Table.Briefing: ESG

VW-Audit in Xinjiang möglich + EU-Parlament einigt sich bei Sorgfaltspflichtengesetz

Liebe Leserin, lieber Leser,

profitiert Volkswagen von Zwangsarbeit? Diese Frage steht seit einiger Zeit im Raum, im Mai wurde sie auch – begleitet von Protesten – bei der Hauptversammlung diskutiert. Grund: das VW-Werk in der Uiguren-Region Xinjiang. Marcel Grzanna hat erfahren, dass der Autobauer nun doch eine unabhängige Untersuchung einleiten könnte, um die Investoren zu beruhigen, deren Druck immer größer wird.

Um Lieferketten ging es auch gestern in Brüssel. Das Europaparlament einigte sich auf seine Position für die Trilog-Verhandlungen zum EU-Sorgfaltspflichtengesetz, die über das deutsche Lieferkettengesetz hinaus geht – und Unternehmen mehr Pflichten auferlegt als es die EU-Kommission vorschlug. Die Einzelheiten analysiert Leonie Düngefeld.

Welche Hürden die Abgeordneten bei den Verhandlungen erwartet, diskutiert Charlotte Wirth heute ab 9:00 Uhr im Table.Live-Briefing über das EU-Lieferkettengesetz. Mit dabei: Axel Voss von der EVP-Fraktion, Dr. Carsten Stender aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, der Unternehmer Stefan Munsch und Nele Meyer von der European Coalition for Corporate Justice. Anmelden können Sie sich hier.

Sollte Ihnen der ESG.Table gefallen, leiten Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail zugeschickt wurde: Hier können Sie das Briefing, das regulär immer mittwochs erscheint, kostenlos testen.

Ihr
Marc Winkelmann
Bild von Marc  Winkelmann

Analyse

VW-Audit in Xinjiang möglich

Proteste gegen Zwangsarbeit auf der Volkswagen-Hauptversammlung im Mai.

Bei der Hauptversammlung am 10. Mai hatte Volkswagen noch darauf hingewiesen, dass man nicht in der Lage sei, eine unabhängige Untersuchung zum VW-Werk in Xinjiang einzuleiten. Die Konzernspitze begründete das mit vertraglichen Verpflichtungen gegenüber seinem Joint-Venture-Partner SAIC. Der staatliche chinesische Produzent müsse eine solche Entscheidung mittragen. Zumal Volkswagen in dieser Partnerschaft mit SAIC in politischen Fragen nur auf dem Beifahrersitz Platz nimmt.

Doch Volkswagen will sich gegen seinen anhaltenden Reputationsverlust stemmen. Möglicherweise wird der Konzern in Kürze ein unabhängiges Audit seines Werkes in Xinjiang verkünden. Dann könnte ein international anerkanntes Unternehmen eine Prüfung des viel kritisierten Standorts im Nordwesten Chinas vornehmen. Ob es Volkswagen tatsächlich gelungen ist, SAIC von der Dringlichkeit einer solchen Untersuchung zu überzeugen, wird sich wohl am 21. Juni herausstellen. Das Unternehmen könnte seinen Capital Markets Day am Hockenheimring als Gelegenheit zur Ankündigung nutzen.

Fernab von Chinas Automarkt

Mit einem Audit würde Volkswagen die Forderung zahlreicher Großinvestoren erfüllen und sich etwas Luft verschaffen unter dem zunehmenden Druck durch Anleger, Menschenrechtsaktivisten und die Politik. Bei der Hauptversammlung im Mai hatten mehrere Fondsgesellschaften und Uiguren-Vertreter belastbare Belege dafür gefordert, dass Volkswagen nicht von Zwangsarbeit in Xinjiang profitiere.

