Table.Briefing: Climate

Emissionshandel für Schiffe + IEA-Chef sieht Ende der Fossilen + China baut saubere Solar-Lieferkette

  • EU: CO2-Preis für Schifffahrt kommt
  • Fatih Birol: “Zeitalter von Erdgas und Öl geht zu Ende”
  • Solar: China baut saubere Lieferkette für Export
  • Termine der kommenden Woche
  • Vanuatu treibt Klimaschutz vor UN-Gericht voran
  • Solar-Unabhängigkeit von China würde Milliarden kosten
  • IEA: Wärmepumpen-Boom reduziert CO2-Ausstoß
  • Fliegen mit Wasserstoff: Test erfolgreich
  • Adventskalender zeigt positive Klima-News
  • WWF: Hälfte der ETS-Zertifikate nicht für Klimaschutz
  • Presseschau
  • Australiens Klimaminister zwischen Rhetorik und Realität
Liebe Leserin, lieber Leser,

wir konnten es selbst kaum glauben: aber pünktlich zum Advent kommt hier ein Climate.Table mit ein paar positiven Nachrichten: Die EU hat sich im Trilog endlich darauf geeinigt, den Schiffsverkehr in den Emissionshandel einzubeziehen, wie Lukas Scheid schreibt; IEA-Chef Fatih Birol lobt im Interview mit Alexandra Endres nicht nur, wie die Deutschen bisher die Energiekrise meistern. Er ist auch zuversichtlich, dass die Erneuerbaren durch Klimapolitik, industriepolitische Entscheidungen und den Ukraine-Krieg einen dringend nötigen Schub bekommen.

Dazu kommt: Der Inselstaat Vanuatu geht zum Internationalen Gerichtshof, um klären zu lassen, welche Verantwortung die Staaten in der Klimakrise haben. Die Technik zum sauberen Fliegen schreitet voran. Wer Geld verdienen will, sollte es in Wärmepumpen investieren. Und weitere Beispiele finden sich in einem Adventskalender mit 24 guten Nachrichten zum Klima.

Wir haben das nicht als “positive News-Ausgabe” geplant. Es ist einfach passiert. Und selbstverständlich bleiben uns die großen Probleme und die Trends in die falsche Richtung auch zu Weihnachten erhalten. Wir wollen das gar nicht schönreden und schauen da weiter ganz genau hin. Und wir melden natürlich auch ein paar Dinge, die in die falsche Richtung laufen. Aber zur Abwechslung mal ein bisschen Mut schöpfen, das kann ja nicht verkehrt sein.

Wir hoffen jedenfalls, dass Ihnen die Lektüre Freude macht. Das hilft dann auch, einen möglichst langen Atem zu behalten. Denken Sie dran: In genau einem Jahr sehen wir uns bei der nächsten COP28 in Dubai. Bis dahin bleibt noch viel zu tun.

Ihr
Bernhard Pötter
Bild von Bernhard  Pötter

Analyse

EU: CO2-Preis für Schifffahrt kommt

120 Millionen Tonnen CO2 sollen durch die Einbeziehung der Schifffahrt in das europäische Emissionshandelssystem (ETS) bis 2030 eingespart werden, prognostiziert Peter Liese, EU-Parlamentsberichterstatter und umweltpolitischer Sprecher der EVP. In der Nacht auf Mittwoch kamen die Verhandler aus EU-Parlament, Kommission und Rat im Trilog überein, dass die Emissionen von Hochsee- und Binnenschiffen ab 5.000 Bruttoregistertonnen in das ETS aufgenommen werden.

Reedereien und Schiffbetreiber müssen somit künftig für ihre Treibhausgasemissionen Emissionsrechte kaufen. Einen historischen Wendepunkt für die Schifffahrt, nannte es Jacob Armstrong, Experte für nachhaltige Schifffahrt der Umweltorganisation Transport & Environment. Damit habe die EU anderen Staaten wie den USA, China und Japan den Fehdehandschuh hingeworfen. Die EU erhofft sich, dadurch Druck auf diese Länder aufzubauen, dieses Thema auch anzugehen.

Die Einbeziehung soll zudem schrittweise passieren:

  • 40 Prozent der Emissionen des Sektors werden ab 2024 im ETS abgedeckt
  • 70 Prozent ab 2025
  • 100 Prozent ab 2026

Fahrten ins EU-Ausland unterliegen nur zur Hälfte ETS

Dabei werden nicht nur CO2-Emissionen mit einem Preis versehen, sondern auch beispielsweise Methan- oder Ammoniakemissionen (ab 2026). Dies solle verhindern, dass Schiffe zwar auf umweltfreundlichere Methan- oder Ammoniakantriebe umsteigen, dann aber den Austritt dieser Treibhausgase in die Atmosphäre nicht reduzierten, sagt Liese.

Fahrten innerhalb der EU sind komplett einbezogen, Fahrten ins EU-Ausland unterliegen nur zur Hälfte dem ETS. Heißt: Für 50 Prozent der Emissionen einer Fahrt von einem EU-Hafen in einen Nicht-EU-Hafen oder andersherum müssen CO2-Zertifikate eingekauft werden. Das Parlament hatte auch hier eine vollständige Einbeziehung gefordert, war jedoch am Widerstand der Mitgliedstaaten gescheitert.

Der Erlös aus 20 Millionen Emissionsrechten soll zudem zweckgebunden in den EU-Innovationsfonds fließen und für die Dekarbonisierung der Schifffahrtsbranche eingesetzt werden. Bei einem durchschnittlichen CO2-Preis von 100 Euro pro Tonne wären das zwei Milliarden Euro. So würden auch Gelder für die Klimafinanzierung frei, betont Liese.

Vorschlag zur Zertifizierung zur CO2-Entnahme

Ein ganz anderer Gesetzesvorschlag, den die Kommission am Mittwoch offiziell vorstellte, zirkulierte schon seit mehreren Tagen in Brüssel. Die gemeinsamen europäischen Mindeststandards für die Zertifizierung von CO2-Entnahmen aus der Atmosphäre sollen den Weg zur CO2-Neutralität der EU ebnen. Zwar gibt es bereits freiwillige Zertifizierungssysteme, die es ermöglichen, Unternehmen CO2-Entnahmen gutzuschreiben, doch es fehlt ein einheitlicher Standard.

Ziel sei es, Vertrauen für das Konzept der Kohlenstoffentnahme zu schaffen und Greenwashing zu bekämpfen, betonte ein hoher EU-Beamter. Es gehe darum, herauszufinden, welche Methoden der Kohlenstoffentnahme die günstigsten Auswirkungen für die Klimabilanz haben. Möglichkeiten sind industrielle Technologien wie BECCS (Bioenergie mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung) oder DACCS (Direct Air Capture with Capture and Storage). Beide binden Kohlenstoff aus der Luft entweder indirekt durch die Verarbeitung von Biomasse oder direkt.

Mehrere Methoden zur CO2-Speicherung denkbar

Die Kommission will mit der neuen Verordnung die Wirkung der unterschiedlichen Methoden bemessen. Dabei sollen nur zusätzliche CO2-Entnahmen, die über schon bestehende Maßnahmen hinausgehen und nachhaltig der Atmosphäre entzogen werden, einbezogen werden.

Der Vorschlag berücksichtigt dabei drei Methoden zur anschließenden CO2-Speicherung:

  • die dauerhafte Speicherung in geologischen Lagerstätten
  • die Speicherung von Kohlenstoff in Produkten
  • Carbon Farming, also landwirtschaftliche Praktiken zur Speicherung im Boden

Viel Kritik am Kommissionsvorschlag

Wijnand Stoefs von Carbon Market Watch kritisiert, dass der Vorschlag viele Fragen unbeantwortet ließe – darunter, wie die Entnahme in die Klimaziele der Regierungen integriert werden kann. Er hält zudem wenig davon, dass auch CO2, das in Böden und Produkten gebunden wird, in das Zertifizierungssystem einbezogen wird, das eine hohe Wahrscheinlichkeit gebe, dass Kohlenstoff dabei wieder in die Atmosphäre entweicht.

Juliette de Grandpré vom WWF sagt, der Gesetzesvorschlag “unterminiere” den Klimaschutz. Die Kommission öffne “Tür und Tor dafür, dass Unternehmen ihren fortgesetzten Ausstoß von Emissionen künftig mit Zertifikaten aus Kohlenstoffentfernungen sauberbilanzieren.” Zudem moniert de Grandpré, dass die Qualitätskriterien für die Zertifizierung erst noch durch Expertengruppen erarbeitet und durch delegierte Rechtsakte festgelegt würden. Somit hätten Interessengruppen “massiven Einfluss auf die konkreten Umsetzungsinhalte im Gesetz”.

Regierungen im Zugzwang

Das European Environmental Bureau (EEB) kritisiert, dass die Definition von Carbon Farming auch Emissionsreduktionen als Abbau bewerte. Dies sei irreführend, da nur der “tatsächliche physische Abbau” als solcher zertifiziert werden sollte.

Oliver Geden, SWP-Senior Fellow und IPCC-Autor, sieht den Kommissionsvorschlag dagegen als “Auftakt des Entscheidungsprozesses” und lobt, dass er ein “fehlendes Element auf dem Weg zur Klimaneutralität” adressiere. Er werde die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten dazu bringen, erstmals politische Positionen zur CO2-Entnahme zu entwickeln. Das gelte auch für die Bundesregierung, deren Arbeit an der im Koalitionsvertrag beschlossenen Strategie für “technologische Negativemissionen” noch nicht begonnen habe, so Geden. Mit Claire Stam

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“Das goldene Zeitalter von Erdgas und Öl geht zu Ende”

Der Chef der Internationalen Energieagentur Fatih Birol

Herr Birol, Sie erwarten, dass die Energiekrise infolge des Ukrainekriegs den Übergang zu einer klimafreundlichen Weltwirtschaft beschleunigt. Auf der COP27 haben wir aber gerade eine Renaissance der fossilen Interessen beobachtet. Bleiben Sie dennoch bei Ihrer Einschätzung?

Ja, auf jeden Fall. Viele Länder stecken gerade enorme Summen in die Erzeugung sauberer Energien: die USA, die fast 400 Milliarden US-Dollar in eine klimafreundliche Versorgung investieren, Europa mit dem Programm RepowerEU, Japan, China und auch Indien. Sie alle tun das nicht nur aufgrund ihrer Verpflichtungen zum Klimaschutz, sondern auch im Streben nach größerer Energiesicherheit. In Deutschland und anderen europäischen Ländern beispielsweise zeigen unsere Daten für nächstes Jahr einen deutlichen Zuwachs an Erneuerbaren. Das verringert die Abhängigkeit von russischen Gasimporten und schützt vor der russischen Aggression.

Es geht also um Energiesicherheit und Klimaschutz?

Hinzu kommen industriepolitische Erwägungen. Jeder möchte führend sein in der Herstellung von Batterien, Elektroautos, Solarmodulen, Elektrolyseuren für Wasserstoff: China, die USA, und andere Staaten auch. Diese drei Faktoren – Klimapolitik, Energiesicherheit und Industriepolitik – ergeben gemeinsam eine sehr mächtige Kombination. Deshalb hoffe ich weiterhin auf eine beschleunigte Energietransformation. Ob sie ausreicht, um unterhalb der 1,5-Grad-Schwelle zu bleiben, ist allerdings offen.

Länder wie Saudi-Arabien haben auf der COP27 verhindert, dass der Rückgang aller fossilen Energien beschlossen wurde. Stattdessen soll neben Erneuerbaren auch Gas ausgebaut werden. Widerspricht das nicht den Szenarien der IEA, wonach es keine neue fossile Infrastruktur mehr geben darf, wenn 1,5 Grad möglich sein sollen?

Die COP27 hat ein gutes Ergebnis gebracht: dass die reichen Länder zugestimmt haben, die vulnerablen Entwicklungsländer bei Loss and Damage zu unterstützen. Aber es stimmt: Von der COP ging kein Signal an die Märkte aus für die schnellere globale Energiewende, die dringend nötig ist. Dennoch gibt es bereits eine starke Dynamik in diese Richtung. Der Grund dafür sind die politischen Entscheidungen einzelner Regierungen, ganz unabhängig von der COP27.

“Am Ende werden die sauberen Energien stärker sein”

Aber die Regierungen großer ölexportierender Staaten scheinen bisher kein Teil dieser Dynamik zu sein.

Ich gehe davon aus, dass manche Länder versuchen werden, den Wandel zu verlangsamen, weil sie ihre eigenen kurzsichtigen Interessen im Blick haben. Am Ende werden die sauberen Energien stärker sein.

Gerade die ölexportierenden Länder müssten aber nach Ihren Studien besonders dringend aus der fossilen Energie aussteigen. Was bedeutet es, wenn sie den Wandel bremsen?

Basierend auf unseren Daten erwarten wir, dass die globale Ölnachfrage in den nächsten fünf Jahren ihren Höhepunkt erreichen könnte, falls die von den Regierungen vorgebrachten Klimaziele vollständig und rechtzeitig umgesetzt werden. Elektroautos beispielsweise werden stetig billiger, und in vielen Ländern subventionieren die Regierungen ihren Kauf. Im gleichen Maß, wie die Nachfrage nach Elektroautos wächst, sinkt die Nachfrage nach fossilen Treibstoffen. Es ist wichtig, dass die erdölexportierenden Staaten dies erkennen. Sie müssen sich auf die Zukunft vorbereiten, indem sie ihre Volkswirtschaften so schnell wie möglich diversifizieren. Sonst kommen größere Schwierigkeiten auf sie zu.

