Table.Briefing: Climate

EU: Schweden überrascht + H2: Kein Iridium-Mangel + Agrar-ETS geplant + JETP für Senegal

Liebe Leserin, lieber Leser,

manchmal gibt es selbst in der Klimaberichterstattung gute Nachrichten – und völlig ungeplant ballen sie sich in diesem aktuellen Briefing: So hat zum Beispiel Schweden im letzten halben Jahr als EU-Ratspräsidentschaft die Befürchtungen widerlegt, die neue rechte Regierung werde jeden Fortschritt bei Energie, Klima und Green Deal blockieren, schreibt unser Kollege Magnus Nilsson aus Stockholm. Dann hat Nico Beckert recherchiert, dass die Angst vor einem Engpass bei Iridium wohl übertrieben ist, einem wichtigen Rohstoff für die Wasserstoffindustrie. Im Senegal ist nun die nächste Partnerschaft zur globalen Energiewende JETP auf dem Weg. Und die EU plant jetzt, auch in der Landwirtschaft das effektive Instrument des Emissionshandels anzuwenden.

Aber weil das hier ein Klima-Briefing ist, können wir natürlich nicht nur über das Positive berichten: Weltweit werden weiter kaum gebremst die Tropenwälder vernichtet, die Emissionen aus der Energieindustrie steigen trotz aller Rekorde der Erneuerbaren, selbst Vorreiter wie Großbritannien schwächeln an ihren Klimazielen und in vielen Weltregionen leiden Menschen unter Hitzewellen.

Umso mehr Gründe, auf dem Laufenden zu bleiben. Behalten Sie einen langen Atem!

Analyse

Klimapolitik: Schwedens EU-Präsidentschaft wirksamer als befürchtet

Wenn es um Forstpolitik geht, stellt sich Schweden oft gegen die Mehrheit der EU.

Im Herbst 2022 hatten EU-Klimapolitiker einen Verdacht: Die Kommission würde in Abstimmung mit der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft so viele Dossiers des Klimapakets Fit for 55 durchdrücken wie möglich – bevor Schweden im Januar 2023 die Ratspräsidentschaft übernahm. Die Befürchtung: Die neu gewählte rechte schwedische Regierung, die sich auf die rechtsextremen, EU-skeptischen Schwedendemokraten stützt (die teilweise den Klimawandel leugnen), könnte versuchen, legislative Entscheidungen zu Fragen von Klimapolitik und EU-Green-Deal zu blockieren.

Am Ende der schwedischen Ratspräsidentschaft zeigt sich: Die Befürchtungen waren teilweise berechtigt, weil sich Schweden – als Mitgliedstaat – in einigen Fällen (alle im Zusammenhang mit der Forstwirtschaft) gegen die von Schweden – dem EU-Ratspräsidenten – vorgelegten Kompromisse stellte. Allgemein aber habe die schwedische Regierung die Rolle des “ehrlichen Maklers” in der EU-Präsidentschaft gut und professionell ausgefüllt, so Experten. Und sie hat viele Vorschläge der Kommission in Beschlüsse oder zumindest in Vereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament überführt.

Geerbt: Meilensteine der EU-Klimapolitik

Langfristig am wichtigsten war wohl die endgültige Verabschiedung der neuen Fassungen der drei Säulen der EU-Klimagesetzgebung:

  • die Richtlinie über den Emissionshandel
  • die Verordnungen über die Aufteilung des “Effort-Sharing
  • die Regelungen zur Landnutzung LULUCF (natürliche Kohlenstoffsenken).

In allen drei Fällen wurden die Trilog-Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament bereits während der tschechischen Präsidentschaft abgeschlossen. Die Schweden verwalteten nur noch die formellen Beschlüsse, die im März und April 2023 gefasst wurden. Damit gibt es seit Mai eine EU-Gesetzgebung, die garantiert, dass die Netto-Treibhausgasemissionen der EU 2030 um 57 Prozent unter dem Niveau von 1990 liegen werden. Das ist ein Meilenstein.

Darüber hinaus wurden während der schwedischen Ratspräsidentschaft Vereinbarungen über mehr als zehn sektorbezogene Klimagesetzgebungen getroffen. Unter ihnen sind:

  • die Förderung erneuerbarer Energien und der Energieeffizienz
  • Regeln für das obligatorische Angebot an Ladestationen für E-Autos
  • Vorschriften zur Verwendung erneuerbarer Kraftstoffe im Schiffs- und Luftverkehr.

Die Bremser: Deutschland und Frankreich

Zu Bremsern im Prozess wurden nicht wie erwartet die Schweden, sondern die deutsche und die französische Regierung. Plötzlich unterstützten sie Trilog-Vereinbarungen nicht mehr, denen sie zuvor zugestimmt hatten:

Diese Konflikte wurden schließlich gelöst, offenbar mehr durch Interventionen der Kommission als durch Bemühungen des Ratspräsidenten, hieß es in Brüssel.

Forstwirtschaft: Schweden und die EU uneins

Deutlich wurde auch wieder einmal bei mehreren Gelegenheiten, dass Schweden in Fragen der Forstwirtschaft im Widerspruch zur Mehrheit der Union steht. Schweden enthielt sich der Stimme, als die endgültigen Beschlüsse über die Verordnungen zur Entwaldung und zu den Kohlenstoffsenken (LULUCF) gefasst wurden. Das Argument: Die neuen Rechtsvorschriften würden der Entwicklung einer nachhaltigen Forstwirtschaft schaden.

In einer Koalition mit anderen Mitgliedstaaten gelang es Schweden auch, die Naturschutzanforderungen an Waldbiomasse in der Richtlinie über erneuerbare Energien zu verwässern. Diese Anforderungen garantieren eine “Nullanrechnung” der Emissionen aus biogenem Kohlendioxid im Rahmen des Emissionshandelssystems. Der Hintergrund: Bei strengeren ökologischen Anforderungen an die Forstwirtschaft müssten die schwedische Zellstoff- und Papierindustrie sowie die vielen großen schwedischen Fernheizwerke, die auf Biomasse basieren, viel Geld für den Kauf von Emissionszertifikaten ausgeben, um diese Emissionen abzudecken.

Böse Briefe und schwedische Wende im Umweltministerrat

Bemerkenswert allerdings: Auf der letzten Tagung des Umweltrates unter schwedischer Führung am 20. Juni stimmte Schweden gegen seinen eigenen Kompromiss für einen gemeinsamen Standpunkt der EU-Regierungen zur Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (“Nature Restoration Law”). Eine Woche vor der Tagung zog Schweden einen Kompromisstext, der bereits von einer stabilen Mehrheit der Mitgliedstaaten unterstützt wurde, von der Tagesordnung der Sitzung der EU-Botschafter zurück.

Mehrere Mitgliedstaaten werteten dies als Hinweis darauf, dass Schweden nicht beabsichtigte, den Kompromiss auf der Ministertagung vorzulegen, wodurch sich seine Annahme verzögerte. Aus Protest schrieben Frankreich, Deutschland, Spanien und Luxemburg einen Brief an Schweden und baten um Klarstellung. Schließlich tauchte das Thema auf der Tagesordnung des Rates auf, wo der schwedische Kompromissvorschlag trotz der Gegenstimme Schwedens weitgehend angenommen wurde.

“Im Allgemeinen wurde die Ratspräsidentschaft sehr professionell und erfolgreich geführt, aber der Umgang mit der Verordnung über die Wiederherstellung der Natur könnte ihr einen kleinen Makel verpassen”, meint Ylva Nilsson, Kommentatorin der Tageszeitung Expressen. “Schweden ist bekannt dafür, dass es ziemlich aggressiv ist, wenn es um Umweltanforderungen an die Forstwirtschaft und die Forstindustrie geht”.

Mats Engström, leitender Berater beim Schwedischen Institut für Europapolitik (SIEPS), erklärt das schwedische Votum gegen den eigenen Kompromiss zum “Nature Restoration Law” damit, es passe zur Rolle des Ratsvorsitzes als “ehrlicher Makler”. Er fügt hinzu: “Das Verhalten ist selten, kommt aber hin und wieder vor. Was es problematisch und bemerkenswert macht, ist das Protestschreiben von vier Mitgliedsstaaten”.

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  • Klimapolitik
  • LULUCF
  • Schweden
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Wasserstoff: Keine Angst vor Iridium-Mangel

Die sichere Rohstoffversorgung Europas wird derzeit immer mehr zum Thema. “Eine bessere Diversifizierung unserer Rohstoffversorgung ist Wirtschaftssicherheit“, sagte Wirtschaftsminister Habeck am Montag nach einem Treffen mit seinen Amtskollegen aus Frankreich und Italien, Bruno Le Maire und Adolfo Urso. Die Minister wollen die Abhängigkeit von einzelnen Ländern bei Rohstoffexporten verringern. Insbesondere auch grüne Technologien sind auf viele “kritische Rohstoffe” angewiesen.

Die EU arbeitet derzeit mit Nachdruck an einem Critical Raw Materials Act, um die Rohstoffversorgung sicherzustellen. Und auch die Wasserstoffindustrie schaut sorgenvoll auf das Thema Rohstoffe. Bei Iridium und Platin bestünden große Abhängigkeiten von Südafrika, die sich “nicht vermeiden lassen” würden, steht in einer gemeinsamen Erklärung mit der EU-Kommission.

Doch Experten geben Entwarnung: Die EU laufe nicht in eine Iridium-Falle. Die Abhängigkeiten, so das Urteil von Fachleuten, ließen sich gut managen.

Industrie: Abhängigkeit lasse sich “nicht vermeiden”

Mit Wasserstoff verbinden sich viele Hoffnungen. Der Energieträger soll helfen, schwer zu dekarbonisierende Industrien, wie Zement und Stahl, klimafreundlicher zu machen. Er soll das Klimaproblem der Containerschiffe lösen und einige hoffen gar, Wasserstoff in Brennstoffzellenautos und beim Heizen einzusetzen. Doch bisher ist der Stoff noch rar und gilt als “Champagner der Energiewende”.

Die EU und ihre Mitgliedsstaaten wollen das ändern. Bis 2030 sollen EU-weit zehn Millionen Tonnen Wasserstoff produziert und Elektrolyseure mit einer Leistung von 40 Gigawatt installiert werden – derzeit kann die Industrie jährlich gut 3 GW an Kapazität produzieren. Der Großteil des Wasserstoffs soll klimafreundlich aus erneuerbarem Strom produziert werden. Dafür braucht es Milliarden-Investitionen in Elektrolyseure zur Herstellung von Wasserstoff.

Wird das Iridium für Elektrolyseure knapp?

Wirtschaftsvertreter befürchten dabei einen Iridium-Mangel. Dieser Rohstoff wird für eine wichtige Elektrolyseur-Technologie (Polymerelektrolytmembran Elektrolyseure (PEMEL)) benötigt, die als besonders gut vereinbar mit schwankenden erneuerbaren Energien gelten. Und auf den ersten Blick scheint sich hier der “perfekte Sturm” einer Rohstoffknappheit abzuzeichnen:

  • Weltweit werden jährlich nur acht Tonnen an Iridium gefördert – einem der weltweit am seltensten vorkommenden Rohstoffe.
  • “Massive Produktionssteigerungen” sind “nur in engen Grenzen, wenn überhaupt möglich”, so der Iridium-Experte Schmidt von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR).
  • Der Bedarf nach Iridium für die sogenannten PEM-Elektrolyseure könnte bis in die 2030er Jahre auf 34 bis über 45 Tonnen steigen, sagt BGR-Experte Schmidt mit Bezug auf die Studie “Rohstoffe für Zukunftstechnologien”, die 2021 von der Deutschen Rohstoffagentur veröffentlicht wurde.
  • 80 bis 85 Prozent des Iridiums stammen aus Südafrika. Russland folgt als zweitgrößter Produzent, veröffentlicht jedoch keine Zahlen. In Südafrika dominieren wenige Unternehmen die Iridium-Produktion. Sie haben eine “große Marktmacht und bestimmen Angebot und Preis”, schreiben die Forscher des Fraunhofer-Instituts.
  • In den letzten Jahren kam es zu einer Preisexplosion bei Iridium. Im Dezember 2020 kostete die Feinunze noch gut 1.400 Euro. Zwischenzeitlich stieg der Preis auf über 6.000 Euro an und liegt derzeit bei gut 4.300 Euro.

Es gibt zwar Vorkommen in Skandinavien und Kanada. Doch es würde Jahre dauern, diese zu erschließen. Die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) geht deshalb von einem “hohen Versorgungsrisiko” aus, das Fraunhofer-Institut sogar von einem “äußerst hohen Versorgungsrisiko”.

Iridium-Engpass? Experten geben Entwarnung

Wird also ein Iridium-Engpass den Ausbau der Wasserstoff-Wirtschaft bremsen? Andere Experten geben Entwarnung. “Nach dem derzeitigen Stand rennen wir bei Elektrolyseuren nicht in eine Iridium-Sackgasse”, sagt Felix Müller, Rohstoffexperte des Umweltbundesamts.

Zwar müsse man Rohstofffragen im Blick behalten – aber die gerade entstehende Wasserstoffindustrie würde ein Iridium-Engpass wohl kaum ausbremsen, meinen auch andere Experten.

Drei Faktoren werden angeführt:

  • PEM-Elektrolyseure lassen sich durch andere Technologien ersetzen. Sie gelten zwar als “Second-Best-Lösungen”, ihre Nachteile sind jedoch nicht allzu groß.
  • Durch Innovationen lässt sich der Iridium-Bedarf für PEM-Elektrolyseure wohl schnell senken.
  • Der Wasserstoff-Bedarf wird wahrscheinlich nicht so hoch sein, wie in der Studie “Rohstoffe für Zukunftstechnologien” prognostiziert. Dementsprechend braucht es weniger Elektrolyseure und weniger Iridium.

Michael Haendel, Autor des Kapitels zu Wasserstoff in der Studie “Rohstoffe für Zukunftstechnologien” sagt gegenüber Table.Media: “Bei den meisten Anwendungsfällen zur Wasserstoffherstellung können sowohl PEM-Elektrolyseure (PEMEL) als auch alkalische Elektrolyseure (AEL) synonym eingesetzt werden. AEL sind dabei meist nicht auf kritische Edelmetalle angewiesen und kommen ohne einen Iridium-Bedarf aus.” Auch die AEL ließen sich mit schwankenden erneuerbaren Energien vereinbaren, so der Experte des Fraunhofer ISI.

Großes Innovationspotenzial bei Elektrolyseuren

Haendel geht zudem davon aus, dass der “Iridium-Bedarf für PEM-Elektrolyseure in naher Zukunft durch Innovationen” gesenkt werden kann. Laut einer Fraunhofer-Studie kann der Iridium-Gehalt von damals (2018) 0,667 Gramm pro Kilowatt auf 0,05 Gramm im Jahr 2035 gesenkt werden. Laut Fraunhofer-Szenario würde der Iridium-Bedarf in Deutschland für den Elektrolyseur-Zubau im Jahr 2027 einen Spitzenwert von circa 540 Kilogramm erreichen. Weil auch andere Staaten Elektrolyseure installieren, könnte es theoretisch zu Iridium-Knappheiten kommen. Doch Haendel gibt Entwarnung: “Sollte es zu einem Iridium-Mangel kommen, ist davon auszugehen, dass man verstärkt auf andere Wasserstoffelektrolyseur-Technologien setzt”.

