Table.Briefing: Europe

Allianz gegen China + Binnenmarkt-Notfallinstrument

Liebe Leserin, lieber Leser,

eine ereignisreiche Woche steht an: Am Dienstag wird die EU-Kommission in Straßburg ihr Konzept für die Reform des Strommarktes vorstellen, am Donnerstag steht dann in Brüssel ein ganzes Bündel auf der Agenda – von der europäischen Antwort auf den US-Inflation Reduction Act über den Gesetzentwurf zu kritischen Rohstoffen bis hin zu Einzelheiten zur Wasserstoffbank. Es geht Schlag auf Schlag, aber für unsere Leser werden die meisten Inhalte nicht mehr ganz neu sein.

Um den IRA und bestimmte Mineralien für E-Auto-Batterien ging es auch beim Treffen von US-Präsident Joe Biden und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Von größerer Tragweite aber dürften die Verabredungen sein, die beide mit Blick auf China getroffen haben. In der Analyse von Eric Bonse und mir erfahren Sie mehr.

Die Grenzen und Märkte in der EU auch in einer Pandemie oder einem Krieg offenzuhalten, das ist das Ziel des Notfallinstruments für den Binnenmarkt. Der Berichterstatter des Europaparlaments, Andreas Schwab, fordert nun substanzielle Änderungen am Vorschlag der Kommission: Die Behörden sollen den Unternehmen nicht so schnell vorschreiben dürfen, was diese in einer Krise zu produzieren haben. Markus Grabitz kennt die Einzelheiten.

Ich wünsche Ihnen einen guten Start in diese spannende Woche!

Ihr
Till Hoppe
Bild von Till  Hoppe

Analyse

Gegen China: USA und EU üben den Schulterschluss

Die USA und EU wollen gegenüber Rivalen wie China künftig noch enger zusammenarbeiten. Beide Seiten wollten daran arbeiten, “unsere wesentlichen Sicherheitsinteressen und die Widerstandsfähigkeit unserer Volkswirtschaften zu stärken”, erklärten US-Präsident Joe Biden und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach ihrem Treffen am Freitagabend in Washington. Dazu zähle, die Lieferketten zu diversifizieren sowie die kollektive Widerstandsfähigkeit gegenüber marktfremden Praktiken und wirtschaftlichem Zwang zu erhöhen.

China wird in der Erklärung nur einmal erwähnt, doch Peking ist der vornehmliche Adressat der Warnungen, die bis zum G7-Gipfel in Japan Mitte Mai konkretisiert werden sollen. Auch die von Biden und von der Leyen vereinbarte Annäherung im Streit um den Inflation Reduction Act (IRA) und die massiven US-Subventionen für klimafreundliche Technologien hilft letztlich dabei, eine Flanke gegenüber Peking zu schließen. US-Regierung und EU-Kommission wollen nun kurzfristig ein Abkommen zu kritischen Mineralien ausarbeiten, das europäischen Batteriefirmen Zugang zu den IRA-Subventionen für Elektroautos gewähren würde.

Lange warnt vor “Anti-China-Koalition”

Die Europäer haben es bislang wegen ihrer ökonomischen Interessen vermieden, sich im Großmächte-Konflikt mit Peking klar auf die Seite Washingtons zu schlagen. Im Angesicht des aggressiven Nachbarn Russland sucht die EU aber zunehmend die Nähe des transatlantischen Verbündeten. Der Chef des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange, warnt schon vor einer “Anti-China-Koalition”, die zu einer “stärkeren Blockbildung” zum Nachteil aller führen könne.

Von der Leyen geht nicht so weit, wie Washington von einem Decoupling von China zu sprechen. Sie bevorzugt wie die Bundesregierung den Begriff des “De-risking” – also des Abbaus von Abhängigkeiten von China.

Biden und sie kündigen in ihrer Erklärung aber eine engere Zusammenarbeit an, um das Abfließen sensibler Technologien zu erschweren, die die Fähigkeiten von Militär und Nachrichtendiensten strategischer Rivalen stärken könnten. Dafür wollten beide Seiten zum einen die bereits vorhandenen Kontrollen von Dual-use-Exporten, ausländischen Direktinvestitionen und Forschungskooperationen nachschärfen.

Kontrolle von Outbound-Investitionen

EU und USA wollen aber auch neue Instrumente schaffen. Dezidiert genannt in der Erklärung werden sogenannte Outbound-Investments. Die US-Regierung will noch in diesem Jahr ein neues Werkzeug einführen, um Investitionen heimischer Unternehmen in sicherheitsrelevanten Sektoren in China zu erschweren. Washington drängt die Europäer, nachzuziehen.

Die Überlegungen in EU-Kommission und Bundesregierung sind noch in einem frühen Stadium. Aber vieles deutet darauf hin, dass die Kommission noch in diesem Jahr ein Kontrollsystem für solche Outbound-Investments vorschlagen wird. Es müsse verhindert werden, dass europäische Firmen die Exportkontrollen für Dual-Use-Güter durch den Bau von Fabriken im Zielland umgehen könnten, heißt es in hochrangigen EU-Kreisen.

Europäer ziehen nach

Zuletzt waren die Europäer auch in anderen, verwandten Fragen auf die Linie Washingtons eingeschwenkt.

  • So hat die niederländische Regierung erklärt, sie plane neue Beschränkungen für den Export von Halbleitertechnologie, um die nationale Sicherheit zu schützen. Konkret geht es um die niederländische Firma ASML und die sogenannte DUV-Lithographie. Das EU-Land schließt sich damit einer US-Initiative an, Exporte von Chips und Halbleitern nach China einzuschränken. Und die US-Regierung drängt laut einem Bloomberg-Bericht auf weitere Schritte.
  • Die Bundesregierung bereitet derweil ein Verbot der Nutzung chinesischer Technologie in deutschen 5G-Netzen vor. Das Bundesinnenministerium hat die Netzbetreiber aufgefordert, eine Liste kritischer Komponenten in den Netzen mit Angaben zum jeweiligen Hersteller anzufertigen und sie bis Anfang April nach Berlin zu senden. Die Aufforderung zielt auf die chinesischen Konzerne Huawei und ZTE. Die USA fordern seit Jahren ihren Ausschluss.
  • Auch andere EU-Staaten verschärfen die Gangart gegen China. So hat Belgien die Nutzung von TikTok auf Diensthandys verboten. Wegen der Nähe von TikTok und der Mutter ByteDance zur chinesischen Regierung fürchten Experten, dass die Volksrepublik persönliche Nutzerdaten abgreifen oder zur Manipulation der öffentlichen Meinung missbrauchen könnte. Auch die EU-Kommission und das Europaparlament haben die TikTok-Nutzung eingeschränkt.
  • Im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg wird in Berlin und Brüssel zudem über gezielte Sanktionen gegen China nachgedacht. Biden und von der Leyen sagten bei ihrem Treffen in Washington, sie wollten verstärkt gegen Unterstützer Russlands vorgehen. Biden sprach die Sorge an, China könne Russland mit Waffen unterstützen. Für einen solchen Fall erwägen die USA Sanktionen gegen China. Auch hier könnten Deutschland und die EU nachziehen. Allerdings dürfte sich vor allem Deutschland mit Sanktionen schwertun. China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner, noch vor den USA. mit Till Hoppe

Lesen Sie auch bei den Kollegen von China.Table, wie Peking im Nahen Osten einen diplomatischen Coup gelandet hat.

