentskreises Mittelstand in der CDU/CSU-Gruppe. Es sei zu begrüßen, dass es wieder mehr Unternehmen auf die Carbon-Leakage-Schutzliste schafften, aber das reiche bei weitem nicht aus: “Da der Green Deal den globalen Wettbewerb massiv verschärft, müssen gegenüber der derzeit gültigen Liste mehr Branchen entlastet werden – und nicht weniger.

                    Im Vergleich zum ersten Entwurf hat die Kommission die Methode verändert, anhand derer die förderfähigen Sektoren bestimmt werden. Gemäß dem Entwurf vom Sommer mussten diese eine Handelsintensität von mindestens 20 Prozent und eine Stromkostenintensität von mindestens 10 Prozent nachweisen. Nach dem neuen Entwurf der Beihilfeleitlinien würde eine Beihilfe als zulässig gelten, wenn die Multiplikation der Werte bei Handels- und Stromkostenintensivität mindestens 2 Prozent ergibt.

                    Dies entspricht im Wesentlichen den vorigen Schwellen von 20 und 10 Prozent, erlaubt aber mehr Flexibilität bei den beiden Einzelindikatoren. So hatte etwa der Verband der Chemischen Industrie (VCI) kritisiert, die Kommission lege zu großen Wert auf die Handelsintensität, also die Exportorientierung der Sektoren und Unternehmen, die in internationalem Wettbewerb stehen.

                    Die Berücksichtigung dieses Faktors soll die Abwanderung CO2-intensiver Produktion ins Ausland verhindern (Carbon Leakage). Doch der Indikator ist umstritten. Schließlich stehe ein Betrieb auch dann im internationalen Wettbewerb, wenn er nur als Zulieferer für die heimische Industrie agiert, sich aber gegen Konkurrenz aus dem Ausland behaupten muss, sagen Kritiker.

                    Auch bei einem alternativen Schwellenwert für stark abwanderungsgefährdete Branchen wie Aluminium oder Kupfer hat die Kommission die Berechnungsmethode angepasst. Neu eingefügt hat die Behörde einen Passus, wonach die Kommission auch später noch neue Sektoren auf die Berechtigungsliste aufnehmen kann, wenn diese über drei Jahre hinweg die Kriterien erfüllen.

                    Beihilfeleitlinien können sich noch ändern

                    Auch bei der Beihilfenintensität und Belastungsgrenze geht die Kommission einen Schritt auf die Industrie zu. Die Beihilfeleitlinien können sich aber noch verändern, derzeit läuft der Abstimmungsprozess zwischen den beteiligten Generaldirektionen der Kommission.

                    Experten kritisieren den zusätzlichen Aufwand, den die neuen Beihilfeleitlinien mit sich bringen könnten. “Die Kommission will über die neuen Leitlinien die Ziele des Green Deal befördern, garniert dies aber mit zusätzlicher Bürokratie”, sagt Henning Wendt von der Kanzlei Görg. So würden Versteigerungen bei der Vergabe von Beihilfen noch stärker in den Vordergrund gerückt, was Unternehmen wegen des damit verbundenen Aufwandes abschrecken könne.

                    Zudem sollen die Mitgliedsstaaten künftig erst die Marktteilnehmer konsultieren, bevor sie eine Fördermaßnahme der Kommission zur Genehmigung vorlegen, was zusätzlichen Aufwand bedeute, so Wendt. “Daher wird sich erst zeigen müssen, wie praktikabel die neuen Leitlinien in der Praxis sein werden.” Mit Timo Landenberger

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                      GAP-Reform: Ende der Debatte, Beginn der Umsetzung

                      Das Ergebnis war so erwartet worden. Der Vorab-Deal, den Vertreter:innen des EU-Parlaments mit Verhandler:innen des Rates und der Kommission im Trilog bereits Ende Juni geschlossen haben, hat gestern auch die Hürde des Plenums genommen. Die drei Verordnungen zur Reform der gemeinsamen Agrarpolitik der EU wurden von etwa zwei Drittel der Abgeordneten angenommen. Stimmt nun auch der Rat zu, wovon auszugehen ist, wird die neue GAP ab 2023 in Kraft treten.

                      Landwirte, die Zahlungen aus der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) erhalten wollen, müssen dann mindestens drei Prozent ihres Farmlandes für die Förderung der biologischen Vielfalt bereitstellen. Mindestens 25 Prozent der Direktzahlungen an die Landwirte sollen für klima- und umweltfreundliche Anbaumethoden ausgeschüttet werden – die sogenannten Eco-schemes. Insgesamt sollen 35 Prozent des 387 Milliarden Euro umfassenden GAP-Budgets für Maßnahmen zur Förderung von Klima- und Umweltschutz, biologischer Vielfalt und Tierschutz bereitgestellt werden. Umgesetzt wird die Reform von den 27 Mitgliedstaaten, von denen jedes einzelne einen nationalen Strategieplan der Kommission zur Prüfung vorlegen muss, in dem es darlegt, wie es die Instrumente einsetzen wird, um die GAP-Ziele im Einklang mit den Zielen des Green Deal zu erreichen.

                      Peter Jahr, Berichterstatter der GAP-Strategieplanverordnung für die EVP, bezeichnete es in der Parlamentsdebatte in Straßburg als “guten Tag für die europäische Agrarpolitik und die Landwirte”. Denn um die gehe es, betonte er, sowie um die Versorgungssicherheit. Es sei wichtig gewesen, pünktlich einen Kompromiss zu liefern, statt eine “Agrar-Debatte auf Lebenszeit zu führen”. Damit versuchte er diejenigen Abgeordneten zu beschwichtigen, die bis zuletzt versucht hatten, das Reformpaket der gemeinsamen Agrarpolitik zu verhindern.

                      Gemeinsame Agrarpolitik – Gegenwind verpufft

                      Jahr adressierte damit vor allem die europäischen Grünen und einige Sozialdemokraten, darunter auch die SPD im EU-Parlament. Sie haben geschlossen gegen die Reform gestimmt, da die neue gemeinsame Agrarpolitik eher ein “Weiter so” statt einer ökologischen Reform im Sinne des Green Deals darstelle. Fördermittel würden weiterhin an “multinationale Holdings, Großgrundbesitzende und riesige Mastbetriebe gehen”, twitterte die umwelt- und klimapolitische Sprecherin der EU-SPD, Delara Burkhardt. Kleine und mittelgroße Höfe würden “weiterhin zum Aufgeben gezwungen”.

                      Martin Häusling, Schattenberichterstatter der Grünen für die GAP-Strategiepläne, kritisierte, dass die Beteiligung der Landwirte an den neuen Eco-schemes nur freiwillig sei. Für ihn sei es ein “schwarzer Tag für die Klimapolitik” gewesen. Ohne eine “zwingende Überprüfung der Vereinbarkeit mit dem Green Deal” werde das Ergebnis sein, dass die künftige gemeinsame Agrarpolitik noch schlechter abschneide als bisher, erklärte Häusling am Dienstag. Er bemängelte zudem, dass die ambitionierteren Farm-to-Fork-Strategie (Europe.Table berichtete) sowie die Biodiversitätsstrategie in der neuen GAP nur am Rande erwähnt werden, statt zentraler Bestandteil zur Umsetzung zu sein. Der Gegenwind der europäischen Grünen und der deutschen Sozialdemokraten ist allerdings verpufft angesichts der breiten Zustimmung im Parlament.

                      Die Hoffnung haben die Gegner der GAP-Reform jedoch noch nicht aufgegeben. Sie setzen nun auf die nationalen Strategiepläne. Der Grünen-Abgeordnete Bas Eickhout kündigte an, der Kommission bei der Bewertung der Pläne genau auf die Finger zu schauen. Vor allem bei der Reduzierung von Pestiziden, so Eickhout.

                      Sache der neuen Regierung

                      Der deutsche Strategieplan befindet sich noch in der Abstimmung zwischen Bundeslandwirtschafts- und Bundesumweltministerium. Dort dürfte er auch bis zum Abschluss der Koalitionsverhandlungen bleiben. Zwar läuft die Frist für die Einreichung bei der Kommission am 1. Januar 2022 aus, doch eine Fristverlängerung stellt keine maßgebliche Hürde dar.

                      Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner stellte am Dienstag noch einmal klar, dass ihr Vorschlag “auf dem Tisch” liege und forderte die Ampelkoalition auf, sich bei den noch offenen Punkten zu einigen. Ihr Ministerium würde seinen ausgearbeiteten Plan gerne noch in dieser geschäftsführenden Amtsperiode im Kabinett beschließen, um ihn anschließend dem Bundesrat zur Genehmigung vorzulegen. Ziel sei es, eine Entscheidung des Bundesrates spätestens in der Plenarsitzung am 17. Dezember herbeizuführen, erklärte ein Sprecher des Ministeriums auf Anfrage des Europe.Table. Das SPD-geführte BMU wird da allerdings kaum mitziehen und sich das Papier stattdessen mit den künftigen Koalitionspartnern noch einmal vornehmen, wie aus Parteikreisen der Grünen zu hören war.

                      Umsetzung der gemeinsamen Agrarpolitik

                      Das Resultat könnte eine ambitioniertere Auslegung der gemeinsamen Agrarpolitik in Deutschland sein. So könnte die neue Bundesregierung strengere Maßnahmen für eine klimaresistente und dürreresiliente Landwirtschaft vorschreiben, indem sie beispielsweise weitreichende Vorgaben zum Schutz von kohlenstoffreichen Böden macht. Auch die Förderung von Agroforstwirtschaft – eine Kombination aus Acker- und Tierhaltungsfläche, die eine hohe CO₂-Speicherfähigkeit aufweist – könnte bestärkt werden, um die Landwirtschaft klimagerechter zu machen. Das derzeitige BMEL hatte diesem Zweig des Agrarsektors lange nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt und auch in der Bedarfsanalyse zum deutschen Strategieplan werden Agroforstsysteme nur beiläufig erwähnt.

                      Der Handlungsspielraum der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der gemeinsamen Agrarpolitik ist allerdings nur dann dem Klimaschutz zuträglich, wenn die nationalen Regierungen überhaupt Interesse an einer klimaschonenderen Landwirtschaft haben. Deutschlands neue Regierung möchte eine “Klimaregierung” sein. Eine entsprechende Ausgestaltung des nationalen GAP-Strategieplans kann also erwartet werden. Für andere EU-Staaten gilt das jedoch nicht. In der Vergangenheit hat sich schon des Öfteren gezeigt, dass in Ländern wie Ungarn oder Tschechien der Klimaschutz bei der Ausschüttung der EU-Agrarsubventionen eine eher untergeordnete Rolle gespielt hat.

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                        BDI-Klimakongress: Forderungskatalog der deutschen Industrie

                        Beim Klimakongress des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI) sparten die Wirtschaftsvertreter nicht mit Kritik an der Klimapolitik aus Berlin und Brüssel und stellten klare Forderungen – insbesondere an die sich bildende Bundesregierung.

                        Zuvor hatte der BDI gemeinsam mit der Boston Consulting Group die Studie “Klimapfade 2.0” veröffentlicht und darin einen Investitionsbedarf in Höhe von rund 860 Milliarden Euro für die Umsetzung der deutschen Klimaschutzmaßnahmen ausgerechnet. Der Studie zufolge erfordert die Erreichung der gesetzlich vereinbarten Klimaschutzziele für 2030 beinahe eine Halbierung der Emissionen gegenüber 2019. Die aktuelle Klimapolitik reiche dafür in keinem Sektor aus. Zum Klimakongress präsentierte BDI-Präsident Siegfried Russwurm deshalb einen Fünf-Punkte-Plan mit konkreten Forderungen an die künftige Bundesregierung.

                        1. Priorität müsse dem schnelleren Ausbau der Infrastruktur eingeräumt werden. Das gelte sowohl für den Verkehrs- als auch für den Energiebereich, wobei der ländliche Raum stärker berücksichtigt werden müsse. Der BDI rechnet allein für den Infrastrukturausbau bis 2030 mit Kosten in Höhe von 145 Milliarden Euro. Zentral sei außerdem, die Planungs- und Genehmigungsverfahren stark zu beschleunigen sowie Gerichtsverfahren erheblich zu verkürzen.
                        2. Durch die Umstellung auf klimaneutrale Technologien rechnet die Industrie mit deutlich erhöhten Betriebskosten. Um wettbewerbsfähig zu bleiben sei entscheidend, die Unternehmen bei den Mehrkosten zu entlasten. Der BDI fordert bei seinem Klimakongress Bundeszuschüsse zu den Stromübertragungsnetzentgelten, eine Verlängerung des Spitzenausgleichs bei der Stromsteuer sowie einen Abbau der EEG-Umlage. Für besonders energieintensive Unternehmen seien befristet Betriebskostenzuschüsse über Differenzverträge (Carbon Contracts for Difference) notwendig. Die Europäische Union überarbeitet derzeit ihre Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen (KUEBLL/CEEAG). Die Reform soll es den Regierungen ermöglichen, zur Förderung der grünen Transformation weit höhere Subventionen auszuzahlen. Allerdings sieht der Entwurf auch vor, die Bedingungen für die Reduzierung von Elektrizitätsabgaben deutlich zu verschärfen.
                        3. Bei einem früheren Ausstieg aus der Kohleverstromung sei die Sicherung der Energieversorgung nur durch einen erheblichen Zubau von Gaskraftwerken möglich. Die Finanzierung selbiger müsse über die EU-Taxonomie sichergestellt werden. Der BDI fordert, den deutschen Fokus auch in Brüssel hierauf zu richten, anstatt die Taxonomie durch Diskussionen mit Nachbarstaaten über deren Energiemix zu blockieren.
                        4. Die künftige Bundesregierung solle die Instrumente des Klimaschutzgesetzes auf ihre Wirksamkeit überprüfen. Sektorspezifische Jahresziele sollten abgeschafft werden, so die Forderung. Ihre Verfehlung würden kurzfristige Sofortmaßnahmen auslösen, die ineffizient und teuer seien. Zielführender sei ein flexibles, zukunftsgerichtetes Monitoring mit Frühindikatoren. “Wenn in einem Sektor weniger möglich ist, dann müssen wir Alternativen woanders finden”, so Russwurm.
                        5. Entscheidend sei auch, die globale Dimension des Klimawandels stärker zu berücksichtigen. Der BDI fordert die künftige Bundesregierung beim Klimakongress auf, die deutsche G7-Präsidentschaft im kommenden Jahr zu nutzen, auf mehr internationale Kooperation vorrangig im Bereich der CO2-Bepreisung zu setzen. Die Gründung von Klimaklubs aus ambitionierten Staaten sei nur hilfreich, sofern die großen Emittenten China und USA mitwirkten. Außerdem werde Deutschland weiterhin auf Energie-Importe angewiesen sein. Russwurm fordert die Politik auf, schon jetzt mit Handelspartnern zu sprechen und Kontingente an grüner Energie zu sichern.

                        Beim Klimaschutz gebe es zwischen Wirtschaft und Politik eine klare Aufgabenverteilung, sagte Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), beim Klimakongress. “Wir werden nur erfolgreich sein, wenn wir beweisen, dass Klimaschutz und Wachstum nicht im Widerspruch stehen.” Dafür müsse die Politik aber “in die Mühlen der Transformation herunterkommen”. Besonders in Brüssel fehle noch immer das Verständnis für die praktische Umsetzung der Klimaschutzmaßnahmen, kritisiert Müller.

                        Abwrackprämie gegen Verbrenner-Bestand?

                        Speziell für den Automobilbereich gelte es, den Bestand an Fahrzeugen nicht aus den Augen zu verlieren. “Selbst wenn wir in Deutschland bis 2030 15 Millionen E-Autos auf den Markt bringen, wird immer noch das Doppelte an Verbrennern unterwegs sein”, so die VDA-Präsidentin. Neben den Flottengrenzwerten und dem Ausbau der Ladeinfrastruktur sei deswegen eine zentrale Frage: Wer können sich wie oft ein neues Auto leisten? “Wir werden mindestens 30 Millionen Autos in Deutschland haben, bei denen wir nur einen Beitrag leisten können, indem wir uns synthetischen Kraftstoffen zuwenden.” Müller fordert eine Quote von 30 Prozent synthetischer Kraftstoffe bis 2030.

                        Einen Schritt weiter geht Gunther Kegel, Präsident des Zentralverbands der Elektroindustrie (ZVEI). Den Altbestand an Autos zu verkaufen, werde sich für die Besitzer bald nicht mehr lohnen. “Also werden sie gefahren, bis sie auseinanderbrechen. Das kann man nur abkürzen, indem man eine Abwrackprämie einführt.”

                        Daneben forderte Kegel für den ländlichen Raum die gleiche Ladeinfrastruktur wie in den Ballungsräumen. Aufgrund des deutlich längeren Tankvorgangs im Vergleich zu Flüssigkraftstoff werde der Platzbedarf enorm sein. Insbesondere für Autobahn-Raststätten sei die Herausforderung groß, wenn die Fahrzeuge statt zwei bis drei Minuten 20 bis 30 Minuten lang die Ladesäule beanspruchen. “Wir müssen schnell zu einer Million Ladepunkte in Deutschland kommen, sonst bremsen wir unseren eigenen Weg in die E-Mobilität aus.”

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                          Ampel-Koalition: Kohleausstieg 2030 und Verbrenner-Ende 2035

                          Die geplante Ampel-Koalition hat sich im Klima-Kapitel auf Kernpunkte verständigt. Nach Angaben aus Verhandlungskreisen vom Dienstag wird im Koalitionsvertrag ein Kohleausstieg schon bis 2030 verankert.

                          Das Datum werde im Koalitionsvertrag stehen, sagten mehrere an den Gesprächen Beteiligte am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Voraussetzung sei, dass die Versorgungssicherheit gewährleistet sein und soziale Härten für Beschäftigte abgefedert werden müssten. Das Datum 2030 für einen Kohleausstieg war eine Forderung der Grünen und für sie besonders wichtig. Bisher ist die Abschaltung des letzten Kohlemeilers bis spätestens 2038 geplant.

                          Ferner hieß es, für die Stromerzeugung solle auf Erdgas spätestens ab 2040 verzichtet werden. In Neubauten soll dieser Brennstoff bei Heizungen schon in den nächsten Jahren nicht mehr eingesetzt werden. Alte müssten zudem bis Mitte der 2030er Jahre ausgetauscht werden.

                          Den Angaben zufolge können die Grünen zur Durchsetzung der Klimaziele auf ein starkes Transformations-Ministerium bauen. Der Klimateil des Umweltressorts werde dafür mit Kernelementen des Wirtschaftsministeriums verbunden, sagten Verhandler. Dies sind in erster Linie die Energie- und die Industrie-Abteilung. Damit könnte die gegenseitige Blockade des bisherigen Umwelt- und des Wirtschaftsministeriums gelöst werden. Es gilt als sicher, dass Grünen-Chef Robert Habeck die Leitung übernimmt.

                          Weniger Erfolg hatten demnach die Grünen im Verkehrssektor mit der Forderung nach einem Aus für Verbrenner schon bis 2030. Hier bleibe es im Wesentlichen bei den Formulierungen aus dem Sondierungspapier. Darin wird auf die Pläne der EU-Kommission verwiesen, dass ab 2035 keine Verbrenner mehr zugelassen werden sollen. rtr

                            • Ampel-Koalition
                            • Deutschland
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                            EU-Kommission will politische Online-Werbung einschränken

                            Die EU-Kommission will politische Werbung im Internet regulieren und umstrittene Online-Werbepraktiken wie Micro-Targeting und User Profiling dabei eng begrenzen. Google, Facebook und andere Plattformen sollen verpflichtet werden, relevante Werbedaten vorzuhalten und auf Anfrage herauszugeben.

                            Dies geht aus einem Entwurf für den Vorschlag hervor, den EU-Kommissarin Vera Jourova in dieser Woche vorlegen will. Es gehe darum, mehr Transparenz und Rechenschaftspflichten auch für Wahlwerbung von Parteien im Internet zu schaffen, heißt es in der Vorlage, die Europe.Table einsehen konnte. Allerdings soll es für europäische Parteien besondere Regeln geben. Bei der Europawahl 2019 hatten kurzfristig erlassene Auflagen für politische Werbung für Streit gesorgt.

                            Die neuen Regeln richten sich nicht nur an die Internet-Giganten, sondern auch Werbeagenturen, Werbebanner-Anbieter und Consultancies. Sogar Akteure aus der “Offline”-Welt wie Wahlkampfmanager sollen erfasst werden. Jourova will sich die Möglichkeit offen halten, bestimmte Werbeangebote zu verbieten, wenn sie nicht mit ihren Vorgaben übereinstimmen.

                            Der Vorschlag ist Teil des “European Democracy Action Plan”, den die Kommission im Dezember 2020 angekündigt hatte. Er soll den Digital Services Act (DSA) ergänzen, der in Rat und Parlament kurz vor einer abschließenden Positionierung vor dem Trilog mit der Kommission steht.

                            Ein Verbot von Micro-Targeting ist jedoch offenbar nicht geplant. Über die letzten Details werde noch verhandelt, hieß es in EU-Kreisen. “Wir müssen auf die Bremse treten, denn unsere Demokratie ist zu kostbar für die Überholspur”, kündigte Jourova Anfang November an. Politische Werbung im Internet dürfe die Bürger nicht überrollen und manipulieren. ebo

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                              DSA: Verhandler im EU-Parlament erteilen Medienausnahme Absage

                              Die Verhandler:innen im Europaparlament sind der Parlamentsposition zum “Digital Services Act” gestern ein gutes Stück nähergekommen, nachdem die Berichterstatterin im Binnenmarktausschuss (IMCO) Christel Schaldemose (S&D) neue Kompromissvorschläge vorgelegt hatte (Europe.Table berichtete). “Ich freue mich darüber, dass wir eine produktive und konstruktive Verhandlungsrunde hatten”, sagte Schaldemose im Anschluss an die dreistündige Sitzung auf Anfrage von Europe.Table. Man habe somit einen “großen Schritt” in Richtung finale Abstimmung im IMCO am 9. Dezember getan.

                              Laut Verhandlungskreisen erteilten die Parlamentarier der Medienausnahme eine klare Absage, die der Rechts- (JURI) und der Kulturausschuss (CULT) des Europaparlaments in das Gesetzesvorhaben aufnehmen wollten.

                              Digital Services Act – Schaldemoses Kompromisse

                              Mit überwiegend großer Mehrheit haben sich die Verhandler:innen außerdem auf Schaldemoses Kompromisse zum Digital Services Act in diesen Punkten einigen können:

                              • Artikel 5: Haftungsbestimmungen für Diensteanbieter: Konkrete Löschfristen für illegale Inhalte sind nicht mehr enthalten.
                              • Neuer Artikel zur Entschädigung von Nutzer:innen: Sollten Nutzer:innen Schaden oder Verlust erlitten haben, die auf einen Verstoß der Anbieter gegen die Pflichten des Digital Services Act zurückgehen, können sie Entschädigungen verlangen.
                              • Artikel 24: Personalisierte Werbung. Die umstrittene Werbe-Praxis soll nur für Minderjährige vollständig verboten werden. Personenbezogene Daten von Nutzer:innen sollen von den Online-Plattformen außerdem nicht automatisch für den Zweck der personalisierten Werbung verarbeitet werden dürfen.

                              Keine Einigung konnten die Verhandler:innen zum Änderungsvorschlag der Grünen/EFA finden, der besondere Sorgfaltspflichten für Plattformen mit überwiegend nutzergenerierten pornografischen Inhalten schaffen soll. Auch den Kompromissvorschlag zu Artikel 16 des Digital Services Act, der eine Ausnahmeregelung für Klein- und Kleinstunternehmen schaffen soll, überwiesen die Parlamentarier mangels Konsens zurück an die technische Ebene. koj

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                              E.ON: Eigene Sparte für Wasserstoff

                              Der Energiekonzern E.ON will den Aufbau eines Wasserstoff-Geschäfts in einem eigenen Bereich vorantreiben. “Wir planen intern, dass wir ein eigenes Geschäft, eine eigene Einheit aufbauen, die sich um dieses Thema Vollzeit kümmert”, sagte Vorstandschef Leonhard Birnbaum am Dienstag in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Anschließend sollten die einzelnen Projekte zu profitablen Projekten entwickelt werden. Es werde wohl mindestens drei bis vier Jahre dauern, ehe das Geschäft profitabel sein werde, sagte Finanzchef Marc Spieker. rtr

                                • Energie
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                                • Wasserstoff

                                Europaabgeordnete fordern neue Regeln für legale Arbeitskräftemigration

                                Mit einem Initiativbericht zur legalen Migration fordert der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE) die Kommission auf, die legale Zuwanderung für Arbeitskräfte in die EU zu erleichtern, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Der Bericht der schwedischen Europaabgeordneten Abir Al-Sahlani (Renew) enthält konkrete Vorschläge für neue Optionen legaler Zuwanderung in die EU.

                                Bevor das Plenum des Europaparlaments heute über den Bericht abstimmt, haben die Parlamentarier ihren Entwurf gestern Abend mit Kommissionsvize Margaritis Schinas diskutiert. Al-Sahlani betonte dabei, dass der demografische Wandel und der Fachkräftemangel der EU schwer zu schaffen machen: “Der Qualifikations-Mismatch auf den Arbeitsmärkten der Mitgliedstaaten kostet unsere Wirtschaft jedes Jahr zwei Prozent an Produktivität.”

                                Die EU müsse daher dringend durch einen neuen Rechtsrahmen zu einer attraktiveren Region für Arbeitsmigrant:innen aller Qualifikationsstufen werden, denn das Ergebnis könne ein Erfolg für Unternehmen, Arbeitnehmer:innen und die Mitgliedstaaten sein.

                                Zentrale Forderungen des Berichts

                                • Neuer EU-Talentpool, der Arbeitnehmer:innen aus Drittländern mit potenziellen Arbeitgeber:innen in der EU zusammenbringen soll,
                                • Ehrgeiziges Zulassungssystem für gering- oder mittelqualifizierte Drittstaatsarbeitnehmer:innen
                                • Sondermaßnahmen für Selbständige und Unternehmer:innen,
                                • Verbesserung der Mobilität innerhalb der EU von langfristig aufenthaltsberechtigten Personen, die keine EU-Staatsangehörigen sind,
                                • Verringerung des bürokratischen Aufwands für die Erlangung des Rechts, in einem Mitgliedstaat zu wohnen und zu arbeiten,
                                • Maßnahmen, die die Anerkennung von Berufsqualifikationen erleichtern, gleiche Rechte für Arbeitnehmer:innen aus Drittstaaten gewährleisten, und die Ausbeutung von Arbeitskräften bekämpfen,
                                • Überarbeitung der Richtlinie über langfristig Aufenthaltsberechtigte, die den Status von Drittstaatsangehörigen mit Langzeitaufenthaltstitel in einem EU-Staat regelt: Sie sollen sich künftig ähnlich wie EU-Bürger auch dauerhaft in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten dürfen und bereits nach drei Jahren EU-Aufenthalt einen Langzeitaufenthaltstitel beantragen können, statt wie bisher nach fünf Jahren,
                                • Saisonarbeiter sollen drei Monate Zeit haben, eine neue Arbeit zu suchen, ohne dass ihnen ihre Aufenthaltserlaubnis entzogen wird.

                                Mit dem Bericht fordern die Europaabgeordneten die Kommission auf, bis zum 31. Januar 2022 einen entsprechenden Gesetzesvorschlag zu machen. Kommissionsvize Margaritis Schinas bestätigte, dass die Kommission bereits an einem “Talent- und Kompetenzpaket” arbeite, in dessen Rahmen sie auch die Richtlinie über langfristig Aufenthaltsberechtigte sowie die Richtlinie über die kombinierte Aufenthaltserlaubnis überarbeiten will.

                                Allein für Deutschland geht das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung davon aus, dass in den kommenden Jahren jeweils etwa 400.000 Arbeitskräfte benötigt werden, um die Erwerbstätigenzahl ohne Maßnahmen wie eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit konstant gegenüber 2020 zu halten. Ohne Zuwanderung würde im Jahr 2060 selbst bei steigendem Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung von 47,42 auf 38,32 Millionen sinken. Dabei schwindet alterungsbedingt das Zuwandererpotenzial aus anderen EU-Mitgliedstaaten, so die Arbeitsmarktforscher. koj

                                  • Digitalpolitik
                                  • Gesellschaft

                                  Presseschau

                                  WHO rechnet mit 700.000 weiteren Toten in Europa SÜDDEUTSCHE
                                  Niederlande verlegen Corona-Patienten nach Deutschland AACHENER ZEITUNG
                                  118 Migranten von der Belarus-Grenze freiwillig in ihre Heimat zurückgekehrt; EU-Kommission droht Fluggesellschaften bei Schleuser-Hilfe mit Sanktionen N-TV
                                  EU-Kommission hat Polen, Lettland und Litauen 200 Millionen Euro zusätzlich für Grenzsicherung und für die Bewältigung der von Minsk orchestrierten Migrationskrise zugesagt FAZ
                                  Separatisten bringen sich in Ost-Ukraine in Stellung N-TV
                                  EU-Parlament stimmt für Änderungen der gemeinsamen Agrarpolitik zugunsten von Umweltverträglichkeit und gerechterer Subventionsverteilung ZEIT
                                  EGMR zu Putschversuch: Türkei muss ver­haf­tete Juristen ent­schä­d­igen LTO
                                  EU fordert von China Freilassung von Corona-Bloggerin Zhang Zhan SPIEGEL

                                  Portrait

                                  Chris Piallat: Digitalreferent der Bundestags-Grünen

                                  Chris Piallat, Referent für Netz- und Digitalpolitik der Grünen Bundestagsfraktion
                                  Chris Piallat, Referent für Netz- und Digitalpolitik der Grünen Bundestagsfraktion

                                  Eigentlich hat Chris Piallat keine Zeit für ein Interview. Denn die derzeit laufenden Koalitionsverhandlungen nehmen fast alle Energien in Anspruch. Eine Gremiensitzung folgt auf die nächste. Denn jede der zweiundzwanzig Fachverhandlungsgruppen musste bis zum 10. November, also in nur zweieinhalb Wochen, ihren Vorschlag für den Koalitionsvertragstext finalisieren. Ambitioniert, doch die Parteien waren gut auf diesen Moment vorbereitet und nutzten jede Minute. Die Grünen hängen sich ganz besonders rein, betont der Digitalisierungsexperte augenzwinkernd: “Wir sind immer die Streber!”

                                  Chris Piallat arbeitet für die Arbeitsgemeinschaft “Digitale Innovation und digitale Infrastruktur” der Grünen-Bundestagsfraktion, führt aber auch viele Gespräche mit Kolleg:innen aus anderen Fachrunden. Denn Digitalisierung ist ein Querschnittsthema, erklärt der 37-Jährige: “Die Innenpolitik beschäftigt sich mit IT-Sicherheit und Datenschutz als Bürgerrecht. In der Wirtschaft geht es um Gründungsförderung, Startup-Aufbau und die Modernisierung des Wettbewerbsrechts. Technologiepolitik wird im Bereich Forschung und Innovation diskutiert. Und besonders großen Handlungsbedarf sehen alle beteiligten Parteien bei der Frage, wie Staat und Verwaltung mit digitalen Mitteln modernisiert werden können”.

                                  Mehr darf Chris Piallat über die Inhalte der Koalitionsverhandlungen nicht sagen. Klar ist aber: Ihm liegen gesellschaftspolitische Fragen der Digitalisierung besonders am Herzen. Und diese müssten auch auf europäischer Ebene beantwortet werden, erklärt der Politikwissenschafter: “Einerseits brauchen wir einen regulativen Ordnungsrahmen wie den Digital Services Act, der für alle Plattformen gelten soll, die es auf dem europäischen Markt gibt – von Facebook bis zum Arbeitsvermittlungsangebot. Und andererseits müssen wir auf europäischer Ebene bestimmte Technologien und Innovationen fördern.”

                                  Ob im Privatleben oder im Beruf – um sich zu informieren, nutzt Chris Piallat gerne unterschiedlichste Quellen von Twitter bis zu den Medien der großen Verlage. “In Zeiten der zunehmenden Desinformation lege ich Wert darauf, Informationen aufmerksam und kritisch einzuordnen”, sagt er. Besonders wichtig ist dem Berliner Familienvater auch, dass alle Menschen dauerhaft Zugang zu möglichst vielen und vielfältigen Informationen haben. Deshalb hat er sich schon im Studium mit dem Thema Urheberrecht beschäftigt.

                                  Kein Wunder also, dass sein kürzlich veröffentlichtes Buch “Der Wert der Digitalisierung. Gemeinwohl in der digitalen Welt” unter einer Open Access-Lizenz erschienen ist. Chris Piallat erklärt: “Das ist auch ein Weg, um auf ein Werk aufmerksam zu machen – mit dem Ziel, dass viele Menschen sich das Buch schließlich kaufen. Wichtiger als die Einnahmen ist für mich persönlich aber der Gedanke, dass ich das in dem Buch gesammelte Wissen so gut wie möglich zugänglich machen möchte.” Janna Degener-Storr

                                    • Bundesregierung
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                                    Apéropa

                                    Sind Sie schon oder noch auf der Suche nach einem ausgefallenen Weihnachtsgeschenk? Vielleicht ist dann der Berichtsentwurf des Sonderausschusses zu künstlicher Intelligenz im digitalen Zeitalter genau das Richtige, wenn der Empfänger sich für Science oder Fiction interessiert.

                                    Darin heißt es, “dass die KI das Kontrollzentrum der neuen Datenebene ist, von der wir umgeben sind und die als das fünfte Element nach Luft, Erde, Wasser und Feuer betrachtet werden kann”. Diese philosophisch bis poetische, allerdings nicht sonderlich historische Betrachtung findet sich auf Seite 10 des Berichts.

                                    Mit wenigen Seiten Abstand wird KI im gleichen Werk aber auch zur Vierten Industriellen Revolution erklärt. Nun waren die ersten drei Industriellen Revolutionen eng mit Erkenntnissen verknüpft: dass die Welt eben nicht nur aus Earth, Wind & Fire besteht. Sondern wissenschaftliche Grundlagen wie das Periodensystem und physikalische Gesetzmäßigkeiten industriellen Nutzen haben.

                                    Vielleicht auch deshalb maßregelt der Autor Kritiker und Bedenkenträger, dass sie ihre Befürchtungen an einer fiktiven Realität messen würden, in der KI eine “Technologie mit magischen Kräften” ist, in der die Singularität und Terminator eine Hauptrolle spielten. Man muss den Bericht also wohl eher als Fan-Fiction lesen.

                                    Künstliche Intelligenz muss spannend sein. Sie muss Verheißung bieten. Nahezu kritikfrei wird jede optimistische Industrie-Projektion übernommen. Etwa, dass die Künstliche Intelligenz alleine bis 2030 bis zu vier Prozent Treibhausgase einsparen könne, selbst wenn die Urheber von Microsoft und PwC erklären, dass für diese Prognose alle gegenläufigen Effekte ignoriert wurden. Und eigentlich alle Probleme vom Klimawandel bis zur Landwirtschaft, von COVID-19 bis zu Lieferketten könnten durch AI gelöst werden. Wenn man sie nur ließe. Und ein paar Milliarden investiert, vielleicht auch ein paar mehr.

                                    Doch so einfach macht es sich der Autor dann doch nicht. Zugleich ist der Bericht nämlich voller allegorischer Dystopien, eine moderne Neufassung von Nenas “99 Luftballons”. Wenn etwa der Sonderausschuss besorgt hervorhebt, welch desaströse Folgen Künstliche Intelligenz in der Hand des chinesischen Militärs haben würde – und deshalb im nächsten Absatz den eigenen Truppen Algorithmen an die Hand geben will. Oder wenn das Risiko beschworen wird, dass eine KI die Finanzmärkte sabotieren könne – um kurz darauf zu fordern, regulatorische Hindernisse konsequent beiseite zu räumen. Axel Voss wagt den Blick in eine Zukunft, in der Europa im Weltenkampf mit China um die KI-Krone zurückfällt und alles verliert, wenn es nicht selbst voll in die Dystopie investiert.

                                    Was bleibt? Eine faszinierende Melange aus dem Mammut-Buch der Technik und einem neuen Thriller aus der Feder von Dirk Roßmann. Zwar beschränkt sich der nicht-spekulative Gehalt auf jene Aspekte der Künstlichen Intelligenz, die man einer müde lächelnden 9-Jährigen erklären könnte, die aus der Lillifee- oder Dinosaurier-Begeisterung herauswächst und K-Pop noch nicht entdeckt hat. Aber Weihnachtsgeschenke müssen ja auch nicht dem Beschenkten gefallen. Torsten Kleinz

                                    Europe.Table Redaktion

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