Die VW-Fabrik in Xinjiang wird gemeinhin als politisches Entgegenkommen des Unternehmens an die autoritär regierende Kommunistische Partei interpretiert. Der Konzern betont zwar öffentlich die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit hinter der Investition, doch das abgelegene Werk besitzt in Wahrheit keine tragende Bedeutung für die Umsätze von Volkswagen in der Volksrepublik. Im Jahr 2021 wurden von ein paar Hundert Mitarbeitern in der Fabrik nur 5.355 Fahrzeuge gebaut.

Volkswagen als “nicht mehr investierbar” eingestuft

Zu den Vorwürfen möglicher Menschenrechtsverletzungen hatte China-Chef Ralf Brandstätter bei der Hauptversammlung Stellung bezogen. Um kulturellen Bedürfnissen der Belegschaft gerecht zu werden, habe das Werk “ein inklusives Arbeitsumfeld geschaffen, das religiöse Überzeugungen und unterschiedliche Kulturen respektiert”. Zum Beispiel gebe es in der Kantine Halal-Gerichte für Muslime.

Die Fondsgesellschaft Deka hat Volkswagen-Titel bereits aus seinem Nachhaltigkeitsprogramm genommen, weil der Konzern die Vorwürfe einer Verstrickung nicht stichhaltig widerlegen kann. Die Deka reagierte mit ihrer Entscheidung auf die maximale Abwertung in der Kategorie Soziales durch die Ratingagentur MSCI. Diese als Red Flag bezeichnete Warnung war für die Deka ausreichend, um Volkswagen als “nicht mehr investierbar” im Nachhaltigkeitssegment einzustufen.

Bei Union Investment ist der Evaluierungsprozess noch nicht abgeschlossen. “Meine große Hoffnung ist, dass die Risiken in Sachen Menschenrechte lückenlos aufgeklärt werden”, sagt Janne Werning, Leiter ESG Capital Markets & Stewardship. Auch Union Investment könnte Volkswagen aus seinen nachhaltigen Fonds verbannen, wenn es den Wolfsburgern nicht gelingt, ausreichend glaubwürdige Distanz zur Zwangsarbeit herzustellen.

Elektromobilität als Nachhaltigkeitsfaktor

Angesichts der wachsenden Bedeutung von Nachhaltigkeitsprodukten an den Finanzmärkten gewinnt ein möglicher Verbleib von Volkswagen-Aktien im ESG-Programm von Union Investment für das Unternehmen an Relevanz. Zumal die Kategorisierung als “nicht investierbar” durch eine weitere Fondsgesellschaft sehr schnell einen Dominoeffekt auslösen könnte.

Die Einstufung von Unternehmen als nachhaltig ist eine komplexe Angelegenheit. Die ESG-Standards Umwelt- und Sozialverträglichkeit sowie Unternehmensführung werden gegeneinander abgewogen. Volkswagen kommt als Automobilhersteller, der Verbrennermotoren produziert, zugute, dass das Unternehmen in der Elektromobilität und der damit verbundenen Produktion von Batterien um Nachhaltigkeit bemüht ist. Umweltschützer und Menschenrechtsorganisationen halten diese Form der Bewertung für inkonsequent.

  • ESG
  • Lieferketten
  • Menschenrechte
  • Volkswagen
  • Xinjiang
  • Zwangsarbeit

Sorgfaltspflichten: EU-Parlament einigt sich auf Position

Die Berichterstatterin Lara Wolters (S&D) nach der Abstimmung im Europaparlament.

Am Ende fiel die Abstimmung deutlich aus: Mit 366 zu 225 Stimmen bei 38 Enthaltungen hat das EU-Parlament Donnerstagvormittag den Bericht über das Sorgfaltspflichtengesetz angenommen. Damit will es Unternehmen gesetzlich verpflichten, negative Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf Menschenrechte und Umwelt zu ermitteln und zu verhindern, beenden oder abzumildern.

