Table.Briefing: China

VW bereitet möglichen Rückzug aus Xinjiang vor + Speicherausbau übertrifft Erwartungen

Liebe Leserin, lieber Leser,

Turpan ist ein Tiefpunkt. Geografisch gesehen, denn die Turpan-Senke im Westen Xinjiangs fällt stellenweise auf 155 Meter unter dem Meeresspiegel ab. Damit liegt hier nach Totem Meer und See Genezareth der dritt-tiefste Punkt der Erde. Volkswagen betreibt in Turpan eine Teststrecke für Autos, um sie unter extrem heißen und trockenen Bedingungen zu erproben. Die Bodentemperatur im Sand erreicht mitunter mehr als 82 Grad.

Den extremen Bedingungen in Turpan waren auch die uigurischen Arbeiter ausgesetzt, die die Teststrecke für SAIC und VW errichtet haben. Und zwar unfreiwillig. Im Rahmen eines staatlichen Transferprogramms wurden sie dazu gezwungen, am Bau mitzuwirken. Das belegen Recherchen des Forschers Adrian Zenz. Turpan ist damit nicht nur ein geografischer Tiefpunkt, sondern auch ein moralischer.

Immerhin: Volkswagen schließt nun den Rückzug aus Xinjiang nicht mehr aus, der bereits lange gefordert wird. Die Fondsgesellschaft Union Investment hält das Unternehmen derweil in seinen nachhaltigen Publikumsfonds nicht mehr für investierbar und zieht Konsequenzen, schreibt Marcel Grzanna in seiner Analyse zu Hintergründen und aktuellen Entwicklungen.

Weiter unten im Briefing finden Sie zu diesem Thema einen Standpunkt von Adrian Zenz und Rushan Abbas. Die beiden Wissenschaftler befassen sich darin ausführlich mit dem Audit, das VW vergangenes Jahr in Auftrag gegeben hatte, um sich der Zwangsarbeits-Vorwürfe zu entledigen. Sie sprechen von einer “moralischen und methodologischen Bankrotterklärung”.

Deutlich erfreulicher sind die Entwicklungen in China, was den Ausbau der Erneuerbaren Energien angeht. Die Kapazitäten von Solar- und Windstrom wachsen, wie auch andere Formen der regenerativen Energieerzeugung. China sieht sich allerdings den gleichen Problemen ausgesetzt wie wir hierzulande: Wind und Sonne wehen und scheinen einfach so, wie sie wollen – mal mehr, mal weniger. Also muss der Strom in Peak-Zeiten gespeichert werden, um dann bei Flaute zur Verfügung zu stehen. Christiane Kühl wirft in ihrer Analyse einen Blick darauf, wie China versucht, den Ausbau der Stromspeicher zu beschleunigen.

Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre und einen Tag ohne Tiefpunkte.

Ihre
Julia Fiedler
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Analyse

Volkswagen erwägt erstmals Rückzug aus Xinjiang: Fondsgesellschaft sieht neue Dimension erreicht

Ex-Volkswagen-Chef Martin Winterkorn und SAIC-Chef Mao Huanyuan bei der Vertragsunterzeichnung zum Bau der Fabrik in Urumqi 2014.
Ex-Volkswagen-Chef Martin Winterkorn und SAIC-Chef Mao Huanyuan bei der Vertragsunterzeichnung zum Bau der Fabrik in Urumqi 2014.

Volkswagen gerät wegen seines Gemeinschaftsunternehmens in Xinjiang immer stärker unter Druck. Am Mittwoch teilte die Konzernzentrale in Wolfsburg mit, man befinde sich bereits in Gesprächen mit dem Joint Venture-Partner SAIC über die künftige Ausrichtung der Geschäftsaktivitäten in der Provinz Xinjiang – eine verklausulierte Formulierung, die den möglichen Abschied aus der Region bedeuten kann.

Volkswagen reagiert damit auf neue Erkenntnisse, die auf eine direkte Verbindung eines Tochterunternehmens des Joint Ventures zum staatlichen Zwangsarbeitssystem hindeuten. Das Handelsblatt hatte Hinweise aus Reihen des Konzerns erhalten, dass beim Bau einer Teststrecke in Turpan in der autonomen Region Xinjiang transferierte uigurische Arbeitskräfte zum Einsatz gekommen waren. Bei transferierten Arbeitskräften handelt es sich um Uiguren, die im Rahmen eines staatlichen Transferprogramms im Land nach Bedarf verteilt werden. Diese Verteilung erfolgt unfreiwillig und betraf zwischen 2017 und 2019 Schätzungen zufolge 80.000 Personen.

Der China-Forscher Adrian Zenz, auf dessen Arbeit sich unter anderem kritische Berichte der Vereinten Nationen zur Lage in Xinjiang stützen, konnte diesen Verdacht mit seinen Recherchen bestätigen. Damit muss Volkswagen nach vielen Jahren des Leugnens eingestehen, dass einer seiner Partner in der Volksrepublik aktiv an der Unterdrückung der Uiguren beteiligt war.

“Für nachhaltigen Publikumsfonds nicht mehr investierbar”

Erste Konsequenzen zog bereits die Fondsgesellschaft Union Investment. Die Vorwürfe gegen Volkswagen hätten jetzt eine neue Dimension erreicht. “Damit ist Volkswagen für unsere nachhaltigen Publikumsfonds jetzt nicht mehr investierbar”, kommentierte Janne Werning, Leiter des Nachhaltigkeit-Segments.

In der vergangenen Woche hatte bereits der Chemiekonzern BASF seinen Rückzug aus Xinjiang angekündigt, nachdem die Verbindung des Joint-Venture-Partners Markor zu den staatlich orchestrierten Menschenrechtsverletzungen aufgedeckt worden war. Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Deutschen Bundestag, Renata Alt (FDP), hatte gegenüber Table.Media daraufhin den Rückzug aller deutscher Unternehmen aus Xinjiang gefordert.

Uiguren-Vertreter reagieren empört

Uiguren-Vertreter reagierten am Mittwoch empört. “Es ist unerträglich, dass ein weltbekanntes Unternehmen wie VW sich in solche Praktiken verstrickt hat. Monate sind vergangen, und was haben wir gesehen? Halbherzige Versuche, mit einem zweifelhaften Audit die Wahrheit zu verschleiern – ein Manöver, das jetzt vollständig entlarvt worden ist”, sagte Haiyuer Kuerban, Berlin-Direktor des Weltkongresses der Uiguren (WUC).

Kuerban nahm damit Bezug auf die viel kritisierte Prüfung der Volkswagen-Fabrik in Urumqi, die der Konzern mit SAIC betreibt, und die keinerlei Verbindungen zu staatlichen Transferprogrammen feststellte. “Volkswagen hat versucht, uns Sand in die Augen zu streuen, doch die neuen Berichte zeigen klar: Diese sogenannten Audits waren nichts als eine Farce. Eine bloße Schönfärberei, die nicht im Geringsten den realen Bedingungen und dem Leid, das dahintersteht, gerecht wird.”

Tochtergesellschaft an “Hausbesuchen” beteiligt

Der Vertrag zum Bau der Teststrecke war 2014 in Berlin unterzeichnet worden. 2019 ging die Strecke in Betrieb. Verantwortlich dafür war eine Gesellschaft namens Xinjiang Teststrecken Projekt, die von der staatlichen China Railway Fourth Bureau Group gegründet wurde. Das Xinjiang Teststrecken Projekt veröffentlichte Berichte, wonach in den Jahren 2017 und 2018 Uiguren aus dem Transferprogramm beschäftigt waren, und dass es seinerseits an sogenannten Hausbesuchen (Fanghuiju) beteiligt war.

Die Hausbesuche sind Teil der staatlichen Strategie, bei der Sicherheitsbehörden und Unternehmen eng zusammenarbeiten. Dabei werden Uiguren in den eigenen vier Wände aufgesucht, um sie unter Druck zu setzen und möglichen Widerstand gegen die Aufnahme in das Transferprogramm zu brechen.

Weniger Transparenz nach Kritik der letzten Jahre

“Die Dokumente weisen klar darauf hin, dass diese Strecke mit uigurischer Zwangsarbeit gebaut worden ist”, sagte Zenz im Gespräch mit Table.Media. Darauf wiesen – unter anderem – sogar Fotos von uigurischen Arbeitern in Militärkleidung hin. Zenz sagt, es sei nicht ungewöhnlich, dass Berichte über das staatliche Transferprogramme von Unternehmen oder Medien in China verbreitet wurden. Im Gegenteil sollte damit belegt werden, dass man staatliche Vorgaben präzise umsetzt. Allerdings habe die Transparenz mit der lauter werdenden Kritik in den vergangenen Jahren nachgelassen.

Die Dokumente, die Zenz einsah, stammen vornehmlich aus den Jahren 2017 bis 2019. “Die Entscheidungen zum Bau des Testgeländes durch das Unternehmen SAIC Volkswagen Automotive Co., Ltd. erfolgte im unmittelbaren Zusammenhang mit der Errichtung des Joint Venture-Werks in Urumqi im Jahr 2013 und damit lange vor der Eröffnung des Geländes im Jahr 2019”, schreibt Volkswagen in seiner Stellungnahme.

“Bisher lagen keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzung vor”

Selbstverständlich, teilt VW mit, nehme der Konzern die kritischen Berichte zur Situation in der Region sehr ernst. Auch wenn kein Volkswagen-Manager in den Gremien der für die Teststrecke zuständigen Betreibergesellschaft vertreten ist, sei man im permanenten Austausch zu diesen Themen mit dem Joint-Venture-Partner und der Betreibergesellschaft. “Bisher lagen uns keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzung vor.”

Auf dem Testgelände in Turpan, das wegen seiner klimatischen Bedingungen mit extremer Trockenheit und großer Hitze beste Bedingungen für Fahrzeugerprobungen bietet, werden nach Konzernangaben zurzeit ausschließlich Fahrzeuge des chinesischen Joint Ventures getestet, die für den lokalen Markt bestimmt sind. Derzeit seien dort lediglich drei Mitarbeiter beschäftigt, die beim Gemeinschaftsunternehmen SAIC Volkswagen angestellt sind und keiner Minderheit angehörten.

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Der Erfolg der Erneuerbaren entscheidet sich in China beim Speicher-Ausbau

Um Strom aus Erneuerbaren Energien effizient zu nutzen, braucht China große Mengen Stromspeicher.

Jedes Land braucht für die effiziente Nutzung erneuerbarer Energien ein landesweites System von Energiespeichern. In China werden solche Speicher angesichts des rasanten Aufbaus der Kapazitäten für Solar- und Windstrom derzeit besonders dringend benötigt. Einige Provinzen und Städte können zum Beispiel neue Solar-Projekte nicht mehr ans Netz anschließen, weil dessen Kapazität nicht ausreicht.

Nach Angaben der Nationalen Energieagentur (NEA) gingen 2023 so viele Anlagen ans Netz wie noch nie:

  • 216,9 Gigawatt (GW) an neuer Solarkapazität – das entspricht in etwa der in den letzten vier Jahren installierten Kapazität und ist mehr als die gesamte Kapazität der EU Ende 2022
  • 75,9 GW an neuen Windkraftkapazitäten – doppelt so viel wie 2022

Die kombinierte Gesamtkapazität liegt bei 1.050 GW – und damit schon jetzt nur noch 150 GW unterhalb des eigentlich erst für 2030 angepeilten Ausbauziels von 1.200 GW. Die Analysten der Beratungsagentur Trivium China erwarten daher, dass China diese Zielmarke bereits Ende 2024 erreichen wird.

China braucht modernes Stromsystem mit Energiespeichern

Doch Kapazitäten sind das eine, Stromerzeugung das andere. Um die riesigen Solar- und Windparks effizient zu nutzen, braucht China eine bessere Infrastruktur. Zentrales Element dabei sind Stromspeicher. Deren Aufbau sei in vollem Gange, schreibt der China-Experte Lauri Myllyvirta vom Centre for Research on Energy and Clean Air in Helsinki, auf X.

Ans Stromnetz angeschlossene Speichersysteme können überschüssig generierten Strom aufsaugen – und ihn bei Bedarf wieder ins Netz einspeisen. So verhindern sie, dass Wind- und Solarkraftwerke abgeschaltet werden müssen, wenn das Netz überlastet ist. Und können Strom zurückgeben, wenn weder die Sonne scheint noch der Wind bläst.

China baut hunderte Gigawatt Stromspeicher

Laut Myllyvirta liegt die Stromnachfrage in der Volksrepublik derzeit bei gut 1.000 GW, und in der Spitzenlast bei 1.300 GW. Mehr als 300 GW Speicherkapazität seien in China bereits in Betrieb, im Bau oder vertraglich vereinbart beziehungsweise genehmigt. Etwa zwei Drittel davon seien Pumpspeicherkraftwerke, der Rest Batteriespeicher. “Der Ausbau der Stromspeicherung ist die am meisten unterschätzte Entwicklung im Energiesektor Chinas“. Zusätzlich zu den vereinbarten Projekten seien bereits weitere Speicher in Planung.

Prognosen des Branchenverbands China Energy Storage Alliance (CNESA) sind hingegen deutlich vorsichtiger. Dieser erwartet bis 2027 neue Stromspeicherkapazitäten von 97 GW, bei einer jährlichen Zuwachsrate von 49,3 Prozent, wie das Wirtschaftsmagazin Caixin berichtet.

Speicher reduzieren Abhängigkeit von fossilen Energien

Mehr Speicher werden Chinas “Abhängigkeit von Kohle- und Gaskraft zur Deckung von Spitzenlasten erheblich verringern”, glaubt Myllyvirta. “Sie ermöglichen der Solar- und Windenergie einen viel größeren Anteil an der gesamten Stromerzeugung, als es ohne Speicherung möglich wäre.”

Mitte 2023 war der Anteil nicht-fossiler installierter Kapazitäten erstmals auf über 50 Prozent gestiegen – darunter waren neben Wind und Solar auch Wasserkraft, Atomkraft, Geothermie und andere. Doch aufgrund der wetterbedingt schwankenden Nutzung vor allem der Wind- und Solaranlagen liegt bei der Stromerzeugung bislang die Kohle weiter vorn. Kohlestrom bekommt in Chinas vielerorts zudem immer noch Vorrang bei der Einspeisung eingeräumt. Das ist eine andere Baustelle für die Energiewende.

Pumpspeicherkraftwerke und Batteriespeicher

Bisher liegen in China die Pumpspeicherkraftwerke auch deshalb vorn, weil sie relativ simpel sind. Erzeugen Wind und Sonne mehr Strom als nötig, wird Wasser mit der überschüssigen Energie von einem tiefer gelegenen in ein höher gelegenes Speicherbecken gepumpt und dort “geparkt”. Wenn es Strombedarf gibt, wird dieses Wasser ins Unterbecken abgelassen und durchfließt dabei Turbinen, die Strom erzeugen. China hat Pumpspeicher schon vor Jahren erprobt, unter anderem im Umfeld der Winterspiele 2022 von Peking.

Batteriespeicher sind technisch komplizierter und basieren in China derzeit vorwiegend auf Lithium-Ionen-Batterien. Seit Frühjahr 2023 sind die Weltmarktpreise für den Rohstoff Lithium im Sinkflug, was die Kosten für die Installation der Batteriespeicher gesenkt und den Aufbau vorangetrieben hat.

Erzeuger erneuerbarer Energien müssen Speicher zubauen

Auch der Staat pusht direkt den Aufbau der Speichersysteme. So schreibt China für alle Erneuerbaren-Projekte vor, einen bestimmten Anteil ihrer Finanzmittel für den Bau eigener Energiespeichersysteme einzusetzen. Die meisten Energiespeicher werden von staatsnahen Firmen aufgebaut, darunter die Stromerzeuger selbst und die Netzbetreiber, schreibt Caixin unter Berufung auf den Manager eines ausländischen Öl- und Gaskonzerns. Für die Netzbetreiber ist der Aufbau der Stromspeicher demnach ein wichtiges Mittel, ineffiziente Überinvestitionen in die Netzinfrastruktur zu vermeiden und gleichzeitig die Energieverteilung besser zu regeln.

Allerdings “treibt das staatliche Mandat auch die Kosten in die Höhe, etwa für zusätzlichen Landerwerb und den Bau der Anlagen selbst”, schreibt das Magazin. Müsse ein Erneuerbaren-Projekt eine Speicheranlage in Höhe von 10 Prozent seiner installierten Kapazität und einer Speicherdauer von zwei Stunden garantieren, sinke die interne Rendite für dieses Projekt um einen Prozentpunkt, zitierte es eine Quelle bei einem großen staatlichen Versorgungsunternehmen.

“Der Ausbau von Batteriespeichern wird derzeit eher durch Vorschriften zur Installation von Speichern in Solar- und Windkraftprojekten vorangetrieben, als durch wirtschaftliche Anreize“, sagt Lauri Myllyvirta. “Um die vorhandenen Speicher optimal zu nutzen und den Markt zu vergrößern, sind Strommarktreformen erforderlich.” Es fehle ein “ausgereiftes Geschäftsmodell, das Entwicklern und Bauherren langfristige Renditen bescheren” könne, moniert auch Caixin.

Reformansätze für mehr Markt im Speichersegment

Dafür gibt es erste Lösungsansätze für etwas mehr Marktwirtschaft im System. Vor einigen Monaten haben die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) und die Energiebehörde NEA laut Caixin in einem Dokument vorgeschlagen, dass qualifizierte Energiespeicherprojekte unabhängige Dienstleister werden sollten. Sie könnten demnach Support anbieten und Speicherkapazitäten an Versorgungsunternehmen vermieten.

Offiziell beschlossen ist dies aber noch nicht. 2060 will China klimaneutral sein und dann 80 Prozent seiner Energie aus sauberen Quellen beziehen. Bis dahin muss das Speichersystem stehen.

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  • Energiewende
  • Erneuerbare Energien
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News

Mehr als zehn Prozent der deutschen Direktinvestitionen fließen nach China

Die deutschen Direktinvestitionen in China sind auf ein Rekordniveau gestiegen – ungeachtet der Forderungen nach einer stärkeren Diversifizierung. Das hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) auf Basis von Zahlen der Bundesbank berechnet. 2023 wuchsen die Direktinvestitionen demnach um mehr als vier Prozent und summierten sich auf 11,9 Milliarden Euro.

Der Anteil der Volksrepublik einschließlich Hongkong an allen ausländischen Direktinvestitionen der deutschen Wirtschaft stieg damit auf 10,3 Prozent. Das habe auch damit zu tun, dass die deutschen Direktinvestitionen im Ausland insgesamt von knapp 170 Milliarden auf 116 Milliarden Euro sanken – gegen den Trend der wachsenden Investitionen in China.

“Das ist ein neuer Höchstwert – nach ohnehin schon hohen Werten in den beiden Vorjahren”, sagte IW-Experte Jürgen Matthes. Allein von 2021 bis 2023 hätten deutsche Firmen damit genauso viel neu in China investiert wie in den Jahren zwischen 2015 und 2020. Währenddessen hält die Bundesregierung die Unternehmen dazu an, gegenüber der Volksrepublik eine Strategie des De-Risking zu verfolgen und ihre Investitionen breiter zu streuen.

Unterschied bei Großunternehmen und Mittelständlern

Insgesamt zeigt sich dem IW zufolge ein gespaltenes Bild. “Auf der einen Seite stehen die neuen Investitionen in China insgesamt, die in der Gesamtschau allein aus den dort erwirtschafteten Gewinnen finanziert werden”, sagte Matthes. “Auf der anderen Seite gibt es in den letzten vier Jahren offensichtlich auch Absetzbewegungen aus China.” Das zeigten die negativen Werte für die “Sonstigen Komponenten”, unter denen das Beteiligungskapital meist eine besondere Rolle spiele. So zeige eine frühere IW-Studie mit Werten bis 2022, dass in den vergangenen Jahren mehr an Beteiligungen in China abgebaut als durch Geldströme aus Deutschland neu aufgebaut worden seien.

Die Zahlen der Bundesbank erlaubten zwar keinen genaueren Einblick, es sei jedoch zu vermuten, “dass es weiterhin eine Spaltung zwischen wenigen Großunternehmen und dem Gros der Mittelständler gibt”, sagte Matthes. Andere Studien und anekdotische Evidenz stützen die These, dass einige Mittelständler ihr Engagement in China verringern oder sich gar ganz zurückziehen. jul/rtr

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BYD verhandelt über Werk in Mexiko

Der chinesische E-Auto-Konzern BYD verhandelt mit den Behörden in Mexiko über den Bau eines Werks. Das berichtet Nikkei Asia und bezieht sich dabei auf Aussagen von Zhou Zou, Mexiko-Chef von BYD. Das Unternehmen habe eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Zudem werde mit den Behörden vor Ort über einen passenden Standort für das Werk sowie weitere Bedingungen besprochen. Als Standort könnten dem Bericht von Nikkei zufolge Nuevo León im Norden oder die Bajío-Region in Zentralmexiko infrage kommen. Auch die Halbinsel Yucatan sei eine Möglichkeit.

Für BYD ist der Standort Mexiko äußerst interessant, nicht nur als Absatzmarkt, sondern auch aus strategischen Gründen. Die Produktion in Mexiko ermöglicht einen Weg auf den US-Automarkt, von dem chinesische Marken mit hohen Zöllen von 25 Prozent ferngehalten werden. Aufgrund des Handelsabkommen USMCA können Zölle jedoch vermieden werden, wenn mehr als 75 Prozent des Fahrzeugs in einem der beteiligten Länder USA, Mexiko oder Kanada produziert worden sind. Neben BYD verfolgen auch MG und Chery diese Strategie.

Zulieferer aus China schließen sich einem Bericht von Bloomberg zufolge der Strategie der Autobauer an. Im Jahr 2023 waren bereits 33 chinesische Zulieferer in Mexiko registriert, 18 von ihnen exportierten Autoteile im Wert von insgesamt einer Milliarde Euro in die USA. Das waren 15 Prozent mehr als im Vorjahr. jul

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Peking kritisiert Taiwan nach Tod von zwei Chinesen bei einem Bootsunfall

Bei einer Verfolgungsjagd mit der taiwanischen Küstenwache sind nach Angaben der Nachrichtenagentur AP zwei chinesische Fischer ertrunken. Ihr Boot sei unerlaubt in taiwanische Gewässer vor der Insel Kinmen eingedrungen, teilte die taiwanische Küstenwache am Mittwoch mit. Als die Küstenwache auftauchte, hätten die Personen im Boot versucht, zu fliehen und das Boot sei gekentert. Vier Fischer seien ins Wasser gestürzt. Zwei hätten AP zufolge nicht wiederbelebt werden können, die anderen Beiden hätten überlebt und seien in guter Verfassung.

Die Inselgruppe Kinmen gehört zu Taiwan, ist aber nur wenige Kilometer vom chinesischen Festland entfernt. Die chinesische Metropole Xiamen ist von Kinmen aus mit bloßem Auge zu sehen. 

Die Führung von Peking sprach von einem “bösartigen Vorfall” und verlangte eine Untersuchung. Sie warf der Regierung in Taiwan vor, “unter allen möglichen Vorwänden chinesische Fischereifahrzeuge gewaltsam zu inspizieren und gewaltsame und gefährliche Methoden gegenüber chinesischen Fischern einzusetzen”.

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Indonesien benennt Chinesen als Verdächtige für tödliches Feuer in Nickelschmelze

Indonesien hat zwei chinesische Staatsbürger als Verdächtige für den Brand in einer Nickelschmelze auf der Insel Sulawesi mit 21 Toten benannt. Das Feuer war am 24. Dezember in einer von Indonesia Tsingshan Stainless Steel (ITSS) betriebenen Schmelzanlage in dem Indonesia Morowali Industrial Park ausgebrochen. ITSS ist ein Tochterunternehmen der chinesischen Tsingshan-Gruppe, dem größten Nickelproduzenten der Welt.

Den beiden Männern werde Fahrlässigkeit vorgeworfen, sagte ein Polizeisprecher, ohne Details zu den Vorwürfen zu nennen. Einer der Verdächtigen sei ein Ofenaufseher in einer anderen Hütte des Industrieparks, der zur fraglichen Zeit zu ITSS abgeordnet war, hieß es. Der andere sei bei einem anderen Unternehmen in dem Industriepark beschäftigt.

Indonesien ist in den letzten Jahren zum größten Nickelproduzenten der Welt aufgestiegen, auch dank großer Investitionen chinesischer Konzerne. So führte die Tsingshan-Gruppe den Bau des Morowali-Industrieparks an, in dem inzwischen rund ein Dutzend Schmelzöfen in Betrieb sind. In der gleichen Region gründete die Jiangsu Delong Nickel Industry Co. den Virtue Dragon Nickel Industriepark, wo neben Nickel auch Edelstahl produziert wird. Nickel ist ein wichtiger Bestandteil der Batterien für Elektrofahrzeuge; Indonesien verbot den Nickelexport 2014, sodass China und andere Investoren vor Ort in die Verarbeitung des Metalls einsteigen müssen.

Das indonesische Arbeitsministerium führt parallel eine separate Untersuchung des Brandes durch. Nach Angaben der Ministerin Ida Fauziyah gibt es starke Anzeichen dafür, dass ein Verstoß gegen die Sicherheitsvorgaben zu dem Brand geführt habe. In dem Sektor hatte es in den letzten Jahren eine Reihe tödlicher Industrieunfälle gegeben.

China ist einer der wichtigsten Handelspartner Indonesiens. Im Wahlkampf für die Präsidentenwahl am heutigen Mittwoch ging es daher auch um die künftige Ausgestaltung der Beziehungen zu Peking. ck

  • Indonesien
  • Industrie

Presseschau

China bleibt Deutschlands wichtigster Handelspartner TAGESSCHAU
VW bereitet einen möglichen Rückzug aus Xinjiang vor HANDELSBLATT
Ökonom und China-Experte Max Zenglein: “Vergeltung und Boykott gegen VW in China sind unwahrscheinlich” FAZ
Essenslieferdienst Delivery-Hero-Chef Niklas Östberg will mehr als eine Milliarde Euro für Südostasien-Geschäft HANDELSBLATT
Deutsche Unternehmen investieren so viel in China wie nie zuvor SÜDDEUTSCHE
China’s Auto-Parts Suppliers Are Flocking to Mexico BLOOMBERG
China is quietly reducing its reliance on foreign chip technology LIVEMINT
China plant ein kommerzielles Raumfahrt-Ökosystem GOLEM
China plans robot-builder to construct a human base using Moon bricks INTERESTING ENGINEERING
Chinas Stealth-Fighter J-35: Fotos befeuern Gerüchte über Senkrechtstarter FUTUREZONE
Chinese scientists create plant gene-editing tool ‘even school students and old farmers can master’ SCMP
Two Chinese fishermen die after chase with Taiwan”s Coast Guard, which alleges trespassing INDEPENDENT
A night of firsts at the World Aquatics Championships in Doha THE STAR
Taiwan reports another Chinese “combat readiness patrol’ nearby REUTERS
Philippines to maintain ‘assertive transparency’ over South China Sea row against Beijing’s ‘bullying behaviour’ SCMP

Standpunkt

VW-Audit: Eine moralische und methodologische Bankrotterklärung

von Rushan Abbas und Adrian Zenz
Adrian Zenz ist Senior Fellow und Direktor für China-Studien bei der Victims of Communism Memorial Foundation in Washington. Rushan Abbas ist eine uigurisch-amerikanische Menschenrechtsaktivistin und Gründerin der “Campaign for Uyghurs”.

Im Dezember 2023 veröffentlichte Volkswagen ein Audit über sein viel kritisiertes Joint-Venture-Werk in Xinjiang – einer Region, die heute das weltweit größte System staatlich angeordneter Zwangsarbeit betreibt. Der Untersuchungsbericht sprach das Unternehmen wenig überraschend von der Beteiligung an Zwangsarbeit frei.

Aktuell deuten neue Erkenntnisse darauf hin, dass Volkswagen direkt in die uigurische Zwangsarbeit verwickelt ist. Die diese Woche veröffentlichten Beweise zeigen, dass die Volkswagen-SAIC-Teststrecke in Turpan von einer Tochtergesellschaft der China Railway Engineering Corporation (CREC) gebaut wurde. Darüber hinaus wird in den Berichten des CREC offen dargelegt, dass das Projekt selbst während des Höhepunkts der Masseninternierungen in den Jahren 2017 und 2018 transferierte uigurische Arbeitskräfte beschäftigte.

Zwang bei der Einstellung, Ausbildung und Versetzung

Ein Blick auf das Audit im vergangenen Jahr zeigt: Dies wurde den Angaben zufolge nach der Norm SA8000 durchgeführt, die Kinder- und Zwangsarbeit, Diskriminierung, körperliche oder psychische Bestrafung, Arbeitszeiten und Einkommen prüft. Das mag beeindruckend klingen – bis man begreift, dass in der Fabrik nie ein sichtbares Anzeichen von Zwang zu erwarten war. Denn zum einen sollen die Umerziehungslager die Uiguren zu bedingungslosem Gehorsam gegenüber dem Staat erziehen. Wie ein Uigure es ausdrückte: “Wenn die Regierung dir sagt, dass du arbeiten gehen sollst, dann gehst du.” Zum anderen findet der Zwang vor allem bei der Einstellung, Ausbildung und Versetzung statt und ist an den Arbeitsplätzen weit weniger sichtbar.

Das Audit wurde von Löning Human Rights and Responsible Business durchgeführt. Das Unternehmen wurde von Markus Löning gegründet, der zwischen 2010 und 2013 Menschenrechtsbeauftragter der deutschen Bundesregierung war. Doch weder Volkswagen noch Löning haben einen eigentlichen Untersuchungsbericht veröffentlicht. Vielmehr hat das Unternehmen lediglich ein nicht unterzeichnetes Dokument mit Zitaten von Markus Löning ohne dessen Unterschrift oder Firmenbriefkopf vorgelegt.

Audits sind in Xinjiang praktisch undurchführbar

Der Grund für die seltsame Veröffentlichung der Prüfungsergebnisse wurde schnell klar. In einer verblüffenden Wendung veröffentlichte Löning Human Rights and Responsible Business am 7. Dezember eine Erklärung auf seinem LinkedIn-Konto, in der die gesamte Belegschaft sich von dem Audit distanzierte. In der Erklärung hieß es, dass außer Löning und Christian Ewert “kein anderes Teammitglied von Löning an diesem Projekt teilgenommen, es unterstützt oder befürwortet hat”.

Die Methodik des Audits lässt erhebliche Zweifel an den Ergebnissen aufkommen. Volkswagen hatte offengelegt, dass die “eigentliche Prüfung” von zwei chinesischen Anwälten durchgeführt wurde, die von Löning-Mitarbeitern lediglich “vor Ort begleitet” wurden.

Chinas Spionageabwehrgesetz erschwert Untersuchungen

Interne staatliche Dokumente belegen, dass die Armutsbekämpfungs- und Umerziehungsarbeit strenger Geheimhaltung unterliegt. Dies ist natürlich der Grund, warum sich Experten und renommierte Prüfungsgesellschaften einig sind, dass Audits in Xinjiang praktisch nicht durchführbar und unethisch sind. Volkswagen bestätigte zudem, dass bei der Prüfung nicht einmal der Versuch unternommen wurde, die Lebensläufe der Mitarbeiter zu überprüfen. Das bedeutet, dass das Unternehmen nicht beurteilen konnte, was die uigurischen Mitarbeiter vor ihrer Einstellung bei Volkswagen widerfahren ist. Mitarbeiter von Löning haben inzwischen eingeräumt, dass ihr Unternehmen gar nicht für die Durchführung von SA8000-Audits akkreditiert ist.

Im Juli letzten Jahres traf Rushan Abbas, eine Mitautorin dieses Artikels, Markus Löning in dessen Büro in Berlin und schilderte ihm die staatlich angeordnete Zwangsarbeit in Xinjiang, auch im SAIC-Volkswagen-Werk. Staatlich angeordnete Zwangsarbeit sieht vollkommen anders aus als Zwangsarbeit durch Unternehmen. Löning hörte zu und nickte scheinbar zustimmend. Beim Anblick eines Fotos von Gulshan Abbas, Schwester von Rushan und pensionierte Ärztin, die eine willkürliche 20-jährige Haftstrafe verbüßt, war er sichtlich bewegt.

Nahezu bedingungslose Zusammenarbeit mit autokratischem Regime

Anschließend legten die Aktivisten Löning eine Liste von Unternehmen vor, die mit dem Xinjiang Production and Construction Corps (XPCC) assoziiert sind, einer paramilitärischen Siedlungskolonie-Organisation, die in uigurische Zwangsarbeit verwickelt ist. Löning erwiderte, dass solche externen Beweise immer wichtiger würden. Er räumte ein, dass Chinas neues Spionageabwehrgesetz Untersuchungen von Lieferketten zunehmend erschwere.

Mit vielen Worten hat Markus Löning die allgemein bekannten Tatsachen eingeräumt. So gelangte Rushan Abbas zu der Überzeugung, dass Löning ihr Engagement für die Wahrung der Menschenwürde und für die Beendigung der Zwangsarbeit in der Region teilte. Bedauerlicherweise wurde sie eines Besseren belehrt.

Das Volkswagen-Löning-Audit stellt eine moralische und methodologische Bankrotterklärung dar. Es beutet den Ruf eines ehemaligen Menschenrechtsbeauftragten aus, um die Beteiligung an der größten Inhaftierung einer ethnisch-religiösen Gruppe seit dem Holocaust zu verschleiern. So könnte der Audit in die Geschichte als eines der abscheulicheren Beispiele für den Trugschluss des deutschen Modells “Wandel durch Handel” einer nahezu bedingungslosen Zusammenarbeit mit autokratischen Regimen eingehen.

Rushan Abbas ist eine uigurisch-amerikanische Menschenrechtsaktivistin, die sich für die Rechte der Uiguren und das Uigurische Autonome Gebiet Xinjiang einsetzt. 2017 gründete sie die OrganisationCampaign for Uyghurs”. 2022 wurden die Campaign for Uyghurs zusammen mit dem Uyghur Human Rights Project für den Friedensnobelpreis nominiert.

Adrian Zenz ist Senior Fellow und Direktor für China-Studien bei der Victims of Communism Memorial Foundation, Washington, D.C. Er hat eine führende Rolle bei der Analyse von durchgesickerten chinesischen Regierungsdokumenten gespielt, darunter die “China Cables”, die Karakax-Liste”, die “Xinjiang Papers” und die “Xinjiang Police Files”.

Der Text ist eine gekürzte Fassung eines Beitrags in Foreign Policy.

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  • Uiguren
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  • Xinjiang

Personalie

Victoria Mio ist bei der Investmentgesellschaft Janus Henderson als Portfoliomanagerin und Leiterin des Bereichs Aktien Greater China tätig. Sie arbeitet von Singapur aus. Zuvor fungierte Mio 14 Jahre lang bei Robeco als Chief Investment Officer für China und als Co-Head of Asia Pacific Equities.

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Dessert

Neujahrssnack für Tigerbaby: Im Zoo von Kunming, Yunnan, feiern auch die Tiere den Beginn des Drachenjahrs. Der kleinen Raubkatze scheint es zu schmecken. Ob die Obst-Deko mitgegessen wird, ist allerdings fraglich.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    Den extremen Bedingungen in Turpan waren auch die uigurischen Arbeiter ausgesetzt, die die Teststrecke für SAIC und VW errichtet haben. Und zwar unfreiwillig. Im Rahmen eines staatlichen Transferprogramms wurden sie dazu gezwungen, am Bau mitzuwirken. Das belegen Recherchen des Forschers Adrian Zenz. Turpan ist damit nicht nur ein geografischer Tiefpunkt, sondern auch ein moralischer.

    Immerhin: Volkswagen schließt nun den Rückzug aus Xinjiang nicht mehr aus, der bereits lange gefordert wird. Die Fondsgesellschaft Union Investment hält das Unternehmen derweil in seinen nachhaltigen Publikumsfonds nicht mehr für investierbar und zieht Konsequenzen, schreibt Marcel Grzanna in seiner Analyse zu Hintergründen und aktuellen Entwicklungen.

    Weiter unten im Briefing finden Sie zu diesem Thema einen Standpunkt von Adrian Zenz und Rushan Abbas. Die beiden Wissenschaftler befassen sich darin ausführlich mit dem Audit, das VW vergangenes Jahr in Auftrag gegeben hatte, um sich der Zwangsarbeits-Vorwürfe zu entledigen. Sie sprechen von einer “moralischen und methodologischen Bankrotterklärung”.

    Deutlich erfreulicher sind die Entwicklungen in China, was den Ausbau der Erneuerbaren Energien angeht. Die Kapazitäten von Solar- und Windstrom wachsen, wie auch andere Formen der regenerativen Energieerzeugung. China sieht sich allerdings den gleichen Problemen ausgesetzt wie wir hierzulande: Wind und Sonne wehen und scheinen einfach so, wie sie wollen – mal mehr, mal weniger. Also muss der Strom in Peak-Zeiten gespeichert werden, um dann bei Flaute zur Verfügung zu stehen. Christiane Kühl wirft in ihrer Analyse einen Blick darauf, wie China versucht, den Ausbau der Stromspeicher zu beschleunigen.

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    Volkswagen erwägt erstmals Rückzug aus Xinjiang: Fondsgesellschaft sieht neue Dimension erreicht

    Ex-Volkswagen-Chef Martin Winterkorn und SAIC-Chef Mao Huanyuan bei der Vertragsunterzeichnung zum Bau der Fabrik in Urumqi 2014.
    Ex-Volkswagen-Chef Martin Winterkorn und SAIC-Chef Mao Huanyuan bei der Vertragsunterzeichnung zum Bau der Fabrik in Urumqi 2014.

    Volkswagen gerät wegen seines Gemeinschaftsunternehmens in Xinjiang immer stärker unter Druck. Am Mittwoch teilte die Konzernzentrale in Wolfsburg mit, man befinde sich bereits in Gesprächen mit dem Joint Venture-Partner SAIC über die künftige Ausrichtung der Geschäftsaktivitäten in der Provinz Xinjiang – eine verklausulierte Formulierung, die den möglichen Abschied aus der Region bedeuten kann.

    Volkswagen reagiert damit auf neue Erkenntnisse, die auf eine direkte Verbindung eines Tochterunternehmens des Joint Ventures zum staatlichen Zwangsarbeitssystem hindeuten. Das Handelsblatt hatte Hinweise aus Reihen des Konzerns erhalten, dass beim Bau einer Teststrecke in Turpan in der autonomen Region Xinjiang transferierte uigurische Arbeitskräfte zum Einsatz gekommen waren. Bei transferierten Arbeitskräften handelt es sich um Uiguren, die im Rahmen eines staatlichen Transferprogramms im Land nach Bedarf verteilt werden. Diese Verteilung erfolgt unfreiwillig und betraf zwischen 2017 und 2019 Schätzungen zufolge 80.000 Personen.

    Der China-Forscher Adrian Zenz, auf dessen Arbeit sich unter anderem kritische Berichte der Vereinten Nationen zur Lage in Xinjiang stützen, konnte diesen Verdacht mit seinen Recherchen bestätigen. Damit muss Volkswagen nach vielen Jahren des Leugnens eingestehen, dass einer seiner Partner in der Volksrepublik aktiv an der Unterdrückung der Uiguren beteiligt war.

    “Für nachhaltigen Publikumsfonds nicht mehr investierbar”

    Erste Konsequenzen zog bereits die Fondsgesellschaft Union Investment. Die Vorwürfe gegen Volkswagen hätten jetzt eine neue Dimension erreicht. “Damit ist Volkswagen für unsere nachhaltigen Publikumsfonds jetzt nicht mehr investierbar”, kommentierte Janne Werning, Leiter des Nachhaltigkeit-Segments.

    In der vergangenen Woche hatte bereits der Chemiekonzern BASF seinen Rückzug aus Xinjiang angekündigt, nachdem die Verbindung des Joint-Venture-Partners Markor zu den staatlich orchestrierten Menschenrechtsverletzungen aufgedeckt worden war. Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Deutschen Bundestag, Renata Alt (FDP), hatte gegenüber Table.Media daraufhin den Rückzug aller deutscher Unternehmen aus Xinjiang gefordert.

    Uiguren-Vertreter reagieren empört

    Uiguren-Vertreter reagierten am Mittwoch empört. “Es ist unerträglich, dass ein weltbekanntes Unternehmen wie VW sich in solche Praktiken verstrickt hat. Monate sind vergangen, und was haben wir gesehen? Halbherzige Versuche, mit einem zweifelhaften Audit die Wahrheit zu verschleiern – ein Manöver, das jetzt vollständig entlarvt worden ist”, sagte Haiyuer Kuerban, Berlin-Direktor des Weltkongresses der Uiguren (WUC).

    Kuerban nahm damit Bezug auf die viel kritisierte Prüfung der Volkswagen-Fabrik in Urumqi, die der Konzern mit SAIC betreibt, und die keinerlei Verbindungen zu staatlichen Transferprogrammen feststellte. “Volkswagen hat versucht, uns Sand in die Augen zu streuen, doch die neuen Berichte zeigen klar: Diese sogenannten Audits waren nichts als eine Farce. Eine bloße Schönfärberei, die nicht im Geringsten den realen Bedingungen und dem Leid, das dahintersteht, gerecht wird.”

    Tochtergesellschaft an “Hausbesuchen” beteiligt

    Der Vertrag zum Bau der Teststrecke war 2014 in Berlin unterzeichnet worden. 2019 ging die Strecke in Betrieb. Verantwortlich dafür war eine Gesellschaft namens Xinjiang Teststrecken Projekt, die von der staatlichen China Railway Fourth Bureau Group gegründet wurde. Das Xinjiang Teststrecken Projekt veröffentlichte Berichte, wonach in den Jahren 2017 und 2018 Uiguren aus dem Transferprogramm beschäftigt waren, und dass es seinerseits an sogenannten Hausbesuchen (Fanghuiju) beteiligt war.

    Die Hausbesuche sind Teil der staatlichen Strategie, bei der Sicherheitsbehörden und Unternehmen eng zusammenarbeiten. Dabei werden Uiguren in den eigenen vier Wände aufgesucht, um sie unter Druck zu setzen und möglichen Widerstand gegen die Aufnahme in das Transferprogramm zu brechen.

    Weniger Transparenz nach Kritik der letzten Jahre

    “Die Dokumente weisen klar darauf hin, dass diese Strecke mit uigurischer Zwangsarbeit gebaut worden ist”, sagte Zenz im Gespräch mit Table.Media. Darauf wiesen – unter anderem – sogar Fotos von uigurischen Arbeitern in Militärkleidung hin. Zenz sagt, es sei nicht ungewöhnlich, dass Berichte über das staatliche Transferprogramme von Unternehmen oder Medien in China verbreitet wurden. Im Gegenteil sollte damit belegt werden, dass man staatliche Vorgaben präzise umsetzt. Allerdings habe die Transparenz mit der lauter werdenden Kritik in den vergangenen Jahren nachgelassen.

    Die Dokumente, die Zenz einsah, stammen vornehmlich aus den Jahren 2017 bis 2019. “Die Entscheidungen zum Bau des Testgeländes durch das Unternehmen SAIC Volkswagen Automotive Co., Ltd. erfolgte im unmittelbaren Zusammenhang mit der Errichtung des Joint Venture-Werks in Urumqi im Jahr 2013 und damit lange vor der Eröffnung des Geländes im Jahr 2019”, schreibt Volkswagen in seiner Stellungnahme.

    “Bisher lagen keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzung vor”

    Selbstverständlich, teilt VW mit, nehme der Konzern die kritischen Berichte zur Situation in der Region sehr ernst. Auch wenn kein Volkswagen-Manager in den Gremien der für die Teststrecke zuständigen Betreibergesellschaft vertreten ist, sei man im permanenten Austausch zu diesen Themen mit dem Joint-Venture-Partner und der Betreibergesellschaft. “Bisher lagen uns keine Hinweise auf Menschenrechtsverletzung vor.”

    Auf dem Testgelände in Turpan, das wegen seiner klimatischen Bedingungen mit extremer Trockenheit und großer Hitze beste Bedingungen für Fahrzeugerprobungen bietet, werden nach Konzernangaben zurzeit ausschließlich Fahrzeuge des chinesischen Joint Ventures getestet, die für den lokalen Markt bestimmt sind. Derzeit seien dort lediglich drei Mitarbeiter beschäftigt, die beim Gemeinschaftsunternehmen SAIC Volkswagen angestellt sind und keiner Minderheit angehörten.

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    Der Erfolg der Erneuerbaren entscheidet sich in China beim Speicher-Ausbau

    Um Strom aus Erneuerbaren Energien effizient zu nutzen, braucht China große Mengen Stromspeicher.

    Jedes Land braucht für die effiziente Nutzung erneuerbarer Energien ein landesweites System von Energiespeichern. In China werden solche Speicher angesichts des rasanten Aufbaus der Kapazitäten für Solar- und Windstrom derzeit besonders dringend benötigt. Einige Provinzen und Städte können zum Beispiel neue Solar-Projekte nicht mehr ans Netz anschließen, weil dessen Kapazität nicht ausreicht.

    Nach Angaben der Nationalen Energieagentur (NEA) gingen 2023 so viele Anlagen ans Netz wie noch nie:

    • 216,9 Gigawatt (GW) an neuer Solarkapazität – das entspricht in etwa der in den letzten vier Jahren installierten Kapazität und ist mehr als die gesamte Kapazität der EU Ende 2022
    • 75,9 GW an neuen Windkraftkapazitäten – doppelt so viel wie 2022

    Die kombinierte Gesamtkapazität liegt bei 1.050 GW – und damit schon jetzt nur noch 150 GW unterhalb des eigentlich erst für 2030 angepeilten Ausbauziels von 1.200 GW. Die Analysten der Beratungsagentur Trivium China erwarten daher, dass China diese Zielmarke bereits Ende 2024 erreichen wird.

    China braucht modernes Stromsystem mit Energiespeichern

    Doch Kapazitäten sind das eine, Stromerzeugung das andere. Um die riesigen Solar- und Windparks effizient zu nutzen, braucht China eine bessere Infrastruktur. Zentrales Element dabei sind Stromspeicher. Deren Aufbau sei in vollem Gange, schreibt der China-Experte Lauri Myllyvirta vom Centre for Research on Energy and Clean Air in Helsinki, auf X.

    Ans Stromnetz angeschlossene Speichersysteme können überschüssig generierten Strom aufsaugen – und ihn bei Bedarf wieder ins Netz einspeisen. So verhindern sie, dass Wind- und Solarkraftwerke abgeschaltet werden müssen, wenn das Netz überlastet ist. Und können Strom zurückgeben, wenn weder die Sonne scheint noch der Wind bläst.

    China baut hunderte Gigawatt Stromspeicher

    Laut Myllyvirta liegt die Stromnachfrage in der Volksrepublik derzeit bei gut 1.000 GW, und in der Spitzenlast bei 1.300 GW. Mehr als 300 GW Speicherkapazität seien in China bereits in Betrieb, im Bau oder vertraglich vereinbart beziehungsweise genehmigt. Etwa zwei Drittel davon seien Pumpspeicherkraftwerke, der Rest Batteriespeicher. “Der Ausbau der Stromspeicherung ist die am meisten unterschätzte Entwicklung im Energiesektor Chinas“. Zusätzlich zu den vereinbarten Projekten seien bereits weitere Speicher in Planung.

    Prognosen des Branchenverbands China Energy Storage Alliance (CNESA) sind hingegen deutlich vorsichtiger. Dieser erwartet bis 2027 neue Stromspeicherkapazitäten von 97 GW, bei einer jährlichen Zuwachsrate von 49,3 Prozent, wie das Wirtschaftsmagazin Caixin berichtet.

    Speicher reduzieren Abhängigkeit von fossilen Energien

    Mehr Speicher werden Chinas “Abhängigkeit von Kohle- und Gaskraft zur Deckung von Spitzenlasten erheblich verringern”, glaubt Myllyvirta. “Sie ermöglichen der Solar- und Windenergie einen viel größeren Anteil an der gesamten Stromerzeugung, als es ohne Speicherung möglich wäre.”

    Mitte 2023 war der Anteil nicht-fossiler installierter Kapazitäten erstmals auf über 50 Prozent gestiegen – darunter waren neben Wind und Solar auch Wasserkraft, Atomkraft, Geothermie und andere. Doch aufgrund der wetterbedingt schwankenden Nutzung vor allem der Wind- und Solaranlagen liegt bei der Stromerzeugung bislang die Kohle weiter vorn. Kohlestrom bekommt in Chinas vielerorts zudem immer noch Vorrang bei der Einspeisung eingeräumt. Das ist eine andere Baustelle für die Energiewende.

    Pumpspeicherkraftwerke und Batteriespeicher

    Bisher liegen in China die Pumpspeicherkraftwerke auch deshalb vorn, weil sie relativ simpel sind. Erzeugen Wind und Sonne mehr Strom als nötig, wird Wasser mit der überschüssigen Energie von einem tiefer gelegenen in ein höher gelegenes Speicherbecken gepumpt und dort “geparkt”. Wenn es Strombedarf gibt, wird dieses Wasser ins Unterbecken abgelassen und durchfließt dabei Turbinen, die Strom erzeugen. China hat Pumpspeicher schon vor Jahren erprobt, unter anderem im Umfeld der Winterspiele 2022 von Peking.

    Batteriespeicher sind technisch komplizierter und basieren in China derzeit vorwiegend auf Lithium-Ionen-Batterien. Seit Frühjahr 2023 sind die Weltmarktpreise für den Rohstoff Lithium im Sinkflug, was die Kosten für die Installation der Batteriespeicher gesenkt und den Aufbau vorangetrieben hat.

    Erzeuger erneuerbarer Energien müssen Speicher zubauen

    Auch der Staat pusht direkt den Aufbau der Speichersysteme. So schreibt China für alle Erneuerbaren-Projekte vor, einen bestimmten Anteil ihrer Finanzmittel für den Bau eigener Energiespeichersysteme einzusetzen. Die meisten Energiespeicher werden von staatsnahen Firmen aufgebaut, darunter die Stromerzeuger selbst und die Netzbetreiber, schreibt Caixin unter Berufung auf den Manager eines ausländischen Öl- und Gaskonzerns. Für die Netzbetreiber ist der Aufbau der Stromspeicher demnach ein wichtiges Mittel, ineffiziente Überinvestitionen in die Netzinfrastruktur zu vermeiden und gleichzeitig die Energieverteilung besser zu regeln.

    Allerdings “treibt das staatliche Mandat auch die Kosten in die Höhe, etwa für zusätzlichen Landerwerb und den Bau der Anlagen selbst”, schreibt das Magazin. Müsse ein Erneuerbaren-Projekt eine Speicheranlage in Höhe von 10 Prozent seiner installierten Kapazität und einer Speicherdauer von zwei Stunden garantieren, sinke die interne Rendite für dieses Projekt um einen Prozentpunkt, zitierte es eine Quelle bei einem großen staatlichen Versorgungsunternehmen.

    “Der Ausbau von Batteriespeichern wird derzeit eher durch Vorschriften zur Installation von Speichern in Solar- und Windkraftprojekten vorangetrieben, als durch wirtschaftliche Anreize“, sagt Lauri Myllyvirta. “Um die vorhandenen Speicher optimal zu nutzen und den Markt zu vergrößern, sind Strommarktreformen erforderlich.” Es fehle ein “ausgereiftes Geschäftsmodell, das Entwicklern und Bauherren langfristige Renditen bescheren” könne, moniert auch Caixin.

    Reformansätze für mehr Markt im Speichersegment

    Dafür gibt es erste Lösungsansätze für etwas mehr Marktwirtschaft im System. Vor einigen Monaten haben die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) und die Energiebehörde NEA laut Caixin in einem Dokument vorgeschlagen, dass qualifizierte Energiespeicherprojekte unabhängige Dienstleister werden sollten. Sie könnten demnach Support anbieten und Speicherkapazitäten an Versorgungsunternehmen vermieten.

    Offiziell beschlossen ist dies aber noch nicht. 2060 will China klimaneutral sein und dann 80 Prozent seiner Energie aus sauberen Quellen beziehen. Bis dahin muss das Speichersystem stehen.

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    News

    Mehr als zehn Prozent der deutschen Direktinvestitionen fließen nach China

    Die deutschen Direktinvestitionen in China sind auf ein Rekordniveau gestiegen – ungeachtet der Forderungen nach einer stärkeren Diversifizierung. Das hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) auf Basis von Zahlen der Bundesbank berechnet. 2023 wuchsen die Direktinvestitionen demnach um mehr als vier Prozent und summierten sich auf 11,9 Milliarden Euro.

    Der Anteil der Volksrepublik einschließlich Hongkong an allen ausländischen Direktinvestitionen der deutschen Wirtschaft stieg damit auf 10,3 Prozent. Das habe auch damit zu tun, dass die deutschen Direktinvestitionen im Ausland insgesamt von knapp 170 Milliarden auf 116 Milliarden Euro sanken – gegen den Trend der wachsenden Investitionen in China.

    “Das ist ein neuer Höchstwert – nach ohnehin schon hohen Werten in den beiden Vorjahren”, sagte IW-Experte Jürgen Matthes. Allein von 2021 bis 2023 hätten deutsche Firmen damit genauso viel neu in China investiert wie in den Jahren zwischen 2015 und 2020. Währenddessen hält die Bundesregierung die Unternehmen dazu an, gegenüber der Volksrepublik eine Strategie des De-Risking zu verfolgen und ihre Investitionen breiter zu streuen.

    Unterschied bei Großunternehmen und Mittelständlern

    Insgesamt zeigt sich dem IW zufolge ein gespaltenes Bild. “Auf der einen Seite stehen die neuen Investitionen in China insgesamt, die in der Gesamtschau allein aus den dort erwirtschafteten Gewinnen finanziert werden”, sagte Matthes. “Auf der anderen Seite gibt es in den letzten vier Jahren offensichtlich auch Absetzbewegungen aus China.” Das zeigten die negativen Werte für die “Sonstigen Komponenten”, unter denen das Beteiligungskapital meist eine besondere Rolle spiele. So zeige eine frühere IW-Studie mit Werten bis 2022, dass in den vergangenen Jahren mehr an Beteiligungen in China abgebaut als durch Geldströme aus Deutschland neu aufgebaut worden seien.

    Die Zahlen der Bundesbank erlaubten zwar keinen genaueren Einblick, es sei jedoch zu vermuten, “dass es weiterhin eine Spaltung zwischen wenigen Großunternehmen und dem Gros der Mittelständler gibt”, sagte Matthes. Andere Studien und anekdotische Evidenz stützen die These, dass einige Mittelständler ihr Engagement in China verringern oder sich gar ganz zurückziehen. jul/rtr

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    BYD verhandelt über Werk in Mexiko

    Der chinesische E-Auto-Konzern BYD verhandelt mit den Behörden in Mexiko über den Bau eines Werks. Das berichtet Nikkei Asia und bezieht sich dabei auf Aussagen von Zhou Zou, Mexiko-Chef von BYD. Das Unternehmen habe eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Zudem werde mit den Behörden vor Ort über einen passenden Standort für das Werk sowie weitere Bedingungen besprochen. Als Standort könnten dem Bericht von Nikkei zufolge Nuevo León im Norden oder die Bajío-Region in Zentralmexiko infrage kommen. Auch die Halbinsel Yucatan sei eine Möglichkeit.

    Für BYD ist der Standort Mexiko äußerst interessant, nicht nur als Absatzmarkt, sondern auch aus strategischen Gründen. Die Produktion in Mexiko ermöglicht einen Weg auf den US-Automarkt, von dem chinesische Marken mit hohen Zöllen von 25 Prozent ferngehalten werden. Aufgrund des Handelsabkommen USMCA können Zölle jedoch vermieden werden, wenn mehr als 75 Prozent des Fahrzeugs in einem der beteiligten Länder USA, Mexiko oder Kanada produziert worden sind. Neben BYD verfolgen auch MG und Chery diese Strategie.

    Zulieferer aus China schließen sich einem Bericht von Bloomberg zufolge der Strategie der Autobauer an. Im Jahr 2023 waren bereits 33 chinesische Zulieferer in Mexiko registriert, 18 von ihnen exportierten Autoteile im Wert von insgesamt einer Milliarde Euro in die USA. Das waren 15 Prozent mehr als im Vorjahr. jul

    • BYD
    • Elektromobilität
    • Mexiko

    Peking kritisiert Taiwan nach Tod von zwei Chinesen bei einem Bootsunfall

    Bei einer Verfolgungsjagd mit der taiwanischen Küstenwache sind nach Angaben der Nachrichtenagentur AP zwei chinesische Fischer ertrunken. Ihr Boot sei unerlaubt in taiwanische Gewässer vor der Insel Kinmen eingedrungen, teilte die taiwanische Küstenwache am Mittwoch mit. Als die Küstenwache auftauchte, hätten die Personen im Boot versucht, zu fliehen und das Boot sei gekentert. Vier Fischer seien ins Wasser gestürzt. Zwei hätten AP zufolge nicht wiederbelebt werden können, die anderen Beiden hätten überlebt und seien in guter Verfassung.

    Die Inselgruppe Kinmen gehört zu Taiwan, ist aber nur wenige Kilometer vom chinesischen Festland entfernt. Die chinesische Metropole Xiamen ist von Kinmen aus mit bloßem Auge zu sehen. 

    Die Führung von Peking sprach von einem “bösartigen Vorfall” und verlangte eine Untersuchung. Sie warf der Regierung in Taiwan vor, “unter allen möglichen Vorwänden chinesische Fischereifahrzeuge gewaltsam zu inspizieren und gewaltsame und gefährliche Methoden gegenüber chinesischen Fischern einzusetzen”.

    • Geopolitik
    • Taiwan

    Indonesien benennt Chinesen als Verdächtige für tödliches Feuer in Nickelschmelze

    Indonesien hat zwei chinesische Staatsbürger als Verdächtige für den Brand in einer Nickelschmelze auf der Insel Sulawesi mit 21 Toten benannt. Das Feuer war am 24. Dezember in einer von Indonesia Tsingshan Stainless Steel (ITSS) betriebenen Schmelzanlage in dem Indonesia Morowali Industrial Park ausgebrochen. ITSS ist ein Tochterunternehmen der chinesischen Tsingshan-Gruppe, dem größten Nickelproduzenten der Welt.

    Den beiden Männern werde Fahrlässigkeit vorgeworfen, sagte ein Polizeisprecher, ohne Details zu den Vorwürfen zu nennen. Einer der Verdächtigen sei ein Ofenaufseher in einer anderen Hütte des Industrieparks, der zur fraglichen Zeit zu ITSS abgeordnet war, hieß es. Der andere sei bei einem anderen Unternehmen in dem Industriepark beschäftigt.

    Indonesien ist in den letzten Jahren zum größten Nickelproduzenten der Welt aufgestiegen, auch dank großer Investitionen chinesischer Konzerne. So führte die Tsingshan-Gruppe den Bau des Morowali-Industrieparks an, in dem inzwischen rund ein Dutzend Schmelzöfen in Betrieb sind. In der gleichen Region gründete die Jiangsu Delong Nickel Industry Co. den Virtue Dragon Nickel Industriepark, wo neben Nickel auch Edelstahl produziert wird. Nickel ist ein wichtiger Bestandteil der Batterien für Elektrofahrzeuge; Indonesien verbot den Nickelexport 2014, sodass China und andere Investoren vor Ort in die Verarbeitung des Metalls einsteigen müssen.

    Das indonesische Arbeitsministerium führt parallel eine separate Untersuchung des Brandes durch. Nach Angaben der Ministerin Ida Fauziyah gibt es starke Anzeichen dafür, dass ein Verstoß gegen die Sicherheitsvorgaben zu dem Brand geführt habe. In dem Sektor hatte es in den letzten Jahren eine Reihe tödlicher Industrieunfälle gegeben.

    China ist einer der wichtigsten Handelspartner Indonesiens. Im Wahlkampf für die Präsidentenwahl am heutigen Mittwoch ging es daher auch um die künftige Ausgestaltung der Beziehungen zu Peking. ck

    • Indonesien
    • Industrie

    Presseschau

    China bleibt Deutschlands wichtigster Handelspartner TAGESSCHAU
    VW bereitet einen möglichen Rückzug aus Xinjiang vor HANDELSBLATT
    Ökonom und China-Experte Max Zenglein: “Vergeltung und Boykott gegen VW in China sind unwahrscheinlich” FAZ
    Essenslieferdienst Delivery-Hero-Chef Niklas Östberg will mehr als eine Milliarde Euro für Südostasien-Geschäft HANDELSBLATT
    Deutsche Unternehmen investieren so viel in China wie nie zuvor SÜDDEUTSCHE
    China’s Auto-Parts Suppliers Are Flocking to Mexico BLOOMBERG
    China is quietly reducing its reliance on foreign chip technology LIVEMINT
    China plant ein kommerzielles Raumfahrt-Ökosystem GOLEM
    China plans robot-builder to construct a human base using Moon bricks INTERESTING ENGINEERING
    Chinas Stealth-Fighter J-35: Fotos befeuern Gerüchte über Senkrechtstarter FUTUREZONE
    Chinese scientists create plant gene-editing tool ‘even school students and old farmers can master’ SCMP
    Two Chinese fishermen die after chase with Taiwan”s Coast Guard, which alleges trespassing INDEPENDENT
    A night of firsts at the World Aquatics Championships in Doha THE STAR
    Taiwan reports another Chinese “combat readiness patrol’ nearby REUTERS
    Philippines to maintain ‘assertive transparency’ over South China Sea row against Beijing’s ‘bullying behaviour’ SCMP

    Standpunkt

    VW-Audit: Eine moralische und methodologische Bankrotterklärung

    von Rushan Abbas und Adrian Zenz
    Adrian Zenz ist Senior Fellow und Direktor für China-Studien bei der Victims of Communism Memorial Foundation in Washington. Rushan Abbas ist eine uigurisch-amerikanische Menschenrechtsaktivistin und Gründerin der “Campaign for Uyghurs”.

    Im Dezember 2023 veröffentlichte Volkswagen ein Audit über sein viel kritisiertes Joint-Venture-Werk in Xinjiang – einer Region, die heute das weltweit größte System staatlich angeordneter Zwangsarbeit betreibt. Der Untersuchungsbericht sprach das Unternehmen wenig überraschend von der Beteiligung an Zwangsarbeit frei.

    Aktuell deuten neue Erkenntnisse darauf hin, dass Volkswagen direkt in die uigurische Zwangsarbeit verwickelt ist. Die diese Woche veröffentlichten Beweise zeigen, dass die Volkswagen-SAIC-Teststrecke in Turpan von einer Tochtergesellschaft der China Railway Engineering Corporation (CREC) gebaut wurde. Darüber hinaus wird in den Berichten des CREC offen dargelegt, dass das Projekt selbst während des Höhepunkts der Masseninternierungen in den Jahren 2017 und 2018 transferierte uigurische Arbeitskräfte beschäftigte.

    Zwang bei der Einstellung, Ausbildung und Versetzung

    Ein Blick auf das Audit im vergangenen Jahr zeigt: Dies wurde den Angaben zufolge nach der Norm SA8000 durchgeführt, die Kinder- und Zwangsarbeit, Diskriminierung, körperliche oder psychische Bestrafung, Arbeitszeiten und Einkommen prüft. Das mag beeindruckend klingen – bis man begreift, dass in der Fabrik nie ein sichtbares Anzeichen von Zwang zu erwarten war. Denn zum einen sollen die Umerziehungslager die Uiguren zu bedingungslosem Gehorsam gegenüber dem Staat erziehen. Wie ein Uigure es ausdrückte: “Wenn die Regierung dir sagt, dass du arbeiten gehen sollst, dann gehst du.” Zum anderen findet der Zwang vor allem bei der Einstellung, Ausbildung und Versetzung statt und ist an den Arbeitsplätzen weit weniger sichtbar.

    Das Audit wurde von Löning Human Rights and Responsible Business durchgeführt. Das Unternehmen wurde von Markus Löning gegründet, der zwischen 2010 und 2013 Menschenrechtsbeauftragter der deutschen Bundesregierung war. Doch weder Volkswagen noch Löning haben einen eigentlichen Untersuchungsbericht veröffentlicht. Vielmehr hat das Unternehmen lediglich ein nicht unterzeichnetes Dokument mit Zitaten von Markus Löning ohne dessen Unterschrift oder Firmenbriefkopf vorgelegt.

    Audits sind in Xinjiang praktisch undurchführbar

    Der Grund für die seltsame Veröffentlichung der Prüfungsergebnisse wurde schnell klar. In einer verblüffenden Wendung veröffentlichte Löning Human Rights and Responsible Business am 7. Dezember eine Erklärung auf seinem LinkedIn-Konto, in der die gesamte Belegschaft sich von dem Audit distanzierte. In der Erklärung hieß es, dass außer Löning und Christian Ewert “kein anderes Teammitglied von Löning an diesem Projekt teilgenommen, es unterstützt oder befürwortet hat”.

    Die Methodik des Audits lässt erhebliche Zweifel an den Ergebnissen aufkommen. Volkswagen hatte offengelegt, dass die “eigentliche Prüfung” von zwei chinesischen Anwälten durchgeführt wurde, die von Löning-Mitarbeitern lediglich “vor Ort begleitet” wurden.

    Chinas Spionageabwehrgesetz erschwert Untersuchungen

    Interne staatliche Dokumente belegen, dass die Armutsbekämpfungs- und Umerziehungsarbeit strenger Geheimhaltung unterliegt. Dies ist natürlich der Grund, warum sich Experten und renommierte Prüfungsgesellschaften einig sind, dass Audits in Xinjiang praktisch nicht durchführbar und unethisch sind. Volkswagen bestätigte zudem, dass bei der Prüfung nicht einmal der Versuch unternommen wurde, die Lebensläufe der Mitarbeiter zu überprüfen. Das bedeutet, dass das Unternehmen nicht beurteilen konnte, was die uigurischen Mitarbeiter vor ihrer Einstellung bei Volkswagen widerfahren ist. Mitarbeiter von Löning haben inzwischen eingeräumt, dass ihr Unternehmen gar nicht für die Durchführung von SA8000-Audits akkreditiert ist.

    Im Juli letzten Jahres traf Rushan Abbas, eine Mitautorin dieses Artikels, Markus Löning in dessen Büