Table.Briefing: Climate

EU-Mercosur-Streit + Weltbank-Reform + UK-Klimaplan

Liebe Leserin, lieber Leser,

um die Klimakrise zu bewältigen, muss “alles, überall, auf einmal” passieren, mahnt António Guterres. Doch in der Politik geht es oft nur in Trippelschritten voran: In Großbritannien musste der Klimaschutz in den vergangenen Monaten hinter Fragen der Energiesicherheit zurückstecken. Ein neuer Klimaplan der Regierung wird als wenig innovativ kritisiert und stellt auch kein neues Geld bereit. Beim Handelsabkommen der EU und der Mercosur-Staaten wird derzeit – erneut – um Nachhaltigkeitsfragen gerungen. Es ist ein Hin und Her um einen Vertrag, der eigentlich schon als ausverhandelt galt, aber hochumstritten ist.

Und auch bei der Weltbank-Reform kam es bei der Frühjahrstagung nicht zum großen Wurf. In der Klimafinanzierung geht es generell zäh voran. Ani Dasgupta, Chef des World Ressources Institute, fordert im Interview deshalb von der Weltbank mehr Engagement beim Hebeln privater Gelder. Doch private Investoren wie Vermögens- und Pensionsfonds haben noch immer Billionen in fossile Unternehmen investiert, wie eine neue NGO-Untersuchung zeigt. Und auch von neuen Spielern wie China kam in den letzten Jahren zu wenig im Bereich der Klimafinanzierung.

Ein kleiner Lichtblick zum Schluss: Beim Ausbau der Wind- und Solarenergie stimmt das Tempo schon einigermaßen. Viele Staaten haben die Wind- und Solarkraft in den letzten Jahren stark ausgebaut. Doch auch hier gilt: Am Ball bleiben und das Tempo noch erhöhen!

Beste Grüße!

Ihr
Nico Beckert
Bild von Nico  Beckert

Analyse

EU und Mercosur ringen um Klimaschutz-Zusagen

Gerodete Flächen neben Regenwald im brasilianischen Bundesstaat Rondônia

Die Europäische Union stößt auf Widerstand mit ihrem Anliegen, die vier Mercosur-Staaten zum Schutz des Regenwaldes zu verpflichten. Die EU-Kommission will Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay dazu bewegen, eine verbindliche Zusatzerklärung zum ausverhandelten, aber noch nicht unterzeichneten Freihandelsabkommen zu unterzeichnen. Doch die dortigen Regierungen lehnen dies bislang ab.

Die Unterhändler beider Seiten hätten sich an diesem Mittwoch und Donnerstag in Buenos Aires treffen sollen, um über die europäischen Forderungen zu beraten. Auf dem Tisch sollte diesmal ein Textvorschlag der Mercosur-Regierungen für die von der EU gewünschte Zusatzerklärung liegen. Allerdings wurde das physische Treffen gestern kurzfristig auf Mai verschoben. Insbesondere die Mercosur-Seite habe mehr Zeit zur Vorbereitung benötigt, hieß es in EU-Kreisen. Beide Seiten seien “nach wie vor entschlossen, das Abkommen einschließlich des Zusatzinstruments so bald wie möglich abzuschließen”, erklärte eine Kommissionssprecherin.

Die Kommission hatte bei der ersten Verhandlungsrunde im März ihren Vorschlag vorgelegt, mit dem sie die Zusagen aus dem Nachhaltigkeitskapitel des Handelsvertrages konkretisieren will. Das Ziel: den Bedenken in den EU-Staaten und im Europaparlament zu begegnen, der Freihandel mit den südamerikanischen Ländern könnte zum Abholzen des Regenwaldes beitragen. So will die Kommission die Zustimmung zum Abkommen sichern, das insbesondere in Frankreich, Österreich oder den Niederlanden heftig umstritten ist.

Der europäische Textvorschlag war vor Ostern an die Öffentlichkeit gelangt. Um diese Bereiche geht es:

  • Einhaltung der Zusagen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen, inklusive der konkreten Umsetzung des Waldschutzes
  • Umsetzung des in Montreal ausgehandelten Abkommens zum Schutz der ökologischen Vielfalt
  • Ratifizierung der ILO-Kernarbeitsnormen

Sorge vor Sanktionen durch die Hintertür

Der europäische Vorschlag enthielt allein 19 Verweise auf das Pariser Abkommen. Dieses sieht freiwillige Ziele für die Unterzeichnerstaaten vor und enthält keine Sanktionen zur Durchsetzung. Die Sorge in Südamerika: Die EU könnte über eine verbindliche Zusatzerklärung Sanktionen durch die Hintertür einführen. So könnten Zoll-Zugeständnisse, die im EU-Mercosur-Vertrag vereinbart sind, ausgesetzt werden, sollten die nationalen Ziele des Pariser Abkommens verfehlt werden, warnt ein Offizieller aus Uruguay. Auch in Brasilia wird befürchtet, die Formulierungen könnten ein Einfallstor für Handelssanktionen sein, falls die Regierung die Abholzung im Amazonas-Gebiet nicht stark einschränke.

Die Mercosur-Staaten wehren sich auch dagegen, Themen in die Verhandlungen einzubringen, die bei der Grundsatzeinigung auf das Handelsabkommen 2019 noch nicht Teil der Gespräche waren. Dazu zählt insbesondere das Globale Rahmenwerk zur biologischen Vielfalt, das im Dezember in Montreal vereinbart, aber noch nicht von den Ländern ratifiziert wurde. Die Regierungen sind zudem der Ansicht, dass der von der EU vorgelegte Text stark auf den Umweltschutz ausgerichtet ist und die beiden anderen Säulen der nachhaltigen Entwicklung – die sozialen und wirtschaftlichen Aspekte – außer Acht lässt. Dies ist ein alter Streitpunkt zwischen den beiden Handelsblöcken.

Die Mercosur-Regierungen sind zudem besorgt darüber, wie die am Mittwoch im Europaparlament beschlossene EU-Verordnung über entwaldungsfreie Produkte oder der CO₂-Grenzausgleich CBAM mit dem EU-Mercosur-Abkommen zusammenhängen. “Sie sind einseitig und können das Gleichgewicht des Abkommens beeinträchtigen, dessen Aushandlung 20 Jahre gedauert hat”, heißt es in brasilianischen Regierungskreisen.

Grüne fordern Sanktionsmechanismen

Die EU-Kommission versucht, die Bedenken zu entkräften. Derartige Streitigkeiten sollten nicht über Sanktionen, sondern mithilfe eines Expertenpanels beigelegt werden, sagt ein hochrangiger EU-Beamter.

Doch die Kommission steht selbst unter Druck: Insbesondere die Grünen in der Ampel-Koalition knüpfen ihre Zustimmung zum Abkommen bislang daran, dass die Nachhaltigkeitsvereinbarungen besser durchgesetzt werden. Es brauche “eine Neufassung der Zusatzvereinbarung inklusive sanktionsbewehrter Streitbeilegungsmechanismen, sodass effektive Maßnahmen zum Waldschutz tatsächlich festgeschrieben werden”, forderte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Maik Außendorf nach einer Anhörung im Wirtschaftsausschuss zum Mercosur-Abkommen.

Interesse an einer Einigung

Nun kommt es zum Kräftemessen. Beide Seiten zeigen großes Interesse an dem Handelsabkommen. Bis spätestens Ende des Jahres wollen sie erklärtermaßen eine Einigung erzielen. Im Juli übernimmt Brasilien für sechs Monate die Präsidentschaft des Mercosur. In der EU übernimmt Spanien den Ratsvorsitz, das sich ebenfalls für das Abkommen einsetzt.

Das Freihandelsabkommen mit den vier südamerikanischen Ländern wäre das wirtschaftlich gewichtigste, das die EU bislang abgeschlossen hat: Vier Milliarden Euro an Zöllen pro Jahr könnten die Exporteure damit einsparen. Zum Vergleich: Der Deal mit Japan spart etwa eine Milliarde Euro. So schützen Brasilien und Co. ihre Märkte bislang mit hohen Einfuhrzöllen von 35 Prozent auf Autos. Auch Maschinenbau, Agrar-, Chemie- und Pharmaindustrie würden profitieren.

Beide Seiten haben geopolitische Ziele

Die wirtschaftlichen Vorteile sind aber nicht der einzige Grund, warum sich Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wie Kanzler Olaf Scholz für das Handelsabkommen einsetzen: Sie sehen darin einen Hebel, um die lateinamerikanischen Staaten im geopolitischen Kräftemessen auf ihre Seite zu ziehen. China hat seinen Handel mit der Region in den vergangenen Jahren stark ausgebaut und die EU als wichtigster Handelspartner abgelöst.

Für Brasilien ist China sogar der mit Abstand wichtigste Handelspartner. Das zeigt sich im sehr Peking-freundlichen Kurs, den Präsident Lula da Silva inzwischen fährt. Bei seinem Besuch in Peking machte Lula deutlich, dass er den westlichen Kurs der Abgrenzung gegenüber autoritären Staaten wie China und Russland nicht mitgeht. China und Brasilien haben sich zudem Ende März darauf verständigt, künftig mehr Handel direkt in ihren eigenen Landeswährungen zu ermöglichen und so die Abhängigkeit vom US-Dollar zu reduzieren. 

Lula hat angekündigt, mit Peking ebenfalls über ein Handelsabkommen verhandeln zu wollen. Vorher wolle er aber den Deal mit den Europäern finalisieren, heißt es in Brüssel. In den Mercosur-Staaten gebe es “ein Interesse, die EU als Gegengewicht zu den USA und China” zu erhalten, sagt ein hochrangiger EU-Beamter. Von Daniela Chiaretti und Till Hoppe

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“Wir sollten über das ganze Finanzsystem nachdenken”

Porträt von Ani Dasgupta, Präsident und Vorstandsvorsitzender des World Resources Institute (WRI)
Ani Dasgupta, Präsident und Vorstandsvorsitzender des World Resources Institute (WRI)

Herr Dasgupta, die Weltbank soll künftig mehr Geld für Klimaschutz und -anpassung bereitstellen – das war das zentrale Thema der Frühjahrstagung in der vergangenen Woche. Was hat das Treffen gebracht?

Die Weltbank sollte unbedingt führend darin sein, Klima und Entwicklung zusammenzubringen. Vielen geht es dabei nicht schnell genug voran, auch uns am WRI nicht. Aber die aktuellen Rahmenbedingungen sind – durch die Folgen der Covid-Pandemie, den Ukraine-Krieg, die Überschuldung vieler Staaten und der Nahrungs- und Energiekrise – auch sehr komplex.

Wie sollte die Bank darauf reagieren?

Sie sollte erstens mehr Geld verleihen. Zweitens sollte sie Klima und Entwicklung unbedingt zusammen denken. Und drittens, und aus meiner Sicht ist das am schwierigsten: Sie sollte stärker mit anderen Akteuren zusammenarbeiten, um Finanzierungslösungen zu finden. Statt einfach selbst Darlehen zu vergeben, sollte sie Ländern helfen, aus öffentlichen Mitteln, privatem Kapital und Weltbank-Geld gemeinsame Finanzierungslösungen zu entwickeln. Denn ohne privates Geld wird der Wandel hin zu einer klimafreundlichen Welt nicht zu schaffen sein. Wir haben gar nicht ausreichend öffentliches Geld dafür. In dem Bereich ging es auf der Frühjahrstagung kaum voran.

“Ein berechenbareres Umfeld für private Geldgeber schaffen”

Wie groß sind die Chancen, dass es tatsächlich gelingt, mehr privates Kapital zu mobilisieren?

Private Geldgeber scheuen vor hohen Risiken zurück. Doch wenn sich die Weltbank engagiert, dann verleiht das der Politik eine gewisse Berechenbarkeit. Gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds, dessen Aufgabe es ist, für makroökonomische Stabilität zu sorgen, kann sie ein berechenbareres Umfeld für private Geldgeber schaffen. Gerade für die Länder mit einem besonders niedrigen Einkommensniveau, denen die Weltbank-Tochter IDA Langzeit-Kredite zu besonders günstigen Bedingungen gewährt, ist das sehr wichtig.

Warum sollte das in Zukunft besser funktionieren als bisher?

Es kann nur funktionieren, wenn die Weltbank eine andere Rolle spielt als bisher. Sie muss sich viel stärker als Teil eines größeren Netzwerks begreifen, und als eine Art Katalysator, der unterschiedliche Geldgeber zusammenbringt. Sie kann das dafür nötige Vertrauen schaffen. Das zu erreichen, ist die Herausforderung für den neuen Präsidenten der Bank.

Vielleicht das konkreteste Ergebnis des Frühjahrstreffens war, dass die Kredit-Eigenkapitalquote der Bank von 20 auf 19 Prozent sinken soll. Wie viel bringt das dem Klima?

Man hofft, durch die niedrigere Quote vier bis fünf Milliarden US-Dollar pro Jahr zusätzlich zu mobilisieren. Davon soll ein Teil in die Klimafinanzierung fließen. Das ist ein wichtiger erster Schritt. Aber es ist nicht genug.

Schuldenkrise, Klima und Entwicklung, Transparenz

Wie wichtig wäre ein Schuldennachlass?

Die Schuldenkrise ist ein ernstes und wachsendes Problem, gerade für Länder mit besonders niedrigem Einkommensniveau. Sie wenden einen erheblichen Teil ihrer öffentlichen Mittel für den Schuldendienst auf. Das Geld fehlt dann für andere Dinge – auch für den Klimaschutz, die Anpassung an den Klimawandel und die Reparatur von Klimaschäden. Immerhin scheinen die wichtigsten Geldgeber das Problem erkannt zu haben. Auf dem Frühjahrstreffen gab es Beratungen dazu, an denen auch China teilnahm. Mein Eindruck ist aber, dass es kaum konkrete Fortschritte gab.

Wenn die Rahmenbedingungen für die Arbeit der Weltbank so viel schwieriger geworden sind: Wie viel kann sie angesichts der vielfältigen Krisen überhaupt für das Klima tun?

Zu glauben, dass Armutsbekämpfung und Klimaschutz zwei gegensätzliche Ziele sind, ist ein Fehlschluss. Beides gehört zusammen. Entwicklungsländer brauchen Wirtschaftswachstum, aber auf klimafreundliche Weise. Das übergeordnete Ziel der Bank ist die Bekämpfung der Armut – gut! Aber ebenso wichtig sind der Kampf gegen klimabedingte Katastrophen, die Anpassung an den Klimawandel und die Chancen, die Klimaschutz für die wirtschaftliche Entwicklung bietet, beispielsweise indem er Arbeitsplätze in sauberen Branchen schafft.

NGOs kritisieren, dass die Weltbank immer noch fossile Projekte finanziert, und beklagen mangelnde Transparenz. Wie glaubwürdig ist das Versprechen eines klimafreundlichen Wandels?

Die Kritik an mangelnder Transparenz ist legitim. Es ist schwierig, nachzuvollziehen, wie viel Geld derzeit tatsächlich in klimafreundliche Investitionen fließt. Die Bank könnte das relativ leicht ändern, um ihre Glaubwürdigkeit zu stärken. Und natürlich ist es nicht leicht, die Arbeitsweise der Weltbank zu verändern. Ich habe dort 20 Jahre lang gearbeitet. Die Bank macht Geschäfte auf ihre eigene Art – aber die ist auch anders als noch vor 40 Jahren. Sie hat sich weiterentwickelt. Genauso muss sie sich jetzt verändern, zu einem Zeitpunkt, in dem wir enorme Summen brauchen, um die globale, klimafreundliche Transformation zu bewältigen.

Erwartungen an Ajay Banga und das Treffen in Paris

Was erwarten Sie vom künftigen Weltbankpräsidenten Ajay Banga?

Ich bin optimistisch. Banga kommt aus Indien, so wie ich auch. Er ist also in einem Land mit viel Armut aufgewachsen. Das ist eine sehr wichtige Erfahrung. Und er hat mit Mastercard ein großes Unternehmen erfolgreich geführt. Aber die Weltbank zu leiten, ist eine Kunst für sich. Es gibt kaum einen anderen Ort, an dem so viele kluge, gute Leute arbeiten. Um sie zu führen, muss man gut zuhören können und bereit sein, zu lernen. Und die Herausforderungen sind groß. Viel wird davon abhängen, welche Prioritäten Banga setzt.

Welche konkreten Beschlüsse sind von den kommenden Treffen bis zur Jahrestagung von IWF und Weltbank in Marrakesch im kommenden Herbst noch zu erwarten?

Ich glaube, wir werden einen besseren Eindruck davon bekommen, worauf Banga seine Arbeit konzentrieren will. Und womöglich werden sich auf dem Finanzgipfel, zu dem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Juni lädt, weitere Einzelheiten der künftigen globalen Finanzarchitektur abzeichnen. Mit der Reform der Weltbank allein ist es nicht getan. Wir sollten über das ganze Finanzsystem nachdenken und darüber, welche Rolle die Weltbank darin spielen kann – und welche Rolle die anderen Teile des Systems. Ich hoffe, dass diese Debatte auf dem Treffen in Paris geführt wird.

Ani Dasgupta ist Präsident und Vorstandsvorsitzender des World Resources Institute (WRI) in Washington, D.C.. Bevor er 2014 zum WRI kam, war er Direktor für Wissen und Lernen bei der Weltbank.

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UK-Klimaplan: Alte Ideen neu verpackt

Großbritannien baut neue Atomkraftwerke – im Bild der Reaktor Sizewell B.

Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine vor mehr als zwölf Monaten ist die Energiesicherheit zum wichtigsten Mantra des britischen Premierministers Rishi Sunak und seiner (politisch) kurzlebigen Vorgängerin Liz Truss geworden. Der “Klimawandel” scheint weitgehend aus dem Wortschatz der Regierung verschwunden zu sein.

Am 30. März wurde nun das Papier “Powering Up Britain“, als “Blaupause der Regierung für die Zukunft der Energieversorgung in diesem Land” veröffentlicht.

Sunaks Entscheidung, das Ministerium für Wirtschaft, Energie und Industriestrategie (BEIS) durch das Ministerium für Energiesicherheit und Netto-Nullenergie (DESNZ) zu ersetzen, wurde weitgehend als positiver Schritt für den Klimaschutz begrüßt. Das DESNZ soll sich auf die Energieversorgung, die Märkte und den Übergang zur Netto-Nullenergie konzentrieren. Aber es fehlt an echten Maßnahmen. Bislang hat kein Ministerium beschlossen, die Maßnahmen zur Emissionssenkung im Einklang mit den Erkenntnissen der Klimawissenschaft und der Dringlichkeit zu beschleunigen, die der jüngste Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change fordert.

Neuauflage früherer Ankündigungen

Während der frühere britische Premierminister Tony Blair 1996 darauf bestand, dass “Bildung, Bildung, Bildung” seine Priorität sei, scheint es für Sunak “Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit” zu sein. Powering Up Britain konzentriert sich auf die Erreichung von Netto-Null durch Energiesicherheit, Klimasicherheit (das zielt auf die Transformation der Industrie hin zu sauberen Energiequellen), Verbrauchersicherheit und wirtschaftliche Sicherheit.

Folgende Maßnahmen werden in der Regierungs-Blaupause genannt:

  • “Great British Nuclear” mit dem Ziel, bis 2050 im Vereinigten Königreich bis zu 24 GW an Kernkraftkapazität bereitzustellen, verglichen mit 5,9 GW heute.
  • Förderung der Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung (CCUS) und Schaffung von zwei CCUS-Clustern.
  • Schaffung einer Wasserstoffwirtschaft. Die Regierung ist der Ansicht, dass die Produktion von grünem Wasserstoff im Jahr 2030 genug Strom erzeugen könnte, um London ein Jahr lang zu versorgen.
  • Den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen, indem bis 2030 bis zu 50 GW Offshore-Windkraft entwickelt werden – im Vergleich zu fast 13 GW angeschlossener Offshore-Windenergie heute. Solarenergie soll bis 2035 verfünffacht werden.
  • Reduzierung der fossilen Brennstoffe im Heizungs- und Verkehrssektor durch das Austauschen von Gasboiler durch Wärmepumpen und die Vorgabe, dass ab 2024 ein zunehmender Prozentsatz der verkauften Neuwagen und Lieferwagen emissionsfrei sein muss.
  • Die Mobilisierung von Investitionen durch die aktualisierte Green Finance Strategie, die Pläne für eine britische grüne Taxonomie enthält, die EU-Taxonomie ähnelt.

Ed Matthew vom Klimatank E3G sagte, die meisten Maßnahmen seien bereits im letzten Jahr angekündigt worden. Sie seien “nicht mutig genug, um das Vereinigte Königreich im Rennen um saubere Technologien wettbewerbsfähig zu halten oder uns wieder auf den Weg zum Netto-Nullpunkt zu bringen”. Er bezeichnete das gesamte Paket als “nicht überzeugend”.

Kein neues Geld für Klimaschutz

Klimaschützer aus dem Vereinigten Königreich kritisierten vor allem, dass keine neuen Gelder zur Verfügung gestellt werden, um den Weg zu Netto-Null zu beschleunigen. Großbritannien drohe an Boden zu verlieren angesichts der massiven Investitionen in saubere Energietechnologien im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) in den USA und der großen Finanzierungssummen, die durch den Net Zero Industry Act der EU erwartet werden. Die britische Regierung erklärte, dass sie die Veröffentlichung der Finanzierungsdetails dieser Maßnahmen bis zum Herbst 2023 verschieben werde.

Jess Ralston von dem Thinktank Energy and Climate Intelligence Unit (ECIU) sagte, die Verzögerung könnte “der letzte Nagel im Sarg für Unternehmen und Offshore-Windinvestoren sein, die ihre Investitionen einfach dorthin verlagern werden, wo es langfristige politische und regulatorische Sicherheit gibt”.

“Ohne Finanzierung wird nichts zur Erreichung des Netto-Null-Ziels getan werden”, sagte Matthew von E3G.
Er forderte, dass die neu eingeführte grüne Finanzstrategie des Vereinigten Königreichs “durch einen umfassenden Netto-Null-Investitionsplan, eine unabhängige Verfolgung der Netto-Null-Finanzströme, ein starkes Netto-Null-Mandat für die Regulierungsbehörden und eine glaubwürdige grüne Taxonomie untermauert werden muss”.

Die Green Finance-Strategie war Teil des Versprechens, das Sunak als britischer Schatzkanzler (Finanzminister) unter der Führung von Boris Johnson auf der COP26 in Glasgow im Jahr 2021 gegeben hatte. Er versprach Großbritannien zu einem weltweit führenden Netto-Null-Finanzzentrum zu machen.

Streit um fossile Brennstoffe

Seit Johnson im Juli 2022 gezwungen war, als britischer Premierminister zurückzutreten, hat sich niemand an der Spitze der britischen Regierung dafür eingesetzt, den Klimaschutz zu einer politischen Priorität zu machen. Wann immer es Anzeichen für Fortschritte gibt, taucht häufig ein Hindernis auf. Bestrebungen werden ausgebremst. Das lässt darauf schließen, dass die derzeitige britische Regierung sich nicht voll und ganz dem Ziel verschrieben hat, bis Mitte des Jahrhunderts Netto-Null-Emissionen zu erreichen.

Im Vorwort von “Powering Up Britain” spricht Grant Shapps, Staatssekretär für Energiesicherheit und Netto-Nullenergie, über “die Verpflichtung zu einer anderen Zukunft. Eine, die mit den fossilen Brennstoffen bricht, die uns in den vergangenen zwei Jahrhunderten angetrieben haben”. Gleichzeitig hat sich Klimaminister Graham Stuart für ein neues Kohlebergwerk in Cumbria, in Nordwestengland, ausgesprochen und zu einer differenzierteren Betrachtung fossiler Brennstoffe aufgerufen, anstatt sie als “Ausgeburt des Teufels” zu betrachten.

Die Regierung hat auch ein neues Programm zur Unterstützung der Menschen bei der Wärmedämmung ihrer Häuser vorgelegt. Aber laut E3G werden damit nur 100.000 Häuser pro Jahr mehr gedämmt, obwohl es im Vereinigten Königreich 17 Millionen Häuser mit schlechter Dämmung gibt.

Netto Null als wirtschaftliche Chance

Viele der Aktualisierungen in Powering Up Britain wurden als Reaktion auf den unabhängigen Net Zero Review vorgenommen, der kürzlich vom konservativen Abgeordneten Chris Skidmore durchgeführt wurde. In dem Bericht aus dem Januar dieses Jahres wird argumentiert, dass der Übergang zu Netto-Null-Energie auch eine Chance für Wachstum ist und dass das Vereinigte Königreich gut aufgestellt ist, um von der steigenden Nachfrage nach Netto-Null-Gütern und Dienstleistungen zu profitieren.

“Net Zero wird uns wärmer und reicher (nicht kälter und ärmer) machen und ist die wirtschaftliche Chance des Jahrzehnts, wenn nicht sogar des Jahrhunderts”, argumentierte Skidmore Ende Mai im Unterhaus.

Seine Empfehlungen – das Ergebnis von Gesprächen mit “Tausenden von Einzelpersonen und Unternehmen” – machten jedoch auch deutlich, dass das Vereinigte Königreich ehrgeizige politische Maßnahmen sowie öffentliche und private Investitionen tätigen muss, um diese Vorteile zu nutzen.

Es ist immer noch nicht klar, ob die Regierung diese Schlussfolgerungen vollständig übernommen hat oder ob Sunak und seine Minister, in Skidmores Worten, “Klimaverzögerer” und “die neuen Klimaleugner” sind. Von Philippa Nuttall Jones

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Termine

17. bis 22. April, München
Messe BAU 2023
Die Baumessse BAU 2023 hat in diesem Jahr einen Fokus auf klimaneutrales Bauen.  Infos und Anmeldung

20.-21. April, Warschau
Konferenz Togetair Climate Summit
Die Konferenz bringt verschiedene Institutionen und Akteure in Polen zusammen, insbesondere politische Vertreter, wissenschaftliche Einrichtungen, Unternehmen, den Nichtregierungssektor und die Medien. Auf ihr werden Energie- und Klimafragen mit Blick auf Osteuropa diskutiert.  Infos

20. April, 10 Uhr, online
Diskussion The end of fossil fueled mobility – Is Europe ready for future mobility?
Bei der Onlinediskussion der NGO Germanwatch wird mit politischen Entscheidungsträgern aus Deutschland, Frankreich und Polen darüber diskutiert, welche Faktoren für eine Verkehrswende nötig sind.  Infos und Anmeldung

21. April, 13 Uhr, Genf
Veröffentlichung Zustand des Klimas 2022
Die Weltwetterorganisation veröffentlicht ihren jährlichen Bericht zum Zustand des Weltklimas. Aus dem vorläufigen Bericht im Herbst ging hervor, dass das Jahr das fünf- oder sechstwärmste seit vorindustrieller Zeit sei.  Infos

24.-28. April, Santiago de Chile
Konferenz Latin America and the Caribbean Regional Forum on Sustainable Development 2023
Das von der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (ECLAC) einberufene Forum ist eine regionale Plattform für die Bewertung von Fortschritten und den Austausch von Wissen, bewährten Verfahren und politischen Lösungen zur Unterstützung der Umsetzung der Agenda 2030 im Einklang mit den regionalen Prioritäten und Besonderheiten. Infos

26. April, 9.30 Uhr, Online
Webinar The Sustainable Use of Pesticide Regulation – Navigating the Path to a Greener EU
Im Juni 2022 hat die EU-Kommission die Sustainable Use of Pesticide Regulation verabschiedet, einige Staaten wehrten sich aber dagegen. Auf dem Webinar von EURACTIV wird darüber diskutiert, wie die Norm sinnvoll umgesetzt bzw. verbessert werden kann. Infos

26. April, 18 Uhr, München
Diskussion Ausbau Erneuerbarer Energien beschleunigen – Chancen für den Wirtschaftsstandort Bayern nutzen
Die Klima-Allianz Deutschland und der BUND Naturschutz in Bayern laden ein zur Diskussion “Ausbau Erneuerbarer Energien beschleunigen – Chancen für den Wirtschaftsstandort Bayern nutzen”. Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der bayerischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft wird über aktuelle Herausforderungen der Klima- und Energiepolitik in Bayern diskutiert. Infos

27. April, 9.30 Uhr, Oederan (Sachsen)
Diskussion Klimaneutralität 2045 – Warum ein Thema für Kommunen?
Zu trocken und heiß, dann plötzlich zu nass – die Auswirkungen der Klimakrise sind auch in Sachsen überall spürbar. Auf der Veranstaltung des sächsischen Staatsministeriums für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft wird diskutiert, wie Kommunen dieser Herausforderung begegnen können.  Infos

27. April, 9.45 Uhr, Online
Veröffentlichung Global EV Outlook 2023
Die Internationale Energieagentur (IEA) veröffentlicht ihren jährlichen Bericht zu Elektromobilität. Dabei werden verschiedene Faktoren, wie Ladeinfrastruktur und Lieferketten analysiert und mit Projektionen für 20230 verknüpft. Infos

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News

Klima in Zahlen: Wind- und Solarkraft wachsen schnell

Es ist eine positive Nachricht: Die Wind- und Solarenergie ist in den vergangenen Jahren in vielen Ländern rasant gewachsen. Inzwischen stammen weltweit 12,1 Prozent des Stroms aus Wind- und Solarkraftwerken. 2015 lag der Anteil noch bei 4,6 Prozent, wie ein Bericht des Think-Tanks Ember zeigt. Und das Wachstum geht weiter: Am Wochenende beschlossen die G7-Staaten, bis 2030 weitere 150 Gigawatt an Offshore-Windleistung und 1.000 Gigawatt aus Fotovoltaik zuzubauen.

Und dennoch reicht das Wachstum aus Klimasicht gerade so aus. Laut IEA Netto-Null-Emissions-Szenario muss:

  • die weltweite Solarenergie bis 2030 jährlich um 25 Prozent,
  • und die Windenergie jährlich um 17 Prozent wachsen, damit die Emissionen des Energiesektors bis 2030 ausreichend stark fallen können, um das Ziel von Netto-Null-Emissionen bis 2050 erreichbar zu halten.

Laut Ember kamen die Wachstumsraten zwischen 2015 und 2021 nahe an diese Zielmarken heran: Die Solarenergie wuchs weltweit jährlich im Durchschnitt um 26 Prozent, die Windenergie um 14 Prozent. Doch das Tempo müsste beibehalten werden. In absoluten Zahlen würde eine jährliche Steigerungsrate von 25 Prozent ein kontinuierlich zunehmendes Wachstum bedeuten. Die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) hatte allerdings vor Kurzem angemahnt, dass die Geschwindigkeit beim Ausbau von Erneuerbaren deutlich zunehmen müsste, um aktuelle Klimaziele zu erreichen. Auch Ember weist darauf hin, dass die Wasserkraft schneller wachsen müsste.

Die Kapazitäten zur Herstellung der benötigten Solarpaneele sind zumindest auf kurze Sicht gesichert. China hat als weltweit dominierender Hersteller die Kapazitäten zwischen 2021 und 2022 um gigantische 66 Prozent auf 600 Gigawatt gesteigert, wie Ember schreibt. Kurzfristig wird das potenzielle Angebot die Nachfrage also noch übertreffen. nib

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Klimafinanzierung: China zahlt weniger als versprochen

China bleibt bei der Klimafinanzierung im Globalen Süden hinter den eigenen Ankündigungen zurück. Eine neue Analyse der Denkfabrik E3G zeigt:

  • China hat bisher lediglich zehn Prozent der Zahlungen geleistet, die es 2015 für den China South-South Climate Cooperation Fund angekündigt hatte. Der Fonds soll Klimaprojekte im Globalen Süden eigentlich mit umgerechnet 3,1 Milliarden US-Dollar finanzieren. Bis Ende 2022 wurden allerdings nur umgerechnet 286 Millionen US-Dollar ausgezahlt.
  • Klimaprojekte im Globalen Süden machen zudem nur zwei Prozent der jährlichen Entwicklungsfinanzierung Chinas aus. Zwischen 2000 und 2017 flossen demnach 14 Milliarden US-Dollar in die Klimafinanzierung. Im gleichen Zeitraum zahlte China insgesamt 700 Milliarden für die internationale Entwicklungsfinanzierung, darunter in Projekte der Neuen Seidenstraße.

Circa zwei Drittel der internationalen Klimafinanzierung Chinas fließt der E3G-Analyse zufolge in den Bereich Mitigation, beispielsweise in den Bau von Solar- und Windkraftanlagen oder in klimafreundlichen Transport.

Fokus auf Afrika und Asien

Regional gibt es bei der Klimafinanzierung einen starken Fokus:

  • 46 Prozent der Mittel flossen in afrikanische Staaten
  • 38 Prozent der Mittel gingen in asiatische Länder
  • Lateinamerika (1,6 Prozent) und kleine Inselstaaten (1,1 Prozent) erhielten am wenigsten Mittel.

Mit 73 Prozent stammte der Großteil der Mittel von chinesischen Entwicklungsbanken wie der China Development Bank und der Export-Import Bank of China. Dabei dominierten Darlehen und Exportkredite. Der Rest verteilt sich auf kommerzielle Banken oder Ministerien sowie nicht genauer benannte Quellen.

China hat es bislang abgelehnt, sich an geplanten internationalen Vorhaben zur Klimafinanzierung wie einem Loss-and-Damage-Fonds zu beteiligen. Da die Volksrepublik im Kontext der UN-Klimarahmenkonvention offiziell noch als “Entwicklungsland” (Annex II-Country) gilt, hat sie weniger Verpflichtungen zur Klimafinanzierung als westliche Staaten.

“In dem Maße, wie Chinas Reichtum und seine Emissionen zunehmen, wird es für China immer schwieriger werden, in der gleichen Klasse wie andere Entwicklungsländer zu bleiben und sich von der Verantwortung für das Klima abzuschirmen“, sagt Byford Tsang, Senior Policy Advisor bei E3G. nib

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NGOs: Institutionelle Investoren zu fossil

Institutionelle Investoren haben derzeit knapp über drei Billionen US-Dollar in fossile Unternehmen investiert – obwohl ein großer Teil von ihnen sich zu dem Ziel bekannt hat, die globalen Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 auf netto null zu bringen. Das geht aus einer neuen Analyse einer Reihe von NGOs hervor. Unter ihnen ist auch die Menschenrechts- und Umweltorganisation Urgewald. Für ihre Untersuchung analysierten die NGOs die Aktien- und Anleihe-Investitionen von mehr als 6.500 institutionellen Investoren.

Die US-Vermögensverwalter Vanguard und Blackrock sind demnach mit 269 und 263 Milliarden US-Dollar die größten Investoren in Unternehmen aus dem Gas-, Erdöl- und Kohlesektor. Zwei Drittel der Gesamtinvestitionen flossen in Öl- und Gas-Unternehmen.

“Es ist beschämend, wenn institutionelle Investoren immer noch in Unternehmen investieren, die alle Forderungen von UNFCCC, UNEP, dem UN-Generalsekretär und schließlich der IEA ignorieren”, sagt Katrin Ganswindt, Energie- und Finanzkampaignerin bei Urgewald. “Beteiligungen an neuen Aktien oder Anleihen expandierender Kohle-, Öl- & Gasunternehmen sollten eine absolute rote Linie darstellen”.

46 Milliarden US-Dollar aus Deutschland

Aus Deutschland haben der Studie zufolge 180 institutionelle Investoren insgesamt fast 46 Milliarden US-Dollar in Kohle-, Gas- und Erdölunternehmen investiert. Damit liegt Deutschland im weltweiten Länder-Ranking auf Platz 11 (von 74). Die Deutsche Bank mit ihrem Tochterunternehmen DWS und die Allianz mit den Tochterunternehmen AGI und Pimco haben demnach 17,7 und 15,9 Milliarden US-Dollar investiert. Erst kürzlich hatte die DWS einen Kohleausstieg bekannt gegeben.

Über 40 Prozent der von den NGOs identifizierten weltweiten fossilen Investitionen gehen auf das Konto von Mitgliedern der “Glasgow Financial Alliance for Net Zero” (GFANZ). Die Mitglieder dieses Zusammenschlusses, haben sich dazu bekannt, das Ziel von Netto-Null-Emissionen von Treibhausgasen bis 2050 zu unterstützen.

Erst vor wenigen Tagen hatte der NGO-Bericht “Banking on Climate Chaos” die fossilen Geschäfte großer Banken offengelegt. Demnach haben die 60 größten Privatbanken seit dem Pariser Klimaabkommen gut 5,5 Billionen US-Dollar in fossile Energieträger investiert. nib

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Australien plant Effizienznormen für Pkw

Die australische Regierung hat am Mittwoch angekündigt, neue Normen für Fahrzeugemissionen einführen zu wollen. So soll die Verbreitung von Elektroautos angekurbelt werden, um den Rückstand zu anderen Industrieländern aufzuholen. Nur 3,8 Prozent der im vergangenen Jahr verkauften Autos in Australien waren E-Autos. Zum Vergleich: In Großbritannien waren es 15 Prozent und in der EU 17 Prozent.

Die neue australische Strategie sieht vor, die Emissionen, die ein Auto im Betrieb ausstößt, zu limitieren und kraftstoffsparende Fahrzeuge oder E-Autos dadurch attraktiver und im Vergleich günstiger zu machen, erklärte Energieminister Chris Bowen. Weitere Details zu den neuen Normen sollen folgen.

Abgesehen von Russland ist Australien das einzige Industrieland, in dem es bislang keine regulatorischen Anreize für Hersteller gibt, mehr elektrische und emissionsfreie Fahrzeuge anzubieten. Dabei ist der Verkehrssektor die drittgrößte CO₂-Quelle des Landes. Die Initiative werde dazu beitragen, die Emissionen des Landes bis 2030 um mindestens drei Millionen Tonnen CO₂ und bis 2035 um mehr als zehn Millionen Tonnen zu senken, so Bowen.

“Brauchen strenge Standards”

Der Rat für Elektrofahrzeuge (Electric Vehicle Council, EVC) begrüßte den Schritt, mahnte aber, Australien müsse strenge Standards einführen, “sonst bleibe es die weltweite Müllhalde für veraltete Fahrzeuge mit hohem Schadstoffausstoß”, so der Geschäftsführer Behyad Jafari. Automotive-Experte Ferdinand Dudenhöffer wies zudem darauf hin, dass der Schritt zwar gut sei, die Bedeutung Australiens mit rund einem Prozent aller weltweiten Neuwagenverkäufe allerdings “überschaubar” ist. Die Elektromobilität weltweit sei “unumkehrbar”. Auch das zeige die Entscheidung aus Australien, so Dudenhöffer.

Klar ist: Australien handelt nicht einzig im Sinne des Klimaschutzes, sondern muss auch darauf achten, nicht technologisch abgehängt zu werden. Das Land ist kein nennenswerter Automarkt und ist auf das Angebot anderer Industrienationen angewiesen. Je weiter die E-Mobilität voranschreitet, desto schwieriger wird es zu einem späteren Zeitpunkt aufzuholen.

Australische Autos im Vergleich schmutziger

Schnellstmöglich anzufangen, eine Ladeinfrastruktur aufzubauen, halten Expertinnen und Experten für unumgänglich. “Australien ist eines der letzten westlichen Länder, das auf den dringend benötigten Zug der Elektrifizierung aufspringt, nachdem Europa die Führung übernommen hat”, sagt Alex Keynes, Elektromobilitätsexperte bei der Umwelt-NGO Transport & Environment. Die australische Regierung habe eine Chance, es richtigzumachen, indem sie ehrgeizige CO₂-Normen für Autos und Lieferwagen festlegt, ohne Anreize oder Schlupflöcher für “fake”-elektrische Plug-in-Hybride zu setzen, so Keynes.

Im Durchschnitt verbrauchen Neuwagen in Australien 40 Prozent mehr Kraftstoff als in der EU und 20 Prozent mehr als in den USA. Australiens Energieminister Bowen erklärte zudem, dass die Einführung einer Norm für die Kraftstoffeffizienz den Autofahrern 519 Dollar (349 Euro) pro Jahr einsparen könnte. rtr/luk

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EU-Parlament nimmt Kernelemente des Green Deals an

Das Europäische Parlament hat in dieser Woche über wesentliche Teile des Fit-for-55-Pakets final abgestimmt. Am Dienstag nahmen die Abgeordneten mit großer Mehrheit die Trilog-Einigungen zum Kernelement des Green Deals an – der Reform des EU-Emissionshandels (ETS). Die Reform beinhaltet:

  • Emissionen in den betroffenen Sektoren müssen bis 2030 um 62 Prozent im Vergleich zu 2005 sinken
  • die Einführung eines zweiten ETS für Brennstoffe zum Heizen und für den Straßenverkehr
  • die Einführung eines Klimasozialfonds mit einem Gesamtbudget von 86,7 Milliarden Euro, der die zusätzlichen Kosten durch den ETS 2 für schwache und mittlere Einkommensklassen abfedern soll
  • die Einbeziehung der Schifffahrt in den ETS und strengere Regeln für die Luftfahrt
  • die Einführung eines CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM), der die kostenlosen Emissions-Zertifikate der Industrie schrittweise ersetzen und als Schutz vor Carbon Leakage dienen soll

Die EU-Mitgliedstaaten werden kommende Woche final über die Gesetze abstimmen. Anschließend können sie in Kraft treten.

Klimafinanzierung: Aus”should” wird “shall”

Eine wesentliche Änderung der Funktionsweise des Emissionshandels besteht in der Verwendung der Einnahmen aus dem Verkauf von Emissionsrechten. Bisher waren die Mitgliedstaaten lediglich dazu aufgerufen (“should”), ihre Einnahmen wieder in Klimaschutzmaßnahmen, in die Energiewende oder in die soziale Abfederung höhere Kosten durch die CO₂-Bepreisung zu reinvestieren. Eine Verpflichtung war das nicht.

Mit der Reform wird dieser Aufruf nun zwar verstärkt, indem die Formulierung in “shall” geändert wird. Jedoch ist der rechtliche Unterschied zwischen diesen beiden Wörtern umstritten. Eine unmissverständliche Verpflichtung wäre ein “must” gewesen. Somit bleibt abzuwarten, wie dieser Teil der Reform in den Mitgliedstaaten umgesetzt wird. Die Berichterstatter des EU-Parlaments kündigten am Dienstag an, die Mitgliedstaaten bei der Einhaltung dieser Regeln genau zu überwachen.

Entwaldungsfreie Lieferketten

Am Mittwoch hat das EU-Parlament schließlich auch die Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten final angenommen. Auch hier steht die formelle Annahme durch die Mitgliedstaaten noch aus.

Nach den neuen Vorschriften dürfen Unternehmen Einfuhren bestimmter Produkte und Rohstoffe aus bestimmten Ländern nur in der EU verkaufen, wenn die Lieferanten eine Sorgfaltserklärung eingereicht haben. Diese bestätigt, dass ein Produkt nicht von einer nach dem 31. Dezember 2020 abgeholzten Fläche stammt und nach diesem Datum auch nicht zur Schädigung von Wäldern geführt hat. Die Unternehmen müssen auch nachweisen, dass die Produkte den Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes entsprechen, damit die Menschenrechte und die Rechte indigener Völker geachtet werden.

Zu den Produkten gehören Rinder, Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja, Holz, Kautschuk, Holzkohle, Druckerzeugnisse und einige Palmölderivate; darüber hinaus auch Produkte, die diese Rohstoffe enthalten, mit ihnen gefüttert oder aus ihnen hergestellt wurden (etwa Leder, Schokolade und Möbel). luk/leo

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EU-Taxonomie: Umweltverbände verklagen EU-Kommission

Es war ein Paukenschlag als die EU-Kommission am Neujahrstag 2022 bekannt gab, dass in der Taxonomie auch Investitionen in Atom- und Gaskraftwerke als “nachhaltig” gelten sollen. Am Dienstag reichten Umweltverbände nun Klage vor dem EUGH gegen die Entscheidung ein.

Mithilfe der Taxonomie will die EU bis zum Jahr 2030 über eine Billion Euro in den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft lenken. Mit der Entscheidung, Atom- und Gas-Investitionen unter bestimmten Bedingungen als nachhaltig zu labeln, hatte sich die EU-Kommission über die Empfehlung der Plattform für Sustainable Finance hinweggesetzt. Das Expertengremium war von der Kommission beauftragt worden, die Taxonomie zu entwickeln. Sie hatte sich gegen ein Nachhaltigkeitslabel für die Atomwirtschaft ausgesprochen und für Gaskraftwerke sehr enge Grenzwerte definiert.

Dass die Kommission die Empfehlungen des eigenen Expertengremiums missachtet hat, ist nun Teil der Klage der Umweltverbände. Denn die Taxonomie muss nach den Regeln der Taxonomie-Verordnung verfasst werden und die wiederum sieht eine Konsultation der Plattform vor. Zudem verstoße die Entscheidung gegen das EU-Klimagesetz. Treibhausgasneutralität bis 2050 sei mit Atomkraft und Gaskraftwerken nicht zu erreichen, so die Umweltverbände auf einer Pressekonferenz.

Bis zu einem Urteil könnte es Jahre dauern

Die NGOs legten zwei Klagen vor. Die Greenpeace-Klage richtet sich gegen die Klassifizierung von Atomenergie als nachhaltig; die von ClientEarth, WWF, BUND und Transport & Environment gegen die Entscheidung, Investitionen in Gaskraftwerke als nachhaltig zu labeln. Bereits im Herbst hatte Österreich eine Klage eingereicht.

Sollten die Umweltverbände vor Gericht recht bekommenändert dies erstmal wenig. Das Gericht könnte die EU-Kommission damit beauftragen, den umstrittenen delegierten Rechtsakt zu Atom und Gas zu überarbeiten. Die Umweltverbände rechnen selbst damit, dass bis zu einem Urteil mehrere Jahre vergehen könnten. Und das sei fatal, sagt Greenpeace Anwältin Roda Verheyen. Denn die Taxonomie ist schon seit Anfang dieses Jahres in Kraft.

Was das bedeutet, erklärt sie am Beispiel des französischen Stromerzeugers Electricité de France. Dieser wolle mit grünen Anleihen, die an der Taxonomie ausgerichtet sind, die Instandhaltung seiner alten und schlecht gewarteten Atomreaktoren finanzieren. So würden Gelder von Investoren, die den Umstieg auf Erneuerbare Energien finanzieren wollten, in die Atomwirtschaft umgeleitet, so die Greenpeace-Anwältin. vvo

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Presseschau

Analyse: Brasilien und China kooperieren, um Abholzung zu stoppen Climate Change News
Kommentar: Netto-Null-Ziele werden das Fliegen teuer machen The Spectator
Reportage: Diese Ninjas kämpfen gegen Klima-Fakenews auf Twitter BBC
Analyse: Wärmepumpen müssen besser vermarktet werden Bloomberg
Analyse: Endlagersuche für Atommüll The Rolling Stone
Analyse: Wie geht es nach dem Atomausstieg weiter? Die Zeit
Reportage: Der Kampf um das Wasser im Colorado River Die Zeit
Analyse: Durch den Klimawandel werden Blitzdürren zunehmen – und Europa ist ein Hotspot dafür Süddeutsche Zeitung
Analyse: Klimaaktivisten in Deutschland bereiten sich auf eine neue Welle von Protesten vor The Independent
Kommentar: Man sollte den “Öko-Mob” wie Verbrecher und nicht wie Helden behandeln Daily Mail

Heads

Simone Peter – Antreiberin für die Erneuerbaren

Die ehemalige Grünen-Vorsitzende Simone Peter ist Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE).

In den letzten Wochen gab es in Deutschland eine hitzige Debatte über das Heizen. Soll Wasserstoff auch für private Heizungen genutzt werden oder ein größeres Augenmerk auf Wärmepumpen und Erneuerbare Energien liegen? Simone Peter hat eine klare Meinung: “Die Rufe nach der Anerkennung von Wasserstoff-ready Heizungen sind dabei kontraproduktiv, denn sie haben weniger das Wohl der Verbraucher*innen oder des Klimas im Blick als vielmehr den verlängerten Absatz von fossilen Gaskesseln”. Die Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE) fordert vom Bundestag, die Vorgabe, dass ab dem nächsten Jahr neu eingebaute Heizungen 65 Prozent erneuerbaren Strom nutzen müssen, “verbindlich und ohne Ausnahmen” sicherzustellen. Gestern wurde eine Gesetzesnovelle zu dem Thema vom Bundeskabinett verabschiedet. Der Bundestag muss noch zustimmen.

Peter streitet seit 2018 als BEE-Vorsitzende für die Erneuerbaren. Deutschland sei weit von einem ausreichenden Ausbau der erneuerbaren Energien entfernt, sagt die ehemalige Grünen-Vorsitzende: “Wir erleben jetzt die Folgen einer Politik, die den Erneuerbaren nicht mehr den gesetzlich garantierten Vorrang gewährt hat.” Deutschland hat die Fotovoltaik-Industrie an chinesische Konkurrenz verloren. Ein Grund sei auch, dass der Staat die Vergütungen für die Anlagen kürzte. Rotorblattfertigungen für Windenergieanlagen gibt es Deutschland auch nicht mehr. “Das schmerzt sehr.”

Um wieder Vorreiter zu werden beim Klimaschutz, müsse sich die Politik den Ausbau der Erneuerbaren im Strom-, Wärme-, und Verkehrssektor vorantreiben. Bisher packe die Regierung die Wärmewende in Gebäuden noch zu vorsichtig an, sagt Peter. “Hier muss noch eine ganze Schippe drauf.” Und wenn das passiert, so glaubt Peter, könne die Energiewende insgesamt noch schneller vorangehen, als man es Anfang 2022 gedacht habe.

Vom Atomprotest bis zum Grünen-Vorsitz

Simone Peter hat sich schon früh für Nachhaltigkeit und grüne Themen interessiert. Als der Bau des französischen Atomkraftwerks im grenznahen Cattenom angekündigt wurde, demonstrierten im Saarland Tausende gegen die Kernenergie. Mitten unter ihnen die jugendliche Simone Peter mit ihrer ganzen Familie. “Ich bin ein klassisches Kind der 1980er Jahre”, sagt die heutige Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energien (BEE). Das Bewusstsein für Umweltthemen lag in der Familie: “Wir waren die Ersten in der Stadt mit Solarzellen auf dem Dach und einem Elektroauto. Das war 1988.”

Geboren wurde Simone Peter 1965 in Quierschied im Saarland. Sie studierte Biologie an der Universität des Saarlandes, wo sie 2000 am Lehrstuhl für Mikrobiologie auch ihren Doktortitel erlangte.

Politisch engagierte sich Peter schon früh bei den Grünen. “Die Grünen und ihre Themen – vom Waldsterben über Frauen, bis hin zur Friedenspolitik – haben mich angezogen.” Peters Engagement wurde zum Beruf. 2009 wurde sie Umweltministerin in ihrem Heimatbundesland, 2013 Bundesvorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grünen.

Für Flexibilität im Strommarktdesign

Auf EU-Ebene kämpft Peter gerade gegen eine drohende neue “Planwirtschaft” im Stromsektor. Erneuerbare über sogenannte Differenzverträge zu fördern, hält sie für den falschen Weg. Das Marktdesign müsse langfristig tragfähig sein. “Das bedeutet nicht, ein starres System durch ein anderes starres System zu ersetzen”, sagt Peter. Was die Erneuerbaren bräuchten, sei mehr Flexibilität im Strommarkt.

Trotz der schleppenden Fortschritte in Deutschland erkennt die BEE-Präsidentin Bewegung in der Politik: “Wir erkennen an, dass die Bundesregierung mit ihren rund 30 Gesetzespaketen in den letzten Monaten mehr gemacht hat als die letzten Regierungen in den vergangenen zehn Jahren.”

Ob sie noch Parteimitglied ist? “Natürlich bin ich noch bei den Grünen. Das ist und bleibt Teil meiner Biografie.” Der BEE ist allerdings parteiübergreifend organisiert. Und das sei auch gut so. Svenja Schlicht

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Climate.Table Redaktion

REDAKTION CLIMATE.TABLE

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    um die Klimakrise zu bewältigen, muss “alles, überall, auf einmal” passieren, mahnt António Guterres. Doch in der Politik geht es oft nur in Trippelschritten voran: In Großbritannien musste der Klimaschutz in den vergangenen Monaten hinter Fragen der Energiesicherheit zurückstecken. Ein neuer Klimaplan der Regierung wird als wenig innovativ kritisiert und stellt auch kein neues Geld bereit. Beim Handelsabkommen der EU und der Mercosur-Staaten wird derzeit – erneut – um Nachhaltigkeitsfragen gerungen. Es ist ein Hin und Her um einen Vertrag, der eigentlich schon als ausverhandelt galt, aber hochumstritten ist.

    Und auch bei der Weltbank-Reform kam es bei der Frühjahrstagung nicht zum großen Wurf. In der Klimafinanzierung geht es generell zäh voran. Ani Dasgupta, Chef des World Ressources Institute, fordert im Interview deshalb von der Weltbank mehr Engagement beim Hebeln privater Gelder. Doch private Investoren wie Vermögens- und Pensionsfonds haben noch immer Billionen in fossile Unternehmen investiert, wie eine neue NGO-Untersuchung zeigt. Und auch von neuen Spielern wie China kam in den letzten Jahren zu wenig im Bereich der Klimafinanzierung.

    Ein kleiner Lichtblick zum Schluss: Beim Ausbau der Wind- und Solarenergie stimmt das Tempo schon einigermaßen. Viele Staaten haben die Wind- und Solarkraft in den letzten Jahren stark ausgebaut. Doch auch hier gilt: Am Ball bleiben und das Tempo noch erhöhen!

    Beste Grüße!

    Ihr
    Nico Beckert
    Bild von Nico  Beckert

    Analyse

    EU und Mercosur ringen um Klimaschutz-Zusagen

    Gerodete Flächen neben Regenwald im brasilianischen Bundesstaat Rondônia

    Die Europäische Union stößt auf Widerstand mit ihrem Anliegen, die vier Mercosur-Staaten zum Schutz des Regenwaldes zu verpflichten. Die EU-Kommission will Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay dazu bewegen, eine verbindliche Zusatzerklärung zum ausverhandelten, aber noch nicht unterzeichneten Freihandelsabkommen zu unterzeichnen. Doch die dortigen Regierungen lehnen dies bislang ab.

    Die Unterhändler beider Seiten hätten sich an diesem Mittwoch und Donnerstag in Buenos Aires treffen sollen, um über die europäischen Forderungen zu beraten. Auf dem Tisch sollte diesmal ein Textvorschlag der Mercosur-Regierungen für die von der EU gewünschte Zusatzerklärung liegen. Allerdings wurde das physische Treffen gestern kurzfristig auf Mai verschoben. Insbesondere die Mercosur-Seite habe mehr Zeit zur Vorbereitung benötigt, hieß es in EU-Kreisen. Beide Seiten seien “nach wie vor entschlossen, das Abkommen einschließlich des Zusatzinstruments so bald wie möglich abzuschließen”, erklärte eine Kommissionssprecherin.

    Die Kommission hatte bei der ersten Verhandlungsrunde im März ihren Vorschlag vorgelegt, mit dem sie die Zusagen aus dem Nachhaltigkeitskapitel des Handelsvertrages konkretisieren will. Das Ziel: den Bedenken in den EU-Staaten und im Europaparlament zu begegnen, der Freihandel mit den südamerikanischen Ländern könnte zum Abholzen des Regenwaldes beitragen. So will die Kommission die Zustimmung zum Abkommen sichern, das insbesondere in Frankreich, Österreich oder den Niederlanden heftig umstritten ist.

    Der europäische Textvorschlag war vor Ostern an die Öffentlichkeit gelangt. Um diese Bereiche geht es:

    • Einhaltung der Zusagen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen, inklusive der konkreten Umsetzung des Waldschutzes
    • Umsetzung des in Montreal ausgehandelten Abkommens zum Schutz der ökologischen Vielfalt
    • Ratifizierung der ILO-Kernarbeitsnormen

    Sorge vor Sanktionen durch die Hintertür

    Der europäische Vorschlag enthielt allein 19 Verweise auf das Pariser Abkommen. Dieses sieht freiwillige Ziele für die Unterzeichnerstaaten vor und enthält keine Sanktionen zur Durchsetzung. Die Sorge in Südamerika: Die EU könnte über eine verbindliche Zusatzerklärung Sanktionen durch die Hintertür einführen. So könnten Zoll-Zugeständnisse, die im EU-Mercosur-Vertrag vereinbart sind, ausgesetzt werden, sollten die nationalen Ziele des Pariser Abkommens verfehlt werden, warnt ein Offizieller aus Uruguay. Auch in Brasilia wird befürchtet, die Formulierungen könnten ein Einfallstor für Handelssanktionen sein, falls die Regierung die Abholzung im Amazonas-Gebiet nicht stark einschränke.

    Die Mercosur-Staaten wehren sich auch dagegen, Themen in die Verhandlungen einzubringen, die bei der Grundsatzeinigung auf das Handelsabkommen 2019 noch nicht Teil der Gespräche waren. Dazu zählt insbesondere das Globale Rahmenwerk zur biologischen Vielfalt, das im Dezember in Montreal vereinbart, aber noch nicht von den Ländern ratifiziert wurde. Die Regierungen sind zudem der Ansicht, dass der von der EU vorgelegte Text stark auf den Umweltschutz ausgerichtet ist und die beiden anderen Säulen der nachhaltigen Entwicklung – die sozialen und wirtschaftlichen Aspekte – außer Acht lässt. Dies ist ein alter Streitpunkt zwischen den beiden Handelsblöcken.

    Die Mercosur-Regierungen sind zudem besorgt darüber, wie die am Mittwoch im Europaparlament beschlossene EU-Verordnung über entwaldungsfreie Produkte oder der CO₂-Grenzausgleich CBAM mit dem EU-Mercosur-Abkommen zusammenhängen. “Sie sind einseitig und können das Gleichgewicht des Abkommens beeinträchtigen, dessen Aushandlung 20 Jahre gedauert hat”, heißt es in brasilianischen Regierungskreisen.

    Grüne fordern Sanktionsmechanismen

    Die EU-Kommission versucht, die Bedenken zu entkräften. Derartige Streitigkeiten sollten nicht über Sanktionen, sondern mithilfe eines Expertenpanels beigelegt werden, sagt ein hochrangiger EU-Beamter.

    Doch die Kommission steht selbst unter Druck: Insbesondere die Grünen in der Ampel-Koalition knüpfen ihre Zustimmung zum Abkommen bislang daran, dass die Nachhaltigkeitsvereinbarungen besser durchgesetzt werden. Es brauche “eine Neufassung der Zusatzvereinbarung inklusive sanktionsbewehrter Streitbeilegungsmechanismen, sodass effektive Maßnahmen zum Waldschutz tatsächlich festgeschrieben werden”, forderte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Maik Außendorf nach einer Anhörung im Wirtschaftsausschuss zum Mercosur-Abkommen.

    Interesse an einer Einigung

    Nun kommt es zum Kräftemessen. Beide Seiten zeigen großes Interesse an dem Handelsabkommen. Bis spätestens Ende des Jahres wollen sie erklärtermaßen eine Einigung erzielen. Im Juli übernimmt Brasilien für sechs Monate die Präsidentschaft des Mercosur. In der EU übernimmt Spanien den Ratsvorsitz, das sich ebenfalls für das Abkommen einsetzt.

    Das Freihandelsabkommen mit den vier südamerikanischen Ländern wäre das wirtschaftlich gewichtigste, das die EU bislang abgeschlossen hat: Vier Milliarden Euro an Zöllen pro Jahr könnten die Exporteure damit einsparen. Zum Vergleich: Der Deal mit Japan spart etwa eine Milliarde Euro. So schützen Brasilien und Co. ihre Märkte bislang mit hohen Einfuhrzöllen von 35 Prozent auf Autos. Auch Maschinenbau, Agrar-, Chemie- und Pharmaindustrie würden profitieren.

    Beide Seiten haben geopolitische Ziele

    Die wirtschaftlichen Vorteile sind aber nicht der einzige Grund, warum sich Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wie Kanzler Olaf Scholz für das Handelsabkommen einsetzen: Sie sehen darin einen Hebel, um die lateinamerikanischen Staaten im geopolitischen Kräftemessen auf ihre Seite zu ziehen. China hat seinen Handel mit der Region in den vergangenen Jahren stark ausgebaut und die EU als wichtigster Handelspartner abgelöst.

    Für Brasilien ist China sogar der mit Abstand wichtigste Handelspartner. Das zeigt sich im sehr Peking-freundlichen Kurs, den Präsident Lula da Silva inzwischen fährt. Bei seinem Besuch in Peking machte Lula deutlich, dass er den westlichen Kurs der Abgrenzung gegenüber autoritären Staaten wie China und Russland nicht mitgeht. China und Brasilien haben sich zudem Ende März darauf verständigt, künftig mehr Handel direkt in ihren eigenen Landeswährungen zu ermöglichen und so die Abhängigkeit vom US-Dollar zu reduzieren. 

    Lula hat angekündigt, mit Peking ebenfalls über ein Handelsabkommen verhandeln zu wollen. Vorher wolle er aber den Deal mit den Europäern finalisieren, heißt es in Brüssel. In den Mercosur-Staaten gebe es “ein Interesse, die EU als Gegengewicht zu den USA und China” zu erhalten, sagt ein hochrangiger EU-Beamter. Von Daniela Chiaretti und Till Hoppe

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    “Wir sollten über das ganze Finanzsystem nachdenken”

    Porträt von Ani Dasgupta, Präsident und Vorstandsvorsitzender des World Resources Institute (WRI)
    Ani Dasgupta, Präsident und Vorstandsvorsitzender des World Resources Institute (WRI)

    Herr Dasgupta, die Weltbank soll künftig mehr Geld für Klimaschutz und -anpassung bereitstellen – das war das zentrale Thema der Frühjahrstagung in der vergangenen Woche. Was hat das Treffen gebracht?

    Die Weltbank sollte unbedingt führend darin sein, Klima und Entwicklung zusammenzubringen. Vielen geht es dabei nicht schnell genug voran, auch uns am WRI nicht. Aber die aktuellen Rahmenbedingungen sind – durch die Folgen der Covid-Pandemie, den Ukraine-Krieg, die Überschuldung vieler Staaten und der Nahrungs- und Energiekrise – auch sehr komplex.

    Wie sollte die Bank darauf reagieren?

    Sie sollte erstens mehr Geld verleihen. Zweitens sollte sie Klima und Entwicklung unbedingt zusammen denken. Und drittens, und aus meiner Sicht ist das am schwierigsten: Sie sollte stärker mit anderen Akteuren zusammenarbeiten, um Finanzierungslösungen zu finden. Statt einfach selbst Darlehen zu vergeben, sollte sie Ländern helfen, aus öffentlichen Mitteln, privatem Kapital und Weltbank-Geld gemeinsame Finanzierungslösungen zu entwickeln. Denn ohne privates Geld wird der Wandel hin zu einer klimafreundlichen Welt nicht zu schaffen sein. Wir haben gar nicht ausreichend öffentliches Geld dafür. In dem Bereich ging es auf der Frühjahrstagung kaum voran.

    “Ein berechenbareres Umfeld für private Geldgeber schaffen”

    Wie groß sind die Chancen, dass es tatsächlich gelingt, mehr privates Kapital zu mobilisieren?

    Private Geldgeber scheuen vor hohen Risiken zurück. Doch wenn sich die Weltbank engagiert, dann verleiht das der Politik eine gewisse Berechenbarkeit. Gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds, dessen Aufgabe es ist, für makroökonomische Stabilität zu sorgen, kann sie ein berechenbareres Umfeld für private Geldgeber schaffen. Gerade für die Länder mit einem besonders niedrigen Einkommensniveau, denen die Weltbank-Tochter IDA Langzeit-Kredite zu besonders günstigen Bedingungen gewährt, ist das sehr wichtig.

    Warum sollte das in Zukunft besser funktionieren als bisher?

    Es kann nur funktionieren, wenn die Weltbank eine andere Rolle spielt als bisher. Sie muss sich viel stärker als Teil eines größeren Netzwerks begreifen, und als eine Art Katalysator, der unterschiedliche Geldgeber zusammenbringt. Sie kann das dafür nötige Vertrauen schaffen. Das zu erreichen, ist die Herausforderung für den neuen Präsidenten der Bank.

    Vielleicht das konkreteste Ergebnis des Frühjahrstreffens war, dass die Kredit-Eigenkapitalquote der Bank von 20 auf 19 Prozent sinken soll. Wie viel bringt das dem Klima?

    Man hofft, durch die niedrigere Quote vier bis fünf Milliarden US-Dollar pro Jahr zusätzlich zu mobilisieren. Davon soll ein Teil in die Klimafinanzierung fließen. Das ist ein wichtiger erster Schritt. Aber es ist nicht genug.

    Schuldenkrise, Klima und Entwicklung, Transparenz

    Wie wichtig wäre ein Schuldennachlass?