  • China
  • Chips
  • Geopolitik
  • Handelspolitik

Kriseninstrument: Schwab will weniger Zwang gegen Unternehmen

Der Berichterstatter für das Notfallinstrument für den Binnenmarkt (SMEI), Andreas Schwab (CDU), will den Behörden weniger Eingriffsmöglichkeiten im Krisenfall geben als von der EU-Kommission vorgesehen. Stattdessen will er die Eigenverantwortung der Unternehmen stärken. Dies geht aus den Erläuterungen zu seinem Bericht hervor, der in Kürze veröffentlicht werden soll. Die Erläuterungen liegen Table.Media vor.

Die Kommission hatte im Herbst Maßnahmen vorgeschlagen, mit denen sie Konsequenzen aus der ersten Phase der Corona-Pandemie ziehen will. Damals hatten Grenzschließungen, Ausfuhrverbote für medizinisches Gerät und Reiseverbote für medizinisches Personal den Binnenmarkt schwer beeinträchtigt. Im Krisenmodus plant die Kommission nun tiefe Eingriffe in den Markt wie Produktionsvorgaben für Unternehmen sowie die Pflicht zum Aufbau von strategischen Reserven.   

Schwab will Resilienz stärken

Schwab unterstützt grundsätzlich den Ansatz der Kommission, dafür zu sorgen, dass der freie Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Personen auch im Fall einer Pandemie, einer kriegerischen Auseinandersetzung oder einer sonstigen unvorhersehbaren Krise funktioniert. Er will aber den Gedanken der Resilienz des Binnenmarktes stärker in den Mittelpunkt rücken. Dafür soll das Instruments einen anderen Namen erhalten, statt Single Market Emergency Instrument (SMEI) nun Internal Market Emergency and Resilience Act (IMERA).

Schwab fordert: Eingriffe in den Markt dürften nur das allerletzte Mittel sein. Marktgestützte Maßnahmen sowie die Kooperation zwischen den Regierungen und den Unternehmen seien dagegen grundsätzlich die effizientere Antwort auf eine Krise.

Alle zwei Jahre Stresstests im Normalbetrieb

Der CDU-Politiker schlägt vor, die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten zu stärken, indem im Normalbetrieb auf freiwilliger Basis die Kooperation zwischen Unternehmen, Mitgliedstaaten und Kommission gefördert wird. Alle zwei Jahre soll es Stresstests geben, mit Übungen für den Ernstfall und Krisenprotokollen, in die alle relevanten Akteure wie Unternehmen, Sozialpartner und Experten eingebunden werden. Schwab regt die Schaffung einer Online-Plattform an, über die die Unternehmen ihren Rat einbringen können.

Schwab will die Kompetenz zum Aufbau von strategischen Reserven in der Alarmphase nicht bei der Kommission, sondern bei den Mitgliedstaaten verorten. Die Mitgliedstaaten verfügten hier bereits über einschlägige Erfahrungen. Er warnt zudem: Das prozyklische Anlegen von Reserven sowohl im “Alarm-” als auch im “Notfallmodus” berge Risiken: Es könnten dadurch Engpässe und überhöhte Preise auftreten, die den Wettbewerb verzerren.  

Was im Notfallmodus geplant ist

Wichtigste Aufgabe sei, im Notfallmodus den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Personen aufrechtzuerhalten. Das Augenmerk sei vor allem auf die Grenzregionen zwischen den Mitgliedstaaten zu legen, wo es am ehesten zu Engpässen komme. Es müsse eine einheitliche Definition für den Begriff “Arbeit von zu Hause” geben.

Schwab will Auskunftsersuchen der Behörden an die Unternehmen begrenzen und grundsätzlich auf Freiwilligkeit umstellen. Die Regeln für die Nutzung von Daten und den Schutz von Geschäftsgeheimnissen müssten verbessert werden. Es müsse im Gesetz sichergestellt werden, dass Behörden nur dann Unternehmen Vorgaben machen dürften, was diese zu produzieren haben, wenn es wirklich nicht anders gehe. Zudem dürfe dadurch nicht die wirtschaftliche Existenz der Unternehmen gefährdet werden.

Digitales Werkzeug für “Überholspuren”

Finanziellen Sanktionen gegen Unternehmen sollten in der Höhe noch einmal überdacht werden, so Schwab, da in Krisen Unternehmen wirtschaftlich ohnehin belastet seien. In einer Krise sollten Mitgliedstaaten überdies einen Ruf nach Solidarität absetzen können, wenn es zu einem eklatanten Mangel an krisenrelevanten Gütern oder Dienstleistungen komme. Auch die Beitrittskandidaten und die Länder der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) sollten dann bei Beschaffungen einbezogen werden.  

Die Kommission solle überdies ein EU-weit gültiges digitales Werkzeug nach Muster des COVID-Zertifikats entwickeln. Es solle sicherstellen, so Schwab, dass “Überholspuren” (“Fast Lanes”) für wichtige Güter und Dienstleistungen im Krisenfall funktionieren. In dem Beratungsgremium für das Kriseninstrument soll der Status des Europaparlaments und der Anrainer wie Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein aufgewertet werden. Die Kommission will diese nur als Beobachter zulassen.

  • Europäische Kommission
  • Europäisches Parlament

News

Taxonomie: Kommission definiert Kriterien für “grüne” Luftfahrt

Die EU-Kommission wird in Kürze einen delegierten Rechtsakt vorlegen, in dem sie die technischen Bewertungskriterien für das Taxonomie-Label für nachhaltige Investitionen konkretisiert. Das Dokument, das unseren Kollegen von “Contexte” als Entwurf vorliegt, ergänzt eine erste Fassung aus dem Jahr 2021 und legt erstmals Kriterien für den Luftverkehrssektor fest. Es soll am 20. März veröffentlicht werden, insbesondere die Luftfahrt-Passagen sind aber in der Kommission noch umstritten.

Laut dem Entwurf als “grün” zählen sollen Investitionen in neue Null-Emissionen-Flugzeuge. Strittig ist noch, ob bis Ende 2027 auch Flugzeuge zählen, deren Energieeffizienz höher ist als der derzeitig gültige Standard für Neuflugzeuge. Dies würde allerdings nur für eine bestimmte Zahl an neuen Flugzeugen gelten, die alte emissionsintensivere Modelle ersetzen. Ausgenommen von den Taxonomie-Regelungen sind Flugzeuge für die private und kommerzielle Geschäftsluftfahrt.

Ab 2028 müssten die Flugzeuge außerdem mit nachhaltigem Flugtreibstoff (SAF) betrieben werden können. Auch der emissionsfreie Betrieb von Bodenabfertigungsdiensten wie Bodenfahrzeuge, Enteisungsgeräte oder Bandlader soll taxonomiekonform sein.

Gaskraftwerke sind “grün”, deren Stromleitungen nicht

Der delegierte Rechtsakt umfasst weitere Bereiche. Bei technischer Ausrüstung für die Stromerzeugung zeichnet sich eine paradoxe Situation ab. Die Aufnahme der Gasverstromung in die Taxonomie hatte vergangenes Jahr für viel Wirbel gesorgt. Als nachhaltig gelten demnach sämtliche Gaskraftwerke, die bis zu 270 Gramm CO2 pro Kilowattstunde verursachen.

Nach der nun bekannt gewordenen Ergänzung würden aber Stromleitungen für viele Gaskraftwerke nicht als nachhaltig gelten. Für Anschlüsse an Kraftwerke gilt dort eine Obergrenze von 100 Gramm CO2 pro Kilowattstunde.

