dass die diesjährige VW-Hauptversammlung in Berlin weitaus schwieriger ablaufen wird als in vergangenen Jahren, stand davor schon fest. Die Protestaktionen, die die Veranstaltung am Mittwoch, begleiteten, waren dennoch überraschend heftig, berichtet Marcel Grzanna. Mit verschiedenen Aktionen taten Aktivisten ihren Unmut gegen das Engagement des Autobauers in der chinesischen Region Xinjiang kund. Unter anderem warfen sie eine Torte in Richtung Podium. Eine Aktivistin protestierte mit nacktem Oberkörper. VW blieb trotz alldem seinen PR-Floskeln treu.
Der Menschenrechtsrat der Uno in Genf müsste eigentlich ein riesiger Fan von Sanktionen sein, sollte man meinen. Wie sonst soll die Weltgemeinschaft auf Staaten einwirken, die die Rechte ihrer Bürger verletzen? Doch so ist es nicht. In dem Gremium in Genf hat sich eine Linie durchgesetzt, die Wirtschaftsstrafen ablehnt, wenn diese nicht von den gesamten Vereinten Nationen getragen werden. Diese seien nicht rechtmäßig.
Der scheinbare Widerspruch löst sich auf, wenn man die Mehrheitsverhältnisse ansieht. Die asiatischen, afrikanischen und lateinamerikanischen Staaten haben in dem Rat auf Betreiben Chinas gegen den Westen gestimmt. Sie wollen keine Bevormundung durch US-geführte Koalitionen.
In der Rubrik Heads stellen wir Ihnen heute die Arbeit von Guo Yuhua vor. Die einst auch in China renommierte Soziologin wurde jüngst mit einem Ausreise-Verbot belegt. Sie sammelte unter anderem mündliche Geschichten von Bauern, die während der großen Hungersnöte nicht aus ihren Dörfern fliehen durften. Guo ist damit nur der jüngste Fall in einer endlosen Reihe. Immer wieder hält die Zentralregierung kritische Stimmen wie Geiseln in den eigenen Landesgrenzen gefangen.
Menschenrechtsaktivisten haben die Aktionärsversammlung von Volkswagen am Mittwoch wie angekündigt mehrfach gestört. Mit verschiedenen Aktionen protestierten sie gegen das Engagement des Autobauers in der chinesischen Region Xinjiang. Unter anderem warfen die Aktivisten eine Torte in Richtung Podium, wo Wolfgang Porsche als Vertreter der Eigentümerfamilie an seinem 80. Geburtstag Platz genommen hatte.
Die Rede von Konzernchef Oliver Blume wurde derweil von einer Frau unterbrochen, die mit nacktem Oberkörper vor dem Podium die “Ausbeutung” von Arbeitskräften in Xinjiang kritisierte, ehe sie vom Sicherheitspersonal aus dem Saal geführt wurde.
Davon unbeeindruckt kündigte Blume an, der Konzern wolle weiter in China investieren und wachsen. Die “China-Strategie 2030” sieht vor, sich “noch stärker auf chinesische Kunden auszurichten” und über lokale Partnerschaften “die Entwicklung neuer Technologien zu beschleunigen”.
Vor dem Eingang des City Cube hatten Nichtregierungsorganisationen und der Dachverband Kritischer Aktionäre bereits vor Beginn der Veranstaltung protestiert. Vor einem VW-Golf übten zwei Personen den Schulterschluss. Eine Person war als Chinas Staatschef Xi Jinping maskiert, die andere als VW-Chef Blume. Der Xi-Darsteller hielt dabei zwei Personen in Blaumännern an einer Kette. Die Aktivisten fordern ein Ende des Xinjiang-Engagements des Herstellers.
Zu den Vorwürfen möglicher Menschenrechtsverletzungen nahm China-Chef Ralf Brandstätter Stellung. Um kulturellen Bedürfnissen der Belegschaft gerecht zu werden, habe das Werk “ein inklusives Arbeitsumfeld geschaffen, das religiöse Überzeugungen und unterschiedliche Kulturen respektiert.” Zum Beispiel gebe es in der Kantine Halal-Gerichte für Muslime. Wegen vertraglicher Verpflichtungen sei es Volkswagen allerdings nicht möglich, externe Prüfungen ohne Zustimmung des Joint-Venture-Partners SAIC anzuordnen.
Mit SAIC stimme man überein, dass Grundwerte und Recht in gemeinsamen Unternehmungen eingehalten und geschützt werden müssen, sagte Brandstätter. Nach einem Besuch im Februar im Werk in Xinjiang habe Brandstätter keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen finden können. Er habe auch keinen Grund, an den entsprechenden Quellen für seine Informationen zu zweifeln. Anderfalls werde der Konzern “unmittelbar und unverzüglich reagieren.”
Damit griff Brandstätter auf die übliche Verteidigungsstrategie von Volkswagen zurück. Der Konzern verteidigt sein Werk in Xinjiang, aber geht den Vorwürfen gegen Schwachpunkte in seinen Lieferketten großräumig aus dem Weg. Forscher der Hallam University in Sheffield hatten die großen Risiken offengelegt, denen sich Volkswagen, aber auch andere deutsche Hersteller wie BMW oder Mercedes-Benz durch ihre Wertschöpfung in China aussetzen.
“Volkswagen zeigt mit seinen Antworten, dass es Systematik und Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen nicht verstanden hat oder verstehen will”, sagte Hanno Schedler von der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), die sich an der Aktion vor dem Eingang beteiligt hatte. “Mit PR-Sprech verhöhnt VW die Opfer des Völkermords”, so Schedler. Umso wichtiger sei es, dass auch die niedersächsische Landesregierung als Teilhaber ihre Zurückhaltung gegenüber Volkswagen aufgebe und einen Rückzug aus der Region fordere.
Kritisch beäugt wird das Xinjiang-Engagement der Wolfsburger auch von Fondsgesellschaften, die gegenüber den Konzernen die Interessen ihrer Millionen von Aktionären vertreten. Dazu gehört Union Investment, dessen Leiter ESG Capital Markets & Stewardship, Janne Werning, den Vorstand am Mittwoch daran erinnerte, dass Volkswagen trotz mehrfacher Nachfrage zufriedenstellende Antworten schuldig sei.
Ob die wenig präzisen Ausführungen des Vorstandes Union Investment überzeugen, ist noch ungewiss. “So zeitnah nach der Versammlung ist ein Urteil darüber noch nicht möglich”, sagte Werning. Gemeinsam mit dem ESG-Komitee der Fondsgesellschaft werden die Stellungnahmen von Volkswagen in den kommenden Tagen bewertet.
Zu den Risiken einer zunehmenden Abhängigkeit des Konzerns von China, sagte Brandstätter, dass es sich wegen der tiefgreifenden Lieferketten um eine wechselseitige Abhängigkeit handle. Volkswagen setzte auf Diversifizierung statt auf Decoupling. Der Konzern unterstütze das politische Ziel, entsprechende Anreize für deutsche Unternehmen zu schaffen.