Auch Müller warnt vor Panik. Man müsse Rohstofffragen bei neuen Technologien natürlich im Blick behalten. Doch “die globalen Wasserstoffszenarien und politischen Pläne sind sehr hochgegriffen”. Es gäbe “zahlreiche Hürden” bei der notwendigen Wasserstoff-Infrastruktur und dem Transport des flüchtigen Rohstoffs. “Selbst wenn man diese Hürden überwinden kann, wird es nicht am Iridium scheitern. Dann wird es Second-Best-Lösungen geben und Elektrolyseure zum Einsatz kommen, die ohne Iridium-Einsatz” auskommen”, so der Rohstoffexperte des Umweltbundesamts.

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Agrarsektor: EU-Kommission bereitet Emissionshandel vor

Um die ehrgeizigen EU-Klimaziele zu erreichen, arbeitet die EU-Kommission jetzt an einem Bepreisungsmodell für den Agrarsektor. Das soll helfen, die Landwirtschaft klimafreundlicher zu machen. Denn im EU-Durchschnitt hat sich der Treibhausgas-Ausstoß des Sektors nach Angaben der EU-Kommissionen seit etwa 20 Jahren kaum verändert. Er macht derzeit gut zehn Prozent aller Emissionen in der EU aus.

Seit der Ausweitung des Europäischen Emissionshandels auf die Bereiche Verkehr und Gebäude (ETS 2) ist die Landwirtschaft der einzige relevante Sektor, dessen Treibhausgas-Ausstoß bislang keiner Bepreisung unterworfen ist. Nach wie vor fallen die Emissionen der Agrarbranche unter die sogenannte Lastenteilung (Effort Sharing Regulation, ESR), die nationale Minderungsziele vorsieht. Erreicht werden sollten diese bislang vor allem durch eine entsprechende Ausrichtung der Fördergelder der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP).

100 Milliarden Euro verpufft

Grundlage für die Pläne für ein Preissystem bildet ein Bericht des Europäischen Rechnungshofs von Ende 2021. Demnach waren in der vergangenen GAP-Förderperiode rund 100 Milliarden Euro für Klimaschutzmaßnahmen vorgesehen, mehr als ein Viertel des Gesamt-Budgets. Gebracht hat es: nichts.

Beispielsweise sei die GAP nicht darauf ausgerichtet, die Viehhaltung zu begrenzen, welche etwa 50 Prozent der landwirtschaftlichen Emissionen ausmache. Landwirte, die entwässerte Moorböden bewirtschaften (etwa 20 Prozent der Emissionen), seien dabei sogar noch unterstützt worden. Das widerspreche zutiefst dem gesetzlich vorgeschriebenen Verursacherprinzip, sagt Rechnungshof-Agrarexperte Jonas Kathage, Co-Autor des Berichts.

Das soll sich jetzt ändern: “Die Agrarbranche inklusive ihrer Wertschöpfungskette kann der erste Sektor werden, der Klimaneutralität erreicht“, sagte Alexandre Paquot, Direktor der Generaldirektion Klima bei der EU-Kommission, bei einer Veranstaltung in Brüssel. Die Behörde hat bereits eine Studie zur CO₂-Bepreisung in Auftrag gegeben, an der unter anderem das Institute for Environmental European Policy (IEEP) und das Ecologic Institute beteiligt sind.

ETS für neun Millionen Emittenten?

IEEP-Agrarexpertin und Co-Autorin Julia Bognar gibt erste Einblicke in die noch laufende Untersuchung. Klar ist, die Herausforderungen sind groß.

Vom bestehenden ETS werden etwa 10.000 Emittenten aus Industrie und Energie erfasst, die für rund 1,5 Gigatonnen CO₂-Äquivalente verantwortlich sind. Demgegenüber stehen mehr als neun Millionen, überwiegend kleine landwirtschaftliche Betriebe, die etwa 0,4 Gigatonnen CO₂-Äquivalente ausstoßen.

“Die alle miteinzubeziehen, ist verwaltungstechnisch höchst kompliziert”, sagt Bognar. Der Aufwand für die Umsetzung eines Bepreisungsmodells müsse so gering wie möglich sein, um einen sinnvollen Kosten-Nutzen-Effekt zu erzielen. Zumal es für das notwendige Monitoring der Emissionen auf den einzelnen Betrieben noch keine adäquate Lösung gebe.

Zudem stammen die Emissionen in der Landwirtschaft aus vielen Quellen. Die meisten Emissionen entstehen in Form von Methan bei der Tierhaltung oder Lachgas durch Überdüngung. Denkbar wäre deshalb laut IEEP auch, nur einzelne Bereiche und damit zumindest einen großen Teil der Agraremissionen abzudecken. Eine weitere Möglichkeit sei, bei der Bepreisung nicht die Betriebe selbst, sondern die Wertschöpfungskette in den Blick zu nehmen und etwa bei Düngemittelherstellern (Upstream) oder bei der Milch- und Fleischverarbeitung (Downstream) anzusetzen.

Carbon Leakage befürchtet

Eine weitere Schwierigkeit: Landwirtschaftliche Produkte werden in großem Umfang international gehandelt. Ähnlich wie im bestehenden ETS könnte eine Bepreisung also dazu führen, dass emissionsintensive Produktionszweige in Drittstaaten verlagert werden (Carbon Leakage). Um das zu verhindern, könne auch im Agrarbereich eine Art Grenzausgleich (CBAM) oder Gratis-Zertifikate eingeführt werden, so Bognar. Außerdem müsse für sozialen Ausgleich gesorgt werden. Kleinere Betriebe könnten gegebenenfalls ganz ausgenommen werden.

Trotz aller Herausforderungen sei ein Emissionshandelssystem dennoch das einzig Richtige, konstatiert Bogner. Ein marktbasiertes Instrument sei der effizienteste Weg, um für klimafreundliche Innovationen zu sorgen und die Reduktionsziele zu erreichen.

Auch die Bundesregierung zeigte sich bereits offen für einen Emissionshandel im Agrarbereich. Alle Sektoren sollten vom Europäischen ETS erfasst werden, hieß es kürzlich aus den Reihen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima.

DBV: “Weder vernünftig noch machbar”

Der Deutsche Bauernverband (DBV) hingegen lehnt den Vorstoß rundheraus ab. “Ein ETS für die Landwirtschaft ist weder vernünftig noch machbar. Denn das Prinzip von Cap and Trade funktioniert nur, wenn die Akteure die gleichen Chancen haben, die Emissionen zu steuern und diese konkret messbar oder bestimmbar sind”, sagt Udo Hemmerling, stellvertretender DBV-Generalsekretär. Das sei in der Landwirtschaft nicht der Fall. Denn der Ausstoß von Methan oder Lachgas hänge stark von äußeren Faktoren wie Witterung oder Region ab.

Außerdem ließen sich die natürlichen Prozesse bei der Nahrungsmittelproduktion nicht durch alternative Technologien ersetzen, wie beispielsweise im Energiebereich. “In Deutschland hat die Landwirtschaft ihre Emissionen in den vergangenen Jahren bereits deutlich gesenkt und viele Betriebe sind bereit, ihren Ausstoß weiter zu reduzieren, wissen aber nicht, wie. Dafür bräuchten wir Veränderungen in anderen Politikbereichen, etwa im Züchtungs- oder Baurecht, und keinen Emissionshandel”, so Hemmerling.

Bis es tatsächlich zur EU-weiten Einführung eines Agrar-ETS kommt, wird es angesichts der zahlreichen Herausforderungen wohl noch dauern. Andererseits müssen bereits für die Klimaziele 2030 die Emissionen aus der Landwirtschaft deutlich gesenkt werden. Die Zeit drängt.

PIK warnt vor Emissionen durch Herstellung von Biokraftstoffen

Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) geht sogar noch einen Schritt weiter und fordert eine Bepreisung der Emissionen aus Landnutzungsänderungen. Durch den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen werde der Markt für Bioenergie bis zur Mitte des Jahrhunderts auf mehrere hundert Milliarden Euro anwachsen. Der Agrarsektor werde diese Chancen nutzen wollen. Das könne zu “enormen Emissionen” führen, so die PIK-Experten.

Die CO₂-Emissionen von modernen Biokraftstoffen könnten durch die großflächige Rodung von Wäldern für den Anbau von Biomasse sogar höher liegen als die aus der Verbrennung von Diesel, wie eine neue Studie im Fachjournal Nature Climate Change zeigt. “Die Nahrungsmittelproduktion könnte sich verlagern und landwirtschaftliche Flächen könnten sich zu Lasten natürlicher Flächen ausweiten”, erklärt der Leitautor der Studie Leon Merfort.

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JETP für Senegal über 2,5 Milliarden Dollar

Die nächste Partnerschaft zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden (JETP) zur Unterstützung der Energiewende ist beschlossen: Der Senegal bekommt 2,5 Milliarden Euro im Rahmen dieser Partnerschaft für eine ökologisch und sozial ausgerichtete Energiewende. Dies teilte der Senegal in einer gemeinsamen Erklärung mit den Vertragspartnern am Rande des Gipfels für einen neuen Finanzpakt in Paris in der vergangenen Woche mit.

Das westafrikanische Land hat das Abkommen für eine Just Energy Transition Partnership (JETP) mit Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kanada und der Europäischen Union unterzeichnet. Die Finanzierungszusage für öffentliche und private Mittel gelte für drei bis fünf Jahre, hieß es weiter. Weitere Finanzmittel könnten ergänzend bereitgestellt werden, auch über die fünf Jahre Laufzeit hinaus.

JETPs bisher: Südafrika, Indonesien, Vietnam

Senegal ist nach Südafrika das zweite Land auf dem afrikanischen Kontinent, mit dem eine JETP vereinbart wurde. Weitere dieser Partnerschaften wurden bereits mit Indonesien und Vietnam vereinbart, auch Indien ist ein möglicher Kandidat. Die JETPs zwischen den G7, der EU und ärmeren Staaten sollen dafür sorgen, dass der Übergang von fossilen hin zu erneuerbaren Energien effizient und sozial abgefedert verläuft. Der Senegal gewinnt nach Regierungsangaben bereits 30 Prozent seiner Energie aus Sonne, Biomasse, Wind- und Wasserkraft. Laut dem neu geschlossenen Abkommen will der Staat diesen Anteil bis 2030 auf 40 Prozent erhöhen.

Ein kritischer Punkt bei der Planung der JETP waren die Pläne für die Gasförderung im Senegal. Wenn alles nach Plan läuft, beginnt Senegal Ende des Jahres mit der Produktion. Vor mittlerweile acht Jahre wurden Vorkommen vor der Küste im Norden des Landes an der Grenze zu Mauretanien gefunden. Künftig soll ein schwimmendes LNG-Terminal nach Angaben des Hauptbetreibers BP rund 2,3 Millionen Tonnen Flüssiggas pro Jahr produzieren.

Das Projekt läuft unter dem Namen “Grand Tortue Ahmeyim”. Die Regierung von Präsident Macky Sall wollte in den Verhandlungen die Gasförderung zum Teil des JETP machen, das wurde abgelehnt. Nun hat Senegal versprochen, das Erdgas zugleich als Ressource für den energetischen Übergang zu nutzen. Die Erlöse aus dem Gasverkauf sollen in grüne Energien und Technologien fließen. Dieses Vorhaben schreibt das neue JETP-Abkommen ebenfalls nochmals fest.

Hilfe für Senegals Gaspläne: Streit in Ampelregierung

Das Gasprojekt im Senegal hat in Deutschland Streit in der Ampelregierung ausgelöst. Im Frühjahr 2022 hatte Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Besuch im Land vorgeschlagen, Deutschland könne beim Ausbau der Förderung mit dem Senegal zusammenarbeiten. Der grüne Koalitionspartner und Umweltorganisationen kritisierten, ein solches Engagement sei ein Verstoß gegen eine Erklärung auf der COP26 in Glasgow, keine weiteren Investitionen in fossile Infrastruktur im Ausland zu finanzieren.

Bisher gibt es aber laut Bundesregierung keinen offiziellen Antrag von Unternehmen für eine solche Kooperation. Aus Regierungskreisen heißt es, man stehe kurz vor einer Einigung, wie die deutsche Regierung in Zukunft mit ähnlich gelagerten Fällen umgehen werde. Erst vor wenigen Wochen hatte die grüne Bundestagsfraktion das Ende des Gasdeals mit dem Senegal gefordert. Hintergrund war ein Gutachten von Umweltgruppen, das dem Senegal das Potenzial bescheinigte, seine Energieversorgung vollständig aus erneuerbaren Energien zu decken.

Gas als Finanzierung für JETP

Die Gasförderung werde über die JETP weder finanziert noch unterstützt, hieß es in einer Mitteilung der Bundesregierung zum Abschluss der Energiepartnerschaft. “Die JETP zielt nur auf fossilfreie Energieträger und will so parallel die Dekarbonisierung vorantreiben. Je besser dies gelingt, desto weniger wird das wirtschaftliche Wachstum Senegals mit der Nutzung von Gas einhergehen müssen.”

Die Bundesregierung will den Senegal finanziell und mit Know-how begleiten. Das BMZ habe eine langjährige Zusammenarbeit im Energiesektor mit dem Senegal. “So unterstützt das BMZ beispielsweise bereits die Modernisierung sowie Rehabilitierung der Netzinfrastruktur, die Verbesserung der Datengrundlage im Bereich erneuerbare Energien und die Entwicklung von Politiken und Strategien für die Entwicklung des Sektors. Das BMZ hat über die KfW auch den Bau des größten staatlichen Solarkraftwerkes mitfinanziert und stellt nun Mittel für zusätzliche Speicherkapazitäten für dieses Kraftwerk zur Verfügung.”

Die senegalesische Regierung hat zudem zugesagt, der rund 18,4 Millionen Menschen zählenden Bevölkerung Zugang zu Elektrizität zu verschaffen. Ein Bericht der NGO Enda Énergie stellte 2018 fest, dass im ländlichen Raum knapp jeder und jede Zweite noch keinen Zugang zu Strom hat. Mit Bernhard Pötter

  • Energiewende
  • JETP
  • Senegal

Termine

29. Juni, 13.45 Uhr, Berlin
Konferenz DIE ZEIT Klima-Konferenz
Der Fokus der Klima-Konferenz der Wochenzeitung Die Zeit liegt auf der Wasserstoffwirtschaft. Expertinnen und Experten diskutieren über die damit verbundenen Chancen und Herausforderungen.  Infos

29. Juni, 15 Uhr, Online
Webinar Realizing Net Zero: Moving from Targets to Action
Bis heute haben sich über 90 Länder Netto-Null-Emissionsziele gesetzt, darunter die größten Emittenten der Welt, China, die Vereinigten Staaten und Indien. Aber wie können sie diese Zusagen in die Praxis umsetzen? Ein in Kürze erscheinender Bericht des World Resources Institute (WRI) mit dem Titel “Realizing Net-Zero Emissions: Good Practice in Countries” wird Beispiele von Ländern aufzeigen, die bereits heute konkrete Maßnahmen ergreifen, um ihre Netto-Null-Ziele zu erreichen. Infos

29. Juni, 18 Uhr, Berlin
Diskussion Mit neuen Ideen und Innovationen die Energiewende gestalten
Noch 22 Jahre bis 2045 und somit noch 22 Jahre bis zur von Deutschland angestrebten Klimaneutralität. Immer wieder werden Hoffnungen und Erwartungen geäußert, dass neue Technologien und Innovationen dabei helfen, diesen Weg einfacher, günstiger und sozial gerechter zu bestreiten. Wie kann das gelingen? Die Diskussion wird von dem Akademienprojekt “Energiesysteme der Zukunft” (ESYS) veranstaltet.  Infos

29. Juni, 19 Uhr, Online
Diskussion (Wann) fliegen wir klimaneutral?
Die NGO Protect the Planet lädt ein zu einem Online-Vortrag mit Germanwatch-Geschäftsführer Christoph Bals. Es geht um eine Klimafrage, die viele umtreibt: Wann werden wir klimaneutral fliegen? Trotz viel Forschung ist es bislang nur klimafreundlich, nicht ins Flugzeug zu steigen.  Infos & Anmeldung

4. Juli, 12 Uhr, Berlin/Online
Konferenz Todo: Transformation
Die “Todo: Transformation” ist die industriepolitische Konferenz 2023 der Stiftung Arbeit und Umwelt und der IG Bergbau, Chemie und Energie. Dort wird auch diskutiert, wie sich die Industrie als Reaktion auf die Klimakrise anpassen muss.  Infos

4. Juli, 12.30, Brüssel
Diskussion How can a shift to a circular ecomoy in the EU contribute to a climate-neutral europe?
Die Umstellung auf ein Kreislaufwirtschaftsmodell wird als entscheidend angesehen, damit die Europäische Union ihr Ziel erreichen kann, bis 2050 klimaneutral zu werden. Auf dem Event von Euractiv wird diskutiert, wie das gelingen kann.  Infos

4. Juli, 13 Uhr, Online
Webinar Understanding Loss and Damage in Africa: Science, Policy Dimensions, and Mechanisms to Address Impacts
Dieses Webinar des Umweltprogramms der Vereinten Nationen zielt darauf ab, Wissen über die Minimierung und Bewältigung von Verlusten und Schäden in der afrikanischen Region zu vermitteln. Infos

5. bis 6. Juli, Wien
Seminar OPEC International Seminar: Torwards a Sustainable and Inclusive Energy Transition
Auf dem Seminar der OPEC diskutieren Ölproduzenten und -konsumenten über aktuelle Herausforderungen und Entwicklungen rund um Öl und Gas. Infos

6. Juli, 9 Uhr, Brüssel
Vortrag Solarenergienutzung in Städten: Optionen, Hemmnisse und Chancen
Wie lassen sich Hindernisse und Probleme bei der Realisierung von PV-Projekten in Städten beseitigen oder lösen? Bei dieser Veranstaltung stellt der Thinktank Agora Energiewende konkrete Beispiele und Optionen für die Förderung des Photovoltaikeinsatzes in Städten vor. Infos

6. Juli, 18.30 Uhr, Berlin
Diskussion Energy Sharing – Ein erfolgreiches Modell für Deutschland?
Energy Sharing ermöglicht regionalen Stromverbrauchern (Haushalten, Kommunen und KMU), sich zu einer Bürgerenergiegesellschaft zusammenzuschließen und gemeinsam Erneuerbare-Energien-Anlagen zu betreiben. Wie kann das gelingen? Ein Event des Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE), Bündnis Bürgerenergie e.V. (BBEn) und der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV. Infos

News

Regierungsberater: Großbritannien verfehlt Klimaziele

Großbritannien droht seine Klimaziele aufgrund mangelhafter Klimapolitik zu verfehlen. Das geht aus einem neuen Bericht des Climate Change Committee (CCC) hervor, das die Regierung in dieser Thematik berät. Erst kürzlich hatte die Regierung einen detaillierteren Plan verabschiedet, wie die nationalen Klimaziele erreicht werden sollen. Laut CCC haben sich die Aussichten, die Ziele zu erreichen, allerdings verschlechtert. Die Maßnahmen seien weniger ambitioniert als ein Plan aus dem Jahr 2021, so das CCC.

Nur bei neun von 50 Indikatoren zur Erreichung der Klimaziele sei Großbritannien auf einem guten Weg. Das CCC bemängelt beispielsweise zu geringe Fortschritte bei:

  • der Reduktion von Industrieemissionen
  • der Energieeffizienz
  • beim Ausbau der Solarenergie
  • der Installation von Wärmepumpen
  • der Renaturierung von Mooren.

Die Regierung verlasse sich zu sehr auf “spezifische technologische Lösungen”, so das CCC. Das Beratungsgremium kritisiert neue Öl- und Gasförderung in der Nordsee und Mängel in der Planungspolitik der Regierung. Ed Matthew, Direktor für Kampagnen beim Klima-Think-Tank E3G, sagt: “Dieser Bericht ist eine vernichtende Anklage, die zeigt, dass die britische Regierung in jedem Wirtschaftssektor vom Kurs zur Erreichung ihrer Klimaziele für 2030 abweicht”. nib

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Neue Daten: Zerstörung der Tropenwälder beschleunigt

Im vergangenen Jahr sind 41 Millionen Hektar ursprünglicher Regenwälder in den Tropen zerstört worden. Das entspricht etwa der Fläche der Schweiz. Damit gingen 2022 zehn Prozent mehr tropische Urwälder verloren als im Vorjahr. Durch die Entwaldung wurden 2,7 Gigatonnen CO₂-Emissionen frei, so viel wie Indien jährlich durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe produziert.

Das geht aus der neuesten Waldbilanz von Global Forest Watch (GFW) hervor, einem vom World Resources Institute (WRI) unterstützten Monitoring-Projekt, das sich auf Daten der University of Maryland stützt.

Dem WRI zufolge geht die Bedeutung der tropischen Urwälder für den Klimaschutz weit über ihre reine Fähigkeit hinaus, CO₂ zu speichern – unter anderem, weil durch Verdunstung über ihnen Wolken entstehen, die Sonnenenergie ins All abstrahlen (Albedo-Effekt) und so für Abkühlung sorgen. Würden tropische Regenwälder abgeholzt, sei der “geschätzte Beitrag zur globalen Erwärmung deshalb 50 Prozent höher, als wenn man nur die CO₂-Effekte betrachtet”. Die dunklen, borealen Wälder hingegen absorbierten die Sonnenenergie tendenziell, weshalb ihr Albedo zur Erwärmung beitrage.

“Nicht auf dem richtigen Weg”, um Entwaldung zu stoppen

Die größte tropische Regenwaldfläche wurde demnach in Brasilien zerstört, gefolgt von der Demokratischen Republik Kongo. Es sind die beiden Länder mit dem meisten tropischen Regenwald weltweit. In Ghana und Bolivien nahm die Entwaldung schnell zu. Indonesien und Malaysia hingegen verzeichneten 2022 vergleichsweise niedrige Entwaldungsraten.

Bezieht man die anderen Wälder der Welt – etwa Wälder, die sich nach menschlichen Eingriffen wieder erholt haben, die borealen Urwälder oder die Nutzwälder der gemäßigten Breiten – mit ein, dann ist die globale Entwaldung im vergangenen Jahr um zehn Prozent gesunken. Das sei “eine direkte Folge des Rückgangs der brandbedingten Schäden” vor allem in Russland, das eine “übergroße Wirkung auf die globale Statistik” habe, schreiben die GFW-Fachleute. 2021 habe Russland “aufgrund einer rekordverdächtigen Feuersaison” so viel Wald verloren wie nie zuvor, während die Saison 2022 unter dem Durchschnitt gelegen habe.

Ende 2021 hatten sich auf der COP26 in Glasgow mehr als 100 Staats- und Regierungschefs verpflichtet, die globale Entwaldung bis zum Jahr 2030 zu stoppen. Zudem sollen 350 Millionen Hektar Waldfläche renaturiert werden. Insgesamt sei die Menschheit “wirklich nicht auf dem richtigen Weg”, ihre Ziele zu erreichen, so GFW. ae

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Globale CO₂-Emissionen aus Energie weiter angestiegen

Trotz des starken Wachstums der erneuerbaren Energien und ihrer Dominanz beim Zubau von Energie-Kapazitäten sind die CO₂-Emissionen aus dem Energiesektor weltweit weiter angestiegen. Sie lagen 2022 um 0,8 Prozent über dem Stand des Vorjahres. Das entspricht einem neuen Höchststand von 39,3 Milliarden Tonnen.

Die Zahlen stammen aus dem neu veröffentlichten 72. Statistical Review of World Energy des Energieverbands “Energy Institute” (EI). “Wir sind weiterhin auf einem Weg in die entgegengesetzte Richtung von dem, was das Pariser Abkommen erfordert”, kommentierte EI-Präsidentin Juliet Davenport.

Der Bericht vermerkt als Trends:

  • Die Welt kehrt nach der Corona-Pandemie zurück zu den alten Verbrauchsmustern von Treibstoff im Verkehr – einzige Ausnahme war 2022 China mit seinen Covid-Beschränkungen
  • Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat die Gaspreise in Europa verdreifacht und in Asien verdoppelt und die Lieferketten dadurch verändert wie noch nie
  • Der Boom von Solar- und Windenergie geht weiter: Zusammen machen sie inzwischen zwölf Prozent der Stromerzeugung aus. Solar legte dabei um 25 Prozent zu, Wind um 13,5 Prozent. 84 Prozent des Wachstums bei der Stromnachfrage wurde von Erneuerbaren (ohne Wasserkraft) generiert.
  • Der globale Energieverbrauch stieg 2022 um ein Prozent und lag damit um drei Prozent über dem 2019er Level vor der Covid-Pandemie.
  • Die Dominanz der fossilen Brennstoffe im Energiesystem ist mit 82 Prozent des Verbrauchs “größtenteils unverändert”.

Der jährliche “statistische Bericht” zur Entwicklung der Energieindustrie wurde seit 1952 vom Ölunternehmen BP herausgegeben. Nun hat das EI diese Aufgabe zusammen mit den Consultingfirmen Kearney und KPMG übernommen, um wie es heißt, “eine gerechte globale Energiewende zu Netto Null zu beschleunigen”. bpo

  • CO2-Emissionen
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EU will Klima- und Sicherheitspolitik stärker verbinden

Die EU will bei ihrer außenpolitischen Strategie künftig die Themen Klimawandel und Sicherheit stärker miteinander verknüpfen. Dafür kündigte sie am Mittwoch einen rund 30 Maßnahmen umfassenden Aktionsplan an. Denn die Folgen des Klimawandels wie etwa Verlust von Lebensgrundlagen durch Dürren oder Überschwemmungen, wachsende Migrationsbewegungen, Gesundheitsrisiken oder der zunehmende Wettbewerb um Ressourcen haben erhebliche Auswirkungen auf die Sicherheit von Mensch und Natur.

Zu den geplanten Maßnahmen zählen:

  • Einrichtung einer Daten- und Analyseplattform für Klima- und Umweltsicherheit innerhalb des EU-Satellitenzentrums
  • Einsatz von Umweltberatern bei Missionen und Operationen im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU
  • Einrichtung von Ausbildungsplattformen in Mitgliedstaaten und auf EU-Ebene, zum Beispiel eine EU-Ausbildungsplattform für Klima, Sicherheit und Verteidigung
  • Analysen und Studien zu den Strategien und Maßnahmen insbesondere in gefährdeten geografischen Gebieten wie der Sahelzone oder der Arktis
  • Konfliktprävention und Unterstützung von Good Governance in vulnerablen Ländern

Klimaauflagen für Militär

Neben sicherheitspolitischen Überlegungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel will die Kommission auch die Operationalisierung des militärischen Betriebs überarbeiten. Die durch die Streitkräfte der EU-Staaten verursachten Emissionen unterliegen derzeit noch kaum strengen Reduzierungsanforderungen. Oftmals werden die Emissionen durch militärische Institutionen gar nicht erst erfasst.

Die EU-Kommission will das ändern und kündigt eine “Verbesserung der Klimaanpassungs- und -minderungsmaßnahmen der zivilen und militärischen Operationen und Infrastrukturen der Mitgliedstaaten” an, um Kosten und den CO₂-Fußabdruck zu senken. Die Funktionsfähigkeit des Militärs soll aber erhalten bleibt.

Die hauseigene Forschungsstelle der EU-Kommission (JRC) hatte Anfang Juni Empfehlungen veröffentlicht, um die Auswirkungen des Klimawandels auf verteidigungsrelevante kritische Energieinfrastrukturen zu minimieren. Sie forderte auch neue Leitlinien für die Bewertung von Klimarisiken im Verteidigungsbereich, Einbeziehung von Klimaerwägungen in die militärische Planung sowie Modernisierung der militärischen Infrastruktur. Das griff die Kommission nun auf. Sie will sich auch dafür einsetzen, Aktivitäten wie in der NATO in Einklang mit der europäischen Klima- und Umweltpolitik zu bringen.

Geo-Engineering: Keine Alternative für CO₂-Reduktion

Zu den Maßnahmen gehört auch die kritische Bewertung neuer Technologien und Methoden zur Bekämpfung des Klimawandels und deren sicherheitspolitische Auswirkungen. Insbesondere die künstliche Veränderung der Sonneneinstrahlung durch Geo-Engineering spielt dabei eine Rolle. Dabei kann etwa Sonnenlicht mit gigantischen Spiegeln zurück in die Atmosphäre gelenkt werden oder die Erderwärmung in der Stratosphäre durch Injektionen von Aerosolen verringert werden.

Zwar erkennen Forscherinnen und Forscher des UN-Umweltprogramms (UNEP) solche Methoden als die “einzige Option, die den Planeten innerhalb weniger Jahre abkühlen könnte”, an. Doch sie weisen auch auf Gefahren der Technik hin. Darunter: Mögliche Zerstörung der Ozonschicht, lokale Überkompensation des Klimawandels und Risiken für Menschen und Ökosysteme.

Die Kommission will diese Methoden und ihre Risiken frühzeitig bewerten, regulieren und die Ergebnisse in internationale Klimadebatten einbringen. Dafür müssten die Aspekte besser erforscht werden, heißt es von der Brüsseler Behörde. Derzeit fehlten Regeln, Verfahren und Institutionen dafür.