Bis zuletzt hatten Zweifel daran bestanden, ob genügend Stimmen aus dem konservativen und liberalen Lager zusammenkommen würden und ob die EVP das Gesetz kippen könnte. Nach der EVP-Fraktionssitzung am Mittwoch hatte sich dann jedoch abgezeichnet, dass die CDU/CSU-Gruppe nicht genügend Unterstützung für ihren Plan erhalten würde, den Bericht abzulehnen. Damit hat das Parlament unter der Federführung von Lara Wolters (S&D) sein Mandat für die Verhandlungen mit dem Rat beschlossen und den Kommissionsentwurf deutlich nachgeschärft.

Direktorenklausel erhält keine Mehrheit

Es war eine lange Abstimmung, schließlich standen rund 50 Änderungsanträge auf der Agenda. Die am Ende beschlossene Fassung entspricht bis auf eine Ausnahme der vom Rechtsausschuss verhandelten Position: Artikel 26, die sogenannte Direktorenklausel, erhielt keine Mehrheit. Zwar bleibt durch den angenommenen Artikel 25 eine Pflicht des Unternehmensmanagements und Verstöße können nach nationalem Recht geahndet werden. Jedoch entfällt die Verpflichtung der Manager, die Aufsicht über die Umsetzung des Gesetzes zu übernehmen und die Strategie des Unternehmens danach auszurichten. Manager haften also nicht, wenn sie das Gesetz nicht richtig umsetzen.

Darüber hinaus einigte sich das Parlament unter anderem auf die folgenden Vorgaben:

  • Unternehmen ab 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und mit einem Jahresumsatz von mindestens 40 Millionen Euro sind betroffen,
  • ebenso Unternehmen, die diesen Wert nicht erreichen, aber Teil einer Muttergesellschaft eines Konzerns mit mindestens 500 Beschäftigten und 150 Millionen Jahresumsatz sind.
  • Je nach Größe des Unternehmens gilt eine verzögerte Anwendung von drei bis fünf Jahren.
  • Keine spezifischen Schwellenwerte für Unternehmen aus Risikosektoren, sondern Entwicklung von sektorspezifischen Leitlinien für folgende Sektoren: Textilien, Bergbau und Gewinnung von Rohstoffen, Landwirtschaft, Energie, Bausektor und Finanzsektor
  • Regeln gelten für die vor- und die nachgelagerte Lieferkette.
  • Unternehmen haften für durch sie verursachte Schäden, die sie hätten verhindern können (jedoch nur, wenn sie ihre Sorgfaltspflichten nicht verantwortungsvoll umgesetzt haben).
  • Pflicht einer zusätzlichen Konfliktanalyse für Unternehmen mit Zulieferern in bewaffneten Konflikten oder fragilen Situationen nach einem Konflikt, in besetzten und/oder annektierten Gebieten sowie in Gebieten mit schwacher oder nicht vorhandener Staatlichkeit.
  • Neuer Artikel über sinnvolles Engagement mit Interessengruppen während der Sorgfaltspflichtprüfung.
  • Offene statt geschlossener Liste geeigneter Maßnahmen für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht.

Obligatorische Pläne für Klimaneutralität

Die Gruppe der CDU/CSU stimmte wie angekündigt dagegen. Damit stellte sie sich auch gegen ihren Parteikollegen Axel Voss, der als Schattenberichterstatter versucht hatte, einen für die EVP hinnehmbaren Kompromiss auszuhandeln. Auch die deutschen und tschechischen Renew-Abgeordneten stimmten gegen den Bericht, jedoch als einzige in der liberalen Fraktion.

Axel Voss sprach von einer “sehr schwierigen Situation” für seine Partei: Einerseits fühle man sich natürlich den Zielen des Gesetzes verpflichtet. Andererseits gehe das Ausmaß der Belastungen für die Unternehmen weit über die Position der EVP hinaus. Für seine Partei sei zudem mit Blick auf die anstehende Europawahl wichtig gewesen, sich abzugrenzen und eine klare Position zu beziehen.