Der UN-Menschenrechtsrat fordert in einer Resolution ein Ende von einseitigen Sanktionen, die unter anderem “nicht im Einklang mit dem Völkerrecht, dem humanitären Völkerrecht” und der Charta der Vereinten Nationen stehen. In dem Text werden alle Staaten nachdrücklich aufgefordert, die “Annahme, Aufrechterhaltung oder Durchsetzung” solcher einseitigen Wirtschaftssanktionen einzustellen. 33 Staaten stimmten dafür, darunter auch China. 13 stimmten dagegen, es gab eine Enthaltung Mexikos.
Damit hat der Westen unter Führung der USA in den Vereinten Nationen eine Niederlage einstecken müssen. Alle in dem Rat vertretenen asiatischen, afrikanischen und lateinamerikanischen Staaten stimmten der Resolution zu. Diese “einseitigen Zwangsmaßnahmen” verstießen gegen die UN-Charta und “Normen und Grundsätze für friedliche Beziehungen zwischen den Staaten”, heißt es in dem Text.
Das Dokument fordert die Beendigung solcher Sanktionen. Es verurteilt sie als “Werkzeuge des Drucks”, die von “einigen Staaten” benutzt würden, um “die Souveränität anderer Staaten” einzuschränken, vor allem “gegen Entwicklungsländer, um ihre politischen, wirtschaftlichen und Sozialsysteme in eine bestimmte Richtung zu treiben”. Die UN-Resolutionen aus dem Menschenrechtsrat sind, wie in vielen anderen Staatenorganisationen und Parlamenten, für die Mitgliedsstaaten oder ausführenden Institutionen nicht bindend.
China ist eines der Länder, die diese Agenda schon seit Jahren befürworten und vorangetrieben hat. Schon vor knapp zehn Jahren, als der heutige Außenminister Qin Gang noch Sprecher des Außenministeriums war, hat er sich bereits im Namen der chinesischen Regierung gegen Sanktionen ausgesprochen. Lange war diese Position nicht mehrheitsfähig. Im Frühjahr hatte sich die Bewegung der von Indien, China und Brasilien angeführten “blockfreien Staaten” mit rund 120 Mitgliedern jedoch auf einen gemeinsamen Kurs einigen können.
Dies kann als diplomatischer Erfolg Pekings, aber auch Delhis gewertet werden. Eingereicht hatte die Resolution jedoch Aserbaidschan im Namen der “blockfreien Staaten”. Aserbaidschan, das zwischen dem Kaspischen Meer und dem Kaukasus liegt, der sich zwischen Asien und Europa erstreckt, ist ein zentrales Land des China-Zentralasien-Westasien-Wirtschaftskorridors (CCAWEC). Dieser dient der Volksrepublik dazu, unter Umgehung von Russland Europa zu erreichen. Baku und das dortige Regime gelten nicht unbedingt als glühende Verfechter der Menschenrechte. Obwohl Aserbaidschan sehr schwierige, wechselvolle Beziehungen zu Russland hat, hat es sich nicht an den Sanktionen gegen das Land beteiligt.
Die drei Länder in Asien, die Sanktionen des Westens gegen Russland mittragen – also Japan, Singapur und mit Abstrichen Südkorea – stimmten ebenfalls für die Abschaffung von unilateralen Sanktionen. Wichtig dabei: Die Resolution spricht sich nicht grundsätzlich gegen Sanktionen aus, sondern nur gegen Strafmaßnahmen, die keine Mehrheit in der UN gefunden haben. Bei einem guten Dutzend Länder hat sich die UN auf Sanktionen einigen können: Dazu zählen unter anderem Iran, Sudan und Nordkorea.
Die USA, die Nato-Staaten sowie Georgien, Montenegro und die Ukraine lehnten die UN-Resolution ab. Die Abstimmungsresultate zeigen, dass der Graben zwischen dem etablierten Westen und den aufsteigenden Ländern immer größer wird. Die BRICS-Länder vertreten mehr Menschen und mehr globale Wirtschaftskraft als die G7.
Die US-Vertreterin im Menschenrechtsrat der UN, Michèle Taylor, meinte, der Resolutionstext stelle in unangemessener Weise die “Fähigkeit von Staaten infrage, ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu bestimmen und legitime nationale Interessen zu schützen.” Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, die zu Beginn der Sitzung des Menschenrechtsrates in Genf eine Rede hielt, hat sich bisher nicht zu dem Resolutionstext geäußert.
Bei ihrem Besuch in Peking hat Baerbock ihren Amtskollegen Qin Gang auf die Bedeutung des Rates hingewiesen: “Eine Zusammenarbeit mit dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zur Umsetzung seiner Empfehlungen würden wir begrüßen, so wie es uns allen als Mitglieder der Vereinten Nationen Verpflichtung ist.” Baerbock betonte dies im Zusammenhang mit den Erkenntnissen des UN-Menschenrechtsrates zu Xinjiang. Wenn Baerbock so argumentiert, müsste sie sich nun eigentlich auch verpflichtet fühlen, den Inhalt der angenommenen Resolution zu Sanktionen umzusetzen.
Unter vollkommenen Ausschluss der Öffentlichkeit hat ein Volksgericht in der südchinesischen Metropole Guangzhou den Menschenrechtsanwalt, Aktivisten und Schriftsteller Guo Feixiong zu acht Jahren Haft verurteilt. Ihm wird die Publikation regierungskritischer Texte vorgeworfen, sowie die Anstachelung anderer, gegen die Regierung zu hetzen.
Nicht einmal die am Donnerstagmorgen entsandten Diplomaten, darunter auch ein Vertreter Deutschlands, durften dem Prozess beiwohnen. Ihr Erscheinen ist dennoch symbolische Geste der Solidarität, die jedoch stumm bleibt: Die Botschaften wollen den Fall nicht öffentlich kommentieren – aus Angst, dass ihre Unterstützung dem Verurteilten zur Last gelegt werden kann.
Massive Kritik hagelt es jedoch aus dem Ausland. “Wir sind entsetzt über das Urteil”, kommentiert Mary Lawlor, UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechte. Wieder einmal habe China seine völlige Missachtung gegen viele der Werte demonstriert, die vor 75 Jahren in der Allgemeinen Erklärung für Menschenrechte festgehalten wurden.
Der Fall ist vor allem deshalb so tragisch, weil Guo erst vor wenigen Jahren eine elfjährige Haftstrafe abgesessen hatte und von Folter und Hungerstreiks gezeichnet war. Sein erneuter Kampf mit den Behörden ging darauf zurück, dass er sich vor zwei Jahren von seiner Ehefrau verabschieden wollte, die mit den gemeinsamen Kindern in den USA lebt und an Darmkrebs im Endstadium erkrankt war. Doch die chinesischen Behörden ließen Guo nicht ausreisen, sondern verhafteten ihn am Flughafen. Seine Frau ist inzwischen verstorben. fkr
China hat am Dienstag die kanadische Generalkonsulin in Shanghai Jennifer Lynn Lalonde ausgewiesen. Lalonde muss China bis zum 13. Mai verlassen. Damit regierte Peking auf die Aufforderung der kanadischen Regierung vom Vortag an einen in Toronto ansässigen chinesischen Diplomaten, das Land zu verlassen. Die Spannungen zwischen den beiden Ländern verschärfen sich damit weiter.