    Die Schuldenkrise ist ein ernstes und wachsendes Problem, gerade für Länder mit besonders niedrigem Einkommensniveau. Sie wenden einen erheblichen Teil ihrer öffentlichen Mittel für den Schuldendienst auf. Das Geld fehlt dann für andere Dinge – auch für den Klimaschutz, die Anpassung an den Klimawandel und die Reparatur von Klimaschäden. Immerhin scheinen die wichtigsten Geldgeber das Problem erkannt zu haben. Auf dem Frühjahrstreffen gab es Beratungen dazu, an denen auch China teilnahm. Mein Eindruck ist aber, dass es kaum konkrete Fortschritte gab.

    Wenn die Rahmenbedingungen für die Arbeit der Weltbank so viel schwieriger geworden sind: Wie viel kann sie angesichts der vielfältigen Krisen überhaupt für das Klima tun?

    Zu glauben, dass Armutsbekämpfung und Klimaschutz zwei gegensätzliche Ziele sind, ist ein Fehlschluss. Beides gehört zusammen. Entwicklungsländer brauchen Wirtschaftswachstum, aber auf klimafreundliche Weise. Das übergeordnete Ziel der Bank ist die Bekämpfung der Armut – gut! Aber ebenso wichtig sind der Kampf gegen klimabedingte Katastrophen, die Anpassung an den Klimawandel und die Chancen, die Klimaschutz für die wirtschaftliche Entwicklung bietet, beispielsweise indem er Arbeitsplätze in sauberen Branchen schafft.

    NGOs kritisieren, dass die Weltbank immer noch fossile Projekte finanziert, und beklagen mangelnde Transparenz. Wie glaubwürdig ist das Versprechen eines klimafreundlichen Wandels?

    Die Kritik an mangelnder Transparenz ist legitim. Es ist schwierig, nachzuvollziehen, wie viel Geld derzeit tatsächlich in klimafreundliche Investitionen fließt. Die Bank könnte das relativ leicht ändern, um ihre Glaubwürdigkeit zu stärken. Und natürlich ist es nicht leicht, die Arbeitsweise der Weltbank zu verändern. Ich habe dort 20 Jahre lang gearbeitet. Die Bank macht Geschäfte auf ihre eigene Art – aber die ist auch anders als noch vor 40 Jahren. Sie hat sich weiterentwickelt. Genauso muss sie sich jetzt verändern, zu einem Zeitpunkt, in dem wir enorme Summen brauchen, um die globale, klimafreundliche Transformation zu bewältigen.

    Erwartungen an Ajay Banga und das Treffen in Paris

    Was erwarten Sie vom künftigen Weltbankpräsidenten Ajay Banga?

    Ich bin optimistisch. Banga kommt aus Indien, so wie ich auch. Er ist also in einem Land mit viel Armut aufgewachsen. Das ist eine sehr wichtige Erfahrung. Und er hat mit Mastercard ein großes Unternehmen erfolgreich geführt. Aber die Weltbank zu leiten, ist eine Kunst für sich. Es gibt kaum einen anderen Ort, an dem so viele kluge, gute Leute arbeiten. Um sie zu führen, muss man gut zuhören können und bereit sein, zu lernen. Und die Herausforderungen sind groß. Viel wird davon abhängen, welche Prioritäten Banga setzt.

    Welche konkreten Beschlüsse sind von den kommenden Treffen bis zur Jahrestagung von IWF und Weltbank in Marrakesch im kommenden Herbst noch zu erwarten?

    Ich glaube, wir werden einen besseren Eindruck davon bekommen, worauf Banga seine Arbeit konzentrieren will. Und womöglich werden sich auf dem Finanzgipfel, zu dem Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Juni lädt, weitere Einzelheiten der künftigen globalen Finanzarchitektur abzeichnen. Mit der Reform der Weltbank allein ist es nicht getan. Wir sollten über das ganze Finanzsystem nachdenken und darüber, welche Rolle die Weltbank darin spielen kann – und welche Rolle die anderen Teile des Systems. Ich hoffe, dass diese Debatte auf dem Treffen in Paris geführt wird.

    Ani Dasgupta ist Präsident und Vorstandsvorsitzender des World Resources Institute (WRI) in Washington, D.C.. Bevor er 2014 zum WRI kam, war er Direktor für Wissen und Lernen bei der Weltbank.

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    UK-Klimaplan: Alte Ideen neu verpackt

    Großbritannien baut neue Atomkraftwerke – im Bild der Reaktor Sizewell B.

    Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine vor mehr als zwölf Monaten ist die Energiesicherheit zum wichtigsten Mantra des britischen Premierministers Rishi Sunak und seiner (politisch) kurzlebigen Vorgängerin Liz Truss geworden. Der “Klimawandel” scheint weitgehend aus dem Wortschatz der Regierung verschwunden zu sein.

    Am 30. März wurde nun das Papier “Powering Up Britain“, als “Blaupause der Regierung für die Zukunft der Energieversorgung in diesem Land” veröffentlicht.

    Sunaks Entscheidung, das Ministerium für Wirtschaft, Energie und Industriestrategie (BEIS) durch das Ministerium für Energiesicherheit und Netto-Nullenergie (DESNZ) zu ersetzen, wurde weitgehend als positiver Schritt für den Klimaschutz begrüßt. Das DESNZ soll sich auf die Energieversorgung, die Märkte und den Übergang zur Netto-Nullenergie konzentrieren. Aber es fehlt an echten Maßnahmen. Bislang hat kein Ministerium beschlossen, die Maßnahmen zur Emissionssenkung im Einklang mit den Erkenntnissen der Klimawissenschaft und der Dringlichkeit zu beschleunigen, die der jüngste Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change fordert.

    Neuauflage früherer Ankündigungen

    Während der frühere britische Premierminister Tony Blair 1996 darauf bestand, dass “Bildung, Bildung, Bildung” seine Priorität sei, scheint es für Sunak “Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit” zu sein. Powering Up Britain konzentriert sich auf die Erreichung von Netto-Null durch Energiesicherheit, Klimasicherheit (das zielt auf die Transformation der Industrie hin zu sauberen Energiequellen), Verbrauchersicherheit und wirtschaftliche Sicherheit.

    Folgende Maßnahmen werden in der Regierungs-Blaupause genannt:

    • “Great British Nuclear” mit dem Ziel, bis 2050 im Vereinigten Königreich bis zu 24 GW an Kernkraftkapazität bereitzustellen, verglichen mit 5,9 GW heute.
    • Förderung der Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -speicherung (CCUS) und Schaffung von zwei CCUS-Clustern.
    • Schaffung einer Wasserstoffwirtschaft. Die Regierung ist der Ansicht, dass die Produktion von grünem Wasserstoff im Jahr 2030 genug Strom erzeugen könnte, um London ein Jahr lang zu versorgen.
    • Den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen, indem bis 2030 bis zu 50 GW Offshore-Windkraft entwickelt werden – im Vergleich zu fast 13 GW angeschlossener Offshore-Windenergie heute. Solarenergie soll bis 2035 verfünffacht werden.
    • Reduzierung der fossilen Brennstoffe im Heizungs- und Verkehrssektor durch das Austauschen von Gasboiler durch Wärmepumpen und die Vorgabe, dass ab 2024 ein zunehmender Prozentsatz der verkauften Neuwagen und Lieferwagen emissionsfrei sein muss.
    • Die Mobilisierung von Investitionen durch die aktualisierte Green Finance Strategie, die Pläne für eine britische grüne Taxonomie enthält, die EU-Taxonomie ähnelt.

    Ed Matthew vom Klimatank E3G sagte, die meisten Maßnahmen seien bereits im letzten Jahr angekündigt worden. Sie seien “nicht mutig genug, um das Vereinigte Königreich im Rennen um saubere Technologien wettbewerbsfähig zu halten oder uns wieder auf den Weg zum Netto-Nullpunkt zu bringen”. Er bezeichnete das gesamte Paket als “nicht überzeugend”.

    Kein neues Geld für Klimaschutz

    Klimaschützer aus dem Vereinigten Königreich kritisierten vor allem, dass keine neuen Gelder zur Verfügung gestellt werden, um den Weg zu Netto-Null zu beschleunigen. Großbritannien drohe an Boden zu verlieren angesichts der massiven Investitionen in saubere Energietechnologien im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) in den USA und der großen Finanzierungssummen, die durch den Net Zero Industry Act der EU erwartet werden. Die britische Regierung erklärte, dass sie die Veröffentlichung der Finanzierungsdetails dieser Maßnahmen bis zum Herbst 2023 verschieben werde.

    Jess Ralston von dem Thinktank Energy and Climate Intelligence Unit (ECIU) sagte, die Verzögerung könnte “der letzte Nagel im Sarg für Unternehmen und Offshore-Windinvestoren sein, die ihre Investitionen einfach dorthin verlagern werden, wo es langfristige politische und regulatorische Sicherheit gibt”.

    “Ohne Finanzierung wird nichts zur Erreichung des Netto-Null-Ziels getan werden”, sagte Matthew von E3G.
    Er forderte, dass die neu eingeführte grüne Finanzstrategie des Vereinigten Königreichs “durch einen umfassenden Netto-Null-Investitionsplan, eine unabhängige Verfolgung der Netto-Null-Finanzströme, ein starkes Netto-Null-Mandat für die Regulierungsbehörden und eine glaubwürdige grüne Taxonomie untermauert werden muss”.

    Die Green Finance-Strategie war Teil des Versprechens, das Sunak als britischer Schatzkanzler (Finanzminister) unter der Führung von Boris Johnson auf der COP26 in Glasgow im Jahr 2021 gegeben hatte. Er versprach Großbritannien zu einem weltweit führenden Netto-Null-Finanzzentrum zu machen.

    Streit um fossile Brennstoffe

    Seit Johnson im Juli 2022 gezwungen war, als britischer Premierminister zurückzutreten, hat sich niemand an der Spitze der britischen Regierung dafür eingesetzt, den Klimaschutz zu einer politischen Priorität zu machen. Wann immer es Anzeichen für Fortschritte gibt, taucht häufig ein Hindernis auf. Bestrebungen werden ausgebremst. Das lässt darauf schließen, dass die derzeitige britische Regierung sich nicht voll und ganz dem Ziel verschrieben hat, bis Mitte des Jahrhunderts Netto-Null-Emissionen zu erreichen.

    Im Vorwort von “Powering Up Britain” spricht Grant Shapps, Staatssekretär für Energiesicherheit und Netto-Nullenergie, über “die Verpflichtung zu einer anderen Zukunft. Eine, die mit den fossilen Brennstoffen bricht, die uns in den vergangenen zwei Jahrhunderten angetrieben haben”. Gleichzeitig hat sich Klimaminister Graham Stuart für ein neues Kohlebergwerk in Cumbria, in Nordwestengland, ausgesprochen und zu einer differenzierteren Betrachtung fossiler Brennstoffe aufgerufen, anstatt sie als “Ausgeburt des Teufels” zu betrachten.

    Die Regierung hat auch ein neues Programm zur Unterstützung der Menschen bei der Wärmedämmung ihrer Häuser vorgelegt. Aber laut E3G werden damit nur 100.000 Häuser pro Jahr mehr gedämmt, obwohl es im Vereinigten Königreich 17 Millionen Häuser mit schlechter Dämmung gibt.

    Netto Null als wirtschaftliche Chance

    Viele der Aktualisierungen in Powering Up Britain wurden als Reaktion auf den unabhängigen Net Zero Review vorgenommen, der kürzlich vom konservativen Abgeordneten Chris Skidmore durchgeführt wurde. In dem Bericht aus dem Januar dieses Jahres wird argumentiert, dass der Übergang zu Netto-Null-Energie auch eine Chance für Wachstum ist und dass das Vereinigte Königreich gut aufgestellt ist, um von der steigenden Nachfrage nach Netto-Null-Gütern und Dienstleistungen zu profitieren.

    “Net Zero wird uns wärmer und reicher (nicht kälter und ärmer) machen und ist die wirtschaftliche Chance des Jahrzehnts, wenn nicht sogar des Jahrhunderts”, argumentierte Skidmore Ende Mai im Unterhaus.

    Seine Empfehlungen – das Ergebnis von Gesprächen mit “Tausenden von Einzelpersonen und Unternehmen” – machten jedoch auch deutlich, dass das Vereinigte Königreich ehrgeizige politische Maßnahmen sowie öffentliche und private Investitionen tätigen muss, um diese Vorteile zu nutzen.

    Es ist immer noch nicht klar, ob die Regierung diese Schlussfolgerungen vollständig übernommen hat oder ob Sunak und seine Minister, in Skidmores Worten, “Klimaverzögerer” und “die neuen Klimaleugner” sind. Von Philippa Nuttall Jones

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    17. bis 22. April, München
    Messe BAU 2023
    Die Baumessse BAU 2023 hat in diesem Jahr einen Fokus auf klimaneutrales Bauen.  Infos und Anmeldung

    20.-21. April, Warschau
    Konferenz Togetair Climate Summit
    Die Konferenz bringt verschiedene Institutionen und Akteure in Polen zusammen, insbesondere politische Vertreter, wissenschaftliche Einrichtungen, Unternehmen, den Nichtregierungssektor und die Medien. Auf ihr werden Energie- und Klimafragen mit Blick auf Osteuropa diskutiert.  Infos

    20. April, 10 Uhr, online
    Diskussion The end of fossil fueled mobility – Is Europe ready for future mobility?
    Bei der Onlinediskussion der NGO Germanwatch wird mit politischen Entscheidungsträgern aus Deutschland, Frankreich und Polen darüber diskutiert, welche Faktoren für eine Verkehrswende nötig sind.  Infos und Anmeldung

    21. April, 13 Uhr, Genf
    Veröffentlichung Zustand des Klimas 2022
    Die Weltwetterorganisation veröffentlicht ihren jährlichen Bericht zum Zustand des Weltklimas. Aus dem vorläufigen Bericht im Herbst ging hervor, dass das Jahr das fünf- oder sechstwärmste seit vorindustrieller Zeit sei.  Infos

    24.-28. April, Santiago de Chile
    Konferenz Latin America and the Caribbean Regional Forum on Sustainable Development 2023
    Das von der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (ECLAC) einberufene Forum ist eine regionale Plattform für die Bewertung von Fortschritten und den Austausch von Wissen, bewährten Verfahren und politischen Lösungen zur Unterstützung der Umsetzung der Agenda 2030 im Einklang mit den regionalen Prioritäten und Besonderheiten. Infos

    26. April, 9.30 Uhr, Online
    Webinar The Sustainable Use of Pesticide Regulation – Navigating the Path to a Greener EU
    Im Juni 2022 hat die EU-Kommission die Sustainable Use of Pesticide Regulation verabschiedet, einige Staaten wehrten sich aber dagegen. Auf dem Webinar von EURACTIV wird darüber diskutiert, wie die Norm sinnvoll umgesetzt bzw. verbessert werden kann. Infos

    26. April, 18 Uhr, München
    Diskussion Ausbau Erneuerbarer Energien beschleunigen – Chancen für den Wirtschaftsstandort Bayern nutzen
    Die Klima-Allianz Deutschland und der BUND Naturschutz in Bayern laden ein zur Diskussion “Ausbau Erneuerbarer Energien beschleunigen – Chancen für den Wirtschaftsstandort Bayern nutzen”. Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der bayerischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft wird über aktuelle Herausforderungen der Klima- und Energiepolitik in Bayern diskutiert. Infos

    27. April, 9.30 Uhr, Oederan (Sachsen)
    Diskussion Klimaneutralität 2045 – Warum ein Thema für Kommunen?
    Zu trocken und heiß, dann plötzlich zu nass – die Auswirkungen der Klimakrise sind auch in Sachsen überall spürbar. Auf der Veranstaltung des sächsischen Staatsministeriums für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft wird diskutiert, wie Kommunen dieser Herausforderung begegnen können.  Infos

    27. April, 9.45 Uhr, Online
    Veröffentlichung Global EV Outlook 2023
    Die Internationale Energieagentur (IEA) veröffentlicht ihren jährlichen Bericht zu Elektromobilität. Dabei werden verschiedene Faktoren, wie Ladeinfrastruktur und Lieferketten analysiert und mit Projektionen für 20230 verknüpft. Infos

    Translation missing.

    News

    Klima in Zahlen: Wind- und Solarkraft wachsen schnell

    Es ist eine positive Nachricht: Die Wind- und Solarenergie ist in den vergangenen Jahren in vielen Ländern rasant gewachsen. Inzwischen stammen weltweit 12,1 Prozent des Stroms aus Wind- und Solarkraftwerken. 2015 lag der Anteil noch bei 4,6 Prozent, wie ein Bericht des Think-Tanks Ember zeigt. Und das Wachstum geht weiter: Am Wochenende beschlossen die G7-Staaten, bis 2030 weitere 150 Gigawatt an Offshore-Windleistung und 1.000 Gigawatt aus Fotovoltaik zuzubauen.

    Und dennoch reicht das Wachstum aus Klimasicht gerade so aus. Laut IEA Netto-Null-Emissions-Szenario muss:

    • die weltweite Solarenergie bis 2030 jährlich um 25 Prozent,
    • und die Windenergie jährlich um 17 Prozent wachsen, damit die Emissionen des Energiesektors bis 2030 ausreichend stark fallen können, um das Ziel von Netto-Null-Emissionen bis 2050 erreichbar zu halten.

    Laut Ember kamen die Wachstumsraten zwischen 2015 und 2021 nahe an diese Zielmarken heran: Die Solarenergie wuchs weltweit jährlich im Durchschnitt um 26 Prozent, die Windenergie um 14 Prozent. Doch das Tempo müsste beibehalten werden. In absoluten Zahlen würde eine jährliche Steigerungsrate von 25 Prozent ein kontinuierlich zunehmendes Wachstum bedeuten. Die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) hatte allerdings vor Kurzem angemahnt, dass die Geschwindigkeit beim Ausbau von Erneuerbaren deutlich zunehmen müsste, um aktuelle Klimaziele zu erreichen. Auch Ember weist darauf hin, dass die Wasserkraft schneller wachsen müsste.

    Die Kapazitäten zur Herstellung der benötigten Solarpaneele sind zumindest auf kurze Sicht gesichert. China hat als weltweit dominierender Hersteller die Kapazitäten zwischen 2021 und 2022 um gigantische 66 Prozent auf 600 Gigawatt gesteigert, wie Ember schreibt. Kurzfristig wird das potenzielle Angebot die Nachfrage also noch übertreffen. nib

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    Klimafinanzierung: China zahlt weniger als versprochen

    China bleibt bei der Klimafinanzierung im Globalen Süden hinter den eigenen Ankündigungen zurück. Eine neue Analyse der Denkfabrik E3G zeigt:

    • China hat bisher lediglich zehn Prozent der Zahlungen geleistet, die es 2015 für den China South-South Climate Cooperation Fund angekündigt hatte. Der Fonds soll Klimaprojekte im Globalen Süden eigentlich mit umgerechnet 3,1 Milliarden US-Dollar finanzieren. Bis Ende 2022 wurden allerdings nur umgerechnet 286 Millionen US-Dollar ausgezahlt.
    • Klimaprojekte im Globalen Süden machen zudem nur zwei Prozent der jährlichen Entwicklungsfinanzierung Chinas aus. Zwischen 2000 und 2017 flossen demnach 14 Milliarden US-Dollar in die Klimafinanzierung. Im gleichen Zeitraum zahlte China insgesamt 700 Milliarden für die internationale Entwicklungsfinanzierung, darunter in Projekte der Neuen Seidenstraße.

    Circa zwei Drittel der internationalen Klimafinanzierung Chinas fließt der E3G-Analyse zufolge in den Bereich Mitigation, beispielsweise in den Bau von Solar- und Windkraftanlagen oder in klimafreundlichen Transport.

    Fokus auf Afrika und Asien

    Regional gibt es bei der Klimafinanzierung einen starken Fokus:

    • 46 Prozent der Mittel flossen in afrikanische Staaten
    • 38 Prozent der Mittel gingen in asiatische Länder
    • Lateinamerika (1,6 Prozent) und kleine Inselstaaten (1,1 Prozent) erhielten am wenigsten Mittel.

    Mit 73 Prozent stammte der Großteil der Mittel von chinesischen Entwicklungsbanken wie der China Development Bank und der Export-Import Bank of China. Dabei dominierten Darlehen und Exportkredite. Der Rest verteilt sich auf kommerzielle Banken oder Ministerien sowie nicht genauer benannte Quellen.

    China hat es bislang abgelehnt, sich an geplanten internationalen Vorhaben zur Klimafinanzierung wie einem Loss-and-Damage-Fonds zu beteiligen. Da die Volksrepublik im Kontext der UN-Klimarahmenkonvention offiziell noch als “Entwicklungsland” (Annex II-Country) gilt, hat sie weniger Verpflichtungen zur Klimafinanzierung als westliche Staaten.

    “In dem Maße, wie Chinas Reichtum und seine Emissionen zunehmen, wird es für China immer schwieriger werden, in der gleichen Klasse wie andere Entwicklungsländer zu bleiben und sich von der Verantwortung für das Klima abzuschirmen“, sagt Byford Tsang, Senior Policy Advisor bei E3G. nib

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    NGOs: Institutionelle Investoren zu fossil

    Institutionelle Investoren haben derzeit knapp über drei Billionen US-Dollar in fossile Unternehmen investiert – obwohl ein großer Teil von ihnen sich zu dem Ziel bekannt hat, die globalen Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 auf netto null zu bringen. Das geht aus einer neuen Analyse einer Reihe von NGOs hervor. Unter ihnen ist auch die Menschenrechts- und Umweltorganisation Urgewald. Für ihre Untersuchung analysierten die NGOs die Aktien- und Anleihe-Investitionen von mehr als 6.500 institutionellen Investoren.

    Die US-Vermögensverwalter Vanguard und Blackrock sind demnach mit 269 und 263 Milliarden US-Dollar die größten Investoren in Unternehmen aus dem Gas-, Erdöl- und Kohlesektor. Zwei Drittel der Gesamtinvestitionen flossen in Öl- und Gas-Unternehmen.

    “Es ist beschämend, wenn institutionelle Investoren immer noch in Unternehmen investieren, die alle Forderungen von UNFCCC, UNEP, dem UN-Generalsekretär und schließlich der IEA ignorieren”, sagt Katrin Ganswindt, Energie- und Finanzkampaignerin bei Urgewald. “Beteiligungen an neuen Aktien oder Anleihen expandierender Kohle-, Öl- & Gasunternehmen sollten eine absolute rote Linie darstellen”.

    46 Milliarden US-Dollar aus Deutschland

    Aus Deutschland haben der Studie zufolge 180 institutionelle Investoren insgesamt fast 46 Milliarden US-Dollar in Kohle-, Gas- und Erdölunternehmen investiert. Damit liegt Deutschland im weltweiten Länder-Ranking auf Platz 11 (von 74). Die Deutsche Bank mit ihrem Tochterunternehmen DWS und die Allianz mit den Tochterunternehmen AGI und Pimco haben demnach 17,7 und 15,9 Milliarden US-Dollar investiert. Erst kürzlich hatte die DWS einen Kohleausstieg bekannt gegeben.

    Über 40 Prozent der von den NGOs identifizierten weltweiten fossilen Investitionen gehen auf das Konto von Mitgliedern der “Glasgow Financial Alliance for Net Zero” (GFANZ). Die Mitglieder dieses Zusammenschlusses, haben sich dazu bekannt, das Ziel von Netto-Null-Emissionen von Treibhausgasen bis 2050 zu unterstützen.

    Erst vor wenigen Tagen hatte der NGO-Bericht “Banking on Climate Chaos” die fossilen Geschäfte großer Banken offengelegt. Demnach haben die 60 größten Privatbanken seit dem Pariser Klimaabkommen gut 5,5 Billionen US-Dollar in fossile Energieträger investiert. nib

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    Australien plant Effizienznormen für Pkw

    Die australische Regierung hat am Mittwoch angekündigt, neue Normen für Fahrzeugemissionen einführen zu wollen. So soll die Verbreitung von Elektroautos angekurbelt werden, um den Rückstand zu anderen Industrieländern aufzuholen. Nur 3,8 Prozent der im vergangenen Jahr verkauften Autos in Australien waren E-Autos. Zum Vergleich: In Großbritannien waren es 15 Prozent und in der EU 17 Prozent.

    Die neue australische Strategie sieht vor, die Emissionen, die ein Auto im Betrieb ausstößt, zu limitieren und kraftstoffsparende Fahrzeuge oder E-Autos dadurch attraktiver und im Vergleich günstiger zu machen, erklärte Energieminister Chris Bowen. Weitere Details zu den neuen Normen sollen folgen.

    Abgesehen von Russland ist Australien das einzige Industrieland, in dem es bislang keine regulatorischen Anreize für Hersteller gibt, mehr elektrische und emissionsfreie Fahrzeuge anzubieten. Dabei ist der Verkehrssektor die drittgrößte CO₂-Quelle des Landes. Die Initiative werde dazu beitragen, die Emissionen des Landes bis 2030 um mindestens drei Millionen Tonnen CO₂ und bis 2035 um mehr als zehn Millionen Tonnen zu senken, so Bowen.

    “Brauchen strenge Standards”

    Der Rat für Elektrofahrzeuge (Electric Vehicle Council, EVC) begrüßte den Schritt, mahnte aber, Australien müsse strenge Standards einführen, “sonst bleibe es die weltweite Müllhalde für veraltete Fahrzeuge mit hohem Schadstoffausstoß”, so der Geschäftsführer Behyad Jafari. Automotive-Experte Ferdinand Dudenhöffer wies zudem darauf hin, dass der Schritt zwar gut sei, die Bedeutung Australiens mit rund einem Prozent aller weltweiten Neuwagenverkäufe allerdings “überschaubar” ist. Die Elektromobilität weltweit sei “unumkehrbar”. Auch das zeige die Entscheidung aus Australien, so Dudenhöffer.

    Klar ist: Australien handelt nicht einzig im Sinne des Klimaschutzes, sondern muss auch darauf achten, nicht technologisch abgehängt zu werden. Das Land ist kein nennenswerter Automarkt und ist auf das Angebot anderer Industrienationen angewiesen. Je weiter die E-Mobilität voranschreitet, desto schwieriger wird es zu einem späteren Zeitpunkt aufzuholen.

    Australische Autos im Vergleich schmutziger

    Schnellstmöglich anzufangen, eine Ladeinfrastruktur aufzubauen, halten Expertinnen und Experten für unumgänglich. “Australien ist eines der letzten westlichen Länder, das auf den dringend benötigten Zug der Elektrifizierung aufspringt, nachdem Europa die Führung übernommen hat”, sagt Alex Keynes, Elektromobilitätsexperte bei der Umwelt-NGO Transport & Environment. Die australische Regierung habe eine Chance, es richtigzumachen, indem sie ehrgeizige CO₂-Normen für Autos und Lieferwagen festlegt, ohne Anreize oder Schlupflöcher für “fake”-elektrische Plug-in-Hybride zu setzen, so Keynes.

    Im Durchschnitt verbrauchen Neuwagen in Australien 40 Prozent mehr Kraftstoff als in der EU und 20 Prozent mehr als in den USA. Australiens Energieminister Bowen erklärte zudem, dass die Einführung einer Norm für die Kraftstoffeffizienz den Autofahrern 519 Dollar (349 Euro) pro Jahr einsparen könnte. rtr/luk

    • Australien
    • Klimapolitik

    EU-Parlament nimmt Kernelemente des Green Deals an

    Das Europäische Parlament hat in dieser Woche über wesentliche Teile des Fit-for-55-Pakets final abgestimmt. Am Dienstag nahmen die Abgeordneten mit großer Mehrheit die Trilog-Einigungen zum Kernelement des Green Deals an – der Reform des EU-Emissionshandels (ETS). Die Reform beinhaltet:

    • Emissionen in den betroffenen Sektoren müssen bis 2030 um 62 Prozent im Vergleich zu 2005 sinken
    • die Einführung eines zweiten ETS für Brennstoffe zum Heizen und für den Straßenverkehr
    • die Einführung eines Klimasozialfonds mit einem Gesamtbudget von 86,7 Milliarden Euro, der die zusätzlichen Kosten durch den ETS 2 für schwache und mittlere Einkommensklassen abfedern soll
    • die Einbeziehung der Schifffahrt in den ETS und strengere Regeln für die Luftfahrt
    • die Einführung eines CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM), der die kostenlosen Emissions-Zertifikate der Industrie schrittweise ersetzen und als Schutz vor Carbon Leakage dienen soll

    Die EU-Mitgliedstaaten werden kommende Woche final über die Gesetze abstimmen. Anschließend können sie in Kraft treten.

    Klimafinanzierung: Aus”should” wird “shall”

    Eine wesentliche Änderung der Funktionsweise des Emissionshandels besteht in der Verwendung der Einnahmen aus dem Verkauf von Emissionsrechten. Bisher waren die Mitgliedstaaten lediglich dazu aufgerufen (“should”), ihre Einnahmen wieder in Klimaschutzmaßnahmen, in die Energiewende oder in die soziale Abfederung höhere Kosten durch die CO₂-Bepreisung zu reinvestieren. Eine Verpflichtung war das nicht.

    Mit der Reform wird dieser Aufruf nun zwar verstärkt, indem die Formulierung in “shall” geändert wird. Jedoch ist der rechtliche Unterschied zwischen diesen beiden Wörtern umstritten. Eine unmissverständliche Verpflichtung wäre ein “must” gewesen. Somit bleibt abzuwarten, wie dieser Teil der Reform in den Mitgliedstaaten umgesetzt wird. Die Berichterstatter des EU-Parlaments kündigten am Dienstag an, die Mitgliedstaaten bei der Einhaltung dieser Regeln genau zu überwachen.

    Entwaldungsfreie Lieferketten

    Am Mittwoch hat das EU-Parlament schließlich auch die Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten final angenommen. Auch hier steht die formelle Annahme durch die Mitgliedstaaten noch aus.

    Nach den neuen Vorschriften dürfen Unternehmen Einfuhren bestimmter Produkte und Rohstoffe aus bestimmten Ländern nur in der EU verkaufen, wenn die Lieferanten eine Sorgfaltserklärung eingereicht haben. Diese bestätigt, dass ein Produkt nicht von einer nach dem 31. Dezember 2020 abgeholzten Fläche stammt und nach diesem Datum auch nicht zur Schädigung von Wäldern geführt hat. Die Unternehmen müssen auch nachweisen, dass die Produkte den Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes entsprechen, damit die Menschenrechte und die Rechte indigener Völker geachtet werden.

    Zu den Produkten gehören Rinder, Kakao, Kaffee, Palmöl, Soja, Holz, Kautschuk, Holzkohle, Druckerzeugnisse und einige Palmölderivate; darüber hinaus auch Produkte, die diese Rohstoffe enthalten, mit ihnen gefüttert oder aus ihnen hergestellt wurden (etwa Leder, Schokolade und Möbel). luk/leo

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    EU-Taxonomie: Umweltverbände verklagen EU-Kommission

    Es war ein Paukenschlag als die EU-Kommission am Neujahrstag 2022 bekannt gab, dass in der Taxonomie auch Investitionen in Atom- und Gaskraftwerke als “nachhaltig” gelten sollen. Am Dienstag reichten Umweltverbände nun Klage vor dem EUGH gegen die Entscheidung ein.

    Mithilfe der Taxonomie will die EU bis zum Jahr 2030 über eine Billion Euro in den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft lenken. Mit der Entscheidung, Atom- und Gas-Investitionen unter bestimmten Bedingungen als nachhaltig zu labeln, hatte sich die EU-Kommission über die Empfehlung der Plattform für Sustainable Finance hinweggesetzt. Das Expertengremium war von der Kommission beauftragt worden, die Taxonomie zu entwickeln. Sie hatte sich gegen ein Nachhaltigkeitslabel für die Atomwirtschaft ausgesprochen und für Gaskraftwerke sehr enge Grenzwerte definiert.

    Dass die Kommission die Empfehlungen des eigenen Expertengremiums missachtet hat, ist nun Teil der Klage der Umweltverbände. Denn die Taxonomie muss nach den Regeln der Taxonomie-Verordnung verfasst werden und die wiederum sieht eine Konsultation der Plattform vor. Zudem verstoße die Entscheidung gegen das EU-Klimagesetz. Treibhausgasneutralität bis 2050 sei mit Atomkraft und Gaskraftwerken nicht zu erreichen, so die Umweltverbände auf einer Pressekonferenz.

    Bis zu einem Urteil könnte es Jahre dauern

    Die NGOs legten zwei Klagen vor. Die Greenpeace-Klage richtet sich gegen die Klassifizierung von Atomenergie als nachhaltig; die von ClientEarth, WWF, BUND und Transport & Environment gegen die Entscheidung, Investitionen in Gaskraftwerke als nachhaltig zu labeln. Bereits im Herbst hatte Österreich eine Klage eingereicht.

    Sollten die Umweltverbände vor Gericht recht bekommenändert dies erstmal wenig. Das Gericht könnte die EU-Kommission damit beauftragen, den umstrittenen delegierten Rechtsakt zu Atom und Gas zu überarbeiten. Die Umweltverbände rechnen selbst damit, dass bis zu einem Urteil mehrere Jahre vergehen könnten. Und das sei fatal, sagt Greenpeace Anwältin Roda Verheyen. Denn die Taxonomie ist schon seit Anfang dieses Jahres in Kraft.

    Was das bedeutet, erklärt sie am Beispiel des französischen Stromerzeugers Electricité de France. Dieser wolle mit grünen Anleihen, die an der Taxonomie ausgerichtet sind, die Instandhaltung seiner alten und schlecht gewarteten Atomreaktoren finanzieren. So würden Gelder von Investoren, die den Umstieg auf Erneuerbare Energien finanzieren wollten, in die Atomwirtschaft umgeleitet, so die Greenpeace-Anwältin. vvo

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    Presseschau

    Analyse: Brasilien und China kooperieren, um Abholzung zu stoppen Climate Change News
    Kommentar: Netto-Null-Ziele werden das Fliegen teuer machen The Spectator
    Reportage: Diese Ninjas kämpfen gegen Klima-Fakenews auf Twitter BBC
    Analyse: Wärmepumpen müssen besser vermarktet werden Bloomberg
    Analyse: Endlagersuche für Atommüll The Rolling Stone
    Analyse: Wie geht es nach dem Atomausstieg weiter? Die Zeit
    Reportage: Der Kampf um das Wasser im Colorado River Die Zeit
    Analyse: Durch den Klimawandel werden Blitzdürren zunehmen – und Europa ist ein Hotspot dafür Süddeutsche Zeitung
    Analyse: Klimaaktivisten in Deutschland bereiten sich auf eine neue Welle von Protesten vor The Independent
    Kommentar: Man sollte den “Öko-Mob” wie Verbrecher und nicht wie Helden behandeln Daily Mail

    Heads

    Simone Peter – Antreiberin für die Erneuerbaren

    Die ehemalige Grünen-Vorsitzende Simone Peter ist Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE).

    In den letzten Wochen gab es in Deutschland eine hitzige Debatte über das Heizen. Soll Wasserstoff auch für private Heizungen genutzt werden oder ein größeres Augenmerk auf Wärmepumpen und Erneuerbare Energien liegen? Simone Peter hat eine klare Meinung: “Die Rufe nach der Anerkennung von Wasserstoff-ready Heizungen sind dabei kontraproduktiv, denn sie haben weniger das Wohl der Verbraucher*innen oder des Klimas im Blick als vielmehr den verlängerten Absatz von fossilen Gaskesseln”. Die Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE) fordert vom Bundestag, die Vorgabe, dass ab dem nächsten Jahr neu eingebaute Heizungen 65 Prozent erneuerbaren Strom nutzen müssen, “verbindlich und ohne Ausnahmen” sicherzustellen. Gestern wurde eine Gesetzesnovelle zu dem Thema vom Bundeskabinett verabschiedet. Der Bundestag muss noch zustimmen.

    Peter streitet seit 2018 als BEE-Vorsitzende für die Erneuerbaren. Deutschland sei weit von einem ausreichenden Ausbau der erneuerbaren Energien entfernt, sagt die ehemalige Grünen-Vorsitzende: “Wir erleben jetzt die Folgen einer Politik, die den Erneuerbaren nicht mehr den gesetzlich garantierten Vorrang gewährt hat.” Deutschland hat die Fotovoltaik-Industrie an chinesische Konkurrenz verloren. Ein Grund sei auch, dass der Staat die Vergütungen für die Anlagen kürzte. Rotorblattfertigungen für Windenergieanlagen gibt es Deutschland auch nicht mehr. “Das schmerzt sehr.”

    Um wieder Vorreiter zu werden beim Klimaschutz, müsse sich die Politik den Ausbau der Erneuerbaren im Strom-, Wärme-, und Verkehrssektor vorantreiben. Bisher packe die Regierung die Wärmewende in Gebäuden noch zu vorsichtig an, sagt Peter. “Hier muss noch eine ganze Schippe drauf.” Und wenn das passiert, so glaubt Peter, könne die Energiewende insgesamt noch schneller vorangehen, als man es Anfang 2022 gedacht habe.

    Vom Atomprotest bis zum Grünen-Vorsitz

    Simone Peter hat sich schon früh für Nachhaltigkeit und grüne Themen interessiert. Als der Bau des französischen Atomkraftwerks im grenznahen Cattenom angekündigt wurde, demonstrierten im Saarland Tausende gegen die Kernenergie. Mitten unter ihnen die jugendliche Simone Peter mit ihrer ganzen Familie. “Ich bin ein klassisches Kind der 1980er Jahre”, sagt die heutige Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energien (BEE). Das Bewusstsein für Umweltthemen lag in der Familie: “Wir waren die Ersten in der Stadt mit Solarzellen auf dem Dach und einem Elektroauto. Das war 1988.”

    Geboren wurde Simone Peter 1965 in Quierschied im Saarland. Sie studierte Biologie an der Universität des Saarlandes, wo sie 2000 am Lehrstuhl für Mikrobiologie auch ihren Doktortitel erlangte.

    Politisch engagierte sich Peter schon früh bei den Grünen. “Die Grünen und ihre Themen – vom Waldsterben über Frauen, bis hin zur Friedenspolitik – haben mich angezogen.” Peters Engagement wurde zum Beruf. 2009 wurde sie Umweltministerin in ihrem Heimatbundesland, 2013 Bundesvorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grünen.

    Für Flexibilität im Strommarktdesign

    Auf EU-Ebene kämpft Peter gerade gegen eine drohende neue “Planwirtschaft” im Stromsektor. Erneuerbare über sogenannte Differenzverträge zu fördern, hält sie für den falschen Weg. Das Marktdesign müsse langfristig tragfähig sein. “Das bedeutet nicht, ein starres System durch ein anderes starres System zu ersetzen”, sagt Peter. Was die Erneuerbaren bräuchten, sei mehr Flexibilität im Strommarkt.

    Trotz der schleppenden Fortschritte in Deutschland erkennt die BEE-Präsidentin Bewegung in der Politik: “Wir erkennen an, dass die Bundesregierung mit ihren rund 30 Gesetzespaketen in den letzten Monaten mehr gemacht hat als die letzten Regierungen in den vergangenen zehn Jahren.”

    Ob sie noch Parteimitglied ist? “Natürlich bin ich noch bei den Grünen. Das ist und bleibt Teil meiner Biografie.” Der BEE ist allerdings parteiübergreifend organisiert. Und das sei auch gut so. Svenja Schlicht

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    Climate.Table Redaktion

    REDAKTION CLIMATE.TABLE

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