“Trotz des immensen Drucks von Industrielobby und gegen den Widerstand vieler Konservativer hat das Parlament den Kommissionsvorschlag in vielen Bereichen nachschärfen können“, kommentierte Anna Cavazzini (Grüne/EFA) die Abstimmung.

Die zivilgesellschaftliche Initiative Lieferkettengesetz begrüßte den risikobasierten Ansatz des Gesetzes und die Anwendung auf die gesamte Wertschöpfungskette. “Beides schafft die Voraussetzungen dafür, Menschenrechte und Umwelt dort zu schützen, wo es am schlechtesten um sie bestellt ist: am Beginn der Lieferkette”. Der Bericht berge ein enormes Potenzial für das Klima, erklärte Patrizia Heidegger vom European Environmental Bureau (EEB): “Die Klimatransitionspläne der Unternehmen werden obligatorisch sein, auf der Grundlage strengerer Kriterien bewertet werden und kurz-, mittel- und langfristige Ziele enthalten”. Der Standpunkt des EU-Parlaments stelle in diesem Bereich erhebliche Verbesserungen gegenüber den Vorschlägen der Kommission und des Rates dar.

Verhandlungen mit dem Rat beginnen kommende Woche

Die Reaktionen aus der Industrie fielen erwartbar negativ aus: “Das Europäische Parlament hat es versäumt, praktikable Regeln für die Sorgfaltspflicht aufzustellen”, erklärte Markus Beyrer, Generaldirektor von BusinessEurope. Der Verband habe die Sorge vor “zu strengen Vorschriften mit reinem Strafcharakter, die nicht zwischen Verfahrensfehlern und tatsächlichem Schaden unterscheiden” und am Ende dazu führen könnten, dass europäische Unternehmen aus Drittländern verdrängt werden.

Der erste Trilog soll in der kommenden Woche, am 8. Juni, stattfinden. Die Abgeordneten rechnen mit schwierigen Verhandlungen, da der Rat ein sehr viel weniger ambitioniertes Mandat beschlossen hat. Insbesondere die Frage der zivilrechtlichen Haftung könnte für Streit sorgen, da diese eigentlich eine Kompetenz der Mitgliedstaaten sei, erklärte Axel Voss. Bislang gebe es kein europäisches Haftungsregime. Auch der Anwendungsbereich könnte ein Konfliktpunkt zwischen den Verhandelnden aus Rat und Parlament werden, da die Mitgliedstaaten Unternehmen nicht zusätzlich belasten will.

  • EU
  • Lieferketten
  • Sorgfaltspflichten

ESG.Table Redaktion

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    Um Lieferketten ging es auch gestern in Brüssel. Das Europaparlament einigte sich auf seine Position für die Trilog-Verhandlungen zum EU-Sorgfaltspflichtengesetz, die über das deutsche Lieferkettengesetz hinaus geht – und Unternehmen mehr Pflichten auferlegt als es die EU-Kommission vorschlug. Die Einzelheiten analysiert Leonie Düngefeld.

    Welche Hürden die Abgeordneten bei den Verhandlungen erwartet, diskutiert Charlotte Wirth heute ab 9:00 Uhr im Table.Live-Briefing über das EU-Lieferkettengesetz. Mit dabei: Axel Voss von der EVP-Fraktion, Dr. Carsten Stender aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, der Unternehmer Stefan Munsch und Nele Meyer von der European Coalition for Corporate Justice. Anmelden können Sie sich hier.

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    VW-Audit in Xinjiang möglich

    Proteste gegen Zwangsarbeit auf der Volkswagen-Hauptversammlung im Mai.

    Bei der Hauptversammlung am 10. Mai hatte Volkswagen noch darauf hingewiesen, dass man nicht in der Lage sei, eine unabhängige Untersuchung zum VW-Werk in Xinjiang einzuleiten. Die Konzernspitze begründete das mit vertraglichen Verpflichtungen gegenüber seinem Joint-Venture-Partner SAIC. Der staatliche chinesische Produzent müsse eine solche Entscheidung mittragen. Zumal Volkswagen in dieser Partnerschaft mit SAIC in politischen Fragen nur auf dem Beifahrersitz Platz nimmt.