Nach der Ausweisung der Generalkonsulin sagte Premier Justin Trudeau, Kanada werde sich durch die Vergeltungsmaßnahmen Chinas nicht einschüchtern lassen: “Wir werden weiterhin alles Notwendige tun, um die Kanadier vor ausländischer Einmischung zu schützen.”
Hintergrund des Streits ist ein Geheimdienstbericht, der dem ausgewiesenen chinesischen Diplomaten Zhao Wei Versuche vorgeworfen hat, den kanadischen Abgeordneten Michael Chong zu beeinflussen und unter Druck zu setzen. Am 1. Mai waren Einzelheiten des bereits zwei Jahre alten Berichts des kanadischen Geheimdienstes CSIS über den chinesischen Einfluss in Kanada durchgesickert.
Der Report enthielt auch Informationen über eine mögliche Bedrohung des konservativen Abgeordneten Michael Chong und dessen in Hongkong lebenden Familienmitgliedern. Solche Einschüchterungsversuche gegen chinesischstämmige Politiker sind in Kanada und anderen Ländern mit großer chinesischer Diaspora nicht selten. Chong hatte 2021 einen erfolgreichen Antrag im Parlament unterstützt, der die Behandlung der uigurischen Minderheit in China als Völkermord bezeichnete.
Chong sagte, er sei “zutiefst enttäuscht” gewesen, als er aus der kanadischen Tageszeitung “Globe and Mail” von der möglichen Bedrohung seiner Familie erfuhr. Er kritisierte die kanadische Regierung für ihre Untätigkeit. Seit dem Bericht hatte er wiederholt die Ausweisung Zhaos gefordert. Die Zeitung hatte unter Berufung auf eine ungenannte Quelle auch berichtet, Zhao sei an der Beschaffung von Informationen über Chong beteiligt gewesen. China erklärte, es habe sich nie in die inneren Angelegenheiten Kanadas eingemischt und auch kein Interesse daran. rtr/cyb
Nach monatelangem Streit darf der chinesische Staatskonzern Cosco nun endgültig beim Hamburger Container-Terminal Tollerort einsteigen. Die Bundesregierung habe entschieden, die Minderheitsbeteiligung des chinesischen Unternehmens Cosco Shipping Ports Limited am Container Terminal Tollerort freizugeben, teilte die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) am Mittwoch in einem kurzen Statement mit. “Alle Fragen im Rahmen des Investitionsprüfverfahrens konnten gemeinsam in intensiven, konstruktiven Gesprächen geklärt werden.”
Die erneute Prüfung des Einstiegs wurde nötig, weil das Container-Terminal Tollerort nach der ersten Genehmigung doch noch als kritische Infrastruktur eingestuft worden war. Auch die Bundesregierung bestätigte am Mittwoch, “dass die überarbeiteten Kaufverträge im Einklang mit den Bedingungen der Teiluntersagung stehen”.
Nun könne die HHLA den Tollerort-Terminal zu einem bevorzugten Umschlagpunkt des langjährigen Kunden Cosco ausbauen, frohlockte das Unternehmen in dem Statement. Rund 30 Prozent der im Hamburger Hafen umgeschlagenen Waren kommen demnach aus China oder gingen dorthin. Die HHLA hatte stets betont, dass der Cosco-Einstieg notwendig sei, um den chinesischen Staatskonzern dauerhaft an Hamburg zu binden.
Auch Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) zeigte sich nach einem Bericht des NDR in einer ersten Reaktion erleichtert. Für den Exportstandort Deutschland sei es gut, dass nach mehr als eineinhalb Jahren Prüfverfahren nun Klarheit herrsche, so Leonhard. Auch Lokalpolitiker des grünen Koalitionspartners in Hamburg sowie anderer Parteien begrüßten laut NDR am Abend die Entscheidung. Kritiker hatten dagegen Sicherheitsrisiken in dem Cosco-Deal gesehen.
Noch steht allerdings die endgültige Zusage Coscos aus, ob der Konzern zu den aktuellen Bedingungen noch in Hamburg einsteigen will. Der Konzern hatte die vetragliche Deadline für die Entscheidung am 31. Dezember 2022 verstreichen lassen. Eigentlich wollte Cosco 35 Prozent am Tollerort übernehmen, was so auch mit der HHLA vereinbart worden war. Doch nach zähem Ringen zwischen skeptischen Bundesministerien und dem Kanzleramt stand der Kompromiss einer so genannten Teiluntersagung: Maximal 24,9 Prozent darf Cosco kaufen und diesen Anteil auch künftig nicht erhöhen. ck
Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) mahnt zur Vorsicht bei der Nutzung der Smartphone-App Tiktok. “Ich benutze beispielsweise nicht die chinesische Video-App Tiktok”, sagte sie dem Nachrichtenportal T-Online. Sie verstehe zwar den Reiz, sei dort aber nicht aktiv. “In anderen Ländern findet über solche Apps eine Kontrolle statt, die bei uns aus guten Gründen rechtlich nicht erlaubt ist.”
In den USA tobt seit längerem eine Debatte über ein Verbot der Software für Kurzvideos, Kritiker halten dem chinesischen Eigentümer Bytedance Einflussnahme auf die Nutzer vor. Aber auch zahlreiche europäische Regierungen haben ihren Beamten verboten, die App auf ihren Diensthandys zu verwenden.
Stark-Watzinger forderte zudem Hochschulen auf, Kooperationen mit China abzuwägen und dabei Risiken zu minimieren. Besonders bei einigen Zukunftstechnologien wie der Künstlichen Intelligenz plädierte die Ministerin für Vorsicht. “Wir müssen bei Technologien aufpassen, die militärisch genutzt werden oder auch entgegen unserer Werte eingesetzt werden können. Wie im Bereich der Künstlichen Intelligenz.” Diese Technologie könne eingesetzt werden, um die Bevölkerung zu kontrollieren. “Wir dürfen gegenüber China nicht naiv sein und müssen extrem aufpassen”, sagte Stark-Watzinger dem Portal. flee
Das chinesische Ministerium für Landwirtschaft und ländliche Angelegenheiten hat die Sicherheit einer gentechnisch veränderten Sojapflanze des Unternehmens Shandong Shunfeng Biotechnology offiziell anerkannt. Damit hat China erstmals eine Genehmigung für eine Genom-Editierung an einer Kulturpflanze ausgesprochen.
