wenn die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse auf dem Tisch. Das passiert auch gerade bei der COP27: Die ägyptische Präsidentschaft hält sich bei ihren Aufgaben so vornehm zurück, dass die Länder selbst anfangen, sich zu organisieren. Eine spannende und ganz neue Koalition entsteht da zwischen dem Kohleland Indien, der EU und Großbritannien und den Inselstaaten, um Kohle, Öl und Gas zurückzudrängen. Ist das ernst gemeint oder nur Taktik? Wir schauen hin.
Alle warten nach wie vor auf Verhandlungstexte, die von der Präsidentschaft kommen sollen. Man will ja wissen, über welche Details genau man sich die nächsten Nächte streiten soll. Der Unmut über die Verhandlungsführung wächst in den Korridoren. Der bekannte Klimaschutz-Index sagt uns wieder einmal, dass alle Staaten zu wenig tun. Und differenziert genau, wie viel zu wenig.
Und Brasilien, die DR Kongo und Indonesien schließen sich schließlich doch zu einer “Regenwald-Opec” zusammen, um ihre Interessen gemeinsam zu vertreten. Deutschland organisiert den “globalen Schutzschild” gegen Klimaschäden, alles außerhalb der offiziellen Verhandlungen. Ohnehin warten die wichtigen Minister und Delegierten in Sharm el Sheikh, was ihre Chefs beim G20-Treffen in Bali so entscheiden.
Das sind nicht die starken Signale der Weltgemeinschaft oder des Gastgebers, die zum Beginn der COP immer beschworen werden. Und es lässt vermuten, dass die Arbeitslast und Hektik in den letzten Tagen (und vor allem Nächten) noch zunimmt. Aber wenn es hier geordnet und gesittet zuginge, wäre es keine COP.
Trotzdem oder deshalb: Wir bleiben dran. Viel Spaß beim Lesen!
Die COP27 steht vor einer explosiven Debatte über die globale Energiewende. Ein indischer Vorstoß, in der Abschlusserklärung das Zurückfahren “aller fossilen Brennstoffe” zu fordern, fand am Montag bei der EU, Großbritannien und Teilen der Inselstaaten Rückendeckung. Andere Länder wie Saudi-Arabien haben bereits signalisiert, einer solchen Abschlusserklärung nicht zuzustimmen.
In dem internen Schreiben, das Climate.Table vorliegt, hat Indien am Wochenende vorgeschlagen, in der Mantel-Erklärung am Ende der Konferenz “den IPCC-Bericht festzuhalten, dass eine Erfüllung der Langzeitziele des Pariser Abkommens erfordert, alle fossilen Brennstoffe zurückzufahren.” Eine Unterscheidung von verschiedenen Emissionsquellen als schädlich oder “grün und nachhaltig” habe “keine Basis in der besten verfügbaren Wissenschaft.”
Der Vorschlag ist Teil der Anträge, die die COP-Präsidentschaft für die Mantel-Erklärung gesammelt hat. Die indische Chefverhandlerin Richa Sharma wunderte sich noch mittags gegenüber Climate.Table: “Warum gibt es nicht mehr Enthusiasmus dafür, alle fossilen Brennstoffe herunterzufahren?” Man habe in Glasgow eine solche Erklärung zur Reduzierung (“phase down”) der Kohle gefunden – “was ist mit den anderen Brennstoffen, die CO2 erzeugen?”, fragt Sharma. Jetzt sei man zu dem Thema mit den anderen Parteien im Gespräch.
Das hat offenbar gefruchtet. “Der Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen steht in Übereinstimmung mit dem Europäischen Green Deal“, erklärte am Nachmittag Jan Dusík, Umweltminister Tschechiens, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, für die EU gegenüber Climate.Table. “Wir sind bereit, an einer angemessenen Sprache im Text der Mantel-Entscheidung zu arbeiten.”
“Wir haben den Vorschlag Indiens anerkannt,” so Dusík weiter. Er schränkte aber ein: “Wir wollen nicht, dass er als Instrument genutzt wird, um uns von unserer Verpflichtung aus dem Glasgow Klimapakt zum Ausstieg aus der Kohle wegzuführen.”
Das Misstrauen gegenüber dem indischen Vorstoß hat verschiedene Gründe:
Auch am Beginn der zweiten Woche hat die Präsidentschaft noch kaum Texte vorgelegt, mit denen die Staaten arbeiten können. Bei der Vorbereitung der “Mantel-Entscheidung” hatten die Ägypter bis Montagabend nur Stimmen gesammelt und sie nicht zusammengefasst. Bis auf wenige Ausnahmen sind die technischen Arbeiten an den Dokumenten nicht wie geplant am Ende der ersten Woche abgeschlossen worden. Eine Übersicht des Klima-Fachportals “Carbon Brief” zeigt, wie viele ungeklärte Fragen noch in den Dokumenten stehen. Manche Texte haben über 240 ungeklärte Fragen.
Die unerledigte Arbeit wurde in die zweite, entscheidende Woche verlagert – und droht nun, zu einem Arbeitsstau zu führen, der die Konferenz blockieren könnte, befürchtet UNFCCC-Chef Simon Stiell: “Es gibt zu viele unerledigte Aufgaben”, so Stiell. Das Problem: Wenn in den nächsten Tagen die Ministerinnen und Minister kommen, dürfen eigentlich nur noch politisch hochbrisante Fragen übrig bleiben, die sie zu klären haben. Technischer Kleinkram stört da nur.
Ob und wie das Thema Energiewende in Sharm el Sheikh behandelt wird, entscheidet sich wahrscheinlich eh in Bali. Beim dortigen G20-Treffen wird auch über Klimapolitik gesprochen. Anders als in Glasgow, als auf dem G20-Gipfel vor der COP entscheidende Fragen geklärt wurden, wartet die COP27 jetzt auf Ergebnisse der G20 – etwa die Wiederaufnahme der Klima-Gespräche zwischen den USA und China (siehe heutige News).
“Der indische Vorstoß ist ein kluger diplomatischer Schachzug“, kommentierte Li Shuo, Klimaexperte von Greenpeace Ostasien. “Für China wird das eine interessante Herausforderung.” Denn einerseits habe China kein Interesse daran, auf den schnellen Ausstieg aus den Fossilen zu drängen, von denen es selbst sehr viel verbraucht. Es wolle am besten verhindern, dass das Thema in der Mantel-Entscheidung auftaucht. Andererseits sind China und Indien in der G77 und der BASIC-Gruppe enge Partner. Die Tatsache, dass China nicht offiziell auf den indischen Vorschlag reagiere, zeige, dass “es nicht weiß, was es sagen soll.”
Auch Christoph Bals von Germanwatch steht dem indischen Antrag grundsätzlich offen gegenüber. Weniger Fossile sei das Ziel, so Bals. Er warnt aber auch: Es gebe eine große Allianz gegen eine solche Erklärung: Afrikanische Länder, die auf Gas setzen, die Ölstaaten und nicht zuletzt die USA, weltweit größter Öl- und Gasproduzent. “Es könnte auch eine taktische Finte von Indien sein, um über eine große Welle an Widerstand jede Erwähnung von Fossilen in der Abschlusserklärung unmöglich zu machen.”
Tatsächlich hatte vor einem Jahr in Glasgow maßgeblich das Kohleland Indien verhindert, dass die Mantel-Erklärung den Ausstieg (“phase down”) aus der Kohle forderte. Das hatte Indien international viel Kritik eingebracht. Mit einer erfolgreichen Kampagne gegen alle fossilen Brennstoffe könnte das Land auch darauf zielen, neue Verbündete wie die Europäer und verletzliche Staaten zu sammeln und seinen ramponierten Ruf aufzupolieren. Mit Nico Beckert und Lukas Scheid
Seit sie das Geld von der Weltbank bekomme, habe sie ein besseres Standing in der Gemeinde, sagt Rasha Shaaban Ahmed. Das eigene Einkommen verschaffe ihr Achtung. Die 38-jährige Mutter von drei Kindern ist eine der Frauen, die in al Amaria, einem Ort in der Nähe der ägyptischen Stadt Alexandria, vom Programm “Takaful” – arabisch für Solidarität – unterstützt werden.