Noch relevanter für die Praxis dürfte aber eine Regelung zu elektrischen Schaltanlagen sein, die massenhaft in den Stromnetzen verbaut werden. Um als nachhaltig zu gelten, dürfen Schaltanlagen nach dem Vorschlag kein Schwefelhexafluorid (SF6) enthalten. SF6 hat ein äußerst starkes Treibhauspotenzial. Der Höchstspannungs-Netzbetreiber Tennet etwa hat angekündigt, bis 2030 einen Großteil seiner Aufträge für Schaltanlagen auf SF6-freie Technologie umzustellen. luk/ber

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Lindner lehnt haushaltspolitischen Kurs der EU-Kommission ab

Bundesfinanzminister Christian Lindner stellt sich gegen den Kurs der EU-Kommission, Elemente der geplanten Reform der europäischen Schuldenregeln bereits in die länderspezifischen Empfehlungen an die Mitgliedstaaten einfließen zu lassen. In diplomatischen Kreisen hieß es im Vorfeld des Treffens der EU-Finanzminister heute und morgen in Brüssel, Lindner poche darauf, dass zunächst Einigkeit über die Neuausrichtung des Fiskalregelwerks herrschen müsse.

Der Minister dringt den Kreisen zufolge darauf, die gültigen Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts anzuwenden. Das gelte auch für die Eröffnung von Defizitverfahren bei Staaten mit überhöhter Neuverschuldung.

Die Kommission hatte jüngst angekündigt, Elemente der Reform bereits in die aktuelle haushaltspolitische Überwachung einzubinden, “um eine wirksame Brücke zu den künftigen Haushaltsregeln zu ermöglichen und den aktuellen Herausforderungen Rechnung zu tragen”. Laut Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sollen die für Mai avisierten Empfehlungen beispielsweise auf Grundlage der Nettoprimärausgaben formuliert und entsprechend den Herausforderungen der Mitgliedstaaten in Bezug auf ihre Schuldentragfähigkeit differenziert werden.

Lindner kann Kommission kaum stoppen

Zudem sollen sich die Empfehlungen über einen mittelfristigen Zeitraum von vier Jahren erstrecken und im laufenden Jahr keine Defizitverfahren gegen Mitgliedstaaten eingeleitet werden. Verfahren, wo nötig, würde die Kommission erst 2024 eröffnen, so Gentiloni. Lindner hatte zuletzt in Rom noch einmal deutlich gemacht, dass er mit diesem Vorgehen nicht einverstanden ist. Mit ihrem Ansatz greife die Kommission “laufenden Verhandlungen vor”.

Allerdings dürfte der deutsche Finanzminister nach Einschätzung von Beobachtern bei der Kommission kaum einen Kurswechsel erreichen. Um die länderspezifischen Empfehlungen und damit das Vorgehen der EU-Behörde zu stoppen, müsste Deutschland unter den Partnerstaaten eine qualifizierte Mehrheit gegen die Empfehlungen organisieren. Dies sei “eine sehr hohe Hürde”, und das wisse auch die Kommission, so die Beobachter. Bei der qualifizierten Mehrheit müssten sich 15 EU-Staaten gegen den Ansatz der Kommission stellen, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU abbilden. cr

  • Defizitverfahren
  • Stabilitätspakt

Bewegung im Streit um E-Fuels

Im Streit um die Zulassung von E-Fuels bei Neufahrzeugen über das Jahr 2035 hinaus gibt es wohl Bewegung. So könnte das Umweltministerium bereit sein, klimaneutral hergestellte synthetische Kraftstoffe nicht nur bei Spezialfahrzeugen über das Datum des ursprünglich avisierten Jahrs für das Verbrenner-Aus hinaus zu akzeptieren, sondern grundsätzlich bei allen neuen Pkw und leichten Nutzfahrzeugen.

Zudem gibt es laut einem Bericht der F.A.Z. Überlegungen in Brüssel, wie E-Fuels im Rahmen der vereinbarten CO₂-Flottengrenzwerte ein Weg eröffnet werden könnte. Demnach könnte die Systematik geändert werden, wonach bisher lediglich der CO₂-Ausstoß von Neufahrzeugen am Auspuff gemessen wird.

Künftig könnte für die Bilanzierung der gesamte Prozess von der Gewinnung des Treibstoffes bis zur Emission am Auspuff betrachtet werden. Dabei kommen synthetisch hergestellte E-Fuels auf Werte nahe null und würden damit unter die Regeln der im Trilogverfahren abgestimmten CO₂-Flottengesetzgebung fallen. mgr

  • E-Fuels

Habeck: Digitalisierung “schärfen und stumpf machen”

Die Digitalisierung ist eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende. Groben Schätzungen zufolge könnte Deutschland etwa 30 Prozent der Treibhausgasemissionen allein durch die klügere Nutzung von Energie einsparen. Das sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf der Digitalkonferenz der Grünen-Bundestagsfraktion am Wochenende in Berlin. Das Potenzial, das in smarten Technologien liege, sei erheblich.

Zugleich verbrauchten digitale Prozesse jedoch immer mehr Energie und seien damit auch Verursacher von Treibhausgasen. “Die Produktion von Software, die Produktion von Systemen ist rohstoff- und energieintensiv“, erklärte Habeck. Wäre das Internet ein Staat, läge es auf Platz sechs der globalen CO₂-Emittenten. Die Digitalisierung sei somit “ein zweischneidiges Schwert”. Die politische Aufgabe bestehe darin, “es gleichzeitig zu schärfen und stumpf zu machen.” Es zu schärfen bei den Möglichkeiten und es stumpf zu machen bei den negativen Konsequenzen, fügte er hinzu.

Nachhaltigkeit von Beginn an mitdenken

Die Grünen haben Nachhaltigkeit by Design als einen Lösungsweg für diese Aufgabe identifiziert. So lautete auch der Titel der Digitalkonferenz in diesem Jahr, zu der unter anderem auch die beiden grünen Europaabgeordneten Anna Cavazzini und Alexander Geese angereist waren.

Wenn man Klimaschutz und Digitalisierung zusammendenke, mache es Sinn, beides in eine Hand zu legen, um die doppelte Aufgabe zu bewältigen, erklärte Habeck. Daher gibt es in seinem Ministerium in der Abteilung Digital- und Innovationspolitik jetzt ein Referat Digitalisierung und Nachhaltigkeit.

Neue Chance: Das Recht auf Reparatur

Cavazzini diskutierte in einem Workshop über die Frage, welche Schritte notwendig seien, um Reparaturen einfach und Software nachhaltig zu machen. Sie sagte, die Diskussion komme genau zur richtigen Zeit, da in Brüssel gerade über nachhaltige Produktpolitik und das Recht auf Reparatur diskutiert werde. Allerdings sei der Softwarebereich bei der nachhaltigen Produktpolitik ausgespart worden, was die Grünen ändern wollten.