Kommissionsvize und Green-Deal-Kommissar Frans Timmermans stellte zudem klar, Geo-Engineering dürfe nicht davon ablenken, dass Emissionen reduziert werden müssen. Die einzige Möglichkeit, die globale Erwärmung aufzuhalten und die Auswirkungen des Klimawandels zu mindern, bestehe darin, die Emissionen auf null zu bringen, so die Kommission. luk

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Studie: Wasserstoff-Pipeline aus Golf-Region realisierbar

Laut den Beratungs- und Ingenieurs-Firmen Afry und Rina ist der Bau einer Wasserstoff-Pipeline aus den Golfstaaten nach Europa machbar. In einer Studie haben die beiden Unternehmen die Kosten für den Wasserstoffimport über eine Pipeline berechnet, die Saudi-Arabien, Katar und Ägypten über das Mittelmeer mit Europa verbinden würde und jährlich 2,5 Millionen Tonnen Wasserstoff transportieren könnte.

Die reinen Transportkosten für ein Kilo Wasserstoff würden demnach anfangs bei 1,20 Euro liegen. Grüner und blauer (aus Gas hergestellt, mit CCS-Technologie) Wasserstoff aus den Golfstaaten könnte demnach zu einem Preis von 2,70 Euro pro Kilo nach Europa geliefert werden. Laut einer österreichischen Studie vom Dezember 2022 würden die Kosten für Pipeline-Wasserstoff aus Tunesien konservativ gerechnet bei circa 5,70 Euro/Kilo liegen. Zum Vergleich: Die USA gewähren im Rahmen des Inflation Reduction Act Steuervorteile in Höhe von drei US-Dollar/Kilo für die Produktion von grünem Wasserstoff, was laut Michael Liebreich von BloombergNEF bald die Produktionskosten übersteigen könnte.

Auch Liebreich hält einen Pipeline-Transport von Wasserstoff aus der Golfregion für die realistischste Option. Pipelines aus Norwegen, Nordafrika oder der Golfregion seien realisierbar, schreibt er. Ein Wasserstoff-Transport per Schiff sei weniger effizient, da Wasserstoff pro Volumeneinheit eine sehr geringe Energiedichte hat. Für die gleiche Energie, die mit einem LNG-Schiff transportiert werden kann, bräuchte es 2,5 Wasserstoff-Schiffe, rechnet Liebreich vor. Während die Kosten für den LNG-Transport etwa doppelt so hoch seien, wie für den Gastransport per Pipeline, kostet der Import von flüssigem Wasserstoff per Schiff vier- bis sechsmal mehr als der Transport von LNG, so Liebreich. Neben den Kosten für Wasserstoff-Schiffe müsse auch die Infrastruktur zur Anlandung ausgebaut werden und das verursachte einen Teil dieser Kosten. nib

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Studie: Böden geben immer mehr CO₂ ab

Durch die Klimakrise wird der CO₂-Ausstoß von Bodenmikroben enorm verstärkt. In pessimistischen Szenarien könnte die Bodenatmung global bis Ende des Jahrhunderts um 40 Prozent zunehmen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die im Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht wurde.

Rund ein Fünftel der CO₂-Emissionen stammt aus Quellen im Boden. Mikroorganismen wie Bakterien oder Pilze spielen dabei wichtige Rolle. In der aktuellen Studie geht es um die sogenannte heterotrophe Bodenatmung: Darunter versteht man Prozesse, bei denen die Kleinstlebewesen im Boden mithilfe von Sauerstoff organisches Material wie etwa abgestorbene Pflanzenteile zersetzen und dabei CO₂ freisetzen.

Die Aktivität der Mikroorganismen nimmt mit höherer Bodenfeuchtigkeit und steigender Temperatur zu. Besonders starke Zuwächse erwarten die Forschenden in der Arktis: Durch das Auftauen der Böden entstünden dort optimale Feuchtigkeitsbedingungen für die Kleinstlebewesen. In anderen Regionen und Klimazonen nimmt die Aktivität vor allem durch steigende Temperaturen zu. Neu ist das Phänomen nicht – schon seit den 1980er Jahren nimmt die heterotrophe Bodenatmung pro Jahrzehnt um zwei Prozent zu. kul

  • Wissenschaft

Hitzewellen in China, den USA, Mexiko, Spanien und Japan

In großen Teilen Chinas, der USA und Mexikos, Spaniens und Japans dauern die Hitzewellen weiter an. In der 22-Millionen-Einwohner Metropole Peking lagen die Temperaturen zuletzt für drei Tage über 40 Grad Celsius. Auch Chinas nördliche Regionen Hebei, Henan, Shandong, Innere Mongolei und Tianjin leiden unter Hitzewellen. Nachdem die Temperaturen Anfang der Woche leicht gesunken waren, sind für das Wochenende wieder Hitzetage angekündigt. Das Extremwetter droht sich auf die Ernten auszuwirken. Eine weitere Dürre, wie im letzten Jahr, “würde sich negativ auf die Ernteerträge auswirken, während die Viehbestände durch hohe Temperaturen gefährdet sind”, so die Analysten von Capital Economics.

Die Rekordtemperaturen in China, Malaysia, Indien, Pakistan und Bangladesch in den letzten Wochen haben auch die Stromversorgung beeinträchtigt. Die Stromnetze wurden stark belastet, sodass es zu Stromausfällen kam. In Vietnam beispielsweise war der Wasserpegel von Wasserkraftwerken so niedrig, dass kein Strom mehr produziert werden konnte. China stand im letzten Sommer vor ähnlichen Problemen.

Auch im Süden der USA und Norden Mexikos liegen die Temperaturen seit einigen Tagen oft bei mehr als 38 Grad Celsius. Hinzu kommt eine drückende Luftfeuchtigkeit. Gut 62 Millionen US-Amerikaner seien betroffen, so Reuters. Die Hitzewelle könnte bis Anfang Juli andauern, so Prognosen. Auch Spanien und Teile Japans leiden unter einer Hitzewelle.

In Indien kam es Mitte Juni zu über 100 Todesfällen während einer Hitzewelle. Lokale Regierungsbeamte zweifelten einen direkten Zusammenhang mit den hohen Temperaturen an. Mediziner und lokale Medienberichte führten die Todesfälle jedoch auf die Hitze zurück.

Studie: “Ära der Hitzeextreme”

Laut einer neuen Studie gehen die “Hintergrundbedingungen für diese zerstörerischen, lang anhaltenden Hitzewellen” der letzten Jahre auf den Klimawandel zurück. “Wir treten jetzt in eine Ära mit Hitzeextremen ein, die es ohne den Klimawandel einfach nicht gegeben hätte”, so das Fazit der Autoren, zu denen auch der bekannte Klimaforscher Stefan Rahmstorf zählt. Laut dem Klimawissenschaftler betrifft extreme Hitze heute 90 Mal mehr Gebiete als vor 1980. Und “die Zahl der beobachteten monatlichen Temperaturrekorde ist inzwischen auf das 8-fache dessen gestiegen, was in einem Klima ohne langfristige Erwärmung zu erwarten wäre”, so die Klimawissenschaftler. In nur einem Jahrzehnt zusätzlicher globaler Erwärmung haben sich die Häufigkeit von Hitze- und Niederschlagsextremen “ernsthaft erhöht”. nib

  • China
  • Extremwetter
  • Mexiko
  • USA

Presseschau

Analyse: Zement ist für acht Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. Warum ist es so schwierig, sie zu senken? Washington Post
Analyse: Wie die Waldbrände in Kanada Carbon Offsets zerstören Bloomberg
Analyse: Wie die Klimakrise Gesundheit in Afrika beeinflusst CarbonBrief
Reportage: Grüner Wasserstoff aus Chile könnte vor Ort für Umweltprobleme sorgen Die Tageszeitung
Analyse: Flugzeugbauer investieren in emissionsärmere Technologie – aber die Zunahme an Flügen könnte die Fortschritte zunichtemachen Financial Times
Analyse: Wie Klimaangst therapiert werden kann – erste Erkenntnisse aus Holland Die Zeit
Podcast: Wie viel hilft LNG? Climate Gossip
Kommentar: Mit dieser Idee will ein Ökonom die Klimakrise stoppen New York Times
Kommentar: Die heimlichen Klima-Einflüsterer der FDP Der Spiegel
Hintergrund: Wie das Ende von sexualisierter Gewalt dabei helfen könnte, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen CarbonBrief
Explainer: Wie entstehen Hitzewellen im Meer? Süddeutsche Zeitung

Standpunkt

Nach Macrons Klimafinanzgipfel: Mehr Mitbestimmung für Afrika

Von Mavis Owusu-Gyamfi
Mavis Owusu-Gyamfi – Exekutiv-Vizepräsidentin des Think-Tanks African Center for Economic Transformation

Der Gipfel für einen neuen globalen Finanzpakt in Paris ist zu Ende gegangen. Wir sind zwar noch lange nicht da, wo wir sein müssen, um die globale Finanzarchitektur für Afrika heute fit zu machen. Aber einige der in den vergangenen Tagen unternommenen Schritte und eingegangenen Verpflichtungen ermutigen mich

Lassen Sie mich vier Beispiele nennen.

1. Eine starke Koalition für eine Reform

Erstens sahen wir eine Koalition starker Stimmen, die sich einig waren, dass die derzeitige internationale Finanzarchitektur für die Welt, in der wir jetzt leben, nicht funktioniert – vor allem nicht in sich überschneidenden Krisen -, und dass wir dringend Lösungen brauchen. Diese Stimmen kamen nicht nur aus dem globalen Süden oder dem globalen Norden, sondern von überall her, auch aus den multilateralen Entwicklungsbanken, von Philanthropen und aus der Zivilgesellschaft.

2. Die gemeinsame Stimme Afrikas

Zweitens sprachen die afrikanischen Staats- und Regierungschefs mit einer Stimme. Während des vergangenen Jahres waren wir noch besorgt darüber, dass die afrikanischen Staats- und Regierungschefs keine gemeinsame Position hatten. Das hat dazu geführt, dass es an einer starken afrikanischen Stimme fehlt, wenn es darum geht, wie wir mit Herausforderungen wie der Klimafinanzierung, einem Schuldenerlass, Handel, Sicherheit und mehr umgehen. Aber in Paris haben wir von unseren Staats- und Regierungschefs sehr klare Forderungen gehört:

  • eine Umschuldung, die den Krisenländern mehr Spielraum und Liquidität verschafft;
  • eine echte Lösung für die drohende Verschlechterung der konzessionären Finanzierung durch die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA), die voraussichtlich 2024 eintreten wird;
  • eine Klimafinanzierung, die frühere Versprechen einlöst und neue Möglichkeiten für grüne Investitionen in Afrika schafft;
  • einen Übergang vom Reden zum Handeln; und
  • einen gleichberechtigten Platz am Tisch.

3. Alle Probleme zugleich angehen

Drittens scheint der Pariser Gipfel endlich jeden wirklichen oder vermeintlichen Zielkonflikt zwischen den Ländern mit mittlerem und niedrigem Einkommen, der Bridgetown-Agenda und der afrikanischen Agenda, von Klimafinanzierung versus Entwicklungsfinanzierung ad acta gelegt zu haben. In diesen beiden Tagen wurde mehr als deutlich, dass eine Finanzierungsarchitektur, die wirklich für die heutige Welt geeignet ist, all diese Probleme zugleich angehen muss. Für echte Fortschritte müssen diese Dinge Hand in Hand bearbeitet werden.

4. Lang erwartete Ankündigungen und Maßnahmen

Und schließlich war es großartig, mehrere lang erwartete Ankündigungen und Maßnahmen zu sehen, die auf die Diskussionen während der Frühjahrstagung von Weltbank und IWF im April folgten:

  • Die Schuldenpause der Weltbank für Länder, die von Naturkatastrophen heimgesucht wurden,
  • Sambias Umschuldung,
  • eine Partnerschaft für eine gerechte Energiewende im Senegal,
  • eine starke Forderung nach einem Sitz der Afrikanischen Union bei den G20 und
  • positive Fortschritte bei der Erreichung der erforderlichen 100-Milliarden-Dollar-Zusagen für das Recycling der Sonderziehungsrechte, das den afrikanischen Ländern, die mit wirtschaftlichen Schocks, Klimakrisen und Finanzierungsengpässen konfrontiert sind, die dringend benötigte Liquidität zur Verfügung stellen würde.

Künftige Schlüsselmomente

Das ist ein guter Anfang, aber nicht ausreichend. Wir haben in den kommenden Monaten einen langen Weg vor uns, um diese Dynamik aufrechtzuerhalten. Der Pariser Gipfel hat einen Fahrplan für Maßnahmen bis 2024 veröffentlicht, in dem Schlüsselmomente für die Umsetzung der auf diesem Gipfel und in früheren Tagungen gemachten Versprechen aufgeführt sind.

Für mich und meine Kolleginnen und Kollegen vom African Center for Economic Transformation gibt es zwei sehr wichtige Dinge, auf die wir uns auf dem Weg zum Afrika-Klimagipfel in Nairobi, dem Weltbank-IWF-Treffen in Marrakesch, der COP28 in Dubai und darüber hinaus konzentrieren sollten.

Wir werden weiterhin eine starke Koalition afrikanischer Staats- und Regierungschefs und Organisationen aufbauen, die sich für konkrete Veränderungen im globalen Finanzsystem einsetzen. Auf Ersuchen der Finanzminister entwickeln wir eine Erklärung von Marrakesch, die im Oktober verabschiedet werden soll und die Position Afrikas festschreibt und darlegt, was erforderlich ist, um diese Agenda Wirklichkeit werden zu lassen – mit der Unterstützung eines breiten Spektrums von Zivilgesellschaft, Think-Tanks und Regierungspartnern auf dem gesamten Kontinent und weltweit.

Gleichberechtigung für Afrika

Gleichzeitig werden wir uns weiterhin dafür einsetzen, dass Afrika eine gleichberechtigte Stimme und eine gleichberechtigte Teilnahme an globalen Foren und globalen Institutionen hat, in denen Entscheidungen getroffen werden, die Afrikanerinnen und Afrikaner betreffen. Ein guter Anfang wird der Sitz der AU auf dem G20-Gipfel sein – wir hoffen, dass er im kommenden Jahr Wirklichkeit werden wird, nachdem Indiens Premierminister Modi ermutigende Maßnahmen ergriffen hat. Aber dies muss sich auch auf die Weltbank, den IWF und andere globale Institutionen ausweiten, in denen Afrikas Stimme allzu oft von größeren Anteilseignern übertönt wird.

Wir müssen uns von einer Situation verabschieden, in der wir, wann immer Afrika eine Idee hat, eine umständliche und teure Advocacy-Kampagne starten müssen, anstatt uns mit anderen Ländern zusammenzusetzen und einfach unsere Bedürfnisse darzulegen. In Paris wurde der Tisch für Afrika gedeckt, und wir haben uns laut und deutlich Gehör verschafft. Lassen Sie uns diese Energie beibehalten, bis wir eine globale Finanzarchitektur erreicht haben, die allen Afrikanern zugutekommt.

Mavis Owusu-Gyamfi ist die Exekutiv-Vizepräsidentin des Afrikanischen Zentrums für wirtschaftliche Transformation (African Center for Economic Transformation – ACET).