Von den 462 ägyptischen Pfund, die sie monatlich erhält, umgerechnet etwas mehr als 18 Euro, hielt Rasha drei Hühner. Sie kaufte die Küken, zog sie auf und vermarktete sie. Manches Huhn verbesserte auch den Speiseplan ihrer Familie, die aus Rasha selbst, ihrem Mann und ihren drei Kindern besteht. Es lief gut, bis Hühnerfutter durch die Inflation plötzlich unbezahlbar wurde. Doch das monatliche feste Einkommen ist Rasha geblieben.
Sozialnetze wie “Takaful” könnten in Zukunft genutzt werden, um die Gelder des Globalen Schutzschirms gegen Klimarisiken auszuzahlen. Das ist eine der Ideen hinter dem Schirm, den die größten Industriestaaten G7 und die Gruppe der 58 besonders vulnerablen Staaten (V20) gemeinsam entwickelt haben. Am Montag haben sie ihn offiziell auf der COP27 vorgestellt.
Deutschland hat bereits 170 Millionen Euro für den Globalen Schutzschirm zugesagt. Rund 40 Millionen Euro kommen von anderen Industrieländern. Alle Einzahlungen sind Zuschüsse. Auf der COP27 ist zu hören, dass weitere Länder eine Beteiligung erwägen. So könnte noch einmal ein zwei- und ein dreistelliger Millionenbetrag hinzukommen. Es wird allerdings nicht erwartet, dass das noch während des Gipfels offiziell verkündet wird. Zum Vergleich: Allein für die Hilfe nach der Flut im Ahrtal stellte die Bundesregierung 30 Milliarden Euro bereit.
Noch sind viele Details zur technischen Umsetzung des Schirms nicht klar. Das mag auch daran liegen, dass er für jedes Land eine eigene Lösung anbieten soll, die dessen speziellen Bedürfnissen möglichst gut gerecht werden, erarbeitet nach den Maßgaben des Landes selbst. Die grundsätzliche Vorgehensweise könnte so aussehen:
Der Schirm soll schnell einsatzbereit sein. “Wir können nicht weitere zwei Jahre warten”, sagte Sarah Ahmed, Finanzexpertin der V20, anlässlich seines Starts. Sie stellte in Aussicht, dass der Schirm “Anfang 2023” starten könne.
Bangladesch, Costa Rica, Fidschi, Ghana, Pakistan, die Philippinen und Senegal sollen die ersten Empfänger von Unterstützung aus dem Globalen Schutzschirm sein. Der Schirm werde “eine Schlüsselrolle darin spielen, Mittel für finanzielle und soziale Schutzpakete zu erhalten, um unsere Wirtschaft, unsere Unternehmen und unsere Gemeinden zu schützen”, sagte Ghanas Finanzminister Ken Ofori-Atta, dessen Land derzeit den Vorsitz der V20 innehat.
Er hoffe, dass der Globale Schutzschirm dazu beitrage, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen und Finanzlücken für den Klimaschutz zu schließen. Die Frage der Finanzierung gehört auf den jährlichen UN-Klimagipfeln kontinuierlich zu den umstrittensten Themen. Deutschland wolle in dem Streit um Loss-and-Damage-Geld Brücken bauen, sagte Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze, die auf der Pressekonferenz zum Start des Globalen Schirms für die G7 sprach. Sie betonte ausdrücklich, was der Schutzschirm nicht sein solle:
Die Resonanz auf der COP27 war größtenteils vorsichtig positiv. Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch wertet den Schutzschirm als “guten Anfang” in der Loss-and-Damage-Debatte. Doch die darin enthaltene Summe sei “nur ein Tropfen auf den heißen Stein”. Andere Organisationen auf der COP27 fürchten ein Ablenkungsmanöver.
“Es ist gut, dass der Globale Schirm weitergeht als die vorherige InsuResilience-Initiative der G7, die nur Versicherungslösungen beinhaltete”, kommentierte Saleemul Huq, Klimawissenschaftler aus Bangladesch, gegenüber Climate.Table. “Aber der Teufel liegt immer im Detail.” Er freue sich darauf, mehr über die Funktionsweise des Schirms zu lernen. Huq fragte: “Wann wird es die erste Auszahlung an ein Opfer geben?”
Bareesh Chowdhury, Asien-Pazifik-Koordinator von Friends of the Earth International, fand kritischere Worte. Er nannte den Globalen Schirm ein “zynisches Schema”, mit dem Deutschland und andere Regierungen von der “überlebenswichtigen Finanznot” der vulnerablen Länder ablenkten.
Auf Twitter differenzierte er: Der Globale Schirm sei “eine Lösung, aber eine, um die niemand bittet.” Schon jetzt flössen viele Loss-and-Damage-Finanzversprechen in den Schutzschirm – und nicht in den grundsätzlichen Finanzmechanismus, über den gerade auf der COP27 verhandelt wird. Chowdhury befürchtet deshalb, der Globale Schirm könne dazu führen, dass auf dem Gipfel keine Einigung über einen Loss-and-Damage-Mechanismus im Rahmen der UNFCCC zustande kommt. “Wenn der Schirm aber als Entschuldigung dient, um wirklicher Klimafinanzierung zu widerstehen, müssen wir das anklagen.”
Zumindest die Frage der Finanzierung von Antworten auf “Loss and Damage” ist in Sharm el Sheikh Teil der offiziellen Verhandlungen. Am Montag gab es bereits einen ersten, noch sehr allgemein gehaltenen Entwurf einer möglichen Einigung. Drei wesentliche Punkte darin:
Al Amaria, der Ort, in dem Rasha und ihre Familie leben, liegt im Nildelta nicht weit von der Küste entfernt. Hier steigt der Meeresspiegel um etwa einen Zentimeter im Jahr, wenn man die Absenkung des Bodens mit einbezieht. Mit dem Wasser steigt die Flutgefahr. Kommt es zu Überschwemmungen, könnte Rasha über “Takaful” zusätzliche finanzielle Hilfe erhalten.
Im Moment aber wünscht sie sich vor allem eines: Dass die monatlichen Zahlungen nicht ausbleiben, und sie weiter die Freiheit genießt, über ihr eigenes Einkommen zu entscheiden.
Um das 1,5-Grad-Ziel in Reichweite zu halten, müssen vor allem die Industrie- und Schwellenländer ihre Treibhausgasemissionen reduzieren. Eine neue Analyse von Germanwatch und dem New Climate Institute zeigt, dass die 60 größten THG-Emittenten dieses Ziel verfehlen und wo die Länder noch aufholen müssen.
China als derzeit größter Emittent hat dabei weiterhin zwei Gesichter. Laut dem Klimaschutz-Index 2023, der am Montag auf der COP27 in Sharm el-Sheikh vorgestellt wurde, belegt China von den 59 untersuchten Ländern (+ EU) nur Platz 51. Der Index hält Peking zwar zugute, dass China seine Erneuerbaren Energien massiv ausbaut. Dennoch reduziere das Land seine Treibhausgasemissionen nicht schnell genug.
Deutschland rutscht im Vergleich zum Vorjahr um drei Plätze auf Rang 16 ab. Grund dafür seien der verlangsamte Erneuerbaren-Ausbau bis 2020 und der starke Anstieg der Emissionen im Verkehrssektor im Jahr 2021, heißt es in der Erläuterung des Indexes.
Der Index wird auf der Grundlage objektiver Kriterien sowie Expertenbefragungen erstellt. Dabei fließen die Treibhausgasemissionen eines Landes (40 Prozent Gewichtung), die Menge Erneuerbarer (20 Prozent), Energieeffizienz (20 Prozent), nationale sowie internationale Klimapolitik (jeweils 10 Prozent) mit ein. Traditionell bleiben die ersten drei Plätze des Indexes frei, da kein Land in allen Kategorien mit “sehr hoch” abschneide.
China landet allein bei den Erneuerbaren auf einem mit “hoch” bewerteten Platz 17. Doch Investitionen in neue Kohlekraftwerke und dem weiteren Ausbau der Kohleverstromung senken den Schnitt deutlich. Im Vergleich zum vergangenen Jahr ist China sogar um 13 Plätze zurückgefallen.