“Ich finde es wichtig, dass auch digitale Produkte und Software mitberücksichtigt werden”, betonte Geese in der Abschlusskonferenz. Immer öfter käme es dazu, dass Verbraucherinnen Geräte wegwerfen müssten, weil sich die Software nicht mehr updaten lasse. Bei der Online-Werbung, die ebenfalls zu steigenden Datenverkehr führe, habe die EU die Chance einer Regulierung im Digital Services Act dagegen verpasst. “Der politische Wille war nicht da”, sagte Geese. Aber es gebe Möglichkeiten, das in Zukunft noch zu ändern. vis

  • Digital Services Act
  • Digitalisierung
  • Recht auf Reparatur
  • Robert Habeck

Katargate: Gewerkschaftsbund entlässt Generalsekretär

Wegen des Korruptionsskandals im Europaparlament hat der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) seinen Generalsekretär Luca Visentini entlassen. Der Vorstand habe das Vertrauen in den Italiener verloren, teilte der IGB am Sonntag in Brüssel mit. Visentini war Mitte Dezember mit fünf weiteren Verdächtigen von der belgischen Justiz festgenommen worden und wurde anschließend von seinem Amt suspendiert. Nach mehrmonatiger Untersuchungshaft kam er Anfang März unter Auflagen frei.

In dem Skandal geht es um mutmaßliche Einflussnahme auf Entscheidungen des EU-Parlaments durch Katar und Marokko. Visentini wird zur Last gelegt, Geld vom Hauptverdächtigten in der Korruptionsaffäre, Pier Antonio Panzeri, angenommen zu haben und damit seine Kampagne zur Wahl zum Generalsekretär des IGB in Montréal bezahlt haben. Er bestreitet die Vorwürfe.

Visentini soll Gewerkschaftern den Flug nach Kanada bezahlt haben, damit sie im Gegenzug für ihn stimmten. Die deutschen Gewerkschaften, die die maßgeblichen Finanziers den IGB sind, hatten nicht Visentini favorisiert, sondern einen anderen Kandidaten.

In der Mitteilung hieß es, es seien keinerlei Beweise gefunden worden, dass Spenden aus Katar oder Marokko Einfluss auf Politik oder Programm des IGB gehabt hätten. Anfang Mai solle ein neuer Generalsekretär gewählt werden, der dann einen außerordentlichen Kongress vorbereiten solle. Der IGB ist ein internationaler Dachverband von Gewerkschaften. dpa/mgr

  • Katar
  • Korruption

Presseschau

Streit um Verbrenner-Aus: Verkehrsminister Wissing reist zum EU-Autogipfel am Montag TAGESSPIEGEL
Verkehrsminister Wissing gegen Fahrtauglichkeits-Tests für Senioren WELT
EU: Entspannung im Subventionsstreit mit USA ZDF
In Moldau protestieren Tausende gegen hohe Gaspreise – und gegen Europa RND
“Wandel zum Nachteil Putins”: EU verpflichtet Länder, mehr Energie zu sparen N-TV
EU-Kommission lehnt Nachbesserungen bei Energiepreisbremsen ab HANDELSBLATT
Wegen Zugunglücks erneut große Demonstration in Athen EURONEWS
Migration über Ärmelkanal: Großbritannien zahlt Frankreich halbe Milliarde Euro zur Abschottung SPIEGEL
Bootsunglück mit Migranten in Mittelmeer – 30 Vermisste WELT
Mehr als 1.300 Bootsflüchtlinge in italienische Häfen gebracht ZEIT
Nationale Wasserstrategie: Wasser soll aus nassen in trockene Gebiete transportiert werden ZEIT
Niederlande wollen Emissionen senken: Tausende Landwirte protestieren gegen neue Umweltauflagen SPIEGEL
Unnötigen Müll verhindern: EU strebt Gesetz für “Recht auf Reparatur” an N-TV
Angst vor chinesischer Spionage: Belgien verbietet Tiktok auf staatlichen Diensthandys N-TV
Without us ‘there is no Google’: EU telcos ramp up pressure on Big Tech to pay for the internet CNBC
Neue Strategie: EU will sich besser vor Bedrohungen aus dem Weltraum schützen HEISE
EU seeks to arrest industry decline in green transition REUTERS
Israel will mehr Erdgas über Italien nach Europa schicken EURONEWS
Extremwetter in Spanien: Erst Schneechaos, nun Hitzerekord in Sicht SPIEGEL

Heads

Hannah Pilgrim – Rohstoffe als Lebensthema

Für sie gibt es keinen verantwortungsvollen Bergbau: Hannah Pilgrim koordiniert das Netzwerk des Arbeitskreises Rohstoffe bei der NGO Powershift.

Europa will die Energiewende – aber für Solarzellen und Elektroautos braucht es Rohstoffe, darunter Chrom, Platin und Eisenerze aus Südafrika. Dort hat Hannah Pilgrim im Februar Organisationen getroffen, die Bergarbeiter und Anwohner vertreten. Die 30-Jährige koordiniert das Netzwerk AK Rohstoffe bei der NGO Powershift. Ihre Forderung: Die EU soll für höhere Standards und ein Mitspracherecht der Betroffenen sorgen, wenn sie die sogenannten kritischen Rohstoffe aus dem globalen Süden bezieht.

Pilgrim hat Sozialwissenschaften und Humangeografie studiert, sich für NGOs mit Hungerkrisen beschäftigt und sich im Hambacher Forst gegen den Kohleabbau engagiert. Ihr Lebensthema aber seien die metallischen Rohstoffe, erzählt Pilgrim. Die könnten bald wichtiger sein als Öl und Gas, denn sie stecken in vielen Technologien, die Europa für Digitalisierung und Energiewende dringend braucht.

Löcher so tief wie Strommasten

“Das sind nicht nur Rohstoffe, die geborgen werden müssen”, sagt Pilgrim. In Südafrika hat sie Dörfer besucht, wo der Bergbau Senklöcher verursacht hat, die so tief sind wie Strommasten. “Einen per se verantwortungsvollen oder grünen Bergbau gibt es einfach nicht“, sagt Pilgrim. Die EU könne aber für höhere soziale und ökologische Standards in den Lieferketten sorgen.

Zudem brauche es ein Mitspracherecht für die Bevölkerung vor Ort, sagt Pilgrim: “Keine reinen Informationsveranstaltungen, sondern im Zweifel auch das Recht, nein sagen zu können”. Denn der Bergbau reproduziere vielerorts neokoloniale Strukturen. Bei Betroffenen seien noch Wunden offen aus den vergangenen Jahrzehnten. “Unternehmen haben nicht ausreichend für Entschädigungen gesorgt, sich zum Teil nicht einmal entschuldigt”, kritisiert Pilgrim. “Wir können nicht erwarten, dass die Menschen ihnen jetzt einfach vertrauen.”

Betroffene sehen Europa in der Pflicht

In Kapstadt hat sie die “Alternative Mining Indaba” besucht – das ist eine Konferenz für Organisationen, die Betroffene des Bergbaus vertreten. Unter ihnen gebe es hohe Erwartungen an Europa, an den Green Deal und den geplanten Critical Raw Materials Act. Damit will die EU die Versorgung mit den sogenannten kritischen Rohstoffen sicherstellen. Vor allem wollen die Mitgliedstaaten die Lieferketten diversifizieren und weniger abhängig von einzelnen Staaten sein.

Für Hannah Pilgrim geht es dabei zu viel um das Angebot an Metallen und Seltenen Erden, zu wenig um die europäische Nachfrage – denn die sei viel zu hoch. Die EU müsse sich zum Ziel setzen, weniger kritische Rohstoffe zu verbrauchen, durch weniger Konsum und mehr Recycling. Das fordert Powershift in einem Papier zusammen mit Organisationen wie dem BUND und der Heinrich-Böll-Stiftung. Denn verglichen mit dem Rest der Welt verbrauche die europäische Bevölkerung zu viele Rohstoffe, sagt Pilgrim. “Da geht es auch um globale Gerechtigkeit.” Jana Hemmersmeier

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Europe.Table Redaktion

EUROPE.TABLE REDAKTION

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    eine ereignisreiche Woche steht an: Am Dienstag wird die EU-Kommission in Straßburg ihr Konzept für die Reform des Strommarktes vorstellen, am Donnerstag steht dann in Brüssel ein ganzes Bündel auf der Agenda – von der europäischen Antwort auf den US-Inflation Reduction Act über den Gesetzentwurf zu kritischen Rohstoffen bis hin zu Einzelheiten zur Wasserstoffbank. Es geht Schlag auf Schlag, aber für unsere Leser werden die meisten Inhalte nicht mehr ganz neu sein.