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  • Klimafinanzierung
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Climate.Table Redaktion

REDAKTION CLIMATE.TABLE

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    manchmal gibt es selbst in der Klimaberichterstattung gute Nachrichten – und völlig ungeplant ballen sie sich in diesem aktuellen Briefing: So hat zum Beispiel Schweden im letzten halben Jahr als EU-Ratspräsidentschaft die Befürchtungen widerlegt, die neue rechte Regierung werde jeden Fortschritt bei Energie, Klima und Green Deal blockieren, schreibt unser Kollege Magnus Nilsson aus Stockholm. Dann hat Nico Beckert recherchiert, dass die Angst vor einem Engpass bei Iridium wohl übertrieben ist, einem wichtigen Rohstoff für die Wasserstoffindustrie. Im Senegal ist nun die nächste Partnerschaft zur globalen Energiewende JETP auf dem Weg. Und die EU plant jetzt, auch in der Landwirtschaft das effektive Instrument des Emissionshandels anzuwenden.

    Aber weil das hier ein Klima-Briefing ist, können wir natürlich nicht nur über das Positive berichten: Weltweit werden weiter kaum gebremst die Tropenwälder vernichtet, die Emissionen aus der Energieindustrie steigen trotz aller Rekorde der Erneuerbaren, selbst Vorreiter wie Großbritannien schwächeln an ihren Klimazielen und in vielen Weltregionen leiden Menschen unter Hitzewellen.

    Umso mehr Gründe, auf dem Laufenden zu bleiben. Behalten Sie einen langen Atem!

    Analyse

    Klimapolitik: Schwedens EU-Präsidentschaft wirksamer als befürchtet

    Wenn es um Forstpolitik geht, stellt sich Schweden oft gegen die Mehrheit der EU.

    Im Herbst 2022 hatten EU-Klimapolitiker einen Verdacht: Die Kommission würde in Abstimmung mit der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft so viele Dossiers des Klimapakets Fit for 55 durchdrücken wie möglich – bevor Schweden im Januar 2023 die Ratspräsidentschaft übernahm. Die Befürchtung: Die neu gewählte rechte schwedische Regierung, die sich auf die rechtsextremen, EU-skeptischen Schwedendemokraten stützt (die teilweise den Klimawandel leugnen), könnte versuchen, legislative Entscheidungen zu Fragen von Klimapolitik und EU-Green-Deal zu blockieren.

    Am Ende der schwedischen Ratspräsidentschaft zeigt sich: Die Befürchtungen waren teilweise berechtigt, weil sich Schweden – als Mitgliedstaat – in einigen Fällen (alle im Zusammenhang mit der Forstwirtschaft) gegen die von Schweden – dem EU-Ratspräsidenten – vorgelegten Kompromisse stellte. Allgemein aber habe die schwedische Regierung die Rolle des “ehrlichen Maklers” in der EU-Präsidentschaft gut und professionell ausgefüllt, so Experten. Und sie hat viele Vorschläge der Kommission in Beschlüsse oder zumindest in Vereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament überführt.

    Geerbt: Meilensteine der EU-Klimapolitik

    Langfristig am wichtigsten war wohl die endgültige Verabschiedung der neuen Fassungen der drei Säulen der EU-Klimagesetzgebung:

    • die Richtlinie über den Emissionshandel
    • die Verordnungen über die Aufteilung des “Effort-Sharing
    • die Regelungen zur Landnutzung LULUCF (natürliche Kohlenstoffsenken).

    In allen drei Fällen wurden die Trilog-Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament bereits während der tschechischen Präsidentschaft abgeschlossen. Die Schweden verwalteten nur noch die formellen Beschlüsse, die im März und April 2023 gefasst wurden. Damit gibt es seit Mai eine EU-Gesetzgebung, die garantiert, dass die Netto-Treibhausgasemissionen der EU 2030 um 57 Prozent unter dem Niveau von 1990 liegen werden. Das ist ein Meilenstein.

    Darüber hinaus wurden während der schwedischen Ratspräsidentschaft Vereinbarungen über mehr als zehn sektorbezogene Klimagesetzgebungen getroffen. Unter ihnen sind:

    • die Förderung erneuerbarer Energien und der Energieeffizienz
    • Regeln für das obligatorische Angebot an Ladestationen für E-Autos
    • Vorschriften zur Verwendung erneuerbarer Kraftstoffe im Schiffs- und Luftverkehr.

    Die Bremser: Deutschland und Frankreich

    Zu Bremsern im Prozess wurden nicht wie erwartet die Schweden, sondern die deutsche und die französische Regierung. Plötzlich unterstützten sie Trilog-Vereinbarungen nicht mehr, denen sie zuvor zugestimmt hatten:

    Diese Konflikte wurden schließlich gelöst, offenbar mehr durch Interventionen der Kommission als durch Bemühungen des Ratspräsidenten, hieß es in Brüssel.

    Forstwirtschaft: Schweden und die EU uneins

    Deutlich wurde auch wieder einmal bei mehreren Gelegenheiten, dass Schweden in Fragen der Forstwirtschaft im Widerspruch zur Mehrheit der Union steht. Schweden enthielt sich der Stimme, als die endgültigen Beschlüsse über die Verordnungen zur Entwaldung und zu den Kohlenstoffsenken (LULUCF) gefasst wurden. Das Argument: Die neuen Rechtsvorschriften würden der Entwicklung einer nachhaltigen Forstwirtschaft schaden.

    In einer Koalition mit anderen Mitgliedstaaten gelang es Schweden auch, die Naturschutzanforderungen an Waldbiomasse in der Richtlinie über erneuerbare Energien zu verwässern. Diese Anforderungen garantieren eine “Nullanrechnung” der Emissionen aus biogenem Kohlendioxid im Rahmen des Emissionshandelssystems. Der Hintergrund: Bei strengeren ökologischen Anforderungen an die Forstwirtschaft müssten die schwedische Zellstoff- und Papierindustrie sowie die vielen großen schwedischen Fernheizwerke, die auf Biomasse basieren, viel Geld für den Kauf von Emissionszertifikaten ausgeben, um diese Emissionen abzudecken.

    Böse Briefe und schwedische Wende im Umweltministerrat

    Bemerkenswert allerdings: Auf der letzten Tagung des Umweltrates unter schwedischer Führung am 20. Juni stimmte Schweden gegen seinen eigenen Kompromiss für einen gemeinsamen Standpunkt der EU-Regierungen zur Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (“Nature Restoration Law”). Eine Woche vor der Tagung zog Schweden einen Kompromisstext, der bereits von einer stabilen Mehrheit der Mitgliedstaaten unterstützt wurde, von der Tagesordnung der Sitzung der EU-Botschafter zurück.

    Mehrere Mitgliedstaaten werteten dies als Hinweis darauf, dass Schweden nicht beabsichtigte, den Kompromiss auf der Ministertagung vorzulegen, wodurch sich seine Annahme verzögerte. Aus Protest schrieben Frankreich, Deutschland, Spanien und Luxemburg einen Brief an Schweden und baten um Klarstellung. Schließlich tauchte das Thema auf der Tagesordnung des Rates auf, wo der schwedische Kompromissvorschlag trotz der Gegenstimme Schwedens weitgehend angenommen wurde.

    “Im Allgemeinen wurde die Ratspräsidentschaft sehr professionell und erfolgreich geführt, aber der Umgang mit der Verordnung über die Wiederherstellung der Natur könnte ihr einen kleinen Makel verpassen”, meint Ylva Nilsson, Kommentatorin der Tageszeitung Expressen. “Schweden ist bekannt dafür, dass es ziemlich aggressiv ist, wenn es um Umweltanforderungen an die Forstwirtschaft und die Forstindustrie geht”.

    Mats Engström, leitender Berater beim Schwedischen Institut für Europapolitik (SIEPS), erklärt das schwedische Votum gegen den eigenen Kompromiss zum “Nature Restoration Law” damit, es passe zur Rolle des Ratsvorsitzes als “ehrlicher Makler”. Er fügt hinzu: “Das Verhalten ist selten, kommt aber hin und wieder vor. Was es problematisch und bemerkenswert macht, ist das Protestschreiben von vier Mitgliedsstaaten”.

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    Wasserstoff: Keine Angst vor Iridium-Mangel

    Die sichere Rohstoffversorgung Europas wird derzeit immer mehr zum Thema. “Eine bessere Diversifizierung unserer Rohstoffversorgung ist Wirtschaftssicherheit“, sagte Wirtschaftsminister Habeck am Montag nach einem Treffen mit seinen Amtskollegen aus Frankreich und Italien, Bruno Le Maire und Adolfo Urso. Die Minister wollen die Abhängigkeit von einzelnen Ländern bei Rohstoffexporten verringern. Insbesondere auch grüne Technologien sind auf viele “kritische Rohstoffe” angewiesen.

    Die EU arbeitet derzeit mit Nachdruck an einem Critical Raw Materials Act, um die Rohstoffversorgung sicherzustellen. Und auch die Wasserstoffindustrie schaut sorgenvoll auf das Thema Rohstoffe. Bei Iridium und Platin bestünden große Abhängigkeiten von Südafrika, die sich “nicht vermeiden lassen” würden, steht in einer gemeinsamen Erklärung mit der EU-Kommission.

    Doch Experten geben Entwarnung: Die EU laufe nicht in eine Iridium-Falle. Die Abhängigkeiten, so das Urteil von Fachleuten, ließen sich gut managen.

    Industrie: Abhängigkeit lasse sich “nicht vermeiden”

    Mit Wasserstoff verbinden sich viele Hoffnungen. Der Energieträger soll helfen, schwer zu dekarbonisierende Industrien, wie Zement und Stahl, klimafreundlicher zu machen. Er soll das Klimaproblem der Containerschiffe lösen und einige hoffen gar, Wasserstoff in Brennstoffzellenautos und beim Heizen einzusetzen. Doch bisher ist der Stoff noch rar und gilt als “Champagner der Energiewende”.

    Die EU und ihre Mitgliedsstaaten wollen das ändern. Bis 2030 sollen EU-weit zehn Millionen Tonnen Wasserstoff produziert und Elektrolyseure mit einer Leistung von 40 Gigawatt installiert werden – derzeit kann die Industrie jährlich gut 3 GW an Kapazität produzieren. Der Großteil des Wasserstoffs soll klimafreundlich aus erneuerbarem Strom produziert werden. Dafür braucht es Milliarden-Investitionen in Elektrolyseure zur Herstellung von Wasserstoff.

    Wird das Iridium für Elektrolyseure knapp?

    Wirtschaftsvertreter befürchten dabei einen Iridium-Mangel. Dieser Rohstoff wird für eine wichtige Elektrolyseur-Technologie (Polymerelektrolytmembran Elektrolyseure (PEMEL)) benötigt, die als besonders gut vereinbar mit schwankenden erneuerbaren Energien gelten. Und auf den ersten Blick scheint sich hier der “perfekte Sturm” einer Rohstoffknappheit abzuzeichnen:

    • Weltweit werden jährlich nur acht Tonnen an Iridium gefördert – einem der weltweit am seltensten vorkommenden Rohstoffe.
    • “Massive Produktionssteigerungen” sind “nur in engen Grenzen, wenn überhaupt möglich”, so der Iridium-Experte Schmidt von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR).
    • Der Bedarf nach Iridium für die sogenannten PEM-Elektrolyseure könnte bis in die 2030er Jahre auf 34 bis über 45 Tonnen steigen, sagt BGR-Experte Schmidt mit Bezug auf die Studie “Rohstoffe für Zukunftstechnologien”, die 2021 von der Deutschen Rohstoffagentur veröffentlicht wurde.
    • 80 bis 85 Prozent des Iridiums stammen aus Südafrika. Russland folgt als zweitgrößter Produzent, veröffentlicht jedoch keine Zahlen. In Südafrika dominieren wenige Unternehmen die Iridium-Produktion. Sie haben eine “große Marktmacht und bestimmen Angebot und Preis”, schreiben die Forscher des Fraunhofer-Instituts.
    • In den letzten Jahren kam es zu einer Preisexplosion bei Iridium. Im Dezember 2020 kostete die Feinunze noch gut 1.400 Euro. Zwischenzeitlich stieg der Preis auf über 6.000 Euro an und liegt derzeit bei gut 4.300 Euro.

    Es gibt zwar Vorkommen in Skandinavien und Kanada. Doch es würde Jahre dauern, diese zu erschließen. Die Deutsche Rohstoffagentur (DERA) geht deshalb von einem “hohen Versorgungsrisiko” aus, das Fraunhofer-Institut sogar von einem “äußerst hohen Versorgungsrisiko”.

    Iridium-Engpass? Experten geben Entwarnung

    Wird also ein Iridium-Engpass den Ausbau der Wasserstoff-Wirtschaft bremsen? Andere Experten geben Entwarnung. “Nach dem derzeitigen Stand rennen wir bei Elektrolyseuren nicht in eine Iridium-Sackgasse”, sagt Felix Müller, Rohstoffexperte des Umweltbundesamts.

    Zwar müsse man Rohstofffragen im Blick behalten – aber die gerade entstehende Wasserstoffindustrie würde ein Iridium-Engpass wohl kaum ausbremsen, meinen auch andere Experten.

    Drei Faktoren werden angeführt:

    • PEM-Elektrolyseure lassen sich durch andere Technologien ersetzen. Sie gelten zwar als “Second-Best-Lösungen”, ihre Nachteile sind jedoch nicht allzu groß.
    • Durch Innovationen lässt sich der Iridium-Bedarf für PEM-Elektrolyseure wohl schnell senken.
    • Der Wasserstoff-Bedarf wird wahrscheinlich nicht so hoch sein, wie in der Studie “Rohstoffe für Zukunftstechnologien” prognostiziert. Dementsprechend braucht es weniger Elektrolyseure und weniger Iridium.

    Michael Haendel, Autor des Kapitels zu Wasserstoff in der Studie “Rohstoffe für Zukunftstechnologien” sagt gegenüber Table.Media: “Bei den meisten Anwendungsfällen zur Wasserstoffherstellung können sowohl PEM-Elektrolyseure (PEMEL) als auch alkalische Elektrolyseure (AEL) synonym eingesetzt werden. AEL sind dabei meist nicht auf kritische Edelmetalle angewiesen und kommen ohne einen Iridium-Bedarf aus.” Auch die AEL ließen sich mit schwankenden erneuerbaren Energien vereinbaren, so der Experte des Fraunhofer ISI.

    Großes Innovationspotenzial bei Elektrolyseuren

    Haendel geht zudem davon aus, dass der “Iridium-Bedarf für PEM-Elektrolyseure in naher Zukunft durch Innovationen” gesenkt werden kann. Laut einer Fraunhofer-Studie kann der Iridium-Gehalt von damals (2018) 0,667 Gramm pro Kilowatt auf 0,05 Gramm im Jahr 2035 gesenkt werden. Laut Fraunhofer-Szenario würde der Iridium-Bedarf in Deutschland für den Elektrolyseur-Zubau im Jahr 2027 einen Spitzenwert von circa 540 Kilogramm erreichen. Weil auch andere Staaten Elektrolyseure installieren, könnte es theoretisch zu Iridium-Knappheiten kommen. Doch Haendel gibt Entwarnung: “Sollte es zu einem Iridium-Mangel kommen, ist davon auszugehen, dass man verstärkt auf andere Wasserstoffelektrolyseur-Technologien setzt”.