    Doch Volkswagen will sich gegen seinen anhaltenden Reputationsverlust stemmen. Möglicherweise wird der Konzern in Kürze ein unabhängiges Audit seines Werkes in Xinjiang verkünden. Dann könnte ein international anerkanntes Unternehmen eine Prüfung des viel kritisierten Standorts im Nordwesten Chinas vornehmen. Ob es Volkswagen tatsächlich gelungen ist, SAIC von der Dringlichkeit einer solchen Untersuchung zu überzeugen, wird sich wohl am 21. Juni herausstellen. Das Unternehmen könnte seinen Capital Markets Day am Hockenheimring als Gelegenheit zur Ankündigung nutzen.

    Fernab von Chinas Automarkt

    Mit einem Audit würde Volkswagen die Forderung zahlreicher Großinvestoren erfüllen und sich etwas Luft verschaffen unter dem zunehmenden Druck durch Anleger, Menschenrechtsaktivisten und die Politik. Bei der Hauptversammlung im Mai hatten mehrere Fondsgesellschaften und Uiguren-Vertreter belastbare Belege dafür gefordert, dass Volkswagen nicht von Zwangsarbeit in Xinjiang profitiere.

    Die VW-Fabrik in Xinjiang wird gemeinhin als politisches Entgegenkommen des Unternehmens an die autoritär regierende Kommunistische Partei interpretiert. Der Konzern betont zwar öffentlich die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit hinter der Investition, doch das abgelegene Werk besitzt in Wahrheit keine tragende Bedeutung für die Umsätze von Volkswagen in der Volksrepublik. Im Jahr 2021 wurden von ein paar Hundert Mitarbeitern in der Fabrik nur 5.355 Fahrzeuge gebaut.

    Volkswagen als “nicht mehr investierbar” eingestuft

    Zu den Vorwürfen möglicher Menschenrechtsverletzungen hatte China-Chef Ralf Brandstätter bei der Hauptversammlung Stellung bezogen. Um kulturellen Bedürfnissen der Belegschaft gerecht zu werden, habe das Werk “ein inklusives Arbeitsumfeld geschaffen, das religiöse Überzeugungen und unterschiedliche Kulturen respektiert”. Zum Beispiel gebe es in der Kantine Halal-Gerichte für Muslime.

    Die Fondsgesellschaft Deka hat Volkswagen-Titel bereits aus seinem Nachhaltigkeitsprogramm genommen, weil der Konzern die Vorwürfe einer Verstrickung nicht stichhaltig widerlegen kann. Die Deka reagierte mit ihrer Entscheidung auf die maximale Abwertung in der Kategorie Soziales durch die Ratingagentur MSCI. Diese als Red Flag bezeichnete Warnung war für die Deka ausreichend, um Volkswagen als “nicht mehr investierbar” im Nachhaltigkeitssegment einzustufen.

    Bei Union Investment ist der Evaluierungsprozess noch nicht abgeschlossen. “Meine große Hoffnung ist, dass die Risiken in Sachen Menschenrechte lückenlos aufgeklärt werden”, sagt Janne Werning, Leiter ESG Capital Markets & Stewardship. Auch Union Investment könnte Volkswagen aus seinen nachhaltigen Fonds verbannen, wenn es den Wolfsburgern nicht gelingt, ausreichend glaubwürdige Distanz zur Zwangsarbeit herzustellen.

    Elektromobilität als Nachhaltigkeitsfaktor

    Angesichts der wachsenden Bedeutung von Nachhaltigkeitsprodukten an den Finanzmärkten gewinnt ein möglicher Verbleib von Volkswagen-Aktien im ESG-Programm von Union Investment für das Unternehmen an Relevanz. Zumal die Kategorisierung als “nicht investierbar” durch eine weitere Fondsgesellschaft sehr schnell einen Dominoeffekt auslösen könnte.

    Die Einstufung von Unternehmen als nachhaltig ist eine komplexe Angelegenheit. Die ESG-Standards Umwelt- und Sozialverträglichkeit sowie Unternehmensführung werden gegeneinander abgewogen. Volkswagen kommt als Automobilhersteller, der Verbrennermotoren produziert, zugute, dass das Unternehmen in der Elektromobilität und der damit verbundenen Produktion von Batterien um Nachhaltigkeit bemüht ist. Umweltschützer und Menschenrechtsorganisationen halten diese Form der Bewertung für inkonsequent.

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    • Menschenrechte
    • Volkswagen
    • Xinjiang
    • Zwangsarbeit

    Sorgfaltspflichten: EU-Parlament einigt sich auf Position

    Die Berichterstatterin Lara Wolters (S&D) nach der Abstimmung im Europaparlament.

    Am Ende fiel die Abstimmung deutlich aus: Mit 366 zu 225 Stimmen bei 38 Enthaltungen hat das EU-Parlament Donnerstagvormittag den Bericht über das Sorgfaltspflichtengesetz angenommen. Damit will es Unternehmen gesetzlich verpflichten, negative Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf Menschenrechte und Umwelt zu ermitteln und zu verhindern, beenden oder abzumildern.

    Bis zuletzt hatten Zweifel daran bestanden, ob genügend Stimmen aus dem konservativen und liberalen Lager zusammenkommen würden und ob die EVP das Gesetz kippen könnte. Nach der EVP-Fraktionssitzung am Mittwoch hatte sich dann jedoch abgezeichnet, dass die CDU/CSU-Gruppe nicht genügend Unterstützung für ihren Plan erhalten würde, den Bericht abzulehnen. Damit hat das Parlament unter der Federführung von Lara Wolters (S&D) sein Mandat für die Verhandlungen mit dem Rat beschlossen und den Kommissionsentwurf deutlich nachgeschärft.

    Direktorenklausel erhält keine Mehrheit

    Es war eine lange Abstimmung, schließlich standen rund 50 Änderungsanträge auf der Agenda. Die am Ende beschlossene Fassung entspricht bis auf eine Ausnahme der vom Rechtsausschuss verhandelten Position: Artikel 26, die sogenannte Direktorenklausel, erhielt keine Mehrheit. Zwar bleibt durch den angenommenen Artikel 25 eine Pflicht des Unternehmensmanagements und Verstöße können nach nationalem Recht geahndet werden. Jedoch entfällt die Verpflichtung der Manager, die Aufsicht über die Umsetzung des Gesetzes zu übernehmen und die Strategie des Unternehmens danach auszurichten. Manager haften also nicht, wenn sie das Gesetz nicht richtig umsetzen.

    Darüber hinaus einigte sich das Parlament unter anderem auf die folgenden Vorgaben:

    • Unternehmen ab 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und mit einem Jahresumsatz von mindestens 40 Millionen Euro sind betroffen,
    • ebenso Unternehmen, die diesen Wert nicht erreichen, aber Teil einer Muttergesellschaft eines Konzerns mit mindestens 500 Beschäftigten und 150 Millionen Jahresumsatz sind.
    • Je nach Größe des Unternehmens gilt eine verzögerte Anwendung von drei bis fünf Jahren.
    • Keine spezifischen Schwellenwerte für Unternehmen aus Risikosektoren, sondern Entwicklung von sektorspezifischen Leitlinien für folgende Sektoren: Textilien, Bergbau und Gewinnung von Rohstoffen, Landwirtschaft, Energie, Bausektor und Finanzsektor
    • Regeln gelten für die vor- und die nachgelagerte Lieferkette.
    • Unternehmen haften für durch sie verursachte Schäden, die sie hätten verhindern können (jedoch nur, wenn sie ihre Sorgfaltspflichten nicht verantwortungsvoll umgesetzt haben).
    • Pflicht einer zusätzlichen Konfliktanalyse für Unternehmen mit Zulieferern in bewaffneten Konflikten oder fragilen Situationen nach einem Konflikt, in besetzten und/oder annektierten Gebieten sowie in Gebieten mit schwacher oder nicht vorhandener Staatlichkeit.
    • Neuer Artikel über sinnvolles Engagement mit Interessengruppen während der Sorgfaltspflichtprüfung.
    • Offene statt geschlossener Liste geeigneter Maßnahmen für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht.

    Obligatorische Pläne für Klimaneutralität

    Die Gruppe der CDU/CSU stimmte wie angekündigt dagegen. Damit stellte sie sich auch gegen ihren Parteikollegen Axel Voss, der als Schattenberichterstatter versucht hatte, einen für die EVP hinnehmbaren Kompromiss auszuhandeln. Auch die deutschen und tschechischen Renew-Abgeordneten stimmten gegen den Bericht, jedoch als einzige in der liberalen Fraktion.

    Axel Voss sprach von einer “sehr schwierigen Situation” für seine Partei: Einerseits fühle man sich natürlich den Zielen des Gesetzes verpflichtet. Andererseits gehe das Ausmaß der Belastungen für die Unternehmen weit über die Position der EVP hinaus. Für seine Partei sei zudem mit Blick auf die anstehende Europawahl wichtig gewesen, sich abzugrenzen und eine klare Position zu beziehen.

    “Trotz des immensen Drucks von Industrielobby und gegen den Widerstand vieler Konservativer hat das Parlament den Kommissionsvorschlag in vielen Bereichen nachschärfen können“, kommentierte Anna Cavazzini (Grüne/EFA) die Abstimmung.

    Die zivilgesellschaftliche Initiative Lieferkettengesetz begrüßte den risikobasierten Ansatz des Gesetzes und die Anwendung auf die gesamte Wertschöpfungskette. “Beides schafft die Voraussetzungen dafür, Menschenrechte und Umwelt dort zu schützen, wo es am schlechtesten um sie bestellt ist: am Beginn der Lieferkette”. Der Bericht berge ein enormes Potenzial für das Klima, erklärte Patrizia Heidegger vom European Environmental Bureau (EEB): “Die Klimatransitionspläne der Unternehmen werden obligatorisch sein, auf der Grundlage strengerer Kriterien bewertet werden und kurz-, mittel- und langfristige Ziele enthalten”. Der Standpunkt des EU-Parlaments stelle in diesem Bereich erhebliche Verbesserungen gegenüber den Vorschlägen der Kommission und des Rates dar.

    Verhandlungen mit dem Rat beginnen kommende Woche

    Die Reaktionen aus der Industrie fielen erwartbar negativ aus: “Das Europäische Parlament hat es versäumt, praktikable Regeln für die Sorgfaltspflicht aufzustellen”, erklärte Markus Beyrer, Generaldirektor von BusinessEurope. Der Verband habe die Sorge vor “zu strengen Vorschriften mit reinem Strafcharakter, die nicht zwischen Verfahrensfehlern und tatsächlichem Schaden unterscheiden” und am Ende dazu führen könnten, dass europäische Unternehmen aus Drittländern verdrängt werden.

    Der erste Trilog soll in der kommenden Woche, am 8. Juni, stattfinden. Die Abgeordneten rechnen mit schwierigen Verhandlungen, da der Rat ein sehr viel weniger ambitioniertes Mandat beschlossen hat. Insbesondere die Frage der zivilrechtlichen Haftung könnte für Streit sorgen, da diese eigentlich eine Kompetenz der Mitgliedstaaten sei, erklärte Axel Voss. Bislang gebe es kein europäisches Haftungsregime. Auch der Anwendungsbereich könnte ein Konfliktpunkt zwischen den Verhandelnden aus Rat und Parlament werden, da die Mitgliedstaaten Unternehmen nicht zusätzlich belasten will.

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