Im Gegensatz zu genmanipulierten Pflanzen werden in Genom-editierte Pflanzen keine Fremdgene anderer Pflanzen eingebracht. Stattdessen werden einzelne Erbinformationen der Pflanze so verändert, dass sie zum Beispiel widerstandsfähiger wird oder verbesserte Eigenschaften aufweist. Im Fall der Sojabohne wurden zwei Gene editiert, um den Gehalt gesunder Ölsäure zu erhöhen. Bevor das Ministerium die Pflanze endgültig zum Anbau zulässt, sind allerdings noch weitere Genehmigungsschritte nötig. Shunfeng forscht parallel an 20 weiteren Genom-editierten Pflanzen, unter anderem an ertragsstarken Reis-, Weizen- und Maissorten.
Lebensmittelsicherheit ist in China mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern und einer im Verhältnis geringen landwirtschaftlichen Anbaufläche ein politisch sensibles Thema. Klimaereignisse wie extreme Hitzewellen und Dürren sowie der Krieg im wichtigen Weizenanbauland Ukraine haben den Druck zuletzt erhöht. Genom-Anpassungen gelten als einfacher und kostengünstiger Weg, Pflanzen ertragreicher und resilienter zu machen. jul
Dieser Tage häufen sich die Vorfälle, bei denen sich die traumatische Geschichte der Volksrepublik China zu wiederholen scheint: Bei ihrer Feldforschung sammelte die Soziologin Guo Yuhua einst die mündlichen Geschichten von Bauern, die während der großen Hungersnöte nicht aus ihren Dörfern fliehen durften. 60 Jahre später steht die pensionierte Professorin selbst am Grenzübergang von Shenzhen zur ehemals britische Kronkolonie Hongkong – und wird von den Zollbeamten abgewiesen. Ein von Peking verhängtes Ausreiseverbot sei gegen sie verhängt worden, gab man der Akademikerin Bescheid.
Guo Yuhua ist damit nur der jüngste Fall in einer endlosen Reihe. Immer wieder hält die Zentralregierung kritische Stimmen wie Geiseln in den eigenen Landesgrenzen gefangen. Die Menschenrechts-NGO Safeguard Defenders hat in einer aktuellen Studie eruiert, wie systematisch Staatschef Xi Jinping die Praxis ausgeweitet hat: Allein in den letzten vier Jahren wurden fünf zusätzliche Gesetze verabschiedet oder geändert, die solche Ausreiseverbote vorsehen.
Die NGO schätzt, dass derzeit mehrere zehntausend Chinesen mit einer solchen Klausel belegt worden sind. Eine wissenschaftliche Studie aus dem Vorjahr hat zwischen 1995 und 2019 knapp 130 Fälle registriert, in denen auch ausländische Staatsbürger davon betroffen waren – vorwiegend Nordamerikaner.
Die 66-Jährige gilt als eine der führenden Soziologinnen des Landes. Ihr akademisches Leben hat sie wie kaum eine zweite der Feldforschung gewidmet. Bekanntheit erlangte sie Mitte der 1990er-Jahre für ihr Projekt “kommunistische Zivilisation”, in dem sie die Geschichte mehrerer Dorfgemeinschaften seit Beginn der kollektivistischen Landreformen der 1950er-Jahre aufspürte. Nach Vorbild sogenannter “Oral History” gaben die Bauern als Zeitzeugen möglichst unbeeinflusst und in eigenen Worten ihre Lebenserfahrungen nieder.
Mittlerweile ist dieser Ansatz unter Staatschef Xi Jinping de facto nicht mehr möglich, weil die kommunistische Partei stets die Informationshoheit über die Narrative beibehalten möchte – ganz gleich, ob im Journalismus, der Politik oder auch in der Wissenschaft. Sie möchte verhindern, dass auch die dunklen Seiten der Geschichte zum Vorschein kommen. Guo Yuhua hat diese trotz des politischen Klimas wiederholt ausgegraben, wie allein der Titel ihres 2013 publizierten Buchs verdeutlicht: “Die Erzählung derer, die leiden”.
Das Werk wurde im Festland verboten und konnte nur in Hongkong gedruckt werden. Von dort gelangten jedoch immer wieder Schmuggelware nach Peking, auch wenn es die Lieferungen zuletzt kaum mehr durch die Post schafften. Guo selbst beschwerte sich mehrfach, dass sie als renommierte Forscherin keinerlei Zugang zu einigen ihrer eigenen Publikationen hat.
Auch auf anderen Wegen wurde ihre Stimme zunehmend zum Schweigen gebracht: Ihre Alma Mater – die elitäre Tsinghua-Universität in Peking – verbannte zuletzt praktisch sämtliche von Guos Büchern aus den Bibliotheksregalen. Und immer wieder löschten die Zensoren auch ihre Beiträge aus den sozialen Medien.
Dass sich Guo Yuhua für die einfachen Leute engagierte, war ihr nicht unbedingt in die Wiege gelegt. Sie wuchs zunächst in einer staatlichen Wohnsiedlung in Peking auf, die der politischen Führungselite des Landes vorbehalten war. Ihre Eltern waren Militäroffiziere, die der Zentralregierung dienten. Doch während der Kulturrevolution (1966-76) fiel Guos Vater in Ungnade und wurde von den Behörden verfolgt. 1968 starb er an Leberzirrhose – auch, weil man ihm den Zugang zu Medikamenten verweigerte. Guo Yuhua wurde – wie Millionen junger Menschen damals – in die Provinz verbannt, um Zwangsarbeit zu verrichten.
Damit weist ihre Biografie erstaunliche Parallelen zu Staatschef Xi Jinping auf, der als Prinzling eines mächtigen Parteifunktionärs geboren wurde, welcher später jedoch von Staatsgründer Mao Tsetung geschasst wurde. Während Xi allerdings in den Folgejahren “roter als rot” wurde, wählte Guo Yuhua einen anderen Weg: Sie behielt ihren kritischen Blick gegenüber der kommunistischen Elite bei.
Ihre Ablehnung gegenüber den Verhältnissen wurde zuletzt immer unerbittlicher, was vor allem mit der Politik des seit 2012 amtierenden Staatschefs Xi Jinping zu tun hatte: Der 69-Jährige weitete die ideologische Kontrolle auf sämtliche Gesellschaftsbereiche aus und duldete auch in den Universitäten keine gedanklichen Freiräume mehr. An der Tsinghua-Universität wurden zuletzt etliche Professoren verhaftet und gefeuert. Als die Publizistin Geng Xiaonan 2021 zu drei Jahren Haft verurteilt wurde, gehörte Guo zu den wenigen Stimmen, die sich noch öffentlich solidarisierten. Dies könnte nun einer der Gründe sein, weshalb sie nicht aus China ausreisen darf.
In einem ihrer letzten Interviews aus dem Frühjahr 2020 sprach sie noch mit entwaffnender Ehrlichkeit über ihre Gefühle: “Natürlich habe ich Angst! Wer hätte das nicht? Aber egal, wie viel Angst du hast, du darfst weder vor ihnen in die Knie gehen, noch darfst du dich fallen lassen”. Für sie gebe es keine andere Wahl, als sich weiter öffentlich zu äußern. Fabian Kretschmer
dass die diesjährige VW-Hauptversammlung in Berlin weitaus schwieriger ablaufen wird als in vergangenen Jahren, stand davor schon fest. Die Protestaktionen, die die Veranstaltung am Mittwoch, begleiteten, waren dennoch überraschend heftig, berichtet Marcel Grzanna. Mit verschiedenen Aktionen taten Aktivisten ihren Unmut gegen das Engagement des Autobauers in der chinesischen Region Xinjiang kund. Unter anderem warfen sie eine Torte in Richtung Podium. Eine Aktivistin protestierte mit nacktem Oberkörper. VW blieb trotz alldem seinen PR-Floskeln treu.
Der Menschenrechtsrat der Uno in Genf müsste eigentlich ein riesiger Fan von Sanktionen sein, sollte man meinen. Wie sonst soll die Weltgemeinschaft auf Staaten einwirken, die die Rechte ihrer Bürger verletzen? Doch so ist es nicht. In dem Gremium in Genf hat sich eine Linie durchgesetzt, die Wirtschaftsstrafen ablehnt, wenn diese nicht von den gesamten Vereinten Nationen getragen werden. Diese seien nicht rechtmäßig.
Der scheinbare Widerspruch löst sich auf, wenn man die Mehrheitsverhältnisse ansieht. Die asiatischen, afrikanischen und lateinamerikanischen Staaten haben in dem Rat auf Betreiben Chinas gegen den Westen gestimmt. Sie wollen keine Bevormundung durch US-geführte Koalitionen.
In der Rubrik Heads stellen wir Ihnen heute die Arbeit von Guo Yuhua vor. Die einst auch in China renommierte Soziologin wurde jüngst mit einem Ausreise-Verbot belegt. Sie sammelte unter anderem mündliche Geschichten von Bauern, die während der großen Hungersnöte nicht aus ihren Dörfern fliehen durften. Guo ist damit nur der jüngste Fall in einer endlosen Reihe. Immer wieder hält die Zentralregierung kritische Stimmen wie Geiseln in den eigenen Landesgrenzen gefangen.
Menschenrechtsaktivisten haben die Aktionärsversammlung von Volkswagen am Mittwoch wie angekündigt mehrfach gestört. Mit verschiedenen Aktionen protestierten sie gegen das Engagement des Autobauers in der chinesischen Region Xinjiang. Unter anderem warfen die Aktivisten eine Torte in Richtung Podium, wo Wolfgang Porsche als Vertreter der Eigentümerfamilie an seinem 80. Geburtstag Platz genommen hatte.
Die Rede von Konzernchef Oliver Blume wurde derweil von einer Frau unterbrochen, die mit nacktem Oberkörper vor dem Podium die “Ausbeutung” von Arbeitskräften in Xinjiang kritisierte, ehe sie vom Sicherheitspersonal aus dem Saal geführt wurde.
Davon unbeeindruckt kündigte Blume an, der Konzern wolle weiter in China investieren und wachsen. Die “China-Strategie 2030” sieht vor, sich “noch stärker auf chinesische Kunden auszurichten” und über lokale Partnerschaften “die Entwicklung neuer Technologien zu beschleunigen”.
Vor dem Eingang des City Cube hatten Nichtregierungsorganisationen und der Dachverband Kritischer Aktionäre bereits vor Beginn der Veranstaltung protestiert. Vor einem VW-Golf übten zwei Personen den Schulterschluss. Eine Person war als Chinas Staatschef Xi Jinping maskiert, die andere als VW-Chef Blume. Der Xi-Darsteller hielt dabei zwei Personen in Blaumännern an einer Kette. Die Aktivisten fordern ein Ende des Xinjiang-Engagements des Herstellers.
Zu den Vorwürfen möglicher Menschenrechtsverletzungen nahm China-Chef Ralf Brandstätter Stellung. Um kulturellen Bedürfnissen der Belegschaft gerecht zu werden, habe das Werk “ein inklusives Arbeitsumfeld geschaffen, das religiöse Überzeugungen und unterschiedliche Kulturen respektiert.” Zum Beispiel gebe es in der Kantine Halal-Gerichte für Muslime. Wegen vertraglicher Verpflichtungen sei es Volkswagen allerdings nicht möglich, externe Prüfungen ohne Zustimmung des Joint-Venture-Partners SAIC anzuordnen.
Mit SAIC stimme man überein, dass Grundwerte und Recht in gemeinsamen Unternehmungen eingehalten und geschützt werden müssen, sagte Brandstätter. Nach einem Besuch im Februar im Werk in Xinjiang habe Brandstätter keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzungen finden können. Er habe auch keinen Grund, an den entsprechenden Quellen für seine Informationen zu zweifeln. Anderfalls werde der Konzern “unmittelbar und unverzüglich reagieren.”
Damit griff Brandstätter auf die übliche Verteidigungsstrategie von Volkswagen zurück. Der Konzern verteidigt sein Werk in Xinjiang, aber geht den Vorwürfen gegen Schwachpunkte in seinen Lieferketten großräumig aus dem Weg. Forscher der Hallam University in Sheffield hatten die großen Risiken offengelegt, denen sich Volkswagen, aber auch andere deutsche Hersteller wie BMW oder Mercedes-Benz durch ihre Wertschöpfung in China aussetzen.
“Volkswagen zeigt mit seinen Antworten, dass es Systematik und Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen nicht verstanden hat oder verstehen will”, sagte Hanno Schedler von der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), die sich an der Aktion vor dem Eingang beteiligt hatte. “Mit PR-Sprech verhöhnt VW die Opfer des Völkermords”, so Schedler. Umso wichtiger sei es, dass auch die niedersächsische Landesregierung als Teilhaber ihre Zurückhaltung gegenüber Volkswagen aufgebe und einen Rückzug aus der Region fordere.
Kritisch beäugt wird das Xinjiang-Engagement der Wolfsburger auch von Fondsgesellschaften, die gegenüber den Konzernen die Interessen ihrer Millionen von Aktionären vertreten. Dazu gehört Union Investment, dessen Leiter ESG Capital Markets & Stewardship, Janne Werning, den Vorstand am Mittwoch daran erinnerte, dass Volkswagen trotz mehrfacher Nachfrage zufriedenstellende Antworten schuldig sei.
Ob die wenig präzisen Ausführungen des Vorstandes Union Investment überzeugen, ist noch ungewiss. “So zeitnah nach der Versammlung ist ein Urteil darüber noch nicht möglich”, sagte Werning. Gemeinsam mit dem ESG-Komitee der Fondsgesellschaft werden die Stellungnahmen von Volkswagen in den kommenden Tagen bewertet.
Zu den Risiken einer zunehmenden Abhängigkeit des Konzerns von China, sagte Brandstätter, dass es sich wegen der tiefgreifenden Lieferketten um eine wechselseitige Abhängigkeit handle. Volkswagen setzte auf Diversifizierung statt auf Decoupling. Der Konzern unterstütze das politische Ziel, entsprechende Anreize für deutsche Unternehmen zu schaffen.