    Auch Müller warnt vor Panik. Man müsse Rohstofffragen bei neuen Technologien natürlich im Blick behalten. Doch “die globalen Wasserstoffszenarien und politischen Pläne sind sehr hochgegriffen”. Es gäbe “zahlreiche Hürden” bei der notwendigen Wasserstoff-Infrastruktur und dem Transport des flüchtigen Rohstoffs. “Selbst wenn man diese Hürden überwinden kann, wird es nicht am Iridium scheitern. Dann wird es Second-Best-Lösungen geben und Elektrolyseure zum Einsatz kommen, die ohne Iridium-Einsatz” auskommen”, so der Rohstoffexperte des Umweltbundesamts.

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    Agrarsektor: EU-Kommission bereitet Emissionshandel vor

    Um die ehrgeizigen EU-Klimaziele zu erreichen, arbeitet die EU-Kommission jetzt an einem Bepreisungsmodell für den Agrarsektor. Das soll helfen, die Landwirtschaft klimafreundlicher zu machen. Denn im EU-Durchschnitt hat sich der Treibhausgas-Ausstoß des Sektors nach Angaben der EU-Kommissionen seit etwa 20 Jahren kaum verändert. Er macht derzeit gut zehn Prozent aller Emissionen in der EU aus.

    Seit der Ausweitung des Europäischen Emissionshandels auf die Bereiche Verkehr und Gebäude (ETS 2) ist die Landwirtschaft der einzige relevante Sektor, dessen Treibhausgas-Ausstoß bislang keiner Bepreisung unterworfen ist. Nach wie vor fallen die Emissionen der Agrarbranche unter die sogenannte Lastenteilung (Effort Sharing Regulation, ESR), die nationale Minderungsziele vorsieht. Erreicht werden sollten diese bislang vor allem durch eine entsprechende Ausrichtung der Fördergelder der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP).

    100 Milliarden Euro verpufft

    Grundlage für die Pläne für ein Preissystem bildet ein Bericht des Europäischen Rechnungshofs von Ende 2021. Demnach waren in der vergangenen GAP-Förderperiode rund 100 Milliarden Euro für Klimaschutzmaßnahmen vorgesehen, mehr als ein Viertel des Gesamt-Budgets. Gebracht hat es: nichts.

    Beispielsweise sei die GAP nicht darauf ausgerichtet, die Viehhaltung zu begrenzen, welche etwa 50 Prozent der landwirtschaftlichen Emissionen ausmache. Landwirte, die entwässerte Moorböden bewirtschaften (etwa 20 Prozent der Emissionen), seien dabei sogar noch unterstützt worden. Das widerspreche zutiefst dem gesetzlich vorgeschriebenen Verursacherprinzip, sagt Rechnungshof-Agrarexperte Jonas Kathage, Co-Autor des Berichts.

    Das soll sich jetzt ändern: “Die Agrarbranche inklusive ihrer Wertschöpfungskette kann der erste Sektor werden, der Klimaneutralität erreicht“, sagte Alexandre Paquot, Direktor der Generaldirektion Klima bei der EU-Kommission, bei einer Veranstaltung in Brüssel. Die Behörde hat bereits eine Studie zur CO₂-Bepreisung in Auftrag gegeben, an der unter anderem das Institute for Environmental European Policy (IEEP) und das Ecologic Institute beteiligt sind.

    ETS für neun Millionen Emittenten?

    IEEP-Agrarexpertin und Co-Autorin Julia Bognar gibt erste Einblicke in die noch laufende Untersuchung. Klar ist, die Herausforderungen sind groß.

    Vom bestehenden ETS werden etwa 10.000 Emittenten aus Industrie und Energie erfasst, die für rund 1,5 Gigatonnen CO₂-Äquivalente verantwortlich sind. Demgegenüber stehen mehr als neun Millionen, überwiegend kleine landwirtschaftliche Betriebe, die etwa 0,4 Gigatonnen CO₂-Äquivalente ausstoßen.

    “Die alle miteinzubeziehen, ist verwaltungstechnisch höchst kompliziert”, sagt Bognar. Der Aufwand für die Umsetzung eines Bepreisungsmodells müsse so gering wie möglich sein, um einen sinnvollen Kosten-Nutzen-Effekt zu erzielen. Zumal es für das notwendige Monitoring der Emissionen auf den einzelnen Betrieben noch keine adäquate Lösung gebe.

    Zudem stammen die Emissionen in der Landwirtschaft aus vielen Quellen. Die meisten Emissionen entstehen in Form von Methan bei der Tierhaltung oder Lachgas durch Überdüngung. Denkbar wäre deshalb laut IEEP auch, nur einzelne Bereiche und damit zumindest einen großen Teil der Agraremissionen abzudecken. Eine weitere Möglichkeit sei, bei der Bepreisung nicht die Betriebe selbst, sondern die Wertschöpfungskette in den Blick zu nehmen und etwa bei Düngemittelherstellern (Upstream) oder bei der Milch- und Fleischverarbeitung (Downstream) anzusetzen.

    Carbon Leakage befürchtet

    Eine weitere Schwierigkeit: Landwirtschaftliche Produkte werden in großem Umfang international gehandelt. Ähnlich wie im bestehenden ETS könnte eine Bepreisung also dazu führen, dass emissionsintensive Produktionszweige in Drittstaaten verlagert werden (Carbon Leakage). Um das zu verhindern, könne auch im Agrarbereich eine Art Grenzausgleich (CBAM) oder Gratis-Zertifikate eingeführt werden, so Bognar. Außerdem müsse für sozialen Ausgleich gesorgt werden. Kleinere Betriebe könnten gegebenenfalls ganz ausgenommen werden.

    Trotz aller Herausforderungen sei ein Emissionshandelssystem dennoch das einzig Richtige, konstatiert Bogner. Ein marktbasiertes Instrument sei der effizienteste Weg, um für klimafreundliche Innovationen zu sorgen und die Reduktionsziele zu erreichen.

    Auch die Bundesregierung zeigte sich bereits offen für einen Emissionshandel im Agrarbereich. Alle Sektoren sollten vom Europäischen ETS erfasst werden, hieß es kürzlich aus den Reihen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima.

    DBV: “Weder vernünftig noch machbar”

    Der Deutsche Bauernverband (DBV) hingegen lehnt den Vorstoß rundheraus ab. “Ein ETS für die Landwirtschaft ist weder vernünftig noch machbar. Denn das Prinzip von Cap and Trade funktioniert nur, wenn die Akteure die gleichen Chancen haben, die Emissionen zu steuern und diese konkret messbar oder bestimmbar sind”, sagt Udo Hemmerling, stellvertretender DBV-Generalsekretär. Das sei in der Landwirtschaft nicht der Fall. Denn der Ausstoß von Methan oder Lachgas hänge stark von äußeren Faktoren wie Witterung oder Region ab.

    Außerdem ließen sich die natürlichen Prozesse bei der Nahrungsmittelproduktion nicht durch alternative Technologien ersetzen, wie beispielsweise im Energiebereich. “In Deutschland hat die Landwirtschaft ihre Emissionen in den vergangenen Jahren bereits deutlich gesenkt und viele Betriebe sind bereit, ihren Ausstoß weiter zu reduzieren, wissen aber nicht, wie. Dafür bräuchten wir Veränderungen in anderen Politikbereichen, etwa im Züchtungs- oder Baurecht, und keinen Emissionshandel”, so Hemmerling.

    Bis es tatsächlich zur EU-weiten Einführung eines Agrar-ETS kommt, wird es angesichts der zahlreichen Herausforderungen wohl noch dauern. Andererseits müssen bereits für die Klimaziele 2030 die Emissionen aus der Landwirtschaft deutlich gesenkt werden. Die Zeit drängt.

    PIK warnt vor Emissionen durch Herstellung von Biokraftstoffen

    Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) geht sogar noch einen Schritt weiter und fordert eine Bepreisung der Emissionen aus Landnutzungsänderungen. Durch den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen werde der Markt für Bioenergie bis zur Mitte des Jahrhunderts auf mehrere hundert Milliarden Euro anwachsen. Der Agrarsektor werde diese Chancen nutzen wollen. Das könne zu “enormen Emissionen” führen, so die PIK-Experten.

    Die CO₂-Emissionen von modernen Biokraftstoffen könnten durch die großflächige Rodung von Wäldern für den Anbau von Biomasse sogar höher liegen als die aus der Verbrennung von Diesel, wie eine neue Studie im Fachjournal Nature Climate Change zeigt. “Die Nahrungsmittelproduktion könnte sich verlagern und landwirtschaftliche Flächen könnten sich zu Lasten natürlicher Flächen ausweiten”, erklärt der Leitautor der Studie Leon Merfort.

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    JETP für Senegal über 2,5 Milliarden Dollar

    Die nächste Partnerschaft zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden (JETP) zur Unterstützung der Energiewende ist beschlossen: Der Senegal bekommt 2,5 Milliarden Euro im Rahmen dieser Partnerschaft für eine ökologisch und sozial ausgerichtete Energiewende. Dies teilte der Senegal in einer gemeinsamen Erklärung mit den Vertragspartnern am Rande des Gipfels für einen neuen Finanzpakt in Paris in der vergangenen Woche mit.

    Das westafrikanische Land hat das Abkommen für eine Just Energy Transition Partnership (JETP) mit Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kanada und der Europäischen Union unterzeichnet. Die Finanzierungszusage für öffentliche und private Mittel gelte für drei bis fünf Jahre, hieß es weiter. Weitere Finanzmittel könnten ergänzend bereitgestellt werden, auch über die fünf Jahre Laufzeit hinaus.

    JETPs bisher: Südafrika, Indonesien, Vietnam

    Senegal ist nach Südafrika das zweite Land auf dem afrikanischen Kontinent, mit dem eine JETP vereinbart wurde. Weitere dieser Partnerschaften wurden bereits mit Indonesien und Vietnam vereinbart, auch Indien ist ein möglicher Kandidat. Die JETPs zwischen den G7, der EU und ärmeren Staaten sollen dafür sorgen, dass der Übergang von fossilen hin zu erneuerbaren Energien effizient und sozial abgefedert verläuft. Der Senegal gewinnt nach Regierungsangaben bereits 30 Prozent seiner Energie aus Sonne, Biomasse, Wind- und Wasserkraft. Laut dem neu geschlossenen Abkommen will der Staat diesen Anteil bis 2030 auf 40 Prozent erhöhen.

    Ein kritischer Punkt bei der Planung der JETP waren die Pläne für die Gasförderung im Senegal. Wenn alles nach Plan läuft, beginnt Senegal Ende des Jahres mit der Produktion. Vor mittlerweile acht Jahre wurden Vorkommen vor der Küste im Norden des Landes an der Grenze zu Mauretanien gefunden. Künftig soll ein schwimmendes LNG-Terminal nach Angaben des Hauptbetreibers BP rund 2,3 Millionen Tonnen Flüssiggas pro Jahr produzieren.

    Das Projekt läuft unter dem Namen “Grand Tortue Ahmeyim”. Die Regierung von Präsident Macky Sall wollte in den Verhandlungen die Gasförderung zum Teil des JETP machen, das wurde abgelehnt. Nun hat Senegal versprochen, das Erdgas zugleich als Ressource für den energetischen Übergang zu nutzen. Die Erlöse aus dem Gasverkauf sollen in grüne Energien und Technologien fließen. Dieses Vorhaben schreibt das neue JETP-Abkommen ebenfalls nochmals fest.

    Hilfe für Senegals Gaspläne: Streit in Ampelregierung

    Das Gasprojekt im Senegal hat in Deutschland Streit in der Ampelregierung ausgelöst. Im Frühjahr 2022 hatte Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem Besuch im Land vorgeschlagen, Deutschland könne beim Ausbau der Förderung mit dem Senegal zusammenarbeiten. Der grüne Koalitionspartner und Umweltorganisationen kritisierten, ein solches Engagement sei ein Verstoß gegen eine Erklärung auf der COP26 in Glasgow, keine weiteren Investitionen in fossile Infrastruktur im Ausland zu finanzieren.

    Bisher gibt es aber laut Bundesregierung keinen offiziellen Antrag von Unternehmen für eine solche Kooperation. Aus Regierungskreisen heißt es, man stehe kurz vor einer Einigung, wie die deutsche Regierung in Zukunft mit ähnlich gelagerten Fällen umgehen werde. Erst vor wenigen Wochen hatte die grüne Bundestagsfraktion das Ende des Gasdeals mit dem Senegal gefordert. Hintergrund war ein Gutachten von Umweltgruppen, das dem Senegal das Potenzial bescheinigte, seine Energieversorgung vollständig aus erneuerbaren Energien zu decken.

    Gas als Finanzierung für JETP

    Die Gasförderung werde über die JETP weder finanziert noch unterstützt, hieß es in einer Mitteilung der Bundesregierung zum Abschluss der Energiepartnerschaft. “Die JETP zielt nur auf fossilfreie Energieträger und will so parallel die Dekarbonisierung vorantreiben. Je besser dies gelingt, desto weniger wird das wirtschaftliche Wachstum Senegals mit der Nutzung von Gas einhergehen müssen.”

    Die Bundesregierung will den Senegal finanziell und mit Know-how begleiten. Das BMZ habe eine langjährige Zusammenarbeit im Energiesektor mit dem Senegal. “So unterstützt das BMZ beispielsweise bereits die Modernisierung sowie Rehabilitierung der Netzinfrastruktur, die Verbesserung der Datengrundlage im Bereich erneuerbare Energien und die Entwicklung von Politiken und Strategien für die Entwicklung des Sektors. Das BMZ hat über die KfW auch den Bau des größten staatlichen Solarkraftwerkes mitfinanziert und stellt nun Mittel für zusätzliche Speicherkapazitäten für dieses Kraftwerk zur Verfügung.”