Diversifizieren sie schnell genug?

Manche machen signifikante Bemühungen, aber der Fortschritt ist überall viel zu langsam. Sicherlich lesen sie unsere Berichte sorgfältig. Ob sie die notwendigen Maßnahmen ergreifen, bleibt abzuwarten.

CCS kann Beitrag leisten

Saudi-Arabien sagt, es gehe nicht um Treibstoffe, sondern um Emissionen – ein Verweis auf Technologien wie CCS. Wie weit ist die Entwicklung in dem Bereich?

CCS kann einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, beispielsweise in der Schwerindustrie, in der wir keine erneuerbaren Energien nutzen können. Es kann aber nicht die alleinige Antwort auf den Klimawandel sein. Außerdem ist die Technologie für einen großflächigen globalen Einsatz noch zu teuer. Es wird noch einige Jahre dauern, bis die Kosten so weit gefallen sind, dass sie breit einsetzbar ist.

Stichwort Energiesicherheit: Der Ukraine-Krieg beschleunigt nicht nur den Ausbau der Erneuerbaren, sondern auch von fossiler Energieinfrastruktur. Geht das nicht in die falsche Richtung?

Der Krieg hat auch dazu geführt, dass der globale Verbrauch an Kohle steigt: nach unseren Zahlen in diesem Jahr um etwa ein Prozent. Ich denke, der Anstieg ist nur ein vorübergehendes Phänomen. Auch die Nachfrage nach Kohle wird sehr bald einen Höhepunkt erreichen.

Aber sie müsste schnell fallen, um die klimapolitischen Ziele des Pariser Abkommens einzuhalten. Geht das schnell genug?

Das hängt von der Politik ab. Allein die Emissionen der bereits existierenden Kohlekraftwerke würden ausreichen, um die Welt über die 1,5-Grad-Schwelle zu bringen. Zugleich hängen Regionen wie Shanxi in China, Ostkalimantan in Indonesien und Mpumalanga in Südafrika sehr stark von der Kohle ab, etwa weil dort viele Menschen im Kohlebergbau arbeiten. Auch das macht den globalen Kohleausstieg so schwierig. Damit er gelingt, braucht es massive Investitionen in Erneuerbare und Energieeffizienz.

Von welchen Summen sprechen wir?

Damit alle Staaten ihre versprochenen Klimaziele pünktlich erfüllen können, müssen Investitionen in nachhaltige Technologien bis zum Jahr 2030 auf etwa drei Billionen US-Dollar ansteigen: für emissionsarme Stromerzeugung, vor allem aus erneuerbaren Energiequellen, aber auch aus Kernenergie, für Speicher und den Ausbau und die Modernisierung von Stromnetzen, für Wasserstoff, Batterien und vieles mehr. Um die Welt auf einen 1,5-Grad-Pfad zu bekommen, also alle globalen Emissionen bis 2050 auf netto null zu senken, müssten die Investitionen in 2030 auf über vier Billionen US-Dollar ansteigen.

Wird auch die Nachfrage nach Gas bald ihren Höhepunkt erreichen?

Das goldene Zeitalter von Erdgas und Öl geht zu Ende. Die Nachfrage nach Erdgas ist in den vergangenen Jahren vor allem deshalb gestiegen, weil die Industrieländer es zur Stromerzeugung genutzt haben, und das lässt sich so nicht mehr beobachten. Erneuerbare Energien spielen für die Stromerzeugung eine immer größere Rolle, in manchen Ländern auch die Kernenergie. Und in den Entwicklungsländern sehe ich angesichts der hohen Gaspreise im Moment keinen großen Wunsch, eine eigene Gasinfrastruktur aufzubauen und Gas zu importieren.

Afrika braucht Erdgas

Was halten Sie davon, dass Deutschland eine Kooperation mit dem Senegal anstrebt, um die eigene Erdgasversorgung zu sichern?

Deutschland muss wie jedes Land selbst entscheiden, ob und zu welchem Preis es jetzt langfristige Gaslieferverträge abschließt. Aus meiner Sicht kommt es dabei auf drei Dinge an: Die Vertragslaufzeiten müssen klug gewählt sein. Die Gasinfrastruktur muss später für Ammoniak oder Wasserstoff genutzt werden können. Und die Energie, die man braucht, um das Gas zu verflüssigen, sollte aus erneuerbaren Quellen stammen. Übrigens wäre es meiner Ansicht nach verkehrt, den afrikanischen Ländern vorschreiben zu wollen, ihre Gasreserven nicht zu nutzen.

Warum?

Der ganze Kontinent ist für nur drei Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Würden alle derzeit bekannten Erdgasressourcen in Afrika in den kommenden zehn Jahren erschlossen, was praktisch fast unmöglich ist, würde sein Anteil auf 3,4 Prozent steigen. Das ist nichts, was uns davon abhalten würde, die 1,5-Grad-Schwelle zu halten. Außerdem braucht Afrika das Erdgas nicht zur Stromerzeugung, sondern eher für die Meerwasserentsalzung, die Produktion von Dünger und die eigene Industrialisierung. Dafür sind die Erneuerbaren nicht geeignet.

Fracking in Deutschland ist kein Ausweg

In Deutschland will unter anderem Finanzminister Christian Lindner in die heimische Gasförderung durch Fracking einsteigen. Braucht Deutschland wirklich Fracking?

Wenn Deutschland heute mit dem Fracking beginnt, wird es ewig dauern, bis das erste Gas daraus auf den Markt kommt. Ich wäre da sehr vorsichtig. Das Risiko, dass diese Investition nicht genutzt werden kann, ist groß.

Sie haben gesagt, Deutschlands aktuelle Aufgabe sei es, in Solidarität mit der EU nach Auswegen aus der Energiekrise zu suchen. Was meinen Sie damit?

Deutschland macht gerade einen sehr guten Job. Meiner Meinung nach wäre jetzt der nächste Schritt, dass die EU-Mitgliedsstaaten gemeinsam Erdgas einkaufen. Im kommenden Winter werden sie es noch viel schwerer haben als in diesem Winter, sich zu versorgen. Gemeinsam am Markt aufzutreten, statt einander Konkurrenz zu machen, wäre da sehr hilfreich. Wie sich Deutschland in der Situation verhält, wird entscheidend sein.

Solar: China baut saubere Lieferkette für Export auf

In der Debatte um die Abhängigkeit des Westens von China und um Zwangsarbeit für Solartechnik fährt die Volksrepublik jetzt eine Doppelstrategie: Das Land baut offenbar eine zweite Lieferkette auf, die frei von Polysilizium aus Xinjiang sein soll. Damit will Peking, das den globalen Markt bei der Solartechnik dominiert, drängende Fragen nach Menschenrechten beim Absatz seiner Produkte in Europa und den USA umgehen.  

Einige chinesische Solar-Firmen stellen sich auf die Bedürfnisse des Westens ein und fertigen “Xinjiang-freie” Produkte, sagt Johannes Bernreuter, Polysilizium-Experte von der Beratungsfirma Bernreuter Research. Die Produktionskette lasse sich “vom angelieferten Polysilizium bis zum fertigen Solarmodul nachverfolgen und dokumentieren”, so der Lieferketten-Experte. Auch Jenny Chase, Expertin des Thinktanks BloombergNEF bestätigt: die Herkunft von Polysilizium, das nicht aus der problematischen Provinz Xinjiang komme, könne durch Zertifizierungsunternehmen nachverfolgt werden.

Intransparenz bei Solar-Ausgangsstoff

Somit könnten sich die Stoffströme einfach aufteilen: Xinjiang-freie Produkte werden für den Export hergestellt. Solarmodule, deren Ausgangsstoff mit Zwangsarbeit hergestellt wird, werden aufgrund der hohen inländischen Nachfrage weiterhin in China verbaut. Westliche Sanktionen und Boykotte von Polysilizium aus Xinjiang hätten somit kaum Effekte für die von Zwangsarbeit betroffenen Uiguren.

Die Entwicklung zeigt die enge gegenseitige Abhängigkeit zwischen China und vor allem den westlichen Industrieländern: Einerseits kommen drei Viertel aller Solarprodukte, die für die globale Energiewende und die Einhaltung der Klimaziele nötig sind, aus der Volksrepublik. Andererseits steigt im Westen der Druck für mehr Unabhängigkeit von China und Lieferketten ohne Menschenrechtsverstöße – worauf wiederum China reagiert.

Ob diese doppelten Lieferketten bis ins letzte Detail realistisch sind, ist allerdings unklar. So sind etwa die Lieferketten beim metallurgischen Silizium intransparent, dem Ausgangsstoff für Polysilizium. Importeure können kaum sicherzustellen, dass dort keine Zwangsarbeit herrscht. “Von den sieben chinesischen Polysilizium-Herstellern unter den weltweiten Top Ten beziehen sechs maßgebliche Mengen an metallurgischem Silizium aus Xinjiang“, sagt Bernreuter.

Chinas Hersteller produzieren in Vietnam und Malaysia

Schon jetzt umgehen chinesische Hersteller US-Importzölle und Menschenrechts-Regeln durch Verlagerung: Sie investieren stärker in Ländern wie Vietnam und Malaysia. Für die dortige Produktion kaufen erste Unternehmen Ausgangsstoffe nicht in China, so Bernreuter. Xinjiang-freie Lieferketten sind also möglich. Was bleibt, ist die Abhängigkeit von China: Denn im Konfliktfall könnten auch chinesische Unternehmen in Vietnam oder Malaysia damit drohen, ihre Exporte in den Westen einzustellen.

Die Bundesregierung steckt wie andere Industrieländer auch in einem Dilemma. Um die Klimaziele zu erreichen, will sie die Erneuerbaren massiv ausbauen. Gleichzeitig sollen die Abhängigkeiten von China verringern werden.

China dominiert die Solar-Lieferkette

Doch China dominiert den Weltmarkt bei allen wichtigen Produktionsschritten. Die Volksrepublik hält einen Marktanteil (2021) von:

  • 75 Prozent bei Solarmodulen
  • 85 Prozent bei Solarzellen
  • 97 Prozent bei Solar-Wafern
  • Und 79 Prozent beim Ausgangsstoff Polysilizium.

Der Anteil könnte bei Polysilizium, Solar-Ingots (Blöcke aus Halbleiter-Material, aus denen die Wafer gesägt werden) und Wafern auf 95 Prozent wachsen, so der jüngste World Energy Outlook. Insgesamt macht China drei Viertel des Welthandels bei Solarprodukten aus.

Bei den europäischen Importen zeigt sich dementsprechend ein deutliches Bild. 90 Prozent der EU-Importe bei Solarmodulen geht auf China zurück. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine haben sich die Importe verdoppelt.

Baerbocks Drohung: Importstopp bei Menschenrechtsverletzungen

In einem geleakten Entwurf der China-Strategie des Auswärtiges Amtes wird China als “Wettbewerber bei der grünen Transformation” bezeichnet. Wegen der “starken bis beherrschenden Stellung” Chinas etwa im Solarbereich könnten “einseitige Abhängigkeiten entstehen”, so der Entwurf. Man wolle diese “Abhängigkeiten (…) unter dem Aspekt der Risikominimierung verringern”.

Das Auswärtige Amt ist wegen der Zwangsarbeits-Problematik “im EU-Rahmen auch bereit, Importstopps aus Regionen mit besonders massiven Menschenrechtsverletzungen zu unterstützen, wenn Lieferketten frei von Menschenrechtsverletzungen mit anderen Mitteln nicht sichergestellt werden können”, wie der Entwurf festhält.

Die USA sind da schon weiter. Sie haben bereits einen Importstopp verhängt und den “Uyghur Forced Labour Prevention Act” verabschiedet. Das Gesetz dreht die Beweislast um:

  • Die USA gehen davon aus, dass alle Produkte aus Xinjiang unter Zwangsarbeit hergestellt wurden, wenn Unternehmen keine “eindeutigen und zwingenden Gegenbeweise” vorlegen können.
  • Hunderte Solar-Importe aus China mit einer Kapazität von drei GW wurden infolge des Gesetzes an den US-Grenzen gestoppt (Climate.Table berichtete).

Bis Jahresende könnten US-Solar-Importe mit einer Kapazität von bis zwölf Gigawatt betroffen sein. Doch laut Jenny Chase vom Think-Tank BloombergNEF werde das den Solar-Ausbau in den USA “nicht stark bremsen”.

Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck hat die Brisanz der Entwicklung offenbar erkannt. Er will die Massenfertigung von Solarmodulen und Windkraftanlagen in der EU mit einer Europäischen Plattform für Transformationstechnologien” fördern (Europe.Table berichtete).

  • China
  • Erneuerbare Energien
  • Industriepolitik
  • Solar

Termine

01. – 02. Dezember, online
Konferenz Climate Annual Conference
Die Florence School of Regulation (FSR) konzentriert sich in dieser Konferenz auf die wichtigste Klimagesetzgebung der EU. Infos und Anmeldung

01 – 03. Dezember, Bangkok/hybrid
Konferenz Water Security and Climate Change Conference
Die Water Security and Climate Change Conference ist eine Veranstaltung, auf der Wissenschaftler, politische Entscheidungsträger und andere Akteure über den Zusammenhang zwischen Wassersicherheit und dem Klimawandel diskutieren. Dieses Jahr wird sie vom Asian Institut of Technology ausgerichtet. Infos

02. Dezember, 10 Uhr, online
Veröffentlichung und Diskussion CO2 storage resources and their development
Bei dem Event der Internationalen Energie Agentur wird das Handbuch “CO2 Storage Resources and their Development” veröffentlicht. Das Handbuch soll einen Überblick über Chance, Risiken und sozio-ökonomische Folgen liefern. INFOS

05. Dezember, 18 Uhr, online
Vortrag Green New Europe: Wie will die EU das Klima retten?
Bei der Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung wird eine multimediale Live-Dokumentation gezeigt. Darin geht der Mainzer Politologe und Journalist Ingo Espenschied der Frage nach, ob und wie die Europäische Union zur Vorreiterin im Kampf gegen die Klimaerwärmung werden kann. INFOS UND ANMELDUNG

06. Dezember, 18 Uhr, Berlin, online
Seminar Ein Jahr Ampelkoalition in Krisenzeiten: Wo stehen wir bei der industriellen Transformation?
Der Thinktank Agora Industrie organisiert das Seminar in Kooperation mit der Stiftung KlimaWirtschaft. Dabei werden Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Industrie darüber diskutieren, wie die industrielle Transformation vorangeht. Ein Kernpunkt ist die Frage, ob der Industriesektor seine Klimaziele erreicht. INFOS UND ANMELDUNG

07.-19. Dezember, Montreal (Kanada)
Konferenz UN Biodiversity Conference COP 15
Ziel der diesjährigen Biodiversitätskonferenz ist es, einen globalen Rahmen zum Erhalt von Biodiversität zu stecken. Besonders im Fokus steht hier die Ausarbeitung von klaren Zielen und die Finanzierung des Biodiversitätsschutzes. INFOS

07. Dezember, 14.30 Uhr, online
Diskussion EU Energy Transition – What Role for Critical Raw Materials
Kritische Rohstoffe sind für viele nachhaltige Technologien wie Beispiel Windturbinen oder Solarzellen wichtig. EURACTIV diskutiert auf dem Event die Rolle dieser Rohstoffe in der europäischen Energiewende INFOS UND ANMELDUNG

07. Dezember, 17 Uhr, online
Webinar Grundkurs Gas: Gefährdete Versorgungsicherheit und Brücke zur Klimaneutralität?
Der “Grundkurs Gas” der Heinrich-Böll-Stiftung erklärt die aktuelle und zukünftige Rolle von Gas bei der Energieversorgung in Deutschland. Mit dabei ist Isabell Braunger von der Forschungsgruppe CoalExit der Technischen Universität Berlin. INFOS UND ANMELDUNG

08. Dezember, 18 Uhr, Berlin
Diskussion #21 Berliner Klimagespräch – Ein Jahr Ampel: Zeitenwende für Klimaschutz?
Wo stehen Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit nach einem Jahr Ampel-Regierung? Darüber sprechen beim 21. Berliner Klimagespräch am 08. Dezember Ricarda Lang, Brigitte Knopf und Antje von Broock. Gemeinsam mit der taz und fünf Mitgliedsorganisationen lädt die Klima-Allianz Deutschland zu dieser Diskussion ein. INFOS

08. Dezember, 18.30 Uhr, Berlin
Vortrag Klimawandelskeptizismus und Klimabewegung – Wie baut man in der politischen Bildungsarbeit Vorurteile ab?
Bei der Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung aus der Reihe “Salon Bildung 2022” gibt es zwei Impulsvorträge zu dem Thema. Anja Spatzier spricht über “Das Geschlecht der Klimabewegung” und Julian Niederhauser referiert über “Exkludierende Haltungen und Autoritäre Diskurse in der Klimakrise”. INFOS

News

Vanuatu legt Klima-Fragen an UN-Gericht vor

Der Inselstaat Vanuatu hat jetzt den anderen UN-Staaten formell seinen Antrag unterbreitet, den internationalen Gerichtshof ICJ in Den Haag um eine juristische Einschätzung von Verantwortlichkeiten zum Klimawandel zu bitten. Das Land will durch ein Gutachten (“Advisory Opinion”) klären lassen, welche Pflichten alle Staaten in der Klimakrise haben und wie Staaten für Klima- und Umweltschäden haftbar gemacht werden können. Das geht aus der Erklärung hervor, die die UN-Vertretung von Vanuatu am 30. November auf Twitter veröffentlicht hat.

Die zweiseitige Beschlussvorlage aus der 77. UN-Generalversammlung beruft sich als Grundlage auf mehrere internationale Verträge, etwa die UN-Charta, die Klimarahmenkonvention UNFCCC und das Pariser Abkommen. Sie fragt konkret: “Was sind die Verpflichtungen der Staaten unter diesen internationalen Gesetzen, um den Schutz des Klimasystems und anderer Teile der Umwelt für aktuelle und künftige Generationen sicherzustellen?”

Als zweite Frage an den Gerichtshof formuliert der Antrag: “Was sind die juristischen Konsequenzen unter diesen Verpflichtungen für Staaten, die durch ihre Handlungen oder Unterlassungen dem Klima- und Umweltsystem beträchtlichen Schaden zugefügt haben?” Besondere Berücksichtigung sollten demnach kleine Inselstaaten und besonders verwundbare Länder finden, ebenso wie zukünftige Generationen.

Der Antrag auf diese “Advisory Opinion” habe man “im Namen einer Staatengruppe” verteilt, heißt es von Vanuatu. Insgesamt schließen sich 17 andere Staaten dem Antrag an, darunter Portugal, Mikronesien, Neuseeland, Bangladesch, Singapur und Deutschland. “Über die nächsten Wochen werden die Konsultationen mit den Mitgliedsstaaten beginnen”. Derzeit ist unklar, ob eine solche UN-Resolution zustande kommt und in welche Richtung eine solche juristische Stellungnahme gehen könnte.

Für einen Beschluss reicht bei einer Abstimmung, die im nächsten Frühjahr erwartet wird, eine einfache Mehrheit in der Generalversammlung. Auf der COP27 in Sharm el Sheikh hatten über 80 Staaten Vanuatu ihre Unterstützung bei dem Projekt zugesagt (Climate.Table berichtete). Vanuatu hat wiederholt betont, es gehe nicht um Schadenersatz-Forderungen gegenüber den Industriestaaten. Der Außenminister des Landes Jothan Napat sagte: “Die Advisory Opinion des ICJ wird für alle Staaten unsere Verpflichtungen unter einer Reihe von internationalen Gesetzen, Verträgen und Abkommen klarstellen, damit wir mehr tun können, um verletzbare Menschen auf der ganzen Welt zu schützen.” bpo/rtr

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  • UNO
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EU: Unabhängigkeit bei Solarindustrie würde 44 Milliarden Dollar kosten

Um sich in der Solar-Industrie unabhängiger von China zu machen, müsste Europa Milliarden-Summen investieren. Laut einer noch unveröffentlichten Berechnung des Think-Tanks BloombergNEF (BNEF) würde es 44 Milliarden US-Dollar kosten, um die Nachfrage nach Solarmodulen im Jahr 2030 allein durch eine europäische Produktion zu decken.

Eine aktuelle Nature-Studie zeigt außerdem die Ersparnisse durch globalisierte Solar-Lieferketten. Allein Deutschland habe dadurch zwischen 2008 und 2020 circa sieben Milliarden US-Dollar weniger für Solarmodule zahlen müssen als in einem Szenario, in dem “ein zunehmender Anteil” der Module in Deutschland gefertigt worden wäre. Käme es in der PV-Industrie zu einer starken De-Globalisierung mit nationalen Lieferketten, würden Solarmodule bis 2030 zwischen 20 und 25 Prozent teurer, so die Forscher.

“Spitzenwissen in China”

Zudem fehle es im Westen auch an Fachkenntnissen und Ausrüstung. “Das Spitzenwissen über die Photovoltaik-Herstellung befindet sich in China”, so die BNEF-Analysten:

Bei dem Betrieb von Fabriken für Solar-Ingots (Halbleitermaterial für Solar-Wafer) fehlt es im Westen an Expertise. Vorleistungen wie bestimmte Gläser für Photovoltaik-Anlagen sind nicht vorhanden. China ist zudem führend bei der Herstellung von Produktionsanlagen für die Solarindustrie. Der Aufbau einer Solar-Industrie ohne Rückgriff auf chinesisches Equipment sei “fast unmöglich”, schreiben die BNEF-Analysten.

Insgesamt seien die Eintrittsbarrieren zur Produktion von Polysilizium, Solar-Ingots und -Wafern sehr hoch. Bisher unternimmt die EU kaum Bemühungen, um die Produktion wieder nach Europa zurückzuholen – anders als in den USA. Dort sieht der Inflation Reduction Act (IRA) auch Milliarden an Subventionen für die Solar-Industrie vor (Climate.Table berichtete). Stillgelegte US-Fabriken für Polysilizium könnten dadurch wieder in Betrieb genommen werden. Auch die Subventionen für die Wafer- und Ingot-Produktion seien “besonders hoch”, so BNEF. Laut Johannes Bernreuter, Polysilizium-Experte von der Beratungsfirma Bernreuter Research, scheint der IRA “nun immerhin den politischen Druck auf die EU zu erhöhen”. nib

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IEA: Mit Wärmepumpen zur CO2-Reduktion

Die Verkäufe von Wärmepumpen sind 2021 in der EU um 35 Prozent und weltweit um 15 Prozent angestiegen. Laut einem neuen Bericht der Internationalen Energieagentur könnten in der EU bis 2030 sieben Millionen Wärmepumpen verkauft werden – 2021 lagen die Verkäufe noch bei zwei Millionen. Vor allem fallende Kosten und stärkere Kaufanreize infolge der Energiekrise seien für den Boom verantwortlich. Führende Hersteller hätten demnach Pläne, über vier Milliarden Dollar in die Ausweitung der Produktion zu investieren – größtenteils in Europa.

Durch Wärmepumpen könnte der Gasverbrauch in der EU demnach im Jahr 2025 um sieben Milliarden Kubikmeter und im Jahr 2030 um 21 Milliarden Kubikmeter reduziert werden, wenn die EU-Staaten ihre Ziele zur Emissionsminderung und Energiesicherheit erreichen. “Die politischen Entscheidungsträger sollten sich für diese Technologie einsetzen”, sagte IEA-Chef Fatih Birol. Laut IEA-Schätzungen könnten Wärmepumpen im Jahr 2030 zu weltweiten CO2-Einsparungen von 500 Millionen Tonnen führen – so viel wie alle Autos in Europa in einem Jahr verursachen.

Bei den derzeitigen Energiepreisen könnten US-Haushalte jährlich bis zu 300 US-Dollar und europäische Haushalte bis zu 900 Dollar einsparen, wenn sie auf Wärmepumpen umsteigen. Laut IEA könnten auch die Papier-, Lebensmittel- und Chemieindustrie von Wärmepumpen profitieren, da sie Wärme für einige industrielle Anwendungen liefern können. Die Organisation warnt jedoch vor einem Fachkräftemangel bei Installateuren und der Herstellung von Wärmepumpen. Die Staaten sollten dem mit Ausbildungsprogrammen vorbeugen. nib

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Rolls-Royce und Easyjet: Wasserstoff-Test erfolgreich

Es sei “ein neuer Meilenstein in der Luftfahrt”, teilte der britische Motorenhersteller Rolls-Royce mit: Gemeinsam mit der Fluggesellschaft Easyjet habe man erstmals testweise ein Flugzeugtriebwerk mit grünem Wasserstoff betrieben.

Für die Luftfahrtbranche hängt von dem Treibstoff viel ab: Grüner Wasserstoff soll ihr ermöglichen, ihr Geschäft auch im Fall strengerer Klima-Auflagen ohne größere Probleme weiterzubetreiben. Grüner Wasserstoff gilt als weitestgehend CO2-frei – von den Emissionen, die durch den Bau von Windrädern und Solarpaneelen und den Wasserstoff-Transport entstehen, einmal abgesehen.

Airbus arbeitet ebenfalls an Wasserstoffantrieben

Auch Airbus arbeitet an Wasserstoffantrieben, fürchtet allerdings, dass fehlende Infrastruktur deren Start verzögern könnte, wie Reuters und Bloomberg berichten. Konkurrent Boeing scheint Berichten zufolge skeptischer, was den Einsatz von Wasserstoff angeht.

Der Test sei “eine Schlüsselbeleg für die Dekarbonisierungsstrategien” beider Unternehmen, teilten Rolls-Royce und Easyjet mit. Grant Shapps, der britische Minister für Wirtschaft, Energie und Industriestrategie, lobte demnach: “Das Vereinigte Königreich führt die globale Veränderung hin zu Fliegen ohne schlechtes Gewissen an. (…) Dies ist ein Paradebeispiel dafür, wie wir zusammenarbeiten können, um die Luftfahrt sauberer zu machen, während Arbeitsplätze überall im Land entstehen.”