Der UN-Menschenrechtsrat fordert in einer Resolution ein Ende von einseitigen Sanktionen, die unter anderem “nicht im Einklang mit dem Völkerrecht, dem humanitären Völkerrecht” und der Charta der Vereinten Nationen stehen. In dem Text werden alle Staaten nachdrücklich aufgefordert, die “Annahme, Aufrechterhaltung oder Durchsetzung” solcher einseitigen Wirtschaftssanktionen einzustellen. 33 Staaten stimmten dafür, darunter auch China. 13 stimmten dagegen, es gab eine Enthaltung Mexikos.
Damit hat der Westen unter Führung der USA in den Vereinten Nationen eine Niederlage einstecken müssen. Alle in dem Rat vertretenen asiatischen, afrikanischen und lateinamerikanischen Staaten stimmten der Resolution zu. Diese “einseitigen Zwangsmaßnahmen” verstießen gegen die UN-Charta und “Normen und Grundsätze für friedliche Beziehungen zwischen den Staaten”, heißt es in dem Text.
Das Dokument fordert die Beendigung solcher Sanktionen. Es verurteilt sie als “Werkzeuge des Drucks”, die von “einigen Staaten” benutzt würden, um “die Souveränität anderer Staaten” einzuschränken, vor allem “gegen Entwicklungsländer, um ihre politischen, wirtschaftlichen und Sozialsysteme in eine bestimmte Richtung zu treiben”. Die UN-Resolutionen aus dem Menschenrechtsrat sind, wie in vielen anderen Staatenorganisationen und Parlamenten, für die Mitgliedsstaaten oder ausführenden Institutionen nicht bindend.
China ist eines der Länder, die diese Agenda schon seit Jahren befürworten und vorangetrieben hat. Schon vor knapp zehn Jahren, als der heutige Außenminister Qin Gang noch Sprecher des Außenministeriums war, hat er sich bereits im Namen der chinesischen Regierung gegen Sanktionen ausgesprochen. Lange war diese Position nicht mehrheitsfähig. Im Frühjahr hatte sich die Bewegung der von Indien, China und Brasilien angeführten “blockfreien Staaten” mit rund 120 Mitgliedern jedoch auf einen gemeinsamen Kurs einigen können.
Dies kann als diplomatischer Erfolg Pekings, aber auch Delhis gewertet werden. Eingereicht hatte die Resolution jedoch Aserbaidschan im Namen der “blockfreien Staaten”. Aserbaidschan, das zwischen dem Kaspischen Meer und dem Kaukasus liegt, der sich zwischen Asien und Europa erstreckt, ist ein zentrales Land des China-Zentralasien-Westasien-Wirtschaftskorridors (CCAWEC). Dieser dient der Volksrepublik dazu, unter Umgehung von Russland Europa zu erreichen. Baku und das dortige Regime gelten nicht unbedingt als glühende Verfechter der Menschenrechte. Obwohl Aserbaidschan sehr schwierige, wechselvolle Beziehungen zu Russland hat, hat es sich nicht an den Sanktionen gegen das Land beteiligt.
Die drei Länder in Asien, die Sanktionen des Westens gegen Russland mittragen – also Japan, Singapur und mit Abstrichen Südkorea – stimmten ebenfalls für die Abschaffung von unilateralen Sanktionen. Wichtig dabei: Die Resolution spricht sich nicht grundsätzlich gegen Sanktionen aus, sondern nur gegen Strafmaßnahmen, die keine Mehrheit in der UN gefunden haben. Bei einem guten Dutzend Länder hat sich die UN auf Sanktionen einigen können: Dazu zählen unter anderem Iran, Sudan und Nordkorea.
Die USA, die Nato-Staaten sowie Georgien, Montenegro und die Ukraine lehnten die UN-Resolution ab. Die Abstimmungsresultate zeigen, dass der Graben zwischen dem etablierten Westen und den aufsteigenden Ländern immer größer wird. Die BRICS-Länder vertreten mehr Menschen und mehr globale Wirtschaftskraft als die G7.
Die US-Vertreterin im Menschenrechtsrat der UN, Michèle Taylor, meinte, der Resolutionstext stelle in unangemessener Weise die “Fähigkeit von Staaten infrage, ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu bestimmen und legitime nationale Interessen zu schützen.” Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, die zu Beginn der Sitzung des Menschenrechtsrates in Genf eine Rede hielt, hat sich bisher nicht zu dem Resolutionstext geäußert.
Bei ihrem Besuch in Peking hat Baerbock ihren Amtskollegen Qin Gang auf die Bedeutung des Rates hingewiesen: “Eine Zusammenarbeit mit dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zur Umsetzung seiner Empfehlungen würden wir begrüßen, so wie es uns allen als Mitglieder der Vereinten Nationen Verpflichtung ist.” Baerbock betonte dies im Zusammenhang mit den Erkenntnissen des UN-Menschenrechtsrates zu Xinjiang. Wenn Baerbock so argumentiert, müsste sie sich nun eigentlich auch verpflichtet fühlen, den Inhalt der angenommenen Resolution zu Sanktionen umzusetzen.
Unter vollkommenen Ausschluss der Öffentlichkeit hat ein Volksgericht in der südchinesischen Metropole Guangzhou den Menschenrechtsanwalt, Aktivisten und Schriftsteller Guo Feixiong zu acht Jahren Haft verurteilt. Ihm wird die Publikation regierungskritischer Texte vorgeworfen, sowie die Anstachelung anderer, gegen die Regierung zu hetzen.
Nicht einmal die am Donnerstagmorgen entsandten Diplomaten, darunter auch ein Vertreter Deutschlands, durften dem Prozess beiwohnen. Ihr Erscheinen ist dennoch symbolische Geste der Solidarität, die jedoch stumm bleibt: Die Botschaften wollen den Fall nicht öffentlich kommentieren – aus Angst, dass ihre Unterstützung dem Verurteilten zur Last gelegt werden kann.
Massive Kritik hagelt es jedoch aus dem Ausland. “Wir sind entsetzt über das Urteil”, kommentiert Mary Lawlor, UN-Sonderberichterstatterin für Menschenrechte. Wieder einmal habe China seine völlige Missachtung gegen viele der Werte demonstriert, die vor 75 Jahren in der Allgemeinen Erklärung für Menschenrechte festgehalten wurden.
Der Fall ist vor allem deshalb so tragisch, weil Guo erst vor wenigen Jahren eine elfjährige Haftstrafe abgesessen hatte und von Folter und Hungerstreiks gezeichnet war. Sein erneuter Kampf mit den Behörden ging darauf zurück, dass er sich vor zwei Jahren von seiner Ehefrau verabschieden wollte, die mit den gemeinsamen Kindern in den USA lebt und an Darmkrebs im Endstadium erkrankt war. Doch die chinesischen Behörden ließen Guo nicht ausreisen, sondern verhafteten ihn am Flughafen. Seine Frau ist inzwischen verstorben. fkr
China hat am Dienstag die kanadische Generalkonsulin in Shanghai Jennifer Lynn Lalonde ausgewiesen. Lalonde muss China bis zum 13. Mai verlassen. Damit regierte Peking auf die Aufforderung der kanadischen Regierung vom Vortag an einen in Toronto ansässigen chinesischen Diplomaten, das Land zu verlassen. Die Spannungen zwischen den beiden Ländern verschärfen sich damit weiter.
Nach der Ausweisung der Generalkonsulin sagte Premier Justin Trudeau, Kanada werde sich durch die Vergeltungsmaßnahmen Chinas nicht einschüchtern lassen: “Wir werden weiterhin alles Notwendige tun, um die Kanadier vor ausländischer Einmischung zu schützen.”
Hintergrund des Streits ist ein Geheimdienstbericht, der dem ausgewiesenen chinesischen Diplomaten Zhao Wei Versuche vorgeworfen hat, den kanadischen Abgeordneten Michael Chong zu beeinflussen und unter Druck zu setzen. Am 1. Mai waren Einzelheiten des bereits zwei Jahre alten Berichts des kanadischen Geheimdienstes CSIS über den chinesischen Einfluss in Kanada durchgesickert.
Der Report enthielt auch Informationen über eine mögliche Bedrohung des konservativen Abgeordneten Michael Chong und dessen in Hongkong lebenden Familienmitgliedern. Solche Einschüchterungsversuche gegen chinesischstämmige Politiker sind in Kanada und anderen Ländern mit großer chinesischer Diaspora nicht selten. Chong hatte 2021 einen erfolgreichen Antrag im Parlament unterstützt, der die Behandlung der uigurischen Minderheit in China als Völkermord bezeichnete.
Chong sagte, er sei “zutiefst enttäuscht” gewesen, als er aus der kanadischen Tageszeitung “Globe and Mail” von der möglichen Bedrohung seiner Familie erfuhr. Er kritisierte die kanadische Regierung für ihre Untätigkeit. Seit dem Bericht hatte er wiederholt die Ausweisung Zhaos gefordert. Die Zeitung hatte unter Berufung auf eine ungenannte Quelle auch berichtet, Zhao sei an der Beschaffung von Informationen über Chong beteiligt gewesen. China erklärte, es habe sich nie in die inneren Angelegenheiten Kanadas eingemischt und auch kein Interesse daran. rtr/cyb
Nach monatelangem Streit darf der chinesische Staatskonzern Cosco nun endgültig beim Hamburger Container-Terminal Tollerort einsteigen. Die Bundesregierung habe entschieden, die Minderheitsbeteiligung des chinesischen Unternehmens Cosco Shipping Ports Limited am Container Terminal Tollerort freizugeben, teilte die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) am Mittwoch in einem kurzen Statement mit. “Alle Fragen im Rahmen des Investitionsprüfverfahrens konnten gemeinsam in intensiven, konstruktiven Gesprächen geklärt werden.”
Die erneute Prüfung des Einstiegs wurde nötig, weil das Container-Terminal Tollerort nach der ersten Genehmigung doch noch als kritische Infrastruktur eingestuft worden war. Auch die Bundesregierung bestätigte am Mittwoch, “dass die überarbeiteten Kaufverträge im Einklang mit den Bedingungen der Teiluntersagung stehen”.
Nun könne die HHLA den Tollerort-Terminal zu einem bevorzugten Umschlagpunkt des langjährigen Kunden Cosco ausbauen, frohlockte das Unternehmen in dem Statement. Rund 30 Prozent der im Hamburger Hafen umgeschlagenen Waren kommen demnach aus China oder gingen dorthin. Die HHLA hatte stets betont, dass der Cosco-Einstieg notwendig sei, um den chinesischen Staatskonzern dauerhaft an Hamburg zu binden.
Auch Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) zeigte sich nach einem Bericht des NDR in einer ersten Reaktion erleichtert. Für den Exportstandort Deutschland sei es gut, dass nach mehr als eineinhalb Jahren Prüfverfahren nun Klarheit herrsche, so Leonhard. Auch Lokalpolitiker des grünen Koalitionspartners in Hamburg sowie anderer Parteien begrüßten laut NDR am Abend die Entscheidung. Kritiker hatten dagegen Sicherheitsrisiken in dem Cosco-Deal gesehen.
Noch steht allerdings die endgültige Zusage Coscos aus, ob der Konzern zu den aktuellen Bedingungen noch in Hamburg einsteigen will. Der Konzern hatte die vetragliche Deadline für die Entscheidung am 31. Dezember 2022 verstreichen lassen. Eigentlich wollte Cosco 35 Prozent am Tollerort übernehmen, was so auch mit der HHLA vereinbart worden war. Doch nach zähem Ringen zwischen skeptischen Bundesministerien und dem Kanzleramt stand der Kompromiss einer so genannten Teiluntersagung: Maximal 24,9 Prozent darf Cosco kaufen und diesen Anteil auch künftig nicht erhöhen. ck
Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) mahnt zur Vorsicht bei der Nutzung der Smartphone-App Tiktok. “Ich benutze beispielsweise nicht die chinesische Video-App Tiktok”, sagte sie dem Nachrichtenportal T-Online. Sie verstehe zwar den Reiz, sei dort aber nicht aktiv. “In anderen Ländern findet über solche Apps eine Kontrolle statt, die bei uns aus guten Gründen rechtlich nicht erlaubt ist.”
In den USA tobt seit längerem eine Debatte über ein Verbot der Software für Kurzvideos, Kritiker halten dem chinesischen Eigentümer Bytedance Einflussnahme auf die Nutzer vor. Aber auch zahlreiche europäische Regierungen haben ihren Beamten verboten, die App auf ihren Diensthandys zu verwenden.
Stark-Watzinger forderte zudem Hochschulen auf, Kooperationen mit China abzuwägen und dabei Risiken zu minimieren. Besonders bei einigen Zukunftstechnologien wie der Künstlichen Intelligenz plädierte die Ministerin für Vorsicht. “Wir müssen bei Technologien aufpassen, die militärisch genutzt werden oder auch entgegen unserer Werte eingesetzt werden können. Wie im Bereich der Künstlichen Intelligenz.” Diese Technologie könne eingesetzt werden, um die Bevölkerung zu kontrollieren. “Wir dürfen gegenüber China nicht naiv sein und müssen extrem aufpassen”, sagte Stark-Watzinger dem Portal. flee
Das chinesische Ministerium für Landwirtschaft und ländliche Angelegenheiten hat die Sicherheit einer gentechnisch veränderten Sojapflanze des Unternehmens Shandong Shunfeng Biotechnology offiziell anerkannt. Damit hat China erstmals eine Genehmigung für eine Genom-Editierung an einer Kulturpflanze ausgesprochen.
Im Gegensatz zu genmanipulierten Pflanzen werden in Genom-editierte Pflanzen keine Fremdgene anderer Pflanzen eingebracht. Stattdessen werden einzelne Erbinformationen der Pflanze so verändert, dass sie zum Beispiel widerstandsfähiger wird oder verbesserte Eigenschaften aufweist. Im Fall der Sojabohne wurden zwei Gene editiert, um den Gehalt gesunder Ölsäure zu erhöhen. Bevor das Ministerium die Pflanze endgültig zum Anbau zulässt, sind allerdings noch weitere Genehmigungsschritte nötig. Shunfeng forscht parallel an 20 weiteren Genom-editierten Pflanzen, unter anderem an ertragsstarken Reis-, Weizen- und Maissorten.
Lebensmittelsicherheit ist in China mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern und einer im Verhältnis geringen landwirtschaftlichen Anbaufläche ein politisch sensibles Thema. Klimaereignisse wie extreme Hitzewellen und Dürren sowie der Krieg im wichtigen Weizenanbauland Ukraine haben den Druck zuletzt erhöht. Genom-Anpassungen gelten als einfacher und kostengünstiger Weg, Pflanzen ertragreicher und resilienter zu machen. jul
Dieser Tage häufen sich die Vorfälle, bei denen sich die traumatische Geschichte der Volksrepublik China zu wiederholen scheint: Bei ihrer Feldforschung sammelte die Soziologin Guo Yuhua einst die mündlichen Geschichten von Bauern, die während der großen Hungersnöte nicht aus ihren Dörfern fliehen durften. 60 Jahre später steht die pensionierte Professorin selbst am Grenzübergang von Shenzhen zur ehemals britische Kronkolonie Hongkong – und wird von den Zollbeamten abgewiesen. Ein von Peking verhängtes Ausreiseverbot sei gegen sie verhängt worden, gab man der Akademikerin Bescheid.
Guo Yuhua ist damit nur der jüngste Fall in einer endlosen Reihe. Immer wieder hält die Zentralregierung kritische Stimmen wie Geiseln in den eigenen Landesgrenzen gefangen. Die Menschenrechts-NGO Safeguard Defenders hat in einer aktuellen Studie eruiert, wie systematisch Staatschef Xi Jinping die Praxis ausgeweitet hat: Allein in den letzten vier Jahren wurden fünf zusätzliche Gesetze verabschiedet oder geändert, die solche Ausreiseverbote vorsehen.
Die NGO schätzt, dass derzeit mehrere zehntausend Chinesen mit einer solchen Klausel belegt worden sind. Eine wissenschaftliche Studie aus dem Vorjahr hat zwischen 1995 und 2019 knapp 130 Fälle registriert, in denen auch ausländische Staatsbürger davon betroffen waren – vorwiegend Nordamerikaner.
Die 66-Jährige gilt als eine der führenden Soziologinnen des Landes. Ihr akademisches Leben hat sie wie kaum eine zweite der Feldforschung gewidmet. Bekanntheit erlangte sie Mitte der 1990er-Jahre für ihr Projekt “kommunistische Zivilisation”, in dem sie die Geschichte mehrerer Dorfgemeinschaften seit Beginn der kollektivistischen Landreformen der 1950er-Jahre aufspürte. Nach Vorbild sogenannter “Oral History” gaben die Bauern als Zeitzeugen möglichst unbeeinflusst und in eigenen Worten ihre Lebenserfahrungen nieder.
Mittlerweile ist dieser Ansatz unter Staatschef Xi Jinping de facto nicht mehr möglich, weil die kommunistische Partei stets die Informationshoheit über die Narrative beibehalten möchte – ganz gleich, ob im Journalismus, der Politik oder auch in der Wissenschaft. Sie möchte verhindern, dass auch die dunklen Seiten der Geschichte zum Vorschein kommen. Guo Yuhua hat diese trotz des politischen Klimas wiederholt ausgegraben, wie allein der Titel ihres 2013 publizierten Buchs verdeutlicht: “Die Erzählung derer, die leiden”.
Das Werk wurde im Festland verboten und konnte nur in Hongkong gedruckt werden. Von dort gelangten jedoch immer wieder Schmuggelware nach Peking, auch wenn es die Lieferungen zuletzt kaum mehr durch die Post schafften. Guo selbst beschwerte sich mehrfach, dass sie als renommierte Forscherin keinerlei Zugang zu einigen ihrer eigenen Publikationen hat.
Auch auf anderen Wegen wurde ihre Stimme zunehmend zum Schweigen gebracht: Ihre Alma Mater – die elitäre Tsinghua-Universität in Peking – verbannte zuletzt praktisch sämtliche von Guos Büchern aus den Bibliotheksregalen. Und immer wieder löschten die Zensoren auch ihre Beiträge aus den sozialen Medien.
Dass sich Guo Yuhua für die einfachen Leute engagierte, war ihr nicht unbedingt in die Wiege gelegt. Sie wuchs zunächst in einer staatlichen Wohnsiedlung in Peking auf, die der politischen Führungselite des Landes vorbehalten war. Ihre Eltern waren Militäroffiziere, die der Zentralregierung dienten. Doch während der Kulturrevolution (1966-76) fiel Guos Vater in Ungnade und wurde von den Behörden verfolgt. 1968 starb er an Leberzirrhose – auch, weil man ihm den Zugang zu Medikamenten verweigerte. Guo Yuhua wurde – wie Millionen junger Menschen damals – in die Provinz verbannt, um Zwangsarbeit zu verrichten.
Damit weist ihre Biografie erstaunliche Parallelen zu Staatschef Xi Jinping auf, der als Prinzling eines mächtigen Parteifunktionärs geboren wurde, welcher später jedoch von Staatsgründer Mao Tsetung geschasst wurde. Während Xi allerdings in den Folgejahren “roter als rot” wurde, wählte Guo Yuhua einen anderen Weg: Sie behielt ihren kritischen Blick gegenüber der kommunistischen Elite bei.
Ihre Ablehnung gegenüber den Verhältnissen wurde zuletzt immer unerbittlicher, was vor allem mit der Politik des seit 2012 amtierenden Staatschefs Xi Jinping zu tun hatte: Der 69-Jährige weitete die ideologische Kontrolle auf sämtliche Gesellschaftsbereiche aus und duldete auch in den Universitäten keine gedanklichen Freiräume mehr. An der Tsinghua-Universität wurden zuletzt etliche Professoren verhaftet und gefeuert. Als die Publizistin Geng Xiaonan 2021 zu drei Jahren Haft verurteilt wurde, gehörte Guo zu den wenigen Stimmen, die sich noch öffentlich solidarisierten. Dies könnte nun einer der Gründe sein, weshalb sie nicht aus China ausreisen darf.
In einem ihrer letzten Interviews aus dem Frühjahr 2020 sprach sie noch mit entwaffnender Ehrlichkeit über ihre Gefühle: “Natürlich habe ich Angst! Wer hätte das nicht? Aber egal, wie viel Angst du hast, du darfst weder vor ihnen in die Knie gehen, noch darfst du dich fallen lassen”. Für sie gebe es keine andere Wahl, als sich weiter öffentlich zu äußern. Fabian Kretschmer