    Die senegalesische Regierung hat zudem zugesagt, der rund 18,4 Millionen Menschen zählenden Bevölkerung Zugang zu Elektrizität zu verschaffen. Ein Bericht der NGO Enda Énergie stellte 2018 fest, dass im ländlichen Raum knapp jeder und jede Zweite noch keinen Zugang zu Strom hat. Mit Bernhard Pötter

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    Termine

    29. Juni, 13.45 Uhr, Berlin
    Konferenz DIE ZEIT Klima-Konferenz
    Der Fokus der Klima-Konferenz der Wochenzeitung Die Zeit liegt auf der Wasserstoffwirtschaft. Expertinnen und Experten diskutieren über die damit verbundenen Chancen und Herausforderungen.  Infos

    29. Juni, 15 Uhr, Online
    Webinar Realizing Net Zero: Moving from Targets to Action
    Bis heute haben sich über 90 Länder Netto-Null-Emissionsziele gesetzt, darunter die größten Emittenten der Welt, China, die Vereinigten Staaten und Indien. Aber wie können sie diese Zusagen in die Praxis umsetzen? Ein in Kürze erscheinender Bericht des World Resources Institute (WRI) mit dem Titel “Realizing Net-Zero Emissions: Good Practice in Countries” wird Beispiele von Ländern aufzeigen, die bereits heute konkrete Maßnahmen ergreifen, um ihre Netto-Null-Ziele zu erreichen. Infos

    29. Juni, 18 Uhr, Berlin
    Diskussion Mit neuen Ideen und Innovationen die Energiewende gestalten
    Noch 22 Jahre bis 2045 und somit noch 22 Jahre bis zur von Deutschland angestrebten Klimaneutralität. Immer wieder werden Hoffnungen und Erwartungen geäußert, dass neue Technologien und Innovationen dabei helfen, diesen Weg einfacher, günstiger und sozial gerechter zu bestreiten. Wie kann das gelingen? Die Diskussion wird von dem Akademienprojekt “Energiesysteme der Zukunft” (ESYS) veranstaltet.  Infos

    29. Juni, 19 Uhr, Online
    Diskussion (Wann) fliegen wir klimaneutral?
    Die NGO Protect the Planet lädt ein zu einem Online-Vortrag mit Germanwatch-Geschäftsführer Christoph Bals. Es geht um eine Klimafrage, die viele umtreibt: Wann werden wir klimaneutral fliegen? Trotz viel Forschung ist es bislang nur klimafreundlich, nicht ins Flugzeug zu steigen.  Infos & Anmeldung

    4. Juli, 12 Uhr, Berlin/Online
    Konferenz Todo: Transformation
    Die “Todo: Transformation” ist die industriepolitische Konferenz 2023 der Stiftung Arbeit und Umwelt und der IG Bergbau, Chemie und Energie. Dort wird auch diskutiert, wie sich die Industrie als Reaktion auf die Klimakrise anpassen muss.  Infos

    4. Juli, 12.30, Brüssel
    Diskussion How can a shift to a circular ecomoy in the EU contribute to a climate-neutral europe?
    Die Umstellung auf ein Kreislaufwirtschaftsmodell wird als entscheidend angesehen, damit die Europäische Union ihr Ziel erreichen kann, bis 2050 klimaneutral zu werden. Auf dem Event von Euractiv wird diskutiert, wie das gelingen kann.  Infos

    4. Juli, 13 Uhr, Online
    Webinar Understanding Loss and Damage in Africa: Science, Policy Dimensions, and Mechanisms to Address Impacts
    Dieses Webinar des Umweltprogramms der Vereinten Nationen zielt darauf ab, Wissen über die Minimierung und Bewältigung von Verlusten und Schäden in der afrikanischen Region zu vermitteln. Infos

    5. bis 6. Juli, Wien
    Seminar OPEC International Seminar: Torwards a Sustainable and Inclusive Energy Transition
    Auf dem Seminar der OPEC diskutieren Ölproduzenten und -konsumenten über aktuelle Herausforderungen und Entwicklungen rund um Öl und Gas. Infos

    6. Juli, 9 Uhr, Brüssel
    Vortrag Solarenergienutzung in Städten: Optionen, Hemmnisse und Chancen
    Wie lassen sich Hindernisse und Probleme bei der Realisierung von PV-Projekten in Städten beseitigen oder lösen? Bei dieser Veranstaltung stellt der Thinktank Agora Energiewende konkrete Beispiele und Optionen für die Förderung des Photovoltaikeinsatzes in Städten vor. Infos

    6. Juli, 18.30 Uhr, Berlin
    Diskussion Energy Sharing – Ein erfolgreiches Modell für Deutschland?
    Energy Sharing ermöglicht regionalen Stromverbrauchern (Haushalten, Kommunen und KMU), sich zu einer Bürgerenergiegesellschaft zusammenzuschließen und gemeinsam Erneuerbare-Energien-Anlagen zu betreiben. Wie kann das gelingen? Ein Event des Bundesverband Erneuerbare Energie e.V. (BEE), Bündnis Bürgerenergie e.V. (BBEn) und der Bundesgeschäftsstelle Energiegenossenschaften beim DGRV. Infos

    News

    Regierungsberater: Großbritannien verfehlt Klimaziele

    Großbritannien droht seine Klimaziele aufgrund mangelhafter Klimapolitik zu verfehlen. Das geht aus einem neuen Bericht des Climate Change Committee (CCC) hervor, das die Regierung in dieser Thematik berät. Erst kürzlich hatte die Regierung einen detaillierteren Plan verabschiedet, wie die nationalen Klimaziele erreicht werden sollen. Laut CCC haben sich die Aussichten, die Ziele zu erreichen, allerdings verschlechtert. Die Maßnahmen seien weniger ambitioniert als ein Plan aus dem Jahr 2021, so das CCC.

    Nur bei neun von 50 Indikatoren zur Erreichung der Klimaziele sei Großbritannien auf einem guten Weg. Das CCC bemängelt beispielsweise zu geringe Fortschritte bei:

    • der Reduktion von Industrieemissionen
    • der Energieeffizienz
    • beim Ausbau der Solarenergie
    • der Installation von Wärmepumpen
    • der Renaturierung von Mooren.

    Die Regierung verlasse sich zu sehr auf “spezifische technologische Lösungen”, so das CCC. Das Beratungsgremium kritisiert neue Öl- und Gasförderung in der Nordsee und Mängel in der Planungspolitik der Regierung. Ed Matthew, Direktor für Kampagnen beim Klima-Think-Tank E3G, sagt: “Dieser Bericht ist eine vernichtende Anklage, die zeigt, dass die britische Regierung in jedem Wirtschaftssektor vom Kurs zur Erreichung ihrer Klimaziele für 2030 abweicht”. nib

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    • Klimaziele

    Neue Daten: Zerstörung der Tropenwälder beschleunigt

    Im vergangenen Jahr sind 41 Millionen Hektar ursprünglicher Regenwälder in den Tropen zerstört worden. Das entspricht etwa der Fläche der Schweiz. Damit gingen 2022 zehn Prozent mehr tropische Urwälder verloren als im Vorjahr. Durch die Entwaldung wurden 2,7 Gigatonnen CO₂-Emissionen frei, so viel wie Indien jährlich durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe produziert.

    Das geht aus der neuesten Waldbilanz von Global Forest Watch (GFW) hervor, einem vom World Resources Institute (WRI) unterstützten Monitoring-Projekt, das sich auf Daten der University of Maryland stützt.

    Dem WRI zufolge geht die Bedeutung der tropischen Urwälder für den Klimaschutz weit über ihre reine Fähigkeit hinaus, CO₂ zu speichern – unter anderem, weil durch Verdunstung über ihnen Wolken entstehen, die Sonnenenergie ins All abstrahlen (Albedo-Effekt) und so für Abkühlung sorgen. Würden tropische Regenwälder abgeholzt, sei der “geschätzte Beitrag zur globalen Erwärmung deshalb 50 Prozent höher, als wenn man nur die CO₂-Effekte betrachtet”. Die dunklen, borealen Wälder hingegen absorbierten die Sonnenenergie tendenziell, weshalb ihr Albedo zur Erwärmung beitrage.

    “Nicht auf dem richtigen Weg”, um Entwaldung zu stoppen

    Die größte tropische Regenwaldfläche wurde demnach in Brasilien zerstört, gefolgt von der Demokratischen Republik Kongo. Es sind die beiden Länder mit dem meisten tropischen Regenwald weltweit. In Ghana und Bolivien nahm die Entwaldung schnell zu. Indonesien und Malaysia hingegen verzeichneten 2022 vergleichsweise niedrige Entwaldungsraten.

    Bezieht man die anderen Wälder der Welt – etwa Wälder, die sich nach menschlichen Eingriffen wieder erholt haben, die borealen Urwälder oder die Nutzwälder der gemäßigten Breiten – mit ein, dann ist die globale Entwaldung im vergangenen Jahr um zehn Prozent gesunken. Das sei “eine direkte Folge des Rückgangs der brandbedingten Schäden” vor allem in Russland, das eine “übergroße Wirkung auf die globale Statistik” habe, schreiben die GFW-Fachleute. 2021 habe Russland “aufgrund einer rekordverdächtigen Feuersaison” so viel Wald verloren wie nie zuvor, während die Saison 2022 unter dem Durchschnitt gelegen habe.

    Ende 2021 hatten sich auf der COP26 in Glasgow mehr als 100 Staats- und Regierungschefs verpflichtet, die globale Entwaldung bis zum Jahr 2030 zu stoppen. Zudem sollen 350 Millionen Hektar Waldfläche renaturiert werden. Insgesamt sei die Menschheit “wirklich nicht auf dem richtigen Weg”, ihre Ziele zu erreichen, so GFW. ae

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    Globale CO₂-Emissionen aus Energie weiter angestiegen

    Trotz des starken Wachstums der erneuerbaren Energien und ihrer Dominanz beim Zubau von Energie-Kapazitäten sind die CO₂-Emissionen aus dem Energiesektor weltweit weiter angestiegen. Sie lagen 2022 um 0,8 Prozent über dem Stand des Vorjahres. Das entspricht einem neuen Höchststand von 39,3 Milliarden Tonnen.

    Die Zahlen stammen aus dem neu veröffentlichten 72. Statistical Review of World Energy des Energieverbands “Energy Institute” (EI). “Wir sind weiterhin auf einem Weg in die entgegengesetzte Richtung von dem, was das Pariser Abkommen erfordert”, kommentierte EI-Präsidentin Juliet Davenport.

    Der Bericht vermerkt als Trends:

    • Die Welt kehrt nach der Corona-Pandemie zurück zu den alten Verbrauchsmustern von Treibstoff im Verkehr – einzige Ausnahme war 2022 China mit seinen Covid-Beschränkungen
    • Der Angriff Russlands auf die Ukraine hat die Gaspreise in Europa verdreifacht und in Asien verdoppelt und die Lieferketten dadurch verändert wie noch nie
    • Der Boom von Solar- und Windenergie geht weiter: Zusammen machen sie inzwischen zwölf Prozent der Stromerzeugung aus. Solar legte dabei um 25 Prozent zu, Wind um 13,5 Prozent. 84 Prozent des Wachstums bei der Stromnachfrage wurde von Erneuerbaren (ohne Wasserkraft) generiert.
    • Der globale Energieverbrauch stieg 2022 um ein Prozent und lag damit um drei Prozent über dem 2019er Level vor der Covid-Pandemie.
    • Die Dominanz der fossilen Brennstoffe im Energiesystem ist mit 82 Prozent des Verbrauchs “größtenteils unverändert”.

    Der jährliche “statistische Bericht” zur Entwicklung der Energieindustrie wurde seit 1952 vom Ölunternehmen BP herausgegeben. Nun hat das EI diese Aufgabe zusammen mit den Consultingfirmen Kearney und KPMG übernommen, um wie es heißt, “eine gerechte globale Energiewende zu Netto Null zu beschleunigen”. bpo

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    EU will Klima- und Sicherheitspolitik stärker verbinden

    Die EU will bei ihrer außenpolitischen Strategie künftig die Themen Klimawandel und Sicherheit stärker miteinander verknüpfen. Dafür kündigte sie am Mittwoch einen rund 30 Maßnahmen umfassenden Aktionsplan an. Denn die Folgen des Klimawandels wie etwa Verlust von Lebensgrundlagen durch Dürren oder Überschwemmungen, wachsende Migrationsbewegungen, Gesundheitsrisiken oder der zunehmende Wettbewerb um Ressourcen haben erhebliche Auswirkungen auf die Sicherheit von Mensch und Natur.

    Zu den geplanten Maßnahmen zählen:

    • Einrichtung einer Daten- und Analyseplattform für Klima- und Umweltsicherheit innerhalb des EU-Satellitenzentrums
    • Einsatz von Umweltberatern bei Missionen und Operationen im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der EU
    • Einrichtung von Ausbildungsplattformen in Mitgliedstaaten und auf EU-Ebene, zum Beispiel eine EU-Ausbildungsplattform für Klima, Sicherheit und Verteidigung
    • Analysen und Studien zu den Strategien und Maßnahmen insbesondere in gefährdeten geografischen Gebieten wie der Sahelzone oder der Arktis
    • Konfliktprävention und Unterstützung von Good Governance in vulnerablen Ländern

    Klimaauflagen für Militär

    Neben sicherheitspolitischen Überlegungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel will die Kommission auch die Operationalisierung des militärischen Betriebs überarbeiten. Die durch die Streitkräfte der EU-Staaten verursachten Emissionen unterliegen derzeit noch kaum strengen Reduzierungsanforderungen. Oftmals werden die Emissionen durch militärische Institutionen gar nicht erst erfasst.

    Die EU-Kommission will das ändern und kündigt eine “Verbesserung der Klimaanpassungs- und -minderungsmaßnahmen der zivilen und militärischen Operationen und Infrastrukturen der Mitgliedstaaten” an, um Kosten und den CO₂-Fußabdruck zu senken. Die Funktionsfähigkeit des Militärs soll aber erhalten bleibt.

    Die hauseigene Forschungsstelle der EU-Kommission (JRC) hatte Anfang Juni Empfehlungen veröffentlicht, um die Auswirkungen des Klimawandels auf verteidigungsrelevante kritische Energieinfrastrukturen zu minimieren. Sie forderte auch neue Leitlinien für die Bewertung von Klimarisiken im Verteidigungsbereich, Einbeziehung von Klimaerwägungen in die militärische Planung sowie Modernisierung der militärischen Infrastruktur. Das griff die Kommission nun auf. Sie will sich auch dafür einsetzen, Aktivitäten wie in der NATO in Einklang mit der europäischen Klima- und Umweltpolitik zu bringen.

    Geo-Engineering: Keine Alternative für CO₂-Reduktion

    Zu den Maßnahmen gehört auch die kritische Bewertung neuer Technologien und Methoden zur Bekämpfung des Klimawandels und deren sicherheitspolitische Auswirkungen. Insbesondere die künstliche Veränderung der Sonneneinstrahlung durch Geo-Engineering spielt dabei eine Rolle. Dabei kann etwa Sonnenlicht mit gigantischen Spiegeln zurück in die Atmosphäre gelenkt werden oder die Erderwärmung in der Stratosphäre durch Injektionen von Aerosolen verringert werden.

    Zwar erkennen Forscherinnen und Forscher des UN-Umweltprogramms (UNEP) solche Methoden als die “einzige Option, die den Planeten innerhalb weniger Jahre abkühlen könnte”, an. Doch sie weisen auch auf Gefahren der Technik hin. Darunter: Mögliche Zerstörung der Ozonschicht, lokale Überkompensation des Klimawandels und Risiken für Menschen und Ökosysteme.

    Die Kommission will diese Methoden und ihre Risiken frühzeitig bewerten, regulieren und die Ergebnisse in internationale Klimadebatten einbringen. Dafür müssten die Aspekte besser erforscht werden, heißt es von der Brüsseler Behörde. Derzeit fehlten Regeln, Verfahren und Institutionen dafür.

    Kommissionsvize und Green-Deal-Kommissar Frans Timmermans stellte zudem klar, Geo-Engineering dürfe nicht davon ablenken, dass Emissionen reduziert werden müssen. Die einzige Möglichkeit, die globale Erwärmung aufzuhalten und die Auswirkungen des Klimawandels zu mindern, bestehe darin, die Emissionen auf null zu bringen, so die Kommission. luk

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    • Sicherheitspolitik

    Studie: Wasserstoff-Pipeline aus Golf-Region realisierbar

    Laut den Beratungs- und Ingenieurs-Firmen Afry und Rina ist der Bau einer Wasserstoff-Pipeline aus den Golfstaaten nach Europa machbar. In einer Studie haben die beiden Unternehmen die Kosten für den Wasserstoffimport über eine Pipeline berechnet, die Saudi-Arabien, Katar und Ägypten über das Mittelmeer mit Europa verbinden würde und jährlich 2,5 Millionen Tonnen Wasserstoff transportieren könnte.

    Die reinen Transportkosten für ein Kilo Wasserstoff würden demnach anfangs bei 1,20 Euro liegen. Grüner und blauer (aus Gas hergestellt, mit CCS-Technologie) Wasserstoff aus den Golfstaaten könnte demnach zu einem Preis von 2,70 Euro pro Kilo nach Europa geliefert werden. Laut einer österreichischen Studie vom Dezember 2022 würden die Kosten für Pipeline-Wasserstoff aus Tunesien konservativ gerechnet bei circa 5,70 Euro/Kilo liegen. Zum Vergleich: Die USA gewähren im Rahmen des Inflation Reduction Act Steuervorteile in Höhe von drei US-Dollar/Kilo für die Produktion von grünem Wasserstoff, was laut Michael Liebreich von BloombergNEF bald die Produktionskosten übersteigen könnte.

    Auch Liebreich hält einen Pipeline-Transport von Wasserstoff aus der Golfregion für die realistischste Option. Pipelines aus Norwegen, Nordafrika oder der Golfregion seien realisierbar, schreibt er. Ein Wasserstoff-Transport per Schiff sei weniger effizient, da Wasserstoff pro Volumeneinheit eine sehr geringe Energiedichte hat. Für die gleiche Energie, die mit einem LNG-Schiff transportiert werden kann, bräuchte es 2,5 Wasserstoff-Schiffe, rechnet Liebreich vor. Während die Kosten für den LNG-Transport etwa doppelt so hoch seien, wie für den Gastransport per Pipeline, kostet der Import von flüssigem Wasserstoff per Schiff vier- bis sechsmal mehr als der Transport von LNG, so Liebreich. Neben den Kosten für Wasserstoff-Schiffe müsse auch die Infrastruktur zur Anlandung ausgebaut werden und das verursachte einen Teil dieser Kosten. nib

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    • Wirtschaft

    Studie: Böden geben immer mehr CO₂ ab

    Durch die Klimakrise wird der CO₂-Ausstoß von Bodenmikroben enorm verstärkt. In pessimistischen Szenarien könnte die Bodenatmung global bis Ende des Jahrhunderts um 40 Prozent zunehmen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die im Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht wurde.

    Rund ein Fünftel der CO₂-Emissionen stammt aus Quellen im Boden. Mikroorganismen wie Bakterien oder Pilze spielen dabei wichtige Rolle. In der aktuellen Studie geht es um die sogenannte heterotrophe Bodenatmung: Darunter versteht man Prozesse, bei denen die Kleinstlebewesen im Boden mithilfe von Sauerstoff organisches Material wie etwa abgestorbene Pflanzenteile zersetzen und dabei CO₂ freisetzen.

    Die Aktivität der Mikroorganismen nimmt mit höherer Bodenfeuchtigkeit und steigender Temperatur zu. Besonders starke Zuwächse erwarten die Forschenden in der Arktis: Durch das Auftauen der Böden entstünden dort optimale Feuchtigkeitsbedingungen für die Kleinstlebewesen. In anderen Regionen und Klimazonen nimmt die Aktivität vor allem durch steigende Temperaturen zu. Neu ist das Phänomen nicht – schon seit den 1980er Jahren nimmt die heterotrophe Bodenatmung pro Jahrzehnt um zwei Prozent zu. kul

    • Wissenschaft

    Hitzewellen in China, den USA, Mexiko, Spanien und Japan

    In großen Teilen Chinas, der USA und Mexikos, Spaniens und Japans dauern die Hitzewellen weiter an. In der 22-Millionen-Einwohner Metropole Peking lagen die Temperaturen zuletzt für drei Tage über 40 Grad Celsius. Auch Chinas nördliche Regionen Hebei, Henan, Shandong, Innere Mongolei und Tianjin leiden unter Hitzewellen. Nachdem die Temperaturen Anfang der Woche leicht gesunken waren, sind für das Wochenende wieder Hitzetage angekündigt. Das Extremwetter droht sich auf die Ernten auszuwirken. Eine weitere Dürre, wie im letzten Jahr, “würde sich negativ auf die Ernteerträge auswirken, während die Viehbestände durch hohe Temperaturen gefährdet sind”, so die Analysten von Capital Economics.

    Die Rekordtemperaturen in China, Malaysia, Indien, Pakistan und Bangladesch in den letzten Wochen haben auch die Stromversorgung beeinträchtigt. Die Stromnetze wurden stark belastet, sodass es zu Stromausfällen kam. In Vietnam beispielsweise war der Wasserpegel von Wasserkraftwerken so niedrig, dass kein Strom mehr produziert werden konnte. China stand im letzten Sommer vor ähnlichen Problemen.

    Auch im Süden der USA und Norden Mexikos liegen die Temperaturen seit einigen Tagen oft bei mehr als 38 Grad Celsius. Hinzu kommt eine drückende Luftfeuchtigkeit. Gut 62 Millionen US-Amerikaner seien betroffen, so Reuters. Die Hitzewelle könnte bis Anfang Juli andauern, so Prognosen. Auch Spanien und Teile Japans leiden unter einer Hitzewelle.

    In Indien kam es Mitte Juni zu über 100 Todesfällen während einer Hitzewelle. Lokale Regierungsbeamte zweifelten einen direkten Zusammenhang mit den hohen Temperaturen an. Mediziner und lokale Medienberichte führten die Todesfälle jedoch auf die Hitze zurück.

    Studie: “Ära der Hitzeextreme”

    Laut einer neuen Studie gehen die “Hintergrundbedingungen für diese zerstörerischen, lang anhaltenden Hitzewellen” der letzten Jahre auf den Klimawandel zurück. “Wir treten jetzt in eine Ära mit Hitzeextremen ein, die es ohne den Klimawandel einfach nicht gegeben hätte”, so das Fazit der Autoren, zu denen auch der bekannte Klimaforscher Stefan Rahmstorf zählt. Laut dem Klimawissenschaftler betrifft extreme Hitze heute 90 Mal mehr Gebiete als vor 1980. Und “die Zahl der beobachteten monatlichen Temperaturrekorde ist inzwischen auf das 8-fache dessen gestiegen, was in einem Klima ohne langfristige Erwärmung zu erwarten wäre”, so die Klimawissenschaftler. In nur einem Jahrzehnt zusätzlicher globaler Erwärmung haben sich die Häufigkeit von Hitze- und Niederschlagsextremen “ernsthaft erhöht”. nib

    • China
    • Extremwetter
    • Mexiko
    • USA

    Presseschau

    Analyse: Zement ist für acht Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. Warum ist es so schwierig, sie zu senken? Washington Post
    Analyse: Wie die Waldbrände in Kanada Carbon Offsets zerstören Bloomberg
    Analyse: Wie die Klimakrise Gesundheit in Afrika beeinflusst CarbonBrief
    Reportage: Grüner Wasserstoff aus Chile könnte vor Ort für Umweltprobleme sorgen Die Tageszeitung
    Analyse: Flugzeugbauer investieren in emissionsärmere Technologie – aber die Zunahme an Flügen könnte die Fortschritte zunichtemachen Financial Times
    Analyse: Wie Klimaangst therapiert werden kann – erste Erkenntnisse aus Holland Die Zeit
    Podcast: Wie viel hilft LNG? Climate Gossip
    Kommentar: Mit dieser Idee will ein Ökonom die Klimakrise stoppen New York Times
    Kommentar: Die heimlichen Klima-Einflüsterer der FDP Der Spiegel
    Hintergrund: Wie das Ende von sexualisierter Gewalt dabei helfen könnte, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen CarbonBrief
    Explainer: Wie entstehen Hitzewellen im Meer? Süddeutsche Zeitung

    Standpunkt

    Nach Macrons Klimafinanzgipfel: Mehr Mitbestimmung für Afrika

    Von Mavis Owusu-Gyamfi
    Mavis Owusu-Gyamfi – Exekutiv-Vizepräsidentin des Think-Tanks African Center for Economic Transformation

    Der Gipfel für einen neuen globalen Finanzpakt in Paris ist zu Ende gegangen. Wir sind zwar noch lange nicht da, wo wir sein müssen, um die globale Finanzarchitektur für Afrika heute fit zu machen. Aber einige der in den vergangenen Tagen unternommenen Schritte und eingegangenen Verpflichtungen ermutigen mich

    Lassen Sie mich vier Beispiele nennen.

    1. Eine starke Koalition für eine Reform

    Erstens sahen wir eine Koalition starker Stimmen, die sich einig waren, dass die derzeitige internationale Finanzarchitektur für die Welt, in der wir jetzt leben, nicht funktioniert – vor allem nicht in sich überschneidenden Krisen -, und dass wir dringend Lösungen brauchen. Diese Stimmen kamen nicht nur aus dem globalen Süden oder dem globalen Norden, sondern von überall her, auch aus den multilateralen Entwicklungsbanken, von Philanthropen und aus der Zivilgesellschaft.

    2. Die gemeinsame Stimme Afrikas

    Zweitens sprachen die afrikanischen Staats- und Regierungschefs mit einer Stimme. Während des vergangenen Jahres waren wir noch besorgt darüber, dass die afrikanischen Staats- und Regierungschefs keine gemeinsame Position hatten. Das hat dazu geführt, dass es an einer starken afrikanischen Stimme fehlt, wenn es darum geht, wie wir mit Herausforderungen wie der Klimafinanzierung, einem Schuldenerlass, Handel, Sicherheit und mehr umgehen. Aber in Paris haben wir von unseren Staats- und Regierungschefs sehr klare Forderungen gehört:

    • eine Umschuldung, die den Krisenländern mehr Spielraum und Liquidität verschafft;
    • eine echte Lösung für die drohende Verschlechterung der konzessionären Finanzierung durch die Internationale Entwicklungsorganisation (IDA), die voraussichtlich 2024 eintreten wird;
    • eine Klimafinanzierung, die frühere Versprechen einlöst und neue Möglichkeiten für grüne Investitionen in Afrika schafft;
    • einen Übergang vom Reden zum Handeln; und
    • einen gleichberechtigten Platz am Tisch.

    3. Alle Probleme zugleich angehen

    Drittens scheint der Pariser Gipfel endlich jeden wirklichen oder vermeintlichen Zielkonflikt zwischen den Ländern mit mittlerem und niedrigem Einkommen, der Bridgetown-Agenda und der afrikanischen Agenda, von Klimafinanzierung versus Entwicklungsfinanzierung ad acta gelegt zu haben. In diesen beiden Tagen wurde mehr als deutlich, dass eine Finanzierungsarchitektur, die wirklich für die heutige Welt geeignet ist, all diese Probleme zugleich angehen muss. Für echte Fortschritte müssen diese Dinge Hand in Hand bearbeitet werden.

    4. Lang erwartete Ankündigungen und Maßnahmen

    Und schließlich war es großartig, mehrere lang erwartete Ankündigungen und Maßnahmen zu sehen, die auf die Diskussionen während der Frühjahrstagung von Weltbank und IWF im April folgten:

    • Die Schuldenpause der Weltbank für Länder, die von Naturkatastrophen heimgesucht wurden,
    • Sambias Umschuldung,
    • eine Partnerschaft für eine gerechte Energiewende im Senegal,
    • eine starke Forderung nach einem Sitz der Afrikanischen Union bei den G20 und
    • positive Fortschritte bei der Erreichung der erforderlichen 100-Milliarden-Dollar-Zusagen für das Recycling der Sonderziehungsrechte, das den afrikanischen Ländern, die mit wirtschaftlichen Schocks, Klimakrisen und Finanzierungsengpässen konfrontiert sind, die dringend benötigte Liquidität zur Verfügung stellen würde.

    Künftige Schlüsselmomente

    Das ist ein guter Anfang, aber nicht ausreichend. Wir haben in den kommenden Monaten einen langen Weg vor uns, um diese Dynamik aufrechtzuerhalten. Der Pariser Gipfel hat einen Fahrplan für Maßnahmen bis 2024 veröffentlicht, in dem Schlüsselmomente für die Umsetzung der auf diesem Gipfel und in früheren Tagungen gemachten Versprechen aufgeführt sind.

    Für mich und meine Kolleginnen und Kollegen vom African Center for Economic Transformation gibt es zwei sehr wichtige Dinge, auf die wir uns auf dem Weg zum Afrika-Klimagipfel in Nairobi, dem Weltbank-IWF-Treffen in Marrakesch, der COP28 in Dubai und darüber hinaus konzentrieren sollten.

    Wir werden weiterhin eine starke Koalition afrikanischer Staats- und Regierungschefs und Organisationen aufbauen, die sich für konkrete Veränderungen im globalen Finanzsystem einsetzen. Auf Ersuchen der Finanzminister entwickeln wir eine Erklärung von Marrakesch, die im Oktober verabschiedet werden soll und die Position Afrikas festschreibt und darlegt, was erforderlich ist, um diese Agenda Wirklichkeit werden zu lassen – mit der Unterstützung eines breiten Spektrums von Zivilgesellschaft, Think-Tanks und Regierungspartnern auf dem gesamten Kontinent und weltweit.

    Gleichberechtigung für Afrika

    Gleichzeitig werden wir uns weiterhin dafür einsetzen, dass Afrika eine gleichberechtigte Stimme und eine gleichberechtigte Teilnahme an globalen Foren und globalen Institutionen hat, in denen Entscheidungen getroffen werden, die Afrikanerinnen und Afrikaner betreffen. Ein guter Anfang wird der Sitz der AU auf dem G20-Gipfel sein – wir hoffen, dass er im kommenden Jahr Wirklichkeit werden wird, nachdem Indiens Premierminister Modi ermutigende Maßnahmen ergriffen hat. Aber dies muss sich auch auf die Weltbank, den IWF und andere globale Institutionen ausweiten, in denen Afrikas Stimme allzu oft von größeren Anteilseignern übertönt wird.

    Wir müssen uns von einer Situation verabschieden, in der wir, wann immer Afrika eine Idee hat, eine umständliche und teure Advocacy-Kampagne starten müssen, anstatt uns mit anderen Ländern zusammenzusetzen und einfach unsere Bedürfnisse darzulegen. In Paris wurde der Tisch für Afrika gedeckt, und wir haben uns laut und deutlich Gehör verschafft. Lassen Sie uns diese Energie beibehalten, bis wir eine globale Finanzarchitektur erreicht haben, die allen Afrikanern zugutekommt.

    Mavis Owusu-Gyamfi ist die Exekutiv-Vizepräsidentin des Afrikanischen Zentrums für wirtschaftliche Transformation (African Center for Economic Transformation – ACET).

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