    Um den IRA und bestimmte Mineralien für E-Auto-Batterien ging es auch beim Treffen von US-Präsident Joe Biden und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Von größerer Tragweite aber dürften die Verabredungen sein, die beide mit Blick auf China getroffen haben. In der Analyse von Eric Bonse und mir erfahren Sie mehr.

    Die Grenzen und Märkte in der EU auch in einer Pandemie oder einem Krieg offenzuhalten, das ist das Ziel des Notfallinstruments für den Binnenmarkt. Der Berichterstatter des Europaparlaments, Andreas Schwab, fordert nun substanzielle Änderungen am Vorschlag der Kommission: Die Behörden sollen den Unternehmen nicht so schnell vorschreiben dürfen, was diese in einer Krise zu produzieren haben. Markus Grabitz kennt die Einzelheiten.

    Ich wünsche Ihnen einen guten Start in diese spannende Woche!

    Ihr
    Till Hoppe
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    Gegen China: USA und EU üben den Schulterschluss

    Die USA und EU wollen gegenüber Rivalen wie China künftig noch enger zusammenarbeiten. Beide Seiten wollten daran arbeiten, “unsere wesentlichen Sicherheitsinteressen und die Widerstandsfähigkeit unserer Volkswirtschaften zu stärken”, erklärten US-Präsident Joe Biden und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach ihrem Treffen am Freitagabend in Washington. Dazu zähle, die Lieferketten zu diversifizieren sowie die kollektive Widerstandsfähigkeit gegenüber marktfremden Praktiken und wirtschaftlichem Zwang zu erhöhen.

    China wird in der Erklärung nur einmal erwähnt, doch Peking ist der vornehmliche Adressat der Warnungen, die bis zum G7-Gipfel in Japan Mitte Mai konkretisiert werden sollen. Auch die von Biden und von der Leyen vereinbarte Annäherung im Streit um den Inflation Reduction Act (IRA) und die massiven US-Subventionen für klimafreundliche Technologien hilft letztlich dabei, eine Flanke gegenüber Peking zu schließen. US-Regierung und EU-Kommission wollen nun kurzfristig ein Abkommen zu kritischen Mineralien ausarbeiten, das europäischen Batteriefirmen Zugang zu den IRA-Subventionen für Elektroautos gewähren würde.

    Lange warnt vor “Anti-China-Koalition”

    Die Europäer haben es bislang wegen ihrer ökonomischen Interessen vermieden, sich im Großmächte-Konflikt mit Peking klar auf die Seite Washingtons zu schlagen. Im Angesicht des aggressiven Nachbarn Russland sucht die EU aber zunehmend die Nähe des transatlantischen Verbündeten. Der Chef des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange, warnt schon vor einer “Anti-China-Koalition”, die zu einer “stärkeren Blockbildung” zum Nachteil aller führen könne.

    Von der Leyen geht nicht so weit, wie Washington von einem Decoupling von China zu sprechen. Sie bevorzugt wie die Bundesregierung den Begriff des “De-risking” – also des Abbaus von Abhängigkeiten von China.

    Biden und sie kündigen in ihrer Erklärung aber eine engere Zusammenarbeit an, um das Abfließen sensibler Technologien zu erschweren, die die Fähigkeiten von Militär und Nachrichtendiensten strategischer Rivalen stärken könnten. Dafür wollten beide Seiten zum einen die bereits vorhandenen Kontrollen von Dual-use-Exporten, ausländischen Direktinvestitionen und Forschungskooperationen nachschärfen.

    Kontrolle von Outbound-Investitionen

    EU und USA wollen aber auch neue Instrumente schaffen. Dezidiert genannt in der Erklärung werden sogenannte Outbound-Investments. Die US-Regierung will noch in diesem Jahr ein neues Werkzeug einführen, um Investitionen heimischer Unternehmen in sicherheitsrelevanten Sektoren in China zu erschweren. Washington drängt die Europäer, nachzuziehen.

    Die Überlegungen in EU-Kommission und Bundesregierung sind noch in einem frühen Stadium. Aber vieles deutet darauf hin, dass die Kommission noch in diesem Jahr ein Kontrollsystem für solche Outbound-Investments vorschlagen wird. Es müsse verhindert werden, dass europäische Firmen die Exportkontrollen für Dual-Use-Güter durch den Bau von Fabriken im Zielland umgehen könnten, heißt es in hochrangigen EU-Kreisen.

    Europäer ziehen nach

    Zuletzt waren die Europäer auch in anderen, verwandten Fragen auf die Linie Washingtons eingeschwenkt.

    • So hat die niederländische Regierung erklärt, sie plane neue Beschränkungen für den Export von Halbleitertechnologie, um die nationale Sicherheit zu schützen. Konkret geht es um die niederländische Firma ASML und die sogenannte DUV-Lithographie. Das EU-Land schließt sich damit einer US-Initiative an, Exporte von Chips und Halbleitern nach China einzuschränken. Und die US-Regierung drängt laut einem Bloomberg-Bericht auf weitere Schritte.
    • Die Bundesregierung bereitet derweil ein Verbot der Nutzung chinesischer Technologie in deutschen 5G-Netzen vor. Das Bundesinnenministerium hat die Netzbetreiber aufgefordert, eine Liste kritischer Komponenten in den Netzen mit Angaben zum jeweiligen Hersteller anzufertigen und sie bis Anfang April nach Berlin zu senden. Die Aufforderung zielt auf die chinesischen Konzerne Huawei und ZTE. Die USA fordern seit Jahren ihren Ausschluss.
    • Auch andere EU-Staaten verschärfen die Gangart gegen China. So hat Belgien die Nutzung von TikTok auf Diensthandys verboten. Wegen der Nähe von TikTok und der Mutter ByteDance zur chinesischen Regierung fürchten Experten, dass die Volksrepublik persönliche Nutzerdaten abgreifen oder zur Manipulation der öffentlichen Meinung missbrauchen könnte. Auch die EU-Kommission und das Europaparlament haben die TikTok-Nutzung eingeschränkt.
    • Im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg wird in Berlin und Brüssel zudem über gezielte Sanktionen gegen China nachgedacht. Biden und von der Leyen sagten bei ihrem Treffen in Washington, sie wollten verstärkt gegen Unterstützer Russlands vorgehen. Biden sprach die Sorge an, China könne Russland mit Waffen unterstützen. Für einen solchen Fall erwägen die USA Sanktionen gegen China. Auch hier könnten Deutschland und die EU nachziehen. Allerdings dürfte sich vor allem Deutschland mit Sanktionen schwertun. China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner, noch vor den USA. mit Till Hoppe

    Lesen Sie auch bei den Kollegen von China.Table, wie Peking im Nahen Osten einen diplomatischen Coup gelandet hat.