Gewohnt schlecht schneiden auch die USA ab (Platz 52). Das Hauptproblem sei, dass die USA die Förderung fossiler Brennstoffe im eigenen Land nicht einstellen und weiterhin fossile Brennstoffe subventionieren. Beim Ausbau der Erneuerbaren landen die USA auf dem fünftletzten Platz.
Überraschend gut schneidet Indien ab (Platz acht, vorher zehn), obwohl das Land zu den größten Kohleproduzenten gehört. Das liegt an den niedrigen Pro-Kop-Emissionen Indiens und einem guten Abschneiden bei der Energieeffizienz. Auf dem afrikanischen Kontinent dominiert Marokko den Index (Platz sieben). Das Land sei Vorreiter bei der Reduzierung seiner Emissionen und habe diese Bemühungen nach der COP22 verstärkt. Kritisiert wird jedoch, dass geltende Gesetze nicht durchgesetzt werden und die Industrie sie nicht einhält.
In Südamerika liegt Chile (Platz sechs) an der Spitze. Die gute Bewertung sei auf die “relativ niedrigen Pro-Kopf-Emissionen von 2,24 Tonnen CO2-Äquivalente (inklusive Senkleistung)” zurückzuführen. Für die Klimapolitik erhält Chile nur eine mittelmäßige Bewertung, da das Land keine ausreichenden Strategien zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an die Wasserknappheit hat.
G7-Land Japan landet auf Rang 50, da es laut den Erstellern des Indexes noch keinen klaren Fahrplan für seine ohnehin schon nicht ausreichenden Klimaziele gibt. Japan hat keinen Kohleausstieg in Aussicht, keine wirksamen Kohlenstoffpreise und keinen soliden Entwicklungsplan für Erneuerbare, heißt es.
Die untersuchten Länder sind die 59 größten Emittenten, die Ukraine wurde angesichts des Krieges in diesem Jahr nicht untersucht. Darunter sind alle 27 Mitgliedstaaten der EU. Als Block landet die EU mit Platz 19 im oberen Mittelfeld – drei Plätze besser als im vergangenen Jahr. Zwar gehört die EU zu den Top 4 in der Klimapolitik – Auf Platz 1 (Dänemark) und Platz 3 (Niederlande) sind ebenfalls EU-Mitglieder. Doch weil die Pro-Kopf-Emissionen nach wie vor hoch sind (Platz 24) und der Erneuerbaren-Ausbau stockt (Platz 26), fällt die EU ab. Beim Gesamtergebnis liegen mit Dänemark und Schweden, wie schon im vergangenen Jahr, ebenfalls zwei Europäer auf den Top-Plätzen. luk
Chile und Mexiko haben auf der COP27 neue Klimaziele (NDCs) bekannt gegeben. Indien hat eine Langfriststrategie vorgestellt, wie das NDC erreicht werden soll und Argentinien seine Pläne bis 2030.
Mexikos neues Klimaziel:
Mexikos Außenminister Marcelo Ebrard stellte diese Ziele am Samstag auf der COP vor, sagte aber nicht, welches THG-Niveau oder Vergleichsjahr dem neuen Reduktionsziel zugrunde liegt. Mexikos bisheriges NDC geht von einem Basisszenario bis 2030 ohne politische Maßnahmen (991 MtCO2e) zur THG-Minderung aus. Weitere Details, wie Mexiko diese Ziele erreichen will, sind ebenfalls noch nicht bekannt.
Chiles neues Klimaziel:
Diese Ziele sollen “durch die verstärkte Umsetzung von Maßnahmen an den relevanten Stellen auf nationaler Ebene und durch die Ausrichtung der Arbeiten für die nächste Aktualisierung des NDC erreicht werden”, heißt es in der Ankündigung des chilenischen Umweltministeriums. Weitere Details hat das Ministerium allerdings noch nicht bekannt gegeben. Jedoch erklärte es, dass Chile seine Treibhausgasemissionen (unter Berücksichtigung der Senkleistung) 2020 im Vergleich zu 2018 um vier Prozent senken konnte.
Indien stellte gestern eine Langfriststrategie vor und skizziert zum ersten Mal, wie es sein Ziel der Dekarbonisierung bis 2070 erreichen will. Darin enthalten:
Argentiniens Pläne bis 2030:
Diese sechs Punkte werden in 250 Maßnahmen und Instrumente aufgeschlüsselt. In seinem NDC gibt Argentinien vor, dass die Nettoemissionen aller Wirtschaftssektoren 349 Mio. tCO2e bis 2030 nicht überschreiten dürfen. Wie das Land dieses Ziel erreichen will, geht aus den Plänen allerdings nicht hervor, weshalb Experten vor zu großer Euphorie warnen. nib/luk
Die drei Länder mit den größten Regenwaldflächen der Welt haben eine Allianz zum Schutz ihrer Tropenwälder geschlossen. Brasilien, Indonesien und die DR Kongo haben eine strategische Partnerschaft zum Schutz des Regenwaldes beschlossen.
Ziel der Allianz ist es,
Die Allianz wurde am Montag vor dem G20-Gipfel in Bali von Vertretern der drei Länder formell beschlossen. Für Brasilien unterschrieb ein Vertreter der abgewählten Bolsonaro-Regierung, unter der die Entwaldung stark zugenommen hatte (Climate.Table berichtete). Auch der kommende Präsident Lula hat Pläne für eine ähnliche Allianz. Er tritt sein Amt zum 1. Januar 2023 an. In den die drei Staaten befinden sich 52 Prozent der weltweit verbliebenen tropischen Primärwälder. Die Allianz ist Ergebnis von rund zehn Jahre unregelmäßig geführter Gespräche über ein trilaterales Regenwald-Bündnis. nib/rtr
Eine neue Analyse der “Energy and Climate Intelligence Unit” (ECIU) ist optimistisch, dass die vier größten Treibhausgas-Emittenten schnelle Fortschritte bei der Energiewende machen. Die EU-Staaten, China und Indien könnten ihre Klimaziele (NDCs) schneller erreichen als geplant, schreibt die britische NGO. Die Analysten haben dafür die Umsetzung der Klima-Politik, wirtschaftliche Trends und Expansionspläne von Unternehmen untersucht.
Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten:
China:
Allerdings ist Chinas NDC nicht Paris-konform, eine Beschleunigung bei der Emissionsreduzierung ist notwendig (Climate.Table berichtete).
Indien:
USA:
Allerdings müssten die USA “noch einiges tun, um die Obergrenze des US-NDC einer Emissionsreduktion 52 Prozent zu erreichen”. Laut Climate Action Tracker ist sogar eine Reduktion um 63 Prozent nötig, um das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Abkommens zu erfüllen. nib
Das Treffen von US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi Jinping im Rahmen des G20-Gipfels macht Hoffnung auf eine Wiederaufnahme des eingefrorenen Klimadialogs beider Staaten. Nach dem dreistündigen Treffen am Montag auf der indonesischen Insel Bali betonte Biden nach Angaben des Weißen Hauses, dass beide Länder in großen Fragen der Welt wie Klimawandel, wirtschaftliche Stabilität, Schuldenerlass, Gesundheit und Nahrungsmittelsicherheit zusammenarbeiten müssten. Beide Präsidenten hätten ihre führenden Beamten beauftragt, “konstruktive Bemühungen in diesen und anderen Fragen zu vertiefen”, hieß es weiter.
Doch eine offizielle Wiederaufnahme der bilateralen Klimagespräche beschlossen sie noch nicht. Die chinesische Seite lässt eher zwischen den Zeilen Fortschritte erahnen. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua meldete, beide Seiten wollten:
Der bilaterale Klimadialog wurde nach dem Besuch der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosis auf Taiwan von China auf Eis gelegt. Er geht auf die gemeinsame Erklärung der USA und Chinas von der Klimakonferenz COP26 in Glasgow zurück. Damals beschlossen beide Seiten eine Verstärkung der Klimamaßnahmen in den 2020-er Jahren. Unter anderem hatten sie in diesem Jahr über Maßnahmen zur Reduktion des Methanausstoßes verhandeln wollen.