Für den Versuch, der auf einer Anlage des britischen Verteidigungsministeriums in Boscombe stattfand, nutzten die Unternehmen eigenen Angaben zufolge einen veränderten Motor des Typs Rolls-Royce AE 2100-A. Dieser treibt üblicherweise Propellermaschinen an, die eher regionale Strecken bedienen. Weitere Versuche sollen in einen Test des Pearl 15-Motors von Rolls-Royce münden, der Langstreckenjets antreibt – und letztlich in Versuche während des Flugbetriebs.

Wasserstoff für Langstreckenflüge?

Manche Analysten bezweifeln allerdings, dass Wasserstoff sich für Langstreckenflüge eignet. Ein Grund für ihre Skepsis ist die Größe der dafür nötigen Tanks.

Die Partnerschaft zwischen Rolls-Royce und Easyjet besteht im Rahmen der Race-to-Zero-Kampagne der Vereinten Nationen. Deren Ziel ist es, die CO2-Emissionen der beteiligten Unternehmen bis 2050 auf netto null zu senken. Beide Firmen hatten ihre Partnerschaft im Juli bekannt gegeben. ae

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Adventskalender mit positiven Klima-News

Alle Jahre wieder kurz vor Weihnachten beschert die UN-Klimakonferenz vielen Menschen Frust und Enttäuschung, weil es im Klimaschutz viel zu langsam oder in die falsche Richtung geht. Jetzt hält das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) zumindest mit einem Adventskalender dagegen: Hinter 24 Türchen liefert er ab dem 1. Dezember jeden Tag eine gute Nachricht zum Klimaschutz.

Die gibt es nämlich tatsächlich: Die Photovoltaik-Industrie zum Beispiel ist auf dem besten Weg, so viele Anlagen herzustellen, wie benötigt werden, wenn weltweit die 1,5-Grenze noch gehalten werden soll, heißt es da. Zudem ist der Rückgang der Treibhausgasemissionen, der weltweit noch nicht begonnen hat, in einzelnen Regionen durchaus sichtbar und eine Erfolgsgeschichte, finden die MCC-Experten. Und auch die Technik macht große Fortschritte, beispielsweise bei der Einlagerung von CO2. Und dann wären da noch Steuern und Abgaben auf Treibhausgase, mit denen Emissionen gesenkt werden und die den Staaten Einnahmen verschaffen. Genug für 24 kleine und größere Hoffnungszeichen, so das MCC.

“Am Ende eines Jahres mit insgesamt vielen düsteren Meldungen wollen wir mit dieser Aktion ein wenig gegensteuern”, sagt MCC-Direktor Ottmar Edenhofer. “Zweifellos steckt die Welt noch im fossilen Zeitalter fest, die Klimakrise verschärft sich, und die positiven Nachrichten sind alles noch keine Selbstläufer. Doch es gibt eben auch Entwicklungen, die Hoffnung machen. Die Botschaft lautet: Die Klimapolitik und auch dein individueller Klimaschutz laufen nicht vollständig ins Leere.” bpo

WWF: Knapp die Hälfte der ETS-Einnahmen fließt nicht in Klimaschutz

Von den 88,5 Milliarden Euro, die die EU-Mitgliedstaaten aus dem europäischen Emissionshandelssystem (ETS) zwischen 2013 und 2021 eingenommen haben, flossen rund 51 Milliarden in Klimaschutzmaßnahmen (57,8 Prozent). Nach offiziellen Angaben seien zwar knapp 64 Milliarden Euro (72 Prozent) in Klimaschutzmaßnahmen reinvestiert worden, jedoch zweifelt eine am Dienstag veröffentlichte Untersuchung des WWF diese Zahlen an.

Es heißt, dass mindestens 12,4 Milliarden Euro, die dem Klimaschutz zugeschrieben wurden, in Maßnahmen flossen, die dem Klima nicht zuträglich oder sogar klimaschädlich waren.

Darunter:

  • Kompensationen für CO2-Preise für die Industrie
  • Modernisierung von Kohleinfrastruktur
  • Umstellung von Kohle auf Gas
  • Heizsysteme, die auf fossilen Brennstoffen beruhen
  • Förderung von Dieselfahrzeugen
  • kohlenstoffreiche Bioenergiequellen
  • Atomkraft

Die restlichen rund 25 Milliarden Euro sind laut WWF direkt in die Haushalte der Länder geflossen.

Die ETS-Regeln sehen vor, dass Länder “mindestens 50 Prozent” ihrer Einnahmen in Maßnahmen gegen den Klimawandel investieren müssen. Allerdings ist nicht weiter definiert, welche Maßnahmen dazu zählen. Der WWF fordert daher eine klare Definition, die Investitionen in fossile Infrastruktur sowie industrielle CO2-Preis-Kompensation ausschließt. Darüber hinaus sollten Mitgliedstaaten verpflichtet werden, die kompletten Einnahmen für den Klimaschutz einzusetzen, schreibt die NGO.

Kostenlose CO2-Zertifikate für die Industrie

Ein weiterer Kritikpunkt des WWF ist die Menge an kostenlosen Emissionsrechten, die an die Industrie vergeben werden als Schutz vor Carbon Leakage. Nur für 47 Prozent der Zertifikate werde ein CO2-Preis bezahlt. Somit würden Emissionszertifikate im Wert von 98,5 Milliarden Euro an die Industrie verschenkt. “Die EU führt das Verursacherprinzip des Emissionshandels ad absurdum, solange die Schlupflöcher größer sind als das ganze System”, kritisiert Juliette de Grandpré, EU-Klimaschutzexpertin beim WWF Deutschland. Sie fordert daher die schnellstmögliche Abschaffung der kostenlosen Zuteilungen. luk

  • Emissionshandel
  • EU

Presseschau

Reportage: Kann “Cloud brightening” helfen, die Eisschmelze in der Arktis zu verlangsamen? Geoengineering und die Klimakrise The Guardian
Kommentar: Reiche Länder haben versprochen, für die Klimakrise zu bezahlen. Aber tun sie das wirklich? The Guardian
Analyse: Milliarden sind nötig, um Häuser in Großbritannien zukünftig vor Hochwasser zu schützen Independent
Recherche: “Nachhaltige” Funds unterstützen fossile Energien DeSmog
Interview: Klimaaktivist im Gefängnis Zeit
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Visual-Story: In Virginia in den Vereinigten Staaten sind Menschen von einer Insel aufs Festland gezogen – der Anstieg des Meeresspiegels könnte sie nun erneut einholen Washington Post
Analyse: Wie die Wetterphänomene El Niño and La Niña sich verändern werden – und welche Auswirkungen das hat Financial Times
Analyse: Wie Chinas Zero-Covid-Strategie Maßnahmen zum Klimaschutz verhindert Bloomberg
Kommentar: Wie künstliche Photosynthese den Klimawandel stoppen könnte Handelsblatt

Heads

Australischer Klimaminister zwischen Rhetorik und Realität

“Australien ist wieder da”, erklärte Chris Bowen, Minister für Klima und Energie, auf der COP27 in Sharm El-Sheikh. Das löste Erleichterung aus: darüber, dass die Labor-Regierung von Premierminister Anthony Albanese anders als ihre Vorgänger die internationale Klimapolitik nicht mit Verachtung straft. Australiens neue Rolle zeigte sich auch darin, dass Bowen mit seinem indischen Amtskollegen Yadav von der COP-Leitung beauftragt wurde, bei den Verhandlungen über Klima-Finanzen zu vermitteln. Das sei kein Zufall, sagte der Minister: “Die Menschen hören auf Australien.” Die Aufmerksamkeit nutzte Bowen für eine prestigeträchtige Bewerbung: 2026 will Australien die COP31 ausrichten.

Allerdings hat Bowen eine schwierige Aufgabe: Die Klimapolitik unter einer Labor-Regierung als seriös darzustellen – und gleichzeitig Australiens Rohstoff- und Energiesektor zu beschwichtigen.

Als Berufspolitiker, der zwischen 2007 und 2013 mehr als ein halbes Dutzend Ministerämter innehatte, sollte er dieser Aufgabe gewachsen sein. Bowen hat seine gesamte Karriere in der Politik verbracht. Nur ein Jahr nach seinem Abschluss in Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Sydney wurde er 2005 in den Stadtrat von Fairfield in Sydney gewählt. An der Uni hatte er zuvor auch bei Yanis Varoufakis studiert, dem späteren Finanzminister Griechenlands – eine Verbindung, die er jetzt manchmal kritisch sieht. Bowen ist verheiratet und Vater zweier Teenager.

Berufspolitiker mit zahlreichen Ministerposten

2006 wurde Bowen zum stellvertretenden Schatzmeister und Schattenminister für Steuer- und Wettbewerbspolitik ernannt und bekleidete unter drei Labor-Premierministern hochrangige Minister- und Kabinettsposten. Er gilt als eine führende Persönlichkeit des rechten Flügels der australischen Labor-Partei (ALP). 2013 trat er überraschend von seinen Ministerämtern zurücktrat, nachdem er den erfolglosen Versuch von Kevin Rudd unterstützt hatte, in einer turbulenten Periode wieder Premierminister zu werden. Aber das hat weder seinem Ruf noch seinen politischen Ambitionen geschadet. Nur wenige Monate wurde er unter neuer Labor-Führung wieder Kabinettsminister und Schatzmeister.

Bowen repräsentiert eine Regierung, die beim Klimaschutz Fortschritte versprochen hat. Doch die Kluft zwischen Rhetorik und Realität ist jetzt möglicherweise größer als unter der vorherigen liberalen Regierung.

Australien ist weltweit der drittgrößte Exporteur fossiler Brennstoffe, die zusammen mit den inländischen Emissionen rund fünf Prozent der weltweiten Emissionen ausmachen. Es fehlt an Transparenz über die Emissionsquellen und das Land hat auch keine allgemeine Regelung für die CO2-Reduzierung wie etwa einen Emissionshandel. Und obwohl die Regierung das Reduktionsziel bis 2030 von 26 bis 28 Prozent unter der Vorgängerregierung auf 43 Prozent erhöht und sich verpflichtet hat, die Emissionen bis 2050 auf null zu reduzieren, hat sie sich auch für den Ausbau von Gas und Kohle in Australien ausgesprochen.

Klima-Ehrgeiz und 100 fossile Projekte

In ganz Australien sind mehr als 100 neue Projekte für fossile Brennstoffe in der Entwicklung, und die Regierung hat es bisher abgelehnt, die Subventionen in Höhe von zehn Milliarden Dollar zu beenden, die die Unternehmen für fossile Brennstoffe pro Jahr erhalten. Bowen weigerte sich letzten Monat in der parlamentarischen Fragestunde, Subventionen für fossile Brennstoffe auszuschließen.

Bei den erneuerbaren Energien zeigt die Regierung von Albanese und Bowen deutlich mehr Ehrgeiz als ihre Vorgängerin. Bis 2030 sollen 82 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Sie hat auch eine Strategie für Elektrofahrzeuge und plant die Einführung von Normen für die Kraftstoffeffizienz. Bowen drängte auf der COP darauf, das 1,5-Grad-Ziel beizubehalten – wollte aber nicht darauf antworten, ob das australische Klimaziel im Einklang mit der Wissenschaft stehe. Und obwohl Australien auf der COP für den “Loss and Damage” Fund war, zahlt das Land nicht in den “Green Climate Fund” zur Klimafinanzierung ein.

In ähnlicher Weise hat sich Australien auf der COP auch zum Schutz von Wäldern, Mangroven und Ozeanen verpflichtet. Aber das ist nicht so ehrgeizig, wie es klingt. Viele Ergebnisse hat Australien bereits erreicht (vor allem durch eine kreative Emissionsbilanzierung) oder sie als Mechanismus für das äußerst fragwürdige Emissionsgutschriftenprogramm des Landes verwendet. Experten gehen davon aus, dass es sich bei etwa 75 Prozent der Kompensationen um “Schrott” handelt, der in Wirklichkeit gar nichts kompensiert.

Im Juli kündigte Bowen eine Überprüfung der Glaubwürdigkeit der australischen Kohlenstoffgutschriften an. Doch die Untersuchung wurde kritisiert, weil sie sich nicht mit der Verwendung von Kohlenstoffgutschriften zur Rechtfertigung der laufenden Produktion von fossilen Brennstoffen und ihres Verbrauchs befasst, und auch nicht mit möglichen Interessenkonflikten. (Zwei der vier Mitglieder des Gremiums stehen in Verbindung mit Unternehmen, die von den derzeitigen Kompensationsvereinbarungen profitieren).