    • China
    • Chips
    • Geopolitik
    • Handelspolitik

    Kriseninstrument: Schwab will weniger Zwang gegen Unternehmen

    Der Berichterstatter für das Notfallinstrument für den Binnenmarkt (SMEI), Andreas Schwab (CDU), will den Behörden weniger Eingriffsmöglichkeiten im Krisenfall geben als von der EU-Kommission vorgesehen. Stattdessen will er die Eigenverantwortung der Unternehmen stärken. Dies geht aus den Erläuterungen zu seinem Bericht hervor, der in Kürze veröffentlicht werden soll. Die Erläuterungen liegen Table.Media vor.

    Die Kommission hatte im Herbst Maßnahmen vorgeschlagen, mit denen sie Konsequenzen aus der ersten Phase der Corona-Pandemie ziehen will. Damals hatten Grenzschließungen, Ausfuhrverbote für medizinisches Gerät und Reiseverbote für medizinisches Personal den Binnenmarkt schwer beeinträchtigt. Im Krisenmodus plant die Kommission nun tiefe Eingriffe in den Markt wie Produktionsvorgaben für Unternehmen sowie die Pflicht zum Aufbau von strategischen Reserven.   

    Schwab will Resilienz stärken

    Schwab unterstützt grundsätzlich den Ansatz der Kommission, dafür zu sorgen, dass der freie Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Personen auch im Fall einer Pandemie, einer kriegerischen Auseinandersetzung oder einer sonstigen unvorhersehbaren Krise funktioniert. Er will aber den Gedanken der Resilienz des Binnenmarktes stärker in den Mittelpunkt rücken. Dafür soll das Instruments einen anderen Namen erhalten, statt Single Market Emergency Instrument (SMEI) nun Internal Market Emergency and Resilience Act (IMERA).

    Schwab fordert: Eingriffe in den Markt dürften nur das allerletzte Mittel sein. Marktgestützte Maßnahmen sowie die Kooperation zwischen den Regierungen und den Unternehmen seien dagegen grundsätzlich die effizientere Antwort auf eine Krise.

    Alle zwei Jahre Stresstests im Normalbetrieb

    Der CDU-Politiker schlägt vor, die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten zu stärken, indem im Normalbetrieb auf freiwilliger Basis die Kooperation zwischen Unternehmen, Mitgliedstaaten und Kommission gefördert wird. Alle zwei Jahre soll es Stresstests geben, mit Übungen für den Ernstfall und Krisenprotokollen, in die alle relevanten Akteure wie Unternehmen, Sozialpartner und Experten eingebunden werden. Schwab regt die Schaffung einer Online-Plattform an, über die die Unternehmen ihren Rat einbringen können.

    Schwab will die Kompetenz zum Aufbau von strategischen Reserven in der Alarmphase nicht bei der Kommission, sondern bei den Mitgliedstaaten verorten. Die Mitgliedstaaten verfügten hier bereits über einschlägige Erfahrungen. Er warnt zudem: Das prozyklische Anlegen von Reserven sowohl im “Alarm-” als auch im “Notfallmodus” berge Risiken: Es könnten dadurch Engpässe und überhöhte Preise auftreten, die den Wettbewerb verzerren.  

    Was im Notfallmodus geplant ist

    Wichtigste Aufgabe sei, im Notfallmodus den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Personen aufrechtzuerhalten. Das Augenmerk sei vor allem auf die Grenzregionen zwischen den Mitgliedstaaten zu legen, wo es am ehesten zu Engpässen komme. Es müsse eine einheitliche Definition für den Begriff “Arbeit von zu Hause” geben.

    Schwab will Auskunftsersuchen der Behörden an die Unternehmen begrenzen und grundsätzlich auf Freiwilligkeit umstellen. Die Regeln für die Nutzung von Daten und den Schutz von Geschäftsgeheimnissen müssten verbessert werden. Es müsse im Gesetz sichergestellt werden, dass Behörden nur dann Unternehmen Vorgaben machen dürften, was diese zu produzieren haben, wenn es wirklich nicht anders gehe. Zudem dürfe dadurch nicht die wirtschaftliche Existenz der Unternehmen gefährdet werden.

    Digitales Werkzeug für “Überholspuren”

    Finanziellen Sanktionen gegen Unternehmen sollten in der Höhe noch einmal überdacht werden, so Schwab, da in Krisen Unternehmen wirtschaftlich ohnehin belastet seien. In einer Krise sollten Mitgliedstaaten überdies einen Ruf nach Solidarität absetzen können, wenn es zu einem eklatanten Mangel an krisenrelevanten Gütern oder Dienstleistungen komme. Auch die Beitrittskandidaten und die Länder der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) sollten dann bei Beschaffungen einbezogen werden.  

    Die Kommission solle überdies ein EU-weit gültiges digitales Werkzeug nach Muster des COVID-Zertifikats entwickeln. Es solle sicherstellen, so Schwab, dass “Überholspuren” (“Fast Lanes”) für wichtige Güter und Dienstleistungen im Krisenfall funktionieren. In dem Beratungsgremium für das Kriseninstrument soll der Status des Europaparlaments und der Anrainer wie Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein aufgewertet werden. Die Kommission will diese nur als Beobachter zulassen.

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    Taxonomie: Kommission definiert Kriterien für “grüne” Luftfahrt

    Die EU-Kommission wird in Kürze einen delegierten Rechtsakt vorlegen, in dem sie die technischen Bewertungskriterien für das Taxonomie-Label für nachhaltige Investitionen konkretisiert. Das Dokument, das unseren Kollegen von “Contexte” als Entwurf vorliegt, ergänzt eine erste Fassung aus dem Jahr 2021 und legt erstmals Kriterien für den Luftverkehrssektor fest. Es soll am 20. März veröffentlicht werden, insbesondere die Luftfahrt-Passagen sind aber in der Kommission noch umstritten.

    Laut dem Entwurf als “grün” zählen sollen Investitionen in neue Null-Emissionen-Flugzeuge. Strittig ist noch, ob bis Ende 2027 auch Flugzeuge zählen, deren Energieeffizienz höher ist als der derzeitig gültige Standard für Neuflugzeuge. Dies würde allerdings nur für eine bestimmte Zahl an neuen Flugzeugen gelten, die alte emissionsintensivere Modelle ersetzen. Ausgenommen von den Taxonomie-Regelungen sind Flugzeuge für die private und kommerzielle Geschäftsluftfahrt.

    Ab 2028 müssten die Flugzeuge außerdem mit nachhaltigem Flugtreibstoff (SAF) betrieben werden können. Auch der emissionsfreie Betrieb von Bodenabfertigungsdiensten wie Bodenfahrzeuge, Enteisungsgeräte oder Bandlader soll taxonomiekonform sein.

    Gaskraftwerke sind “grün”, deren Stromleitungen nicht

    Der delegierte Rechtsakt umfasst weitere Bereiche. Bei technischer Ausrüstung für die Stromerzeugung zeichnet sich eine paradoxe Situation ab. Die Aufnahme der Gasverstromung in die Taxonomie hatte vergangenes Jahr für viel Wirbel gesorgt. Als nachhaltig gelten demnach sämtliche Gaskraftwerke, die bis zu 270 Gramm CO2 pro Kilowattstunde verursachen.

    Nach der nun bekannt gewordenen Ergänzung würden aber Stromleitungen für viele Gaskraftwerke nicht als nachhaltig gelten. Für Anschlüsse an Kraftwerke gilt dort eine Obergrenze von 100 Gramm CO2 pro Kilowattstunde.

    Noch relevanter für die Praxis dürfte aber eine Regelung zu elektrischen Schaltanlagen sein, die massenhaft in den Stromnetzen verbaut werden. Um als nachhaltig zu gelten, dürfen Schaltanlagen nach dem Vorschlag kein Schwefelhexafluorid (SF6) enthalten. SF6 hat ein äußerst starkes Treibhauspotenzial. Der Höchstspannungs-Netzbetreiber Tennet etwa hat angekündigt, bis 2030 einen Großteil seiner Aufträge für Schaltanlagen auf SF6-freie Technologie umzustellen. luk/ber

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    Lindner lehnt haushaltspolitischen Kurs der EU-Kommission ab

    Bundesfinanzminister Christian Lindner stellt sich gegen den Kurs der EU-Kommission, Elemente der geplanten Reform der europäischen Schuldenregeln bereits in die länderspezifischen Empfehlungen an die Mitgliedstaaten einfließen zu lassen. In diplomatischen Kreisen hieß es im Vorfeld des Treffens der EU-Finanzminister heute und morgen in Brüssel, Lindner poche darauf, dass zunächst Einigkeit über die Neuausrichtung des Fiskalregelwerks herrschen müsse.

    Der Minister dringt den Kreisen zufolge darauf, die gültigen Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts anzuwenden. Das gelte auch für die Eröffnung von Defizitverfahren bei Staaten mit überhöhter Neuverschuldung.

    Die Kommission hatte jüngst angekündigt, Elemente der Reform bereits in die aktuelle haushaltspolitische Überwachung einzubinden, “um eine wirksame Brücke zu den künftigen Haushaltsregeln zu ermöglichen und den aktuellen Herausforderungen Rechnung zu tragen”. Laut Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sollen die für Mai avisierten Empfehlungen beispielsweise auf Grundlage der Nettoprimärausgaben formuliert und entsprechend den Herausforderungen der Mitgliedstaaten in Bezug auf ihre Schuldentragfähigkeit differenziert werden.

    Lindner kann Kommission kaum stoppen

    Zudem sollen sich die Empfehlungen über einen mittelfristigen Zeitraum von vier Jahren erstrecken und im laufenden Jahr keine Defizitverfahren gegen Mitgliedstaaten eingeleitet werden. Verfahren, wo nötig, würde die Kommission erst 2024 eröffnen, so Gentiloni. Lindner hatte zuletzt in Rom noch einmal deutlich gemacht, dass er mit diesem Vorgehen nicht einverstanden ist. Mit ihrem Ansatz greife die Kommission “laufenden Verhandlungen vor”.

    Allerdings dürfte der deutsche Finanzminister nach Einschätzung von Beobachtern bei der Kommission kaum einen Kurswechsel erreichen. Um die länderspezifischen Empfehlungen und damit das Vorgehen der EU-Behörde zu stoppen, müsste Deutschland unter den Partnerstaaten eine qualifizierte Mehrheit gegen die Empfehlungen organisieren. Dies sei “eine sehr hohe Hürde”, und das wisse auch die Kommission, so die Beobachter. Bei der qualifizierten Mehrheit müssten sich 15 EU-Staaten gegen den Ansatz der Kommission stellen, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU abbilden. cr

    • Defizitverfahren
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    Bewegung im Streit um E-Fuels

    Im Streit um die Zulassung von E-Fuels bei Neufahrzeugen über das Jahr 2035 hinaus gibt es wohl Bewegung. So könnte das Umweltministerium bereit sein, klimaneutral hergestellte synthetische Kraftstoffe nicht nur bei Spezialfahrzeugen über das Datum des ursprünglich avisierten Jahrs für das Verbrenner-Aus hinaus zu akzeptieren, sondern grundsätzlich bei allen neuen Pkw und leichten Nutzfahrzeugen.

    Zudem gibt es laut einem Bericht der F.A.Z. Überlegungen in Brüssel, wie E-Fuels im Rahmen der vereinbarten CO₂-Flottengrenzwerte ein Weg eröffnet werden könnte. Demnach könnte die Systematik geändert werden, wonach bisher lediglich der CO₂-Ausstoß von Neufahrzeugen am Auspuff gemessen wird.

    Künftig könnte für die Bilanzierung der gesamte Prozess von der Gewinnung des Treibstoffes bis zur Emission am Auspuff betrachtet werden. Dabei kommen synthetisch hergestellte E-Fuels auf Werte nahe null und würden damit unter die Regeln der im Trilogverfahren abgestimmten CO₂-Flottengesetzgebung fallen. mgr

    • E-Fuels

    Habeck: Digitalisierung “schärfen und stumpf machen”

    Die Digitalisierung ist eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende. Groben Schätzungen zufolge könnte Deutschland etwa 30 Prozent der Treibhausgasemissionen allein durch die klügere Nutzung von Energie einsparen. Das sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf der Digitalkonferenz der Grünen-Bundestagsfraktion am Wochenende in Berlin. Das Potenzial, das in smarten Technologien liege, sei erheblich.

    Zugleich verbrauchten digitale Prozesse jedoch immer mehr Energie und seien damit auch Verursacher von Treibhausgasen. “Die Produktion von Software, die Produktion von Systemen ist rohstoff- und energieintensiv“, erklärte Habeck. Wäre das Internet ein Staat, läge es auf Platz sechs der globalen CO₂-Emittenten. Die Digitalisierung sei somit “ein zweischneidiges Schwert”. Die politische Aufgabe bestehe darin, “es gleichzeitig zu schärfen und stumpf zu machen.” Es zu schärfen bei den Möglichkeiten und es stumpf zu machen bei den negativen Konsequenzen, fügte er hinzu.

    Nachhaltigkeit von Beginn an mitdenken

    Die Grünen haben Nachhaltigkeit by Design als einen Lösungsweg für diese Aufgabe identifiziert. So lautete auch der Titel der Digitalkonferenz in diesem Jahr, zu der unter anderem auch die beiden grünen Europaabgeordneten Anna Cavazzini und Alexander Geese angereist waren.

    Wenn man Klimaschutz und Digitalisierung zusammendenke, mache es Sinn, beides in eine Hand zu legen, um die doppelte Aufgabe zu bewältigen, erklärte Habeck. Daher gibt es in seinem Ministerium in der Abteilung Digital- und Innovationspolitik jetzt ein Referat Digitalisierung und Nachhaltigkeit.

    Neue Chance: Das Recht auf Reparatur

    Cavazzini diskutierte in einem Workshop über die Frage, welche Schritte notwendig seien, um Reparaturen einfach und Software nachhaltig zu machen. Sie sagte, die Diskussion komme genau zur richtigen Zeit, da in Brüssel gerade über nachhaltige Produktpolitik und das Recht auf Reparatur diskutiert werde. Allerdings sei der Softwarebereich bei der nachhaltigen Produktpolitik ausgespart worden, was die Grünen ändern wollten.

    “Ich finde es wichtig, dass auch digitale Produkte und Software mitberücksichtigt werden”, betonte Geese in der Abschlusskonferenz. Immer öfter käme es dazu, dass Verbraucherinnen Geräte wegwerfen müssten, weil sich die Software nicht mehr updaten lasse. Bei der Online-Werbung, die ebenfalls zu steigenden Datenverkehr führe, habe die EU die Chance einer Regulierung im Digital Services Act dagegen verpasst. “Der politische Wille war nicht da”, sagte Geese. Aber es gebe Möglichkeiten, das in Zukunft noch zu ändern. vis

    • Digital Services Act
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    • Robert Habeck

    Katargate: Gewerkschaftsbund entlässt Generalsekretär

    Wegen des Korruptionsskandals im Europaparlament hat der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) seinen Generalsekretär Luca Visentini entlassen. Der Vorstand habe das Vertrauen in den Italiener verloren, teilte der IGB am Sonntag in Brüssel mit. Visentini war Mitte Dezember mit fünf weiteren Verdächtigen von der belgischen Justiz festgenommen worden und wurde anschließend von seinem Amt suspendiert. Nach mehrmonatiger Untersuchungshaft kam er Anfang März unter Auflagen frei.