Trotz aller Unverbindlichkeit lösten die Berichte aus Bali bei Beobachtern vorsichtigen Optimismus aus. “Beide Seiten scheinen akzeptiert zu haben, dass sie über bestehende ‘Arbeitsgruppen’ kommunizieren sollten”, meint Byford Tsang vom Klima-Thinktank E3G. Und in einer dieser Gruppen gehe es eben um das Klima. Die beiden Klima-Sondergesandten Xie Zhenhua und John Kerry hatten sich auf der COP27 bisher nur informell ausgetauscht. Ob sie sich in den letzten Tagen der COP27 noch offiziell treffen dürfen, war zunächst unklar. ck
In US-Häfen hängen über 1.000 Solarenergiekomponenten fest, die aus China importiert wurden. Laut Aussagen von Zollbeamten gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters hat der US-Zoll zwischen dem 21. Juni und dem 25. Oktober 1.053 Lieferungen beschlagnahmt. Freigaben seien bislang nicht erteilt worden.
Grund der Blockade ist der im Juni in Kraft getretene Uyghur Forced Labor Prevention Act (UFLPA). Importeure müssen nachweisen, dass Waren oder Bestandteile von Produkten aus der Region Xinjiang nicht in Zwangsarbeit hergestellt wurden (China.Table berichtete).
Dem Reuters-Bericht zufolge handelt es sich bei den Produkten unter anderem um Paneele und Polysiliziumzellen, die im Wesentlichen von drei chinesischen Firmen hergestellt würden: Longi Green Energy Technology, Trina Solar und JinkoSolar. Jinko erklärte in einer E-Mail, das Unternehmen arbeite mit der US-Zollbehörde daran, zu dokumentieren, dass seine Lieferungen nicht mit Zwangsarbeit in Verbindung stehen. Die Firma zeige sich “zuversichtlich, dass die Lieferungen zugelassen werden”.
Der US-Zoll wollte sich laut Reuters nicht dazu äußern, wie lange die Lieferungen bereits festgehalten und wann und ob sie freigegeben würden. “Letztendlich hängt es davon ab, wie schnell ein Importeur in der Lage ist, ausreichende Unterlagen vorzulegen”, sagte eine Sprecherin.
Die Lieferprobleme bringen auch die Klimapolitik von US-Präsident Joe Biden ins Stocken. Er hat sich vorgenommen, in den USA möglichst schnell den Ausbau von umweltfreundlichen Energiequellen voranzutreiben.
Die Volksrepublik ist Weltmarktführer im Solarbereich und dominiert alle Produktionsschritte. Weltweit stammen drei von vier Solarmodulen und 83 Prozent der Solarzellen aus China. Beim Ausgangsstoff Polysilizium dominiert China 77 Prozent des Weltmarktes. Xinjiang spielt hier wiederum eine besondere Rolle. Geschätzt 50 Prozent der weltweiten Produktion von Polysilizium stammen aus der westchinesischen Region. nib/rtr
Fatih Birol redet nicht um den heißen Brei herum. In seiner Rede vergangene Woche auf der COP27 hob der Chef der Internationalen Energieagentur (IEA) hervor: Wenn alle Länder ihre zugesagten Klimaziele vollständig erfüllen würden, könnte der globale Temperaturanstieg zwar auf 1,7 Grad Celsius begrenzt werden. Das würde das Ziel des Pariser Abkommens von deutlich unter 2 Grad erfüllen. Doch das reiche nicht. Um das eigentlich notwendige 1,5 Grad-Ziel zu erreichen, erfordere es sehr viel mehr Ehrgeiz und Anstrengungen. Beispielsweise bei der Energiewende, die Birol besonders am Herzen liegt.
An der Spitze der IEA verfolgt Birol deshalb eine klare Agenda. Die Organisation soll sich wandeln, hin zu einem globalen Netzwerk für den Übergang zu sauberer Energie. Die Ukraine-Krise “erinnert uns eindringlich daran, dass das derzeitige Energiesystem, das von fossilen Brennstoffen dominiert wird, nicht nachhaltig ist. Wir haben die Chance, die Krise zu einem historischen Wendepunkt hin zu einem saubereren, erschwinglicheren und sichereren Energiesystem zu machen”, schrieb Birol in einem Gastbeitrag für die Financial Times.
Als positive Beispiele für die weltweiten Bemühungen um eine Energiewende nennt Birol die EU mit ihrem REPowerEU-Plan und die USA mit ihrem neuen Inflation Reduction Act. Beide sollen eine breite Palette sauberer Energien fördern. Aber auch Japan, das mit seinem grünen Transformationsplan GX die Wiederinbetriebnahme und den Bau weiterer Kernkraftwerke sowie den Ausbau anderer wichtiger emissionsarmer Technologien anstrebt, hebt Birol hervor. Auch aus China gebe es aus seiner Sicht gute Nachrichten. Das Land baut die erneuerbaren Energien in schnellem Tempo aus und hat die Antriebswende mit E-Autos erfolgreich eingeleitet.
Birol will zudem die 1974 gegründete Organisation modernisieren. Die IEA soll sich Schwellenländern und großen Energieverbrauchern wie China, Indien, Brasilien und Südafrika öffnen. Die derzeit 30 IEA-Mitgliedsstaaten sind fast allesamt Industrieländer. Bevölkerungsreiche Volkswirtschaften wie eben China, Indien und Brasilien haben lediglich einen assoziierten Status.
Birol nennt drei Risikofaktoren bei der Energieversorgung in den nächsten zwei Jahren: das Fehlen von russischem Gas in Europa, die wirtschaftlichen Probleme Chinas und die angespannten Bedingungen auf den LNG-Märkten. “In den kommenden Jahren müssen wir darauf vorbereitet sein, mit schwankenden und hohen Energiepreisen umzugehen, warnte Birol gegenüber Euronews. “Und wir müssen Lösungen finden.”
Birol hat ein gutes Gespür für nahende Krisen. Er hatte schon im Januar 2022 gewarnt, Russland drossele die Gaslieferungen nach Europa zu einem politisch und wirtschaftlich besonders sensiblen Zeitpunkt. “Wir glauben, dass es auf dem europäischen Gasmarkt aufgrund des Verhaltens Russlands zu Engpässen kommt. Ich möchte anmerken, dass die heutigen niedrigen russischen Gasflüsse nach Europa mit erhöhten geopolitischen Spannungen über die Ukraine zusammenfallen,” so Birol . Kurze Zeit später startete Putin seinen Einmarsch in der Ukraine. Eine globale Energiekrise nahm ihren Lauf.
Die niedrigen Gasvorräte in Europa im vergangenen Winter waren laut Birol hauptsächlich auf den russischen Gaskonzern Gazprom zurückzuführen, der Europa mit etwa 25 Prozent weniger Gas als üblich beliefert hatte. Der von Birol vor zehn Monaten erhobene Schuldvorwurf war also eindeutig: Russland sei für die Orchestrierung einer Energiekrise in Europa verantwortlich.
Der 64-jährige Ökonom Birol blickt auf eine lange Karriere in der IEA zurück. Mitte der 1990er Jahre fing er als Analyst an, war bis 2015 Chefökonom und wurde anschließend zum Chef der Organisation ernannt. Er hatte zuvor sechs Jahre lang im Sekretariat der Organisation Erdölexportierender Staaten (OPEC) in Wien gearbeitet. Beim IEA ist Birol verantwortlich für den weltweit beachteten Welt-Energieberichts World Energy Outlook, der alljährlich im November veröffentlicht wird. In einem Interview mit dem US-Sender CNBC sagte Birol 2018, dass “Energie mein Leben ist”. Abgesehen von seiner Liebe zum Beruf gilt seine Leidenschaft dem Fußball. Wenn seine Lieblingsmannschaft, Galatasaray Istanbul, gewinnt, gibt der in Ankara geborene IEA-Chef eine Runde im Büro aus.
Birol betont, dass es sich bei der aktuellen Krise um die erste globale Energiekrise handelt. Anders als bei den Ölkrisen der 1970er Jahre geht es dieses Mal nicht nur um Öl. Russland war bis zum Beginn der Invasion in der Ukraine “der weltweit führende Ölexporteur, der weltweit führende Erdgasexporteur und ein wichtiger Akteur auf den Kohlemärkten.” Isabel Cuesta; Mitarbeit: Nico Beckert
wenn die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse auf dem Tisch. Das passiert auch gerade bei der COP27: Die ägyptische Präsidentschaft hält sich bei ihren Aufgaben so vornehm zurück, dass die Länder selbst anfangen, sich zu organisieren. Eine spannende und ganz neue Koalition entsteht da zwischen dem Kohleland Indien, der EU und Großbritannien und den Inselstaaten, um Kohle, Öl und Gas zurückzudrängen. Ist das ernst gemeint oder nur Taktik? Wir schauen hin.
Alle warten nach wie vor auf Verhandlungstexte, die von der Präsidentschaft kommen sollen. Man will ja wissen, über welche Details genau man sich die nächsten Nächte streiten soll. Der Unmut über die Verhandlungsführung wächst in den Korridoren. Der bekannte Klimaschutz-Index sagt uns wieder einmal, dass alle Staaten zu wenig tun. Und differenziert genau, wie viel zu wenig.
Und Brasilien, die DR Kongo und Indonesien schließen sich schließlich doch zu einer “Regenwald-Opec” zusammen, um ihre Interessen gemeinsam zu vertreten. Deutschland organisiert den “globalen Schutzschild” gegen Klimaschäden, alles außerhalb der offiziellen Verhandlungen. Ohnehin warten die wichtigen Minister und Delegierten in Sharm el Sheikh, was ihre Chefs beim G20-Treffen in Bali so entscheiden.
Das sind nicht die starken Signale der Weltgemeinschaft oder des Gastgebers, die zum Beginn der COP immer beschworen werden. Und es lässt vermuten, dass die Arbeitslast und Hektik in den letzten Tagen (und vor allem Nächten) noch zunimmt. Aber wenn es hier geordnet und gesittet zuginge, wäre es keine COP.
Trotzdem oder deshalb: Wir bleiben dran. Viel Spaß beim Lesen!
Die COP27 steht vor einer explosiven Debatte über die globale Energiewende. Ein indischer Vorstoß, in der Abschlusserklärung das Zurückfahren “aller fossilen Brennstoffe” zu fordern, fand am Montag bei der EU, Großbritannien und Teilen der Inselstaaten Rückendeckung. Andere Länder wie Saudi-Arabien haben bereits signalisiert, einer solchen Abschlusserklärung nicht zuzustimmen.
In dem internen Schreiben, das Climate.Table vorliegt, hat Indien am Wochenende vorgeschlagen, in der Mantel-Erklärung am Ende der Konferenz “den IPCC-Bericht festzuhalten, dass eine Erfüllung der Langzeitziele des Pariser Abkommens erfordert, alle fossilen Brennstoffe zurückzufahren.” Eine Unterscheidung von verschiedenen Emissionsquellen als schädlich oder “grün und nachhaltig” habe “keine Basis in der besten verfügbaren Wissenschaft.”
Der Vorschlag ist Teil der Anträge, die die COP-Präsidentschaft für die Mantel-Erklärung gesammelt hat. Die indische Chefverhandlerin Richa Sharma wunderte sich noch mittags gegenüber Climate.Table: “Warum gibt es nicht mehr Enthusiasmus dafür, alle fossilen Brennstoffe herunterzufahren?” Man habe in Glasgow eine solche Erklärung zur Reduzierung (“phase down”) der Kohle gefunden – “was ist mit den anderen Brennstoffen, die CO2 erzeugen?”, fragt Sharma. Jetzt sei man zu dem Thema mit den anderen Parteien im Gespräch.
Das hat offenbar gefruchtet. “Der Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen steht in Übereinstimmung mit dem Europäischen Green Deal“, erklärte am Nachmittag Jan Dusík, Umweltminister Tschechiens, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, für die EU gegenüber Climate.Table. “Wir sind bereit, an einer angemessenen Sprache im Text der Mantel-Entscheidung zu arbeiten.”
“Wir haben den Vorschlag Indiens anerkannt,” so Dusík weiter. Er schränkte aber ein: “Wir wollen nicht, dass er als Instrument genutzt wird, um uns von unserer Verpflichtung aus dem Glasgow Klimapakt zum Ausstieg aus der Kohle wegzuführen.”
Das Misstrauen gegenüber dem indischen Vorstoß hat verschiedene Gründe:
Auch am Beginn der zweiten Woche hat die Präsidentschaft noch kaum Texte vorgelegt, mit denen die Staaten arbeiten können. Bei der Vorbereitung der “Mantel-Entscheidung” hatten die Ägypter bis Montagabend nur Stimmen gesammelt und sie nicht zusammengefasst. Bis auf wenige Ausnahmen sind die technischen Arbeiten an den Dokumenten nicht wie geplant am Ende der ersten Woche abgeschlossen worden. Eine Übersicht des Klima-Fachportals “Carbon Brief” zeigt, wie viele ungeklärte Fragen noch in den Dokumenten stehen. Manche Texte haben über 240 ungeklärte Fragen.
Die unerledigte Arbeit wurde in die zweite, entscheidende Woche verlagert – und droht nun, zu einem Arbeitsstau zu führen, der die Konferenz blockieren könnte, befürchtet UNFCCC-Chef Simon Stiell: “Es gibt zu viele unerledigte Aufgaben”, so Stiell. Das Problem: Wenn in den nächsten Tagen die Ministerinnen und Minister kommen, dürfen eigentlich nur noch politisch hochbrisante Fragen übrig bleiben, die sie zu klären haben. Technischer Kleinkram stört da nur.
Ob und wie das Thema Energiewende in Sharm el Sheikh behandelt wird, entscheidet sich wahrscheinlich eh in Bali. Beim dortigen G20-Treffen wird auch über Klimapolitik gesprochen. Anders als in Glasgow, als auf dem G20-Gipfel vor der COP entscheidende Fragen geklärt wurden, wartet die COP27 jetzt auf Ergebnisse der G20 – etwa die Wiederaufnahme der Klima-Gespräche zwischen den USA und China (siehe heutige News).
“Der indische Vorstoß ist ein kluger diplomatischer Schachzug“, kommentierte Li Shuo, Klimaexperte von Greenpeace Ostasien. “Für China wird das eine interessante Herausforderung.” Denn einerseits habe China kein Interesse daran, auf den schnellen Ausstieg aus den Fossilen zu drängen, von denen es selbst sehr viel verbraucht. Es wolle am besten verhindern, dass das Thema in der Mantel-Entscheidung auftaucht. Andererseits sind China und Indien in der G77 und der BASIC-Gruppe enge Partner. Die Tatsache, dass China nicht offiziell auf den indischen Vorschlag reagiere, zeige, dass “es nicht weiß, was es sagen soll.”
Auch Christoph Bals von Germanwatch steht dem indischen Antrag grundsätzlich offen gegenüber. Weniger Fossile sei das Ziel, so Bals. Er warnt aber auch: Es gebe eine große Allianz gegen eine solche Erklärung: Afrikanische Länder, die auf Gas setzen, die Ölstaaten und nicht zuletzt die USA, weltweit größter Öl- und Gasproduzent. “Es könnte auch eine taktische Finte von Indien sein, um über eine große Welle an Widerstand jede Erwähnung von Fossilen in der Abschlusserklärung unmöglich zu machen.”
Tatsächlich hatte vor einem Jahr in Glasgow maßgeblich das Kohleland Indien verhindert, dass die Mantel-Erklärung den Ausstieg (“phase down”) aus der Kohle forderte. Das hatte Indien international viel Kritik eingebracht. Mit einer erfolgreichen Kampagne gegen alle fossilen Brennstoffe könnte das Land auch darauf zielen, neue Verbündete wie die Europäer und verletzliche Staaten zu sammeln und seinen ramponierten Ruf aufzupolieren. Mit Nico Beckert und Lukas Scheid
Seit sie das Geld von der Weltbank bekomme, habe sie ein besseres Standing in der Gemeinde, sagt Rasha Shaaban Ahmed. Das eigene Einkommen verschaffe ihr Achtung. Die 38-jährige Mutter von drei Kindern ist eine der Frauen, die in al Amaria, einem Ort in der Nähe der ägyptischen Stadt Alexandria, vom Programm “Takaful” – arabisch für Solidarität – unterstützt werden.
Von den 462 ägyptischen Pfund, die sie monatlich erhält, umgerechnet etwas mehr als 18 Euro, hielt Rasha drei Hühner. Sie kaufte die Küken, zog sie auf und vermarktete sie. Manches Huhn verbesserte auch den Speiseplan ihrer Familie, die aus Rasha selbst, ihrem Mann und ihren drei Kindern besteht. Es lief gut, bis Hühnerfutter durch die Inflation plötzlich unbezahlbar wurde. Doch das monatliche feste Einkommen ist Rasha geblieben.
Sozialnetze wie “Takaful” könnten in Zukunft genutzt werden, um die Gelder des Globalen Schutzschirms gegen Klimarisiken auszuzahlen. Das ist eine der Ideen hinter dem Schirm, den die größten Industriestaaten G7 und die Gruppe der 58 besonders vulnerablen Staaten (V20) gemeinsam entwickelt haben. Am Montag haben sie ihn offiziell auf der COP27 vorgestellt.
Deutschland hat bereits 170 Millionen Euro für den Globalen Schutzschirm zugesagt. Rund 40 Millionen Euro kommen von anderen Industrieländern. Alle Einzahlungen sind Zuschüsse. Auf der COP27 ist zu hören, dass weitere Länder eine Beteiligung erwägen. So könnte noch einmal ein zwei- und ein dreistelliger Millionenbetrag hinzukommen. Es wird allerdings nicht erwartet, dass das noch während des Gipfels offiziell verkündet wird. Zum Vergleich: Allein für die Hilfe nach der Flut im Ahrtal stellte die Bundesregierung 30 Milliarden Euro bereit.
Noch sind viele Details zur technischen Umsetzung des Schirms nicht klar. Das mag auch daran liegen, dass er für jedes Land eine eigene Lösung anbieten soll, die dessen speziellen Bedürfnissen möglichst gut gerecht werden, erarbeitet nach den Maßgaben des Landes selbst. Die grundsätzliche Vorgehensweise könnte so aussehen:
Der Schirm soll schnell einsatzbereit sein. “Wir können nicht weitere zwei Jahre warten”, sagte Sarah Ahmed, Finanzexpertin der V20, anlässlich seines Starts. Sie stellte in Aussicht, dass der Schirm “Anfang 2023” starten könne.
Bangladesch, Costa Rica, Fidschi, Ghana, Pakistan, die Philippinen und Senegal sollen die ersten Empfänger von Unterstützung aus dem Globalen Schutzschirm sein. Der Schirm werde “eine Schlüsselrolle darin spielen, Mittel für finanzielle und soziale Schutzpakete zu erhalten, um unsere Wirtschaft, unsere Unternehmen und unsere Gemeinden zu schützen”, sagte Ghanas Finanzminister Ken Ofori-Atta, dessen Land derzeit den Vorsitz der V20 innehat.
Er hoffe, dass der Globale Schutzschirm dazu beitrage, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen und Finanzlücken für den Klimaschutz zu schließen. Die Frage der Finanzierung gehört auf den jährlichen UN-Klimagipfeln kontinuierlich zu den umstrittensten Themen. Deutschland wolle in dem Streit um Loss-and-Damage-Geld Brücken bauen, sagte Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze, die auf der Pressekonferenz zum Start des Globalen Schirms für die G7 sprach. Sie betonte ausdrücklich, was der Schutzschirm nicht sein solle:
Die Resonanz auf der COP27 war größtenteils vorsichtig positiv. Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch wertet den Schutzschirm als “guten Anfang” in der Loss-and-Damage-Debatte. Doch die darin enthaltene Summe sei “nur ein Tropfen auf den heißen Stein”. Andere Organisationen auf der COP27 fürchten ein Ablenkungsmanöver.
“Es ist gut, dass der Globale Schirm weitergeht als die vorherige InsuResilience-Initiative der G7, die nur Versicherungslösungen beinhaltete”, kommentierte Saleemul Huq, Klimawissenschaftler aus Bangladesch, gegenüber Climate.Table. “Aber der Teufel liegt immer im Detail.” Er freue sich darauf, mehr über die Funktionsweise des Schirms zu lernen. Huq fragte: “Wann wird es die erste Auszahlung an ein Opfer geben?”
Bareesh Chowdhury, Asien-Pazifik-Koordinator von Friends of the Earth International, fand kritischere Worte. Er nannte den Globalen Schirm ein “zynisches Schema”, mit dem Deutschland und andere Regierungen von der “überlebenswichtigen Finanznot” der vulnerablen Länder ablenkten.
Auf Twitter differenzierte er: Der Globale Schirm sei “eine Lösung, aber eine, um die niemand bittet.” Schon jetzt flössen viele Loss-and-Damage-Finanzversprechen in den Schutzschirm – und nicht in den grundsätzlichen Finanzmechanismus, über den gerade auf der COP27 verhandelt wird. Chowdhury befürchtet deshalb, der Globale Schirm könne dazu führen, dass auf dem Gipfel keine Einigung über einen Loss-and-Damage-Mechanismus im Rahmen der UNFCCC zustande kommt. “Wenn der Schirm aber als Entschuldigung dient, um wirklicher Klimafinanzierung zu widerstehen, müssen wir das anklagen.”
Zumindest die Frage der Finanzierung von Antworten auf “Loss and Damage” ist in Sharm el Sheikh Teil der offiziellen Verhandlungen. Am Montag gab es bereits einen ersten, noch sehr allgemein gehaltenen Entwurf einer möglichen Einigung. Drei wesentliche Punkte darin:
Al Amaria, der Ort, in dem Rasha und ihre Familie leben, liegt im Nildelta nicht weit von der Küste entfernt. Hier steigt der Meeresspiegel um etwa einen Zentimeter im Jahr, wenn man die Absenkung des Bodens mit einbezieht. Mit dem Wasser steigt die Flutgefahr. Kommt es zu Überschwemmungen, könnte Rasha über “Takaful” zusätzliche finanzielle Hilfe erhalten.
Im Moment aber wünscht sie sich vor allem eines: Dass die monatlichen Zahlungen nicht ausbleiben, und sie weiter die Freiheit genießt, über ihr eigenes Einkommen zu entscheiden.
Um das 1,5-Grad-Ziel in Reichweite zu halten, müssen vor allem die Industrie- und Schwellenländer ihre Treibhausgasemissionen reduzieren. Eine neue Analyse von Germanwatch und dem New Climate Institute zeigt, dass die 60 größten THG-Emittenten dieses Ziel verfehlen und wo die Länder noch aufholen müssen.
China als derzeit größter Emittent hat dabei weiterhin zwei Gesichter. Laut dem Klimaschutz-Index 2023, der am Montag auf der COP27 in Sharm el-Sheikh vorgestellt wurde, belegt China von den 59 untersuchten Ländern (+ EU) nur Platz 51. Der Index hält Peking zwar zugute, dass China seine Erneuerbaren Energien massiv ausbaut. Dennoch reduziere das Land seine Treibhausgasemissionen nicht schnell genug.
Deutschland rutscht im Vergleich zum Vorjahr um drei Plätze auf Rang 16 ab. Grund dafür seien der verlangsamte Erneuerbaren-Ausbau bis 2020 und der starke Anstieg der Emissionen im Verkehrssektor im Jahr 2021, heißt es in der Erläuterung des Indexes.
Der Index wird auf der Grundlage objektiver Kriterien sowie Expertenbefragungen erstellt. Dabei fließen die Treibhausgasemissionen eines Landes (40 Prozent Gewichtung), die Menge Erneuerbarer (20 Prozent), Energieeffizienz (20 Prozent), nationale sowie internationale Klimapolitik (jeweils 10 Prozent) mit ein. Traditionell bleiben die ersten drei Plätze des Indexes frei, da kein Land in allen Kategorien mit “sehr hoch” abschneide.
China landet allein bei den Erneuerbaren auf einem mit “hoch” bewerteten Platz 17. Doch Investitionen in neue Kohlekraftwerke und dem weiteren Ausbau der Kohleverstromung senken den Schnitt deutlich. Im Vergleich zum vergangenen Jahr ist China sogar um 13 Plätze zurückgefallen.
Gewohnt schlecht schneiden auch die USA ab (Platz 52). Das Hauptproblem sei, dass die USA die Förderung fossiler Brennstoffe im eigenen Land nicht einstellen und weiterhin fossile Brennstoffe subventionieren. Beim Ausbau der Erneuerbaren landen die USA auf dem fünftletzten Platz.
Überraschend gut schneidet Indien ab (Platz acht, vorher zehn), obwohl das Land zu den größten Kohleproduzenten gehört. Das liegt an den niedrigen Pro-Kop-Emissionen Indiens und einem guten Abschneiden bei der Energieeffizienz. Auf dem afrikanischen Kontinent dominiert Marokko den Index (Platz sieben). Das Land sei Vorreiter bei der Reduzierung seiner Emissionen und habe diese Bemühungen nach der COP22 verstärkt. Kritisiert wird jedoch, dass geltende Gesetze nicht durchgesetzt werden und die Industrie sie nicht einhält.
In Südamerika liegt Chile (Platz sechs) an der Spitze. Die gute Bewertung sei auf die “relativ niedrigen Pro-Kopf-Emissionen von 2,24 Tonnen CO2-Äquivalente (inklusive Senkleistung)” zurückzuführen. Für die Klimapolitik erhält Chile nur eine mittelmäßige Bewertung, da das Land keine ausreichenden Strategien zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an die Wasserknappheit hat.
G7-Land Japan landet auf Rang 50, da es laut den Erstellern des Indexes noch keinen klaren Fahrplan für seine ohnehin schon nicht ausreichenden Klimaziele gibt. Japan hat keinen Kohleausstieg in Aussicht, keine wirksamen Kohlenstoffpreise und keinen soliden Entwicklungsplan für Erneuerbare, heißt es.
Die untersuchten Länder sind die 59 größten Emittenten, die Ukraine wurde angesichts des Krieges in diesem Jahr nicht untersucht. Darunter sind alle 27 Mitgliedstaaten der EU. Als Block landet die EU mit Platz 19 im oberen Mittelfeld – drei Plätze besser als im vergangenen Jahr. Zwar gehört die EU zu den Top 4 in der Klimapolitik – Auf Platz 1 (Dänemark) und Platz 3 (Niederlande) sind ebenfalls EU-Mitglieder. Doch weil die Pro-Kopf-Emissionen nach wie vor hoch sind (Platz 24) und der Erneuerbaren-Ausbau stockt (Platz 26), fällt die EU ab. Beim Gesamtergebnis liegen mit Dänemark und Schweden, wie schon im vergangenen Jahr, ebenfalls zwei Europäer auf den Top-Plätzen. luk
Chile und Mexiko haben auf der COP27 neue Klimaziele (NDCs) bekannt gegeben. Indien hat eine Langfriststrategie vorgestellt, wie das NDC erreicht werden soll und Argentinien seine Pläne bis 2030.
Mexikos neues Klimaziel:
Mexikos Außenminister Marcelo Ebrard stellte diese Ziele am Samstag auf der COP vor, sagte aber nicht, welches THG-Niveau oder Vergleichsjahr dem neuen Reduktionsziel zugrunde liegt. Mexikos bisheriges NDC geht von einem Basisszenario bis 2030 ohne politische Maßnahmen (991 MtCO2e) zur THG-Minderung aus. Weitere Details, wie Mexiko diese Ziele erreichen will, sind ebenfalls noch nicht bekannt.
Chiles neues Klimaziel:
Diese Ziele sollen “durch die verstärkte Umsetzung von Maßnahmen an den relevanten Stellen auf nationaler Ebene und durch die Ausrichtung der Arbeiten für die nächste Aktualisierung des NDC erreicht werden”, heißt es in der Ankündigung des chilenischen Umweltministeriums. Weitere Details hat das Ministerium allerdings noch nicht bekannt gegeben. Jedoch erklärte es, dass Chile seine Treibhausgasemissionen (unter Berücksichtigung der Senkleistung) 2020 im Vergleich zu 2018 um vier Prozent senken konnte.
Indien stellte gestern eine Langfriststrategie vor und skizziert zum ersten Mal, wie es sein Ziel der Dekarbonisierung bis 2070 erreichen will. Darin enthalten:
Argentiniens Pläne bis 2030:
Diese sechs Punkte werden in 250 Maßnahmen und Instrumente aufgeschlüsselt. In seinem NDC gibt Argentinien vor, dass die Nettoemissionen aller Wirtschaftssektoren 349 Mio. tCO2e bis 2030 nicht überschreiten dürfen. Wie das Land dieses Ziel erreichen will, geht aus den Plänen allerdings nicht hervor, weshalb Experten vor zu großer Euphorie warnen. nib/luk
Die drei Länder mit den größten Regenwaldflächen der Welt haben eine Allianz zum Schutz ihrer Tropenwälder geschlossen. Brasilien, Indonesien und die DR Kongo haben eine strategische Partnerschaft zum Schutz des Regenwaldes beschlossen.
Ziel der Allianz ist es,
Die Allianz wurde am Montag vor dem G20-Gipfel in Bali von Vertretern der drei Länder formell beschlossen. Für Brasilien unterschrieb ein Vertreter der abgewählten Bolsonaro-Regierung, unter der die Entwaldung stark zugenommen hatte (Climate.Table berichtete). Auch der kommende Präsident Lula hat Pläne für eine ähnliche Allianz. Er tritt sein Amt zum 1. Januar 2023 an. In den die drei Staaten befinden sich 52 Prozent der weltweit verbliebenen tropischen Primärwälder. Die Allianz ist Ergebnis von rund zehn Jahre unregelmäßig geführter Gespräche über ein trilaterales Regenwald-Bündnis. nib/rtr
Eine neue Analyse der “Energy and Climate Intelligence Unit” (ECIU) ist optimistisch, dass die vier größten Treibhausgas-Emittenten schnelle Fortschritte bei der Energiewende machen. Die EU-Staaten, China und Indien könnten ihre Klimaziele (NDCs) schneller erreichen als geplant, schreibt die britische NGO. Die Analysten haben dafür die Umsetzung der Klima-Politik, wirtschaftliche Trends und Expansionspläne von Unternehmen untersucht.
Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten:
China:
Allerdings ist Chinas NDC nicht Paris-konform, eine Beschleunigung bei der Emissionsreduzierung ist notwendig (Climate.Table berichtete).
Indien:
USA:
Allerdings müssten die USA “noch einiges tun, um die Obergrenze des US-NDC einer Emissionsreduktion 52 Prozent zu erreichen”. Laut Climate Action Tracker ist sogar eine Reduktion um 63 Prozent nötig, um das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Abkommens zu erfüllen. nib
Das Treffen von US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi Jinping im Rahmen des G20-Gipfels macht Hoffnung auf eine Wiederaufnahme des eingefrorenen Klimadialogs beider Staaten. Nach dem dreistündigen Treffen am Montag auf der indonesischen Insel Bali betonte Biden nach Angaben des Weißen Hauses, dass beide Länder in großen Fragen der Welt wie Klimawandel, wirtschaftliche Stabilität, Schuldenerlass, Gesundheit und Nahrungsmittelsicherheit zusammenarbeiten müssten. Beide Präsidenten hätten ihre führenden Beamten beauftragt, “konstruktive Bemühungen in diesen und anderen Fragen zu vertiefen”, hieß es weiter.
Doch eine offizielle Wiederaufnahme der bilateralen Klimagespräche beschlossen sie noch nicht. Die chinesische Seite lässt eher zwischen den Zeilen Fortschritte erahnen. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua meldete, beide Seiten wollten:
Der bilaterale Klimadialog wurde nach dem Besuch der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosis auf Taiwan von China auf Eis gelegt. Er geht auf die gemeinsame Erklärung der USA und Chinas von der Klimakonferenz COP26 in Glasgow zurück. Damals beschlossen beide Seiten eine Verstärkung der Klimamaßnahmen in den 2020-er Jahren. Unter anderem hatten sie in diesem Jahr über Maßnahmen zur Reduktion des Methanausstoßes verhandeln wollen.
Trotz aller Unverbindlichkeit lösten die Berichte aus Bali bei Beobachtern vorsichtigen Optimismus aus. “Beide Seiten scheinen akzeptiert zu haben, dass sie über bestehende ‘Arbeitsgruppen’ kommunizieren sollten”, meint Byford Tsang vom Klima-Thinktank E3G. Und in einer dieser Gruppen gehe es eben um das Klima. Die beiden Klima-Sondergesandten Xie Zhenhua und John Kerry hatten sich auf der COP27 bisher nur informell ausgetauscht. Ob sie sich in den letzten Tagen der COP27 noch offiziell treffen dürfen, war zunächst unklar. ck
In US-Häfen hängen über 1.000 Solarenergiekomponenten fest, die aus China importiert wurden. Laut Aussagen von Zollbeamten gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters hat der US-Zoll zwischen dem 21. Juni und dem 25. Oktober 1.053 Lieferungen beschlagnahmt. Freigaben seien bislang nicht erteilt worden.
Grund der Blockade ist der im Juni in Kraft getretene Uyghur Forced Labor Prevention Act (UFLPA). Importeure müssen nachweisen, dass Waren oder Bestandteile von Produkten aus der Region Xinjiang nicht in Zwangsarbeit hergestellt wurden (China.Table berichtete).
Dem Reuters-Bericht zufolge handelt es sich bei den Produkten unter anderem um Paneele und Polysiliziumzellen, die im Wesentlichen von drei chinesischen Firmen hergestellt würden: Longi Green Energy Technology, Trina Solar und JinkoSolar. Jinko erklärte in einer E-Mail, das Unternehmen arbeite mit der US-Zollbehörde daran, zu dokumentieren, dass seine Lieferungen nicht mit Zwangsarbeit in Verbindung stehen. Die Firma zeige sich “zuversichtlich, dass die Lieferungen zugelassen werden”.
Der US-Zoll wollte sich laut Reuters nicht dazu äußern, wie lange die Lieferungen bereits festgehalten und wann und ob sie freigegeben würden. “Letztendlich hängt es davon ab, wie schnell ein Importeur in der Lage ist, ausreichende Unterlagen vorzulegen”, sagte eine Sprecherin.
Die Lieferprobleme bringen auch die Klimapolitik von US-Präsident Joe Biden ins Stocken. Er hat sich vorgenommen, in den USA möglichst schnell den Ausbau von umweltfreundlichen Energiequellen voranzutreiben.
Die Volksrepublik ist Weltmarktführer im Solarbereich und dominiert alle Produktionsschritte. Weltweit stammen drei von vier Solarmodulen und 83 Prozent der Solarzellen aus China. Beim Ausgangsstoff Polysilizium dominiert China 77 Prozent des Weltmarktes. Xinjiang spielt hier wiederum eine besondere Rolle. Geschätzt 50 Prozent der weltweiten Produktion von Polysilizium stammen aus der westchinesischen Region. nib/rtr
Fatih Birol redet nicht um den heißen Brei herum. In seiner Rede vergangene Woche auf der COP27 hob der Chef der Internationalen Energieagentur (IEA) hervor: Wenn alle Länder ihre zugesagten Klimaziele vollständig erfüllen würden, könnte der globale Temperaturanstieg zwar auf 1,7 Grad Celsius begrenzt werden. Das würde das Ziel des Pariser Abkommens von deutlich unter 2 Grad erfüllen. Doch das reiche nicht. Um das eigentlich notwendige 1,5 Grad-Ziel zu erreichen, erfordere es sehr viel mehr Ehrgeiz und Anstrengungen. Beispielsweise bei der Energiewende, die Birol besonders am Herzen liegt.
An der Spitze der IEA verfolgt Birol deshalb eine klare Agenda. Die Organisation soll sich wandeln, hin zu einem globalen Netzwerk für den Übergang zu sauberer Energie. Die Ukraine-Krise “erinnert uns eindringlich daran, dass das derzeitige Energiesystem, das von fossilen Brennstoffen dominiert wird, nicht nachhaltig ist. Wir haben die Chance, die Krise zu einem historischen Wendepunkt hin zu einem saubereren, erschwinglicheren und sichereren Energiesystem zu machen”, schrieb Birol in einem Gastbeitrag für die Financial Times.
Als positive Beispiele für die weltweiten Bemühungen um eine Energiewende nennt Birol die EU mit ihrem REPowerEU-Plan und die USA mit ihrem neuen Inflation Reduction Act. Beide sollen eine breite Palette sauberer Energien fördern. Aber auch Japan, das mit seinem grünen Transformationsplan GX die Wiederinbetriebnahme und den Bau weiterer Kernkraftwerke sowie den Ausbau anderer wichtiger emissionsarmer Technologien anstrebt, hebt Birol hervor. Auch aus China gebe es aus seiner Sicht gute Nachrichten. Das Land baut die erneuerbaren Energien in schnellem Tempo aus und hat die Antriebswende mit E-Autos erfolgreich eingeleitet.
Birol will zudem die 1974 gegründete Organisation modernisieren. Die IEA soll sich Schwellenländern und großen Energieverbrauchern wie China, Indien, Brasilien und Südafrika öffnen. Die derzeit 30 IEA-Mitgliedsstaaten sind fast allesamt Industrieländer. Bevölkerungsreiche Volkswirtschaften wie eben China, Indien und Brasilien haben lediglich einen assoziierten Status.
Birol nennt drei Risikofaktoren bei der Energieversorgung in den nächsten zwei Jahren: das Fehlen von russischem Gas in Europa, die wirtschaftlichen Probleme Chinas und die angespannten Bedingungen auf den LNG-Märkten. “In den kommenden Jahren müssen wir darauf vorbereitet sein, mit schwankenden und hohen Energiepreisen umzugehen, warnte Birol gegenüber Euronews. “Und wir müssen Lösungen finden.”
Birol hat ein gutes Gespür für nahende Krisen. Er hatte schon im Januar 2022 gewarnt, Russland drossele die Gaslieferungen nach Europa zu einem politisch und wirtschaftlich besonders sensiblen Zeitpunkt. “Wir glauben, dass es auf dem europäischen Gasmarkt aufgrund des Verhaltens Russlands zu Engpässen kommt. Ich möchte anmerken, dass die heutigen niedrigen russischen Gasflüsse nach Europa mit erhöhten geopolitischen Spannungen über die Ukraine zusammenfallen,” so Birol . Kurze Zeit später startete Putin seinen Einmarsch in der Ukraine. Eine globale Energiekrise nahm ihren Lauf.
Die niedrigen Gasvorräte in Europa im vergangenen Winter waren laut Birol hauptsächlich auf den russischen Gaskonzern Gazprom zurückzuführen, der Europa mit etwa 25 Prozent weniger Gas als üblich beliefert hatte. Der von Birol vor zehn Monaten erhobene Schuldvorwurf war also eindeutig: Russland sei für die Orchestrierung einer Energiekrise in Europa verantwortlich.
Der 64-jährige Ökonom Birol blickt auf eine lange Karriere in der IEA zurück. Mitte der 1990er Jahre fing er als Analyst an, war bis 2015 Chefökonom und wurde anschließend zum Chef der Organisation ernannt. Er hatte zuvor sechs Jahre lang im Sekretariat der Organisation Erdölexportierender Staaten (OPEC) in Wien gearbeitet. Beim IEA ist Birol verantwortlich für den weltweit beachteten Welt-Energieberichts World Energy Outlook, der alljährlich im November veröffentlicht wird. In einem Interview mit dem US-Sender CNBC sagte Birol 2018, dass “Energie mein Leben ist”. Abgesehen von seiner Liebe zum Beruf gilt seine Leidenschaft dem Fußball. Wenn seine Lieblingsmannschaft, Galatasaray Istanbul, gewinnt, gibt der in Ankara geborene IEA-Chef eine Runde im Büro aus.
Birol betont, dass es sich bei der aktuellen Krise um die erste globale Energiekrise handelt. Anders als bei den Ölkrisen der 1970er Jahre geht es dieses Mal nicht nur um Öl. Russland war bis zum Beginn der Invasion in der Ukraine “der weltweit führende Ölexporteur, der weltweit führende Erdgasexporteur und ein wichtiger Akteur auf den Kohlemärkten.” Isabel Cuesta; Mitarbeit: Nico Beckert