Daher kritisiert Polly Hemming, leitende Wissenschaftlerin im Klima- und Energieprogramm des Australia Institute: “Die neue Labor-Regierung hat einen politischen Rahmen geschaffen, in dem Klima-Fehlinformationen gedeihen können. Kreative Buchführung, Kompensationen und deren Missbrauch werden in Australien verstaatlicht, was auf staatlich gefördertes Greenwashing hinausläuft”. Claire Conelly aus Sidney

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  • COP31

Climate.Table Redaktion

REDAKTION CLIMATE.TABLE

Licenses:
    • EU: CO2-Preis für Schifffahrt kommt
    • Fatih Birol: “Zeitalter von Erdgas und Öl geht zu Ende”
    • Solar: China baut saubere Lieferkette für Export
    • Termine der kommenden Woche
    • Vanuatu treibt Klimaschutz vor UN-Gericht voran
    • Solar-Unabhängigkeit von China würde Milliarden kosten
    • IEA: Wärmepumpen-Boom reduziert CO2-Ausstoß
    • Fliegen mit Wasserstoff: Test erfolgreich
    • Adventskalender zeigt positive Klima-News
    • WWF: Hälfte der ETS-Zertifikate nicht für Klimaschutz
    • Presseschau
    • Australiens Klimaminister zwischen Rhetorik und Realität
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    wir konnten es selbst kaum glauben: aber pünktlich zum Advent kommt hier ein Climate.Table mit ein paar positiven Nachrichten: Die EU hat sich im Trilog endlich darauf geeinigt, den Schiffsverkehr in den Emissionshandel einzubeziehen, wie Lukas Scheid schreibt; IEA-Chef Fatih Birol lobt im Interview mit Alexandra Endres nicht nur, wie die Deutschen bisher die Energiekrise meistern. Er ist auch zuversichtlich, dass die Erneuerbaren durch Klimapolitik, industriepolitische Entscheidungen und den Ukraine-Krieg einen dringend nötigen Schub bekommen.

    Dazu kommt: Der Inselstaat Vanuatu geht zum Internationalen Gerichtshof, um klären zu lassen, welche Verantwortung die Staaten in der Klimakrise haben. Die Technik zum sauberen Fliegen schreitet voran. Wer Geld verdienen will, sollte es in Wärmepumpen investieren. Und weitere Beispiele finden sich in einem Adventskalender mit 24 guten Nachrichten zum Klima.

    Wir haben das nicht als “positive News-Ausgabe” geplant. Es ist einfach passiert. Und selbstverständlich bleiben uns die großen Probleme und die Trends in die falsche Richtung auch zu Weihnachten erhalten. Wir wollen das gar nicht schönreden und schauen da weiter ganz genau hin. Und wir melden natürlich auch ein paar Dinge, die in die falsche Richtung laufen. Aber zur Abwechslung mal ein bisschen Mut schöpfen, das kann ja nicht verkehrt sein.

    Wir hoffen jedenfalls, dass Ihnen die Lektüre Freude macht. Das hilft dann auch, einen möglichst langen Atem zu behalten. Denken Sie dran: In genau einem Jahr sehen wir uns bei der nächsten COP28 in Dubai. Bis dahin bleibt noch viel zu tun.

    Ihr
    Bernhard Pötter
    Bild von Bernhard  Pötter

    Analyse

    EU: CO2-Preis für Schifffahrt kommt

    120 Millionen Tonnen CO2 sollen durch die Einbeziehung der Schifffahrt in das europäische Emissionshandelssystem (ETS) bis 2030 eingespart werden, prognostiziert Peter Liese, EU-Parlamentsberichterstatter und umweltpolitischer Sprecher der EVP. In der Nacht auf Mittwoch kamen die Verhandler aus EU-Parlament, Kommission und Rat im Trilog überein, dass die Emissionen von Hochsee- und Binnenschiffen ab 5.000 Bruttoregistertonnen in das ETS aufgenommen werden.

    Reedereien und Schiffbetreiber müssen somit künftig für ihre Treibhausgasemissionen Emissionsrechte kaufen. Einen historischen Wendepunkt für die Schifffahrt, nannte es Jacob Armstrong, Experte für nachhaltige Schifffahrt der Umweltorganisation Transport & Environment. Damit habe die EU anderen Staaten wie den USA, China und Japan den Fehdehandschuh hingeworfen. Die EU erhofft sich, dadurch Druck auf diese Länder aufzubauen, dieses Thema auch anzugehen.

    Die Einbeziehung soll zudem schrittweise passieren:

    • 40 Prozent der Emissionen des Sektors werden ab 2024 im ETS abgedeckt
    • 70 Prozent ab 2025
    • 100 Prozent ab 2026

    Fahrten ins EU-Ausland unterliegen nur zur Hälfte ETS

    Dabei werden nicht nur CO2-Emissionen mit einem Preis versehen, sondern auch beispielsweise Methan- oder Ammoniakemissionen (ab 2026). Dies solle verhindern, dass Schiffe zwar auf umweltfreundlichere Methan- oder Ammoniakantriebe umsteigen, dann aber den Austritt dieser Treibhausgase in die Atmosphäre nicht reduzierten, sagt Liese.

    Fahrten innerhalb der EU sind komplett einbezogen, Fahrten ins EU-Ausland unterliegen nur zur Hälfte dem ETS. Heißt: Für 50 Prozent der Emissionen einer Fahrt von einem EU-Hafen in einen Nicht-EU-Hafen oder andersherum müssen CO2-Zertifikate eingekauft werden. Das Parlament hatte auch hier eine vollständige Einbeziehung gefordert, war jedoch am Widerstand der Mitgliedstaaten gescheitert.

    Der Erlös aus 20 Millionen Emissionsrechten soll zudem zweckgebunden in den EU-Innovationsfonds fließen und für die Dekarbonisierung der Schifffahrtsbranche eingesetzt werden. Bei einem durchschnittlichen CO2-Preis von 100 Euro pro Tonne wären das zwei Milliarden Euro. So würden auch Gelder für die Klimafinanzierung frei, betont Liese.

    Vorschlag zur Zertifizierung zur CO2-Entnahme

    Ein ganz anderer Gesetzesvorschlag, den die Kommission am Mittwoch offiziell vorstellte, zirkulierte schon seit mehreren Tagen in Brüssel. Die gemeinsamen europäischen Mindeststandards für die Zertifizierung von CO2-Entnahmen aus der Atmosphäre sollen den Weg zur CO2-Neutralität der EU ebnen. Zwar gibt es bereits freiwillige Zertifizierungssysteme, die es ermöglichen, Unternehmen CO2-Entnahmen gutzuschreiben, doch es fehlt ein einheitlicher Standard.

    Ziel sei es, Vertrauen für das Konzept der Kohlenstoffentnahme zu schaffen und Greenwashing zu bekämpfen, betonte ein hoher EU-Beamter. Es gehe darum, herauszufinden, welche Methoden der Kohlenstoffentnahme die günstigsten Auswirkungen für die Klimabilanz haben. Möglichkeiten sind industrielle Technologien wie BECCS (Bioenergie mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung) oder DACCS (Direct Air Capture with Capture and Storage). Beide binden Kohlenstoff aus der Luft entweder indirekt durch die Verarbeitung von Biomasse oder direkt.

    Mehrere Methoden zur CO2-Speicherung denkbar

    Die Kommission will mit der neuen Verordnung die Wirkung der unterschiedlichen Methoden bemessen. Dabei sollen nur zusätzliche CO2-Entnahmen, die über schon bestehende Maßnahmen hinausgehen und nachhaltig der Atmosphäre entzogen werden, einbezogen werden.

    Der Vorschlag berücksichtigt dabei drei Methoden zur anschließenden CO2-Speicherung:

    • die dauerhafte Speicherung in geologischen Lagerstätten
    • die Speicherung von Kohlenstoff in Produkten
    • Carbon Farming, also landwirtschaftliche Praktiken zur Speicherung im Boden

    Viel Kritik am Kommissionsvorschlag

    Wijnand Stoefs von Carbon Market Watch kritisiert, dass der Vorschlag viele Fragen unbeantwortet ließe – darunter, wie die Entnahme in die Klimaziele der Regierungen integriert werden kann. Er hält zudem wenig davon, dass auch CO2, das in Böden und Produkten gebunden wird, in das Zertifizierungssystem einbezogen wird, das eine hohe Wahrscheinlichkeit gebe, dass Kohlenstoff dabei wieder in die Atmosphäre entweicht.

    Juliette de Grandpré vom WWF sagt, der Gesetzesvorschlag “unterminiere” den Klimaschutz. Die Kommission öffne “Tür und Tor dafür, dass Unternehmen ihren fortgesetzten Ausstoß von Emissionen künftig mit Zertifikaten aus Kohlenstoffentfernungen sauberbilanzieren.” Zudem moniert de Grandpré, dass die Qualitätskriterien für die Zertifizierung erst noch durch Expertengruppen erarbeitet und durch delegierte Rechtsakte festgelegt würden. Somit hätten Interessengruppen “massiven Einfluss auf die konkreten Umsetzungsinhalte im Gesetz”.

    Regierungen im Zugzwang

    Das European Environmental Bureau (EEB) kritisiert, dass die Definition von Carbon Farming auch Emissionsreduktionen als Abbau bewerte. Dies sei irreführend, da nur der “tatsächliche physische Abbau” als solcher zertifiziert werden sollte.

    Oliver Geden, SWP-Senior Fellow und IPCC-Autor, sieht den Kommissionsvorschlag dagegen als “Auftakt des Entscheidungsprozesses” und lobt, dass er ein “fehlendes Element auf dem Weg zur Klimaneutralität” adressiere. Er werde die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten dazu bringen, erstmals politische Positionen zur CO2-Entnahme zu entwickeln. Das gelte auch für die Bundesregierung, deren Arbeit an der im Koalitionsvertrag beschlossenen Strategie für “technologische Negativemissionen” noch nicht begonnen habe, so Geden. Mit Claire Stam

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    “Das goldene Zeitalter von Erdgas und Öl geht zu Ende”

    Der Chef der Internationalen Energieagentur Fatih Birol

    Herr Birol, Sie erwarten, dass die Energiekrise infolge des Ukrainekriegs den Übergang zu einer klimafreundlichen Weltwirtschaft beschleunigt. Auf der COP27 haben wir aber gerade eine Renaissance der fossilen Interessen beobachtet. Bleiben Sie dennoch bei Ihrer Einschätzung?

    Ja, auf jeden Fall. Viele Länder stecken gerade enorme Summen in die Erzeugung sauberer Energien: die USA, die fast 400 Milliarden US-Dollar in eine klimafreundliche Versorgung investieren, Europa mit dem Programm RepowerEU, Japan, China und auch Indien. Sie alle tun das nicht nur aufgrund ihrer Verpflichtungen zum Klimaschutz, sondern auch im Streben nach größerer Energiesicherheit. In Deutschland und anderen europäischen Ländern beispielsweise zeigen unsere Daten für nächstes Jahr einen deutlichen Zuwachs an Erneuerbaren. Das verringert die Abhängigkeit von russischen Gasimporten und schützt vor der russischen Aggression.

    Es geht also um Energiesicherheit und Klimaschutz?

    Hinzu kommen industriepolitische Erwägungen. Jeder möchte führend sein in der Herstellung von Batterien, Elektroautos, Solarmodulen, Elektrolyseuren für Wasserstoff: China, die USA, und andere Staaten auch. Diese drei Faktoren – Klimapolitik, Energiesicherheit und Industriepolitik – ergeben gemeinsam eine sehr mächtige Kombination. Deshalb hoffe ich weiterhin auf eine beschleunigte Energietransformation. Ob sie ausreicht, um unterhalb der 1,5-Grad-Schwelle zu bleiben, ist allerdings offen.

    Länder wie Saudi-Arabien haben auf der COP27 verhindert, dass der Rückgang aller fossilen Energien beschlossen wurde. Stattdessen soll neben Erneuerbaren auch Gas ausgebaut werden. Widerspricht das nicht den Szenarien der IEA, wonach es keine neue fossile Infrastruktur mehr geben darf, wenn 1,5 Grad möglich sein sollen?

    Die COP27 hat ein gutes Ergebnis gebracht: dass die reichen Länder zugestimmt haben, die vulnerablen Entwicklungsländer bei Loss and Damage zu unterstützen. Aber es stimmt: Von der COP ging kein Signal an die Märkte aus für die schnellere globale Energiewende, die dringend nötig ist. Dennoch gibt es bereits eine starke Dynamik in diese Richtung. Der Grund dafür sind die politischen Entscheidungen einzelner Regierungen, ganz unabhängig von der COP27.

    “Am Ende werden die sauberen Energien stärker sein”

    Aber die Regierungen großer ölexportierender Staaten scheinen bisher kein Teil dieser Dynamik zu sein.

    Ich gehe davon aus, dass manche Länder versuchen werden, den Wandel zu verlangsamen, weil sie ihre eigenen kurzsichtigen Interessen im Blick haben. Am Ende werden die sauberen Energien stärker sein.

    Gerade die ölexportierenden Länder müssten aber nach Ihren Studien besonders dringend aus der fossilen Energie aussteigen. Was bedeutet es, wenn sie den Wandel bremsen?

    Basierend auf unseren Daten erwarten wir, dass die globale Ölnachfrage in den nächsten fünf Jahren ihren Höhepunkt erreichen könnte, falls die von den Regierungen vorgebrachten Klimaziele vollständig und rechtzeitig umgesetzt werden. Elektroautos beispielsweise werden stetig billiger, und in vielen Ländern subventionieren die Regierungen ihren Kauf. Im gleichen Maß, wie die Nachfrage nach Elektroautos wächst, sinkt die Nachfrage nach fossilen Treibstoffen. Es ist wichtig, dass die erdölexportierenden Staaten dies erkennen. Sie müssen sich auf die Zukunft vorbereiten, indem sie ihre Volkswirtschaften so schnell wie möglich diversifizieren. Sonst kommen größere Schwierigkeiten auf sie zu.

    Diversifizieren sie schnell genug?

    Manche machen signifikante Bemühungen, aber der Fortschritt ist überall viel zu langsam. Sicherlich lesen sie unsere Berichte sorgfältig. Ob sie die notwendigen Maßnahmen ergreifen, bleibt abzuwarten.

    CCS kann Beitrag leisten

    Saudi-Arabien sagt, es gehe nicht um Treibstoffe, sondern um Emissionen – ein Verweis auf Technologien wie CCS. Wie weit ist die Entwicklung in dem Bereich?

    CCS kann einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, beispielsweise in der Schwerindustrie, in der wir keine erneuerbaren Energien nutzen können. Es kann aber nicht die alleinige Antwort auf den Klimawandel sein. Außerdem ist die Technologie für einen großflächigen globalen Einsatz noch zu teuer. Es wird noch einige Jahre dauern, bis die Kosten so weit gefallen sind, dass sie breit einsetzbar ist.

    Stichwort Energiesicherheit: Der Ukraine-Krieg beschleunigt nicht nur den Ausbau der Erneuerbaren, sondern auch von fossiler Energieinfrastruktur. Geht das nicht in die falsche Richtung?

    Der Krieg hat auch dazu geführt, dass der globale Verbrauch an Kohle steigt: nach unseren Zahlen in diesem Jahr um etwa ein Prozent. Ich denke, der Anstieg ist nur ein vorübergehendes Phänomen. Auch die Nachfrage nach Kohle wird sehr bald einen Höhepunkt erreichen.

    Aber sie müsste schnell fallen, um die klimapolitischen Ziele des Pariser Abkommens einzuhalten. Geht das schnell genug?

    Das hängt von der Politik ab. Allein die Emissionen der bereits existierenden Kohlekraftwerke würden ausreichen, um die Welt über die 1,5-Grad-Schwelle zu bringen. Zugleich hängen Regionen wie Shanxi in China, Ostkalimantan in Indonesien und Mpumalanga in Südafrika sehr stark von der Kohle ab, etwa weil dort viele Menschen im Kohlebergbau arbeiten. Auch das macht den globalen Kohleausstieg so schwierig. Damit er gelingt, braucht es massive Investitionen in Erneuerbare und Energieeffizienz.

    Von welchen Summen sprechen wir?

    Damit alle Staaten ihre versprochenen Klimaziele pünktlich erfüllen können, müssen Investitionen in nachhaltige Technologien bis zum Jahr 2030 auf etwa drei Billionen US-Dollar ansteigen: für emissionsarme Stromerzeugung, vor allem aus erneuerbaren Energiequellen, aber auch aus Kernenergie, für Speicher und den Ausbau und die Modernisierung von Stromnetzen, für Wasserstoff, Batterien und vieles mehr. Um die Welt auf einen 1,5-Grad-Pfad zu bekommen, also alle globalen Emissionen bis 2050 auf netto null zu senken, müssten die Investitionen in 2030 auf über vier Billionen US-Dollar ansteigen.

    Wird auch die Nachfrage nach Gas bald ihren Höhepunkt erreichen?

    Das goldene Zeitalter von Erdgas und Öl geht zu Ende. Die Nachfrage nach Erdgas ist in den vergangenen Jahren vor allem deshalb gestiegen, weil die Industrieländer es zur Stromerzeugung genutzt haben, und das lässt sich so nicht mehr beobachten. Erneuerbare Energien spielen für die Stromerzeugung eine immer größere Rolle, in manchen Ländern auch die Kernenergie. Und in den Entwicklungsländern sehe ich angesichts der hohen Gaspreise im Moment keinen großen Wunsch, eine eigene Gasinfrastruktur aufzubauen und Gas zu importieren.

    Afrika braucht Erdgas

    Was halten Sie davon, dass Deutschland eine Kooperation mit dem Senegal anstrebt, um die eigene Erdgasversorgung zu sichern?

    Deutschland muss wie jedes Land selbst entscheiden, ob und zu welchem Preis es jetzt langfristige Gaslieferverträge abschließt. Aus meiner Sicht kommt es dabei auf drei Dinge an: Die Vertragslaufzeiten müssen klug gewählt sein. Die Gasinfrastruktur muss später für Ammoniak oder Wasserstoff genutzt werden können. Und die Energie, die man braucht, um das Gas zu verflüssigen, sollte aus erneuerbaren Quellen stammen. Übrigens wäre es meiner Ansicht nach verkehrt, den afrikanischen Ländern vorschreiben zu wollen, ihre Gasreserven nicht zu nutzen.

    Warum?

    Der ganze Kontinent ist für nur drei Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Würden alle derzeit bekannten Erdgasressourcen in Afrika in den kommenden zehn Jahren erschlossen, was praktisch fast unmöglich ist, würde sein Anteil auf 3,4 Prozent steigen. Das ist nichts, was uns davon abhalten würde, die 1,5-Grad-Schwelle zu halten. Außerdem braucht Afrika das Erdgas nicht zur Stromerzeugung, sondern eher für die Meerwasserentsalzung, die Produktion von Dünger und die eigene Industrialisierung. Dafür sind die Erneuerbaren nicht geeignet.

    Fracking in Deutschland ist kein Ausweg

    In Deutschland will unter anderem Finanzminister Christian Lindner in die heimische Gasförderung durch Fracking einsteigen. Braucht Deutschland wirklich Fracking?

    Wenn Deutschland heute mit dem Fracking beginnt, wird es ewig dauern, bis das erste Gas daraus auf den Markt kommt. Ich wäre da sehr vorsichtig. Das Risiko, dass diese Investition nicht genutzt werden kann, ist groß.

    Sie haben gesagt, Deutschlands aktuelle Aufgabe sei es, in Solidarität mit der EU nach Auswegen aus der Energiekrise zu suchen. Was meinen Sie damit?

    Deutschland macht gerade einen sehr guten Job. Meiner Meinung nach wäre jetzt der nächste Schritt, dass die EU-Mitgliedsstaaten gemeinsam Erdgas einkaufen. Im kommenden Winter werden sie es noch viel schwerer haben als in diesem Winter, sich zu versorgen. Gemeinsam am Markt aufzutreten, statt einander Konkurrenz zu machen, wäre da sehr hilfreich. Wie sich Deutschland in der Situation verhält, wird entscheidend sein.

    Solar: China baut saubere Lieferkette für Export auf

    In der Debatte um die Abhängigkeit des Westens von China und um Zwangsarbeit für Solartechnik fährt die Volksrepublik jetzt eine Doppelstrategie: Das Land baut offenbar eine zweite Lieferkette auf, die frei von Polysilizium aus Xinjiang sein soll. Damit will Peking, das den globalen Markt bei der Solartechnik dominiert, drängende Fragen nach Menschenrechten beim Absatz seiner Produkte in Europa und den USA umgehen.  

    Einige chinesische Solar-Firmen stellen sich auf die Bedürfnisse des Westens ein und fertigen “Xinjiang-freie” Produkte, sagt Johannes Bernreuter, Polysilizium-Experte von der Beratungsfirma Bernreuter Research. Die Produktionskette lasse sich “vom angelieferten Polysilizium bis zum fertigen Solarmodul nachverfolgen und dokumentieren”, so der Lieferketten-Experte. Auch Jenny Chase, Expertin des Thinktanks BloombergNEF bestätigt: die Herkunft von Polysilizium, das nicht aus der problematischen Provinz Xinjiang komme, könne durch Zertifizierungsunternehmen nachverfolgt werden.

    Intransparenz bei Solar-Ausgangsstoff

    Somit könnten sich die Stoffströme einfach aufteilen: Xinjiang-freie Produkte werden für den Export hergestellt. Solarmodule, deren Ausgangsstoff mit Zwangsarbeit hergestellt wird, werden aufgrund der hohen inländischen Nachfrage weiterhin in China verbaut. Westliche Sanktionen und Boykotte von Polysilizium aus Xinjiang hätten somit kaum Effekte für die von Zwangsarbeit betroffenen Uiguren.

    Die Entwicklung zeigt die enge gegenseitige Abhängigkeit zwischen China und vor allem den westlichen Industrieländern: Einerseits kommen drei Viertel aller Solarprodukte, die für die globale Energiewende und die Einhaltung der Klimaziele nötig sind, aus der Volksrepublik. Andererseits steigt im Westen der Druck für mehr Unabhängigkeit von China und Lieferketten ohne Menschenrechtsverstöße – worauf wiederum China reagiert.

    Ob diese doppelten Lieferketten bis ins letzte Detail realistisch sind, ist allerdings unklar. So sind etwa die Lieferketten beim metallurgischen Silizium intransparent, dem Ausgangsstoff für Polysilizium. Importeure können kaum sicherzustellen, dass dort keine Zwangsarbeit herrscht. “Von den sieben chinesischen Polysilizium-Herstellern unter den weltweiten Top Ten beziehen sechs maßgebliche Mengen an metallurgischem Silizium aus Xinjiang“, sagt Bernreuter.

    Chinas Hersteller produzieren in Vietnam und Malaysia

    Schon jetzt umgehen chinesische Hersteller US-Importzölle und Menschenrechts-Regeln durch Verlagerung: Sie investieren stärker in Ländern wie Vietnam und Malaysia. Für die dortige Produktion kaufen erste Unternehmen Ausgangsstoffe nicht in China, so Bernreuter. Xinjiang-freie Lieferketten sind also möglich. Was bleibt, ist die Abhängigkeit von China: Denn im Konfliktfall könnten auch chinesische Unternehmen in Vietnam oder Malaysia damit drohen, ihre Exporte in den Westen einzustellen.

    Die Bundesregierung steckt wie andere Industrieländer auch in einem Dilemma. Um die Klimaziele zu erreichen, will sie die Erneuerbaren massiv ausbauen. Gleichzeitig sollen die Abhängigkeiten von China verringern werden.

    China dominiert die Solar-Lieferkette

    Doch China dominiert den Weltmarkt bei allen wichtigen Produktionsschritten. Die Volksrepublik hält einen Marktanteil (2021) von:

    • 75 Prozent bei Solarmodulen
    • 85 Prozent bei Solarzellen
    • 97 Prozent bei Solar-Wafern
    • Und 79 Prozent beim Ausgangsstoff Polysilizium.

    Der Anteil könnte bei Polysilizium, Solar-Ingots (Blöcke aus Halbleiter-Material, aus denen die Wafer gesägt werden) und Wafern auf 95 Prozent wachsen, so der jüngste World Energy Outlook. Insgesamt macht China drei Viertel des Welthandels bei Solarprodukten aus.

    Bei den europäischen Importen zeigt sich dementsprechend ein deutliches Bild. 90 Prozent der EU-Importe bei Solarmodulen geht auf China zurück. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine haben sich die Importe verdoppelt.

    Baerbocks Drohung: Importstopp bei Menschenrechtsverletzungen

    In einem geleakten Entwurf der China-Strategie des Auswärtiges Amtes wird China als “Wettbewerber bei der grünen Transformation” bezeichnet. Wegen der “starken bis beherrschenden Stellung” Chinas etwa im Solarbereich könnten “einseitige Abhängigkeiten entstehen”, so der Entwurf. Man wolle diese “Abhängigkeiten (…) unter dem Aspekt der Risikominimierung verringern”.

    Das Auswärtige Amt ist wegen der Zwangsarbeits-Problematik “im EU-Rahmen auch bereit, Importstopps aus Regionen mit besonders massiven Menschenrechtsverletzungen zu unterstützen, wenn Lieferketten frei von Menschenrechtsverletzungen mit anderen Mitteln nicht sichergestellt werden können”, wie der Entwurf festhält.

    Die USA sind da schon weiter. Sie haben bereits einen Importstopp verhängt und den “Uyghur Forced Labour Prevention Act” verabschiedet. Das Gesetz dreht die Beweislast um:

    • Die USA gehen davon aus, dass alle Produkte aus Xinjiang unter Zwangsarbeit hergestellt wurden, wenn Unternehmen keine “eindeutigen und zwingenden Gegenbeweise” vorlegen können.
    • Hunderte Solar-Importe aus China mit einer Kapazität von drei GW wurden infolge des Gesetzes an den US-Grenzen gestoppt (Climate.Table berichtete).

    Bis Jahresende könnten US-Solar-Importe mit einer Kapazität von bis zwölf Gigawatt betroffen sein. Doch laut Jenny Chase vom Think-Tank BloombergNEF werde das den Solar-Ausbau in den USA “nicht stark bremsen”.

    Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck hat die Brisanz der Entwicklung offenbar erkannt. Er will die Massenfertigung von Solarmodulen und Windkraftanlagen in der EU mit einer Europäischen Plattform für Transformationstechnologien” fördern (Europe.Table berichtete).

    • China
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    • Industriepolitik
    • Solar

    Termine

    01. – 02. Dezember, online
    Konferenz Climate Annual Conference
    Die Florence School of Regulation (FSR) konzentriert sich in dieser Konferenz auf die wichtigste Klimagesetzgebung der EU. Infos und Anmeldung

    01 – 03. Dezember, Bangkok/hybrid
    Konferenz Water Security and Climate Change Conference
    Die Water Security and Climate Change Conference ist eine Veranstaltung, auf der Wissenschaftler, politische Entscheidungsträger und andere Akteure über den Zusammenhang zwischen Wassersicherheit und dem Klimawandel diskutieren. Dieses Jahr wird sie vom Asian Institut of Technology ausgerichtet. Infos

    02. Dezember, 10 Uhr, online
    Veröffentlichung und Diskussion CO2 storage resources and their development
    Bei dem Event der Internationalen Energie Agentur wird das Handbuch “CO2 Storage Resources and their Development” veröffentlicht. Das Handbuch soll einen Überblick über Chance, Risiken und sozio-ökonomische Folgen liefern. INFOS

    05. Dezember, 18 Uhr, online
    Vortrag Green New Europe: Wie will die EU das Klima retten?
    Bei der Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung wird eine multimediale Live-Dokumentation gezeigt. Darin geht der Mainzer Politologe und Journalist Ingo Espenschied der Frage nach, ob und wie die Europäische Union zur Vorreiterin im Kampf gegen die Klimaerwärmung werden kann. INFOS UND ANMELDUNG

    06. Dezember, 18 Uhr, Berlin, online
    Seminar Ein Jahr Ampelkoalition in Krisenzeiten: Wo stehen wir bei der industriellen Transformation?
    Der Thinktank Agora Industrie organisiert das Seminar in Kooperation mit der Stiftung KlimaWirtschaft. Dabei werden Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Industrie darüber diskutieren, wie die industrielle Transformation vorangeht. Ein Kernpunkt ist die Frage, ob der Industriesektor seine Klimaziele erreicht. INFOS UND ANMELDUNG

    07.-19. Dezember, Montreal (Kanada)
    Konferenz UN Biodiversity Conference COP 15
    Ziel der diesjährigen Biodiversitätskonferenz ist es, einen globalen Rahmen zum Erhalt von Biodiversität zu stecken. Besonders im Fokus steht hier die Ausarbeitung von klaren Zielen und die Finanzierung des Biodiversitätsschutzes. INFOS

    07. Dezember, 14.30 Uhr, online
    Diskussion EU Energy Transition – What Role for Critical Raw Materials
    Kritische Rohstoffe sind für viele nachhaltige Technologien wie Beispiel Windturbinen oder Solarzellen wichtig. EURACTIV diskutiert auf dem Event die Rolle dieser Rohstoffe in der europäischen Energiewende INFOS UND ANMELDUNG

    07. Dezember, 17 Uhr, online
    Webinar Grundkurs Gas: Gefährdete Versorgungsicherheit und Brücke zur Klimaneutralität?
    Der “Grundkurs Gas” der Heinrich-Böll-Stiftung erklärt die aktuelle und zukünftige Rolle von Gas bei der Energieversorgung in Deutschland. Mit dabei ist Isabell Braunger von der Forschungsgruppe CoalExit der Technischen Universität Berlin. INFOS UND ANMELDUNG

    08. Dezember, 18 Uhr, Berlin
    Diskussion #21 Berliner Klimagespräch – Ein Jahr Ampel: Zeitenwende für Klimaschutz?
    Wo stehen Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit nach einem Jahr Ampel-Regierung? Darüber sprechen beim 21. Berliner Klimagespräch am 08. Dezember Ricarda Lang, Brigitte Knopf und Antje von Broock. Gemeinsam mit der taz und fünf Mitgliedsorganisationen lädt die Klima-Allianz Deutschland zu dieser Diskussion ein. INFOS

    08. Dezember, 18.30 Uhr, Berlin
    Vortrag Klimawandelskeptizismus und Klimabewegung – Wie baut man in der politischen Bildungsarbeit Vorurteile ab?
    Bei der Veranstaltung der Rosa-Luxemburg-Stiftung aus der Reihe “Salon Bildung 2022” gibt es zwei Impulsvorträge zu dem Thema. Anja Spatzier spricht über “Das Geschlecht der Klimabewegung” und Julian Niederhauser referiert über “Exkludierende Haltungen und Autoritäre Diskurse in der Klimakrise”. INFOS

    News

    Vanuatu legt Klima-Fragen an UN-Gericht vor

    Der Inselstaat Vanuatu hat jetzt den anderen UN-Staaten formell seinen Antrag unterbreitet, den internationalen Gerichtshof ICJ in Den Haag um eine juristische Einschätzung von Verantwortlichkeiten zum Klimawandel zu bitten. Das Land will durch ein Gutachten (“Advisory Opinion”) klären lassen, welche Pflichten alle Staaten in der Klimakrise haben und wie Staaten für Klima- und Umweltschäden haftbar gemacht werden können. Das geht aus der Erklärung hervor, die die UN-Vertretung von Vanuatu am 30. November auf Twitter veröffentlicht hat.

    Die zweiseitige Beschlussvorlage aus der 77. UN-Generalversammlung beruft sich als Grundlage auf mehrere internationale Verträge, etwa die UN-Charta, die Klimarahmenkonvention UNFCCC und das Pariser Abkommen. Sie fragt konkret: “Was sind die Verpflichtungen der Staaten unter diesen internationalen Gesetzen, um den Schutz des Klimasystems und anderer Teile der Umwelt für aktuelle und künftige Generationen sicherzustellen?”

    Als zweite Frage an den Gerichtshof formuliert der Antrag: “Was sind die juristischen Konsequenzen unter diesen Verpflichtungen für Staaten, die durch ihre Handlungen oder Unterlassungen dem Klima- und Umweltsystem beträchtlichen Schaden zugefügt haben?” Besondere Berücksichtigung sollten demnach kleine Inselstaaten und besonders verwundbare Länder finden, ebenso wie zukünftige Generationen.

    Der Antrag auf diese “Advisory Opinion” habe man “im Namen einer Staatengruppe” verteilt, heißt es von Vanuatu. Insgesamt schließen sich 17 andere Staaten dem Antrag an, darunter Portugal, Mikronesien, Neuseeland, Bangladesch, Singapur und Deutschland. “Über die nächsten Wochen werden die Konsultationen mit den Mitgliedsstaaten beginnen”. Derzeit ist unklar, ob eine solche UN-Resolution zustande kommt und in welche Richtung eine solche juristische Stellungnahme gehen könnte.

    Für einen Beschluss reicht bei einer Abstimmung, die im nächsten Frühjahr erwartet wird, eine einfache Mehrheit in der Generalversammlung. Auf der COP27 in Sharm el Sheikh hatten über 80 Staaten Vanuatu ihre Unterstützung bei dem Projekt zugesagt (Climate.Table berichtete). Vanuatu hat wiederholt betont, es gehe nicht um Schadenersatz-Forderungen gegenüber den Industriestaaten. Der Außenminister des Landes Jothan Napat sagte: “Die Advisory Opinion des ICJ wird für alle Staaten unsere Verpflichtungen unter einer Reihe von internationalen Gesetzen, Verträgen und Abkommen klarstellen, damit wir mehr tun können, um verletzbare Menschen auf der ganzen Welt zu schützen.” bpo/rtr

    • UNFCCC
    • UNO
    • Vanuatu

    EU: Unabhängigkeit bei Solarindustrie würde 44 Milliarden Dollar kosten

    Um sich in der Solar-Industrie unabhängiger von China zu machen, müsste Europa Milliarden-Summen investieren. Laut einer noch unveröffentlichten Berechnung des Think-Tanks BloombergNEF (BNEF) würde es 44 Milliarden US-Dollar kosten, um die Nachfrage nach Solarmodulen im Jahr 2030 allein durch eine europäische Produktion zu decken.

    Eine aktuelle Nature-Studie zeigt außerdem die Ersparnisse durch globalisierte Solar-Lieferketten. Allein Deutschland habe dadurch zwischen 2008 und 2020 circa sieben Milliarden US-Dollar weniger für Solarmodule zahlen müssen als in einem Szenario, in dem “ein zunehmender Anteil” der Module in Deutschland gefertigt worden wäre. Käme es in der PV-Industrie zu einer starken De-Globalisierung mit nationalen Lieferketten, würden Solarmodule bis 2030 zwischen 20 und 25 Prozent teurer, so die Forscher.

    “Spitzenwissen in China”

    Zudem fehle es im Westen auch an Fachkenntnissen und Ausrüstung. “Das Spitzenwissen über die Photovoltaik-Herstellung befindet sich in China”, so die BNEF-Analysten:

    Bei dem Betrieb von Fabriken für Solar-Ingots (Halbleitermaterial für Solar-Wafer) fehlt es im Westen an Expertise. Vorleistungen wie bestimmte Gläser für Photovoltaik-Anlagen sind nicht vorhanden. China ist zudem führend bei der Herstellung von Produktionsanlagen für die Solarindustrie. Der Aufbau einer Solar-Industrie ohne Rückgriff auf chinesisches Equipment sei “fast unmöglich”, schreiben die BNEF-Analysten.

    Insgesamt seien die Eintrittsbarrieren zur Produktion von Polysilizium, Solar-Ingots und -Wafern sehr hoch. Bisher unternimmt die EU kaum Bemühungen, um die Produktion wieder nach Europa zurückzuholen – anders als in den USA. Dort sieht der Inflation Reduction Act (IRA) auch Milliarden an Subventionen für die Solar-Industrie vor (Climate.Table berichtete). Stillgelegte US-Fabriken für Polysilizium könnten dadurch wieder in Betrieb genommen werden. Auch die Subventionen für die Wafer- und Ingot-Produktion seien “besonders hoch”, so BNEF. Laut Johannes Bernreuter, Polysilizium-Experte von der Beratungsfirma Bernreuter Research, scheint der IRA “nun immerhin den politischen Druck auf die EU zu erhöhen”. nib

    • China
    • Erneuerbare Energien
    • EU

    IEA: Mit Wärmepumpen zur CO2-Reduktion

    Die Verkäufe von Wärmepumpen sind 2021 in der EU um 35 Prozent und weltweit um 15 Prozent angestiegen. Laut einem neuen Bericht der Internationalen Energieagentur könnten in der EU bis 2030 sieben Millionen Wärmepumpen verkauft werden – 2021 lagen die Verkäufe noch bei zwei Millionen. Vor allem fallende Kosten und stärkere Kaufanreize infolge der Energiekrise seien für den Boom verantwortlich. Führende Hersteller hätten demnach Pläne, über vier Milliarden Dollar in die Ausweitung der Produktion zu investieren – größtenteils in Europa.

    Durch Wärmepumpen könnte der Gasverbrauch in der EU demnach im Jahr 2025 um sieben Milliarden Kubikmeter und im Jahr 2030 um 21 Milliarden Kubikmeter reduziert werden, wenn die EU-Staaten ihre Ziele zur Emissionsminderung und Energiesicherheit erreichen. “Die politischen Entscheidungsträger sollten sich für diese Technologie einsetzen”, sagte IEA-Chef Fatih Birol. Laut IEA-Schätzungen könnten Wärmepumpen im Jahr 2030 zu weltweiten CO2-Einsparungen von 500 Millionen Tonnen führen – so viel wie alle Autos in Europa in einem Jahr verursachen.

    Bei den derzeitigen Energiepreisen könnten US-Haushalte jährlich bis zu 300 US-Dollar und europäische Haushalte bis zu 900 Dollar einsparen, wenn sie auf Wärmepumpen umsteigen. Laut IEA könnten auch die Papier-, Lebensmittel- und Chemieindustrie von Wärmepumpen profitieren, da sie Wärme für einige industrielle Anwendungen liefern können. Die Organisation warnt jedoch vor einem Fachkräftemangel bei Installateuren und der Herstellung von Wärmepumpen. Die Staaten sollten dem mit Ausbildungsprogrammen vorbeugen. nib

    • Dekarbonisierung
    • IEA
    • Wärmepumpe
    • Wirtschaft

    Rolls-Royce und Easyjet: Wasserstoff-Test erfolgreich

    Es sei “ein neuer Meilenstein in der Luftfahrt”, teilte der britische Motorenhersteller Rolls-Royce mit: Gemeinsam mit der Fluggesellschaft Easyjet habe man erstmals testweise ein Flugzeugtriebwerk mit grünem Wasserstoff betrieben.

    Für die Luftfahrtbranche hängt von dem Treibstoff viel ab: Grüner Wasserstoff soll ihr ermöglichen, ihr Geschäft auch im Fall strengerer Klima-Auflagen ohne größere Probleme weiterzubetreiben. Grüner Wasserstoff gilt als weitestgehend CO2-frei – von den Emissionen, die durch den Bau von Windrädern und Solarpaneelen und den Wasserstoff-Transport entstehen, einmal abgesehen.

    Airbus arbeitet ebenfalls an Wasserstoffantrieben

    Auch Airbus arbeitet an Wasserstoffantrieben, fürchtet allerdings, dass fehlende Infrastruktur deren Start verzögern könnte, wie Reuters und Bloomberg berichten. Konkurrent Boeing scheint Berichten zufolge skeptischer, was den Einsatz von Wasserstoff angeht.

    Der Test sei “eine Schlüsselbeleg für die Dekarbonisierungsstrategien” beider Unternehmen, teilten Rolls-Royce und Easyjet mit. Grant Shapps, der britische Minister für Wirtschaft, Energie und Industriestrategie, lobte demnach: “Das Vereinigte Königreich führt die globale Veränderung hin zu Fliegen ohne schlechtes Gewissen an. (…) Dies ist ein Paradebeispiel dafür, wie wir zusammenarbeiten können, um die Luftfahrt sauberer zu machen, während Arbeitsplätze überall im Land entstehen.”

    Für den Versuch, der auf einer Anlage des britischen Verteidigungsministeriums in Boscombe stattfand, nutzten die Unternehmen eigenen Angaben zufolge einen veränderten Motor des Typs Rolls-Royce AE 2100-A. Dieser treibt üblicherweise Propellermaschinen an, die eher regionale Strecken bedienen. Weitere Versuche sollen in einen Test des Pearl 15-Motors von Rolls-Royce münden, der Langstreckenjets antreibt – und letztlich in Versuche während des Flugbetriebs.

    Wasserstoff für Langstreckenflüge?

    Manche Analysten bezweifeln allerdings, dass Wasserstoff sich für Langstreckenflüge eignet. Ein Grund für ihre Skepsis ist die Größe der dafür nötigen Tanks.

    Die Partnerschaft zwischen Rolls-Royce und Easyjet besteht im Rahmen der Race-to-Zero-Kampagne der Vereinten Nationen. Deren Ziel ist es, die CO2-Emissionen der beteiligten Unternehmen bis 2050 auf netto null zu senken. Beide Firmen hatten ihre Partnerschaft im Juli bekannt gegeben. ae

    • Airbus
    • Flugverkehr
    • Wasserstoff
    • Wirtschaft

    Adventskalender mit positiven Klima-News

    Alle Jahre wieder kurz vor Weihnachten beschert die UN-Klimakonferenz vielen Menschen Frust und Enttäuschung, weil es im Klimaschutz viel zu langsam oder in die falsche Richtung geht. Jetzt hält das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) zumindest mit einem Adventskalender dagegen: Hinter 24 Türchen liefert er ab dem 1. Dezember jeden Tag eine gute Nachricht zum Klimaschutz.

    Die gibt es nämlich tatsächlich: Die Photovoltaik-Industrie zum Beispiel ist auf dem besten Weg, so viele Anlagen herzustellen, wie benötigt werden, wenn weltweit die 1,5-Grenze noch gehalten werden soll, heißt es da. Zudem ist der Rückgang der Treibhausgasemissionen, der weltweit noch nicht begonnen hat, in einzelnen Regionen durchaus sichtbar und eine Erfolgsgeschichte, finden die MCC-Experten. Und auch die Technik macht große Fortschritte, beispielsweise bei der Einlagerung von CO2. Und dann wären da noch Steuern und Abgaben auf Treibhausgase, mit denen Emissionen gesenkt werden und die den Staaten Einnahmen verschaffen. Genug für 24 kleine und größere Hoffnungszeichen, so das MCC.

    “Am Ende eines Jahres mit insgesamt vielen düsteren Meldungen wollen wir mit dieser Aktion ein wenig gegensteuern”, sagt MCC-Direktor Ottmar Edenhofer. “Zweifellos steckt die Welt noch im fossilen Zeitalter fest, die Klimakrise verschärft sich, und die positiven Nachrichten sind alles noch keine Selbstläufer. Doch es gibt eben auch Entwicklungen, die Hoffnung machen. Die Botschaft lautet: Die Klimapolitik und auch dein individueller Klimaschutz laufen nicht vollständig ins Leere.” bpo

    WWF: Knapp die Hälfte der ETS-Einnahmen fließt nicht in Klimaschutz

    Von den 88,5 Milliarden Euro, die die EU-Mitgliedstaaten aus dem europäischen Emissionshandelssystem (ETS) zwischen 2013 und 2021 eingenommen haben, flossen rund 51 Milliarden in Klimaschutzmaßnahmen (57,8 Prozent). Nach offiziellen Angaben seien zwar knapp 64 Milliarden Euro (72 Prozent) in Klimaschutzmaßnahmen reinvestiert worden, jedoch zweifelt eine am Dienstag veröffentlichte Untersuchung des WWF diese Zahlen an.

    Es heißt, dass mindestens 12,4 Milliarden Euro, die dem Klimaschutz zugeschrieben wurden, in Maßnahmen flossen, die dem Klima nicht zuträglich oder sogar klimaschädlich waren.

    Darunter:

    • Kompensationen für CO2-Preise für die Industrie
    • Modernisierung von Kohleinfrastruktur
    • Umstellung von Kohle auf Gas
    • Heizsysteme, die auf fossilen Brennstoffen beruhen
    • Förderung von Dieselfahrzeugen
    • kohlenstoffreiche Bioenergiequellen
    • Atomkraft

    Die restlichen rund 25 Milliarden Euro sind laut WWF direkt in die Haushalte der Länder geflossen.

    Die ETS-Regeln sehen vor, dass Länder “mindestens 50 Prozent” ihrer Einnahmen in Maßnahmen gegen den Klimawandel investieren müssen. Allerdings ist nicht weiter definiert, welche Maßnahmen dazu zählen. Der WWF fordert daher eine klare Definition, die Investitionen in fossile Infrastruktur sowie industrielle CO2-Preis-Kompensation ausschließt. Darüber hinaus sollten Mitgliedstaaten verpflichtet werden, die kompletten Einnahmen für den Klimaschutz einzusetzen, schreibt die NGO.

    Kostenlose CO2-Zertifikate für die Industrie

    Ein weiterer Kritikpunkt des WWF ist die Menge an kostenlosen Emissionsrechten, die an die Industrie vergeben werden als Schutz vor Carbon Leakage. Nur für 47 Prozent der Zertifikate werde ein CO2-Preis bezahlt. Somit würden Emissionszertifikate im Wert von 98,5 Milliarden Euro an die Industrie verschenkt. “Die EU führt das Verursacherprinzip des Emissionshandels ad absurdum, solange die Schlupflöcher größer sind als das ganze System”, kritisiert Juliette de Grandpré, EU-Klimaschutzexpertin beim WWF Deutschland. Sie fordert daher die schnellstmögliche Abschaffung der kostenlosen Zuteilungen. luk

    • Emissionshandel
    • EU

    Presseschau

    Reportage: Kann “Cloud brightening” helfen, die Eisschmelze in der Arktis zu verlangsamen? Geoengineering und die Klimakrise The Guardian
    Kommentar: Reiche Länder haben versprochen, für die Klimakrise zu bezahlen. Aber tun sie das wirklich? The Guardian
    Analyse: Milliarden sind nötig, um Häuser in Großbritannien zukünftig vor Hochwasser zu schützen Independent
    Recherche: “Nachhaltige” Funds unterstützen fossile Energien DeSmog
    Interview: Klimaaktivist im Gefängnis Zeit
    Analyse: Wie Pakistan zum Klima-Champion wurde Economist
    Visual-Story: In Virginia in den Vereinigten Staaten sind Menschen von einer Insel aufs Festland gezogen – der Anstieg des Meeresspiegels könnte sie nun erneut einholen Washington Post
    Analyse: Wie die Wetterphänomene El Niño and La Niña sich verändern werden – und welche Auswirkungen das hat Financial Times
    Analyse: Wie Chinas Zero-Covid-Strategie Maßnahmen zum Klimaschutz verhindert Bloomberg
    Kommentar: Wie künstliche Photosynthese den Klimawandel stoppen könnte Handelsblatt

    Heads

    Australischer Klimaminister zwischen Rhetorik und Realität

    “Australien ist wieder da”, erklärte Chris Bowen, Minister für Klima und Energie, auf der COP27 in Sharm El-Sheikh. Das löste Erleichterung aus: darüber, dass die Labor-Regierung von Premierminister Anthony Albanese anders als ihre Vorgänger die internationale Klimapolitik nicht mit Verachtung straft. Australiens neue Rolle zeigte sich auch darin, dass Bowen mit seinem indischen Amtskollegen Yadav von der COP-Leitung beauftragt wurde, bei den Verhandlungen über Klima-Finanzen zu vermitteln. Das sei kein Zufall, sagte der Minister: “Die Menschen hören auf Australien.” Die Aufmerksamkeit nutzte Bowen für eine prestigeträchtige Bewerbung: 2026 will Australien die COP31 ausrichten.

    Allerdings hat Bowen eine schwierige Aufgabe: Die Klimapolitik unter einer Labor-Regierung als seriös darzustellen – und gleichzeitig Australiens Rohstoff- und Energiesektor zu beschwichtigen.

    Als Berufspolitiker, der zwischen 2007 und 2013 mehr als ein halbes Dutzend Ministerämter innehatte, sollte er dieser Aufgabe gewachsen sein. Bowen hat seine gesamte Karriere in der Politik verbracht. Nur ein Jahr nach seinem Abschluss in Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Sydney wurde er 2005 in den Stadtrat von Fairfield in Sydney gewählt. An der Uni hatte er zuvor auch bei Yanis Varoufakis studiert, dem späteren Finanzminister Griechenlands – eine Verbindung, die er jetzt manchmal kritisch sieht. Bowen ist verheiratet und Vater zweier Teenager.

    Berufspolitiker mit zahlreichen Ministerposten

    2006 wurde Bowen zum stellvertretenden Schatzmeister und Schattenminister für Steuer- und Wettbewerbspolitik ernannt und bekleidete unter drei Labor-Premierministern hochrangige Minister- und Kabinettsposten. Er gilt als eine führende Persönlichkeit des rechten Flügels der australischen Labor-Partei (ALP). 2013 trat er überraschend von seinen Ministerämtern zurücktrat, nachdem er den erfolglosen Versuch von Kevin Rudd unterstützt hatte, in einer turbulenten Periode wieder Premierminister zu werden. Aber das hat weder seinem Ruf noch seinen politischen Ambitionen geschadet. Nur wenige Monate wurde er unter neuer Labor-Führung wieder Kabinettsminister und Schatzmeister.

    Bowen repräsentiert eine Regierung, die beim Klimaschutz Fortschritte versprochen hat. Doch die Kluft zwischen Rhetorik und Realität ist jetzt möglicherweise größer als unter der vorherigen liberalen Regierung.

    Australien ist weltweit der drittgrößte Exporteur fossiler Brennstoffe, die zusammen mit den inländischen Emissionen rund fünf Prozent der weltweiten Emissionen ausmachen. Es fehlt an Transparenz über die Emissionsquellen und das Land hat auch keine allgemeine Regelung für die CO2-Reduzierung wie etwa einen Emissionshandel. Und obwohl die Regierung das Reduktionsziel bis 2030 von 26 bis 28 Prozent unter der Vorgängerregierung auf 43 Prozent erhöht und sich verpflichtet hat, die Emissionen bis 2050 auf null zu reduzieren, hat sie sich auch für den Ausbau von Gas und Kohle in Australien ausgesprochen.

    Klima-Ehrgeiz und 100 fossile Projekte

    In ganz Australien sind mehr als 100 neue Projekte für fossile Brennstoffe in der Entwicklung, und die Regierung hat es bisher abgelehnt, die Subventionen in Höhe von zehn Milliarden Dollar zu beenden, die die Unternehmen für fossile Brennstoffe pro Jahr erhalten. Bowen weigerte sich letzten Monat in der parlamentarischen Fragestunde, Subventionen für fossile Brennstoffe auszuschließen.

    Bei den erneuerbaren Energien zeigt die Regierung von Albanese und Bowen deutlich mehr Ehrgeiz als ihre Vorgängerin. Bis 2030 sollen 82 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Sie hat auch eine Strategie für Elektrofahrzeuge und plant die Einführung von Normen für die Kraftstoffeffizienz. Bowen drängte auf der COP darauf, das 1,5-Grad-Ziel beizubehalten – wollte aber nicht darauf antworten, ob das australische Klimaziel im Einklang mit der Wissenschaft stehe. Und obwohl Australien auf der COP für den “Loss and Damage” Fund war, zahlt das Land nicht in den “Green Climate Fund” zur Klimafinanzierung ein.

    In ähnlicher Weise hat sich Australien auf der COP auch zum Schutz von Wäldern, Mangroven und Ozeanen verpflichtet. Aber das ist nicht so ehrgeizig, wie es klingt. Viele Ergebnisse hat Australien bereits erreicht (vor allem durch eine kreative Emissionsbilanzierung) oder sie als Mechanismus für das äußerst fragwürdige Emissionsgutschriftenprogramm des Landes verwendet. Experten gehen davon aus, dass es sich bei etwa 75 Prozent der Kompensationen um “Schrott” handelt, der in Wirklichkeit gar nichts kompensiert.

    Im Juli kündigte Bowen eine Überprüfung der Glaubwürdigkeit der australischen Kohlenstoffgutschriften an. Doch die Untersuchung wurde kritisiert, weil sie sich nicht mit der Verwendung von Kohlenstoffgutschriften zur Rechtfertigung der laufenden Produktion von fossilen Brennstoffen und ihres Verbrauchs befasst, und auch nicht mit möglichen Interessenkonflikten. (Zwei der vier Mitglieder des Gremiums stehen in Verbindung mit Unternehmen, die von den derzeitigen Kompensationsvereinbarungen profitieren).

    Daher kritisiert Polly Hemming, leitende Wissenschaftlerin im Klima- und Energieprogramm des Australia Institute: “Die neue Labor-Regierung hat einen politischen Rahmen geschaffen, in dem Klima-Fehlinformationen gedeihen können. Kreative Buchführung, Kompensationen und deren Missbrauch werden in Australien verstaatlicht, was auf staatlich gefördertes Greenwashing hinausläuft”. Claire Conelly aus Sidney

    • Australien
    • COP31

    Climate.Table Redaktion

    REDAKTION CLIMATE.TABLE

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