    In dem Skandal geht es um mutmaßliche Einflussnahme auf Entscheidungen des EU-Parlaments durch Katar und Marokko. Visentini wird zur Last gelegt, Geld vom Hauptverdächtigten in der Korruptionsaffäre, Pier Antonio Panzeri, angenommen zu haben und damit seine Kampagne zur Wahl zum Generalsekretär des IGB in Montréal bezahlt haben. Er bestreitet die Vorwürfe.

    Visentini soll Gewerkschaftern den Flug nach Kanada bezahlt haben, damit sie im Gegenzug für ihn stimmten. Die deutschen Gewerkschaften, die die maßgeblichen Finanziers den IGB sind, hatten nicht Visentini favorisiert, sondern einen anderen Kandidaten.

    In der Mitteilung hieß es, es seien keinerlei Beweise gefunden worden, dass Spenden aus Katar oder Marokko Einfluss auf Politik oder Programm des IGB gehabt hätten. Anfang Mai solle ein neuer Generalsekretär gewählt werden, der dann einen außerordentlichen Kongress vorbereiten solle. Der IGB ist ein internationaler Dachverband von Gewerkschaften. dpa/mgr

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    Presseschau

    Streit um Verbrenner-Aus: Verkehrsminister Wissing reist zum EU-Autogipfel am Montag TAGESSPIEGEL
    Verkehrsminister Wissing gegen Fahrtauglichkeits-Tests für Senioren WELT
    EU: Entspannung im Subventionsstreit mit USA ZDF
    In Moldau protestieren Tausende gegen hohe Gaspreise – und gegen Europa RND
    “Wandel zum Nachteil Putins”: EU verpflichtet Länder, mehr Energie zu sparen N-TV
    EU-Kommission lehnt Nachbesserungen bei Energiepreisbremsen ab HANDELSBLATT
    Wegen Zugunglücks erneut große Demonstration in Athen EURONEWS
    Migration über Ärmelkanal: Großbritannien zahlt Frankreich halbe Milliarde Euro zur Abschottung SPIEGEL
    Bootsunglück mit Migranten in Mittelmeer – 30 Vermisste WELT
    Mehr als 1.300 Bootsflüchtlinge in italienische Häfen gebracht ZEIT
    Nationale Wasserstrategie: Wasser soll aus nassen in trockene Gebiete transportiert werden ZEIT
    Niederlande wollen Emissionen senken: Tausende Landwirte protestieren gegen neue Umweltauflagen SPIEGEL
    Unnötigen Müll verhindern: EU strebt Gesetz für “Recht auf Reparatur” an N-TV
    Angst vor chinesischer Spionage: Belgien verbietet Tiktok auf staatlichen Diensthandys N-TV
    Without us ‘there is no Google’: EU telcos ramp up pressure on Big Tech to pay for the internet CNBC
    Neue Strategie: EU will sich besser vor Bedrohungen aus dem Weltraum schützen HEISE
    EU seeks to arrest industry decline in green transition REUTERS
    Israel will mehr Erdgas über Italien nach Europa schicken EURONEWS
    Extremwetter in Spanien: Erst Schneechaos, nun Hitzerekord in Sicht SPIEGEL

    Heads

    Hannah Pilgrim – Rohstoffe als Lebensthema

    Für sie gibt es keinen verantwortungsvollen Bergbau: Hannah Pilgrim koordiniert das Netzwerk des Arbeitskreises Rohstoffe bei der NGO Powershift.

    Europa will die Energiewende – aber für Solarzellen und Elektroautos braucht es Rohstoffe, darunter Chrom, Platin und Eisenerze aus Südafrika. Dort hat Hannah Pilgrim im Februar Organisationen getroffen, die Bergarbeiter und Anwohner vertreten. Die 30-Jährige koordiniert das Netzwerk AK Rohstoffe bei der NGO Powershift. Ihre Forderung: Die EU soll für höhere Standards und ein Mitspracherecht der Betroffenen sorgen, wenn sie die sogenannten kritischen Rohstoffe aus dem globalen Süden bezieht.

    Pilgrim hat Sozialwissenschaften und Humangeografie studiert, sich für NGOs mit Hungerkrisen beschäftigt und sich im Hambacher Forst gegen den Kohleabbau engagiert. Ihr Lebensthema aber seien die metallischen Rohstoffe, erzählt Pilgrim. Die könnten bald wichtiger sein als Öl und Gas, denn sie stecken in vielen Technologien, die Europa für Digitalisierung und Energiewende dringend braucht.

    Löcher so tief wie Strommasten

    “Das sind nicht nur Rohstoffe, die geborgen werden müssen”, sagt Pilgrim. In Südafrika hat sie Dörfer besucht, wo der Bergbau Senklöcher verursacht hat, die so tief sind wie Strommasten. “Einen per se verantwortungsvollen oder grünen Bergbau gibt es einfach nicht“, sagt Pilgrim. Die EU könne aber für höhere soziale und ökologische Standards in den Lieferketten sorgen.

    Zudem brauche es ein Mitspracherecht für die Bevölkerung vor Ort, sagt Pilgrim: “Keine reinen Informationsveranstaltungen, sondern im Zweifel auch das Recht, nein sagen zu können”. Denn der Bergbau reproduziere vielerorts neokoloniale Strukturen. Bei Betroffenen seien noch Wunden offen aus den vergangenen Jahrzehnten. “Unternehmen haben nicht ausreichend für Entschädigungen gesorgt, sich zum Teil nicht einmal entschuldigt”, kritisiert Pilgrim. “Wir können nicht erwarten, dass die Menschen ihnen jetzt einfach vertrauen.”

    Betroffene sehen Europa in der Pflicht

    In Kapstadt hat sie die “Alternative Mining Indaba” besucht – das ist eine Konferenz für Organisationen, die Betroffene des Bergbaus vertreten. Unter ihnen gebe es hohe Erwartungen an Europa, an den Green Deal und den geplanten Critical Raw Materials Act. Damit will die EU die Versorgung mit den sogenannten kritischen Rohstoffen sicherstellen. Vor allem wollen die Mitgliedstaaten die Lieferketten diversifizieren und weniger abhängig von einzelnen Staaten sein.

    Für Hannah Pilgrim geht es dabei zu viel um das Angebot an Metallen und Seltenen Erden, zu wenig um die europäische Nachfrage – denn die sei viel zu hoch. Die EU müsse sich zum Ziel setzen, weniger kritische Rohstoffe zu verbrauchen, durch weniger Konsum und mehr Recycling. Das fordert Powershift in einem Papier zusammen mit Organisationen wie dem BUND und der Heinrich-Böll-Stiftung. Denn verglichen mit dem Rest der Welt verbrauche die europäische Bevölkerung zu viele Rohstoffe, sagt Pilgrim. “Da geht es auch um globale Gerechtigkeit.” Jana Hemmersmeier

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    Europe.Table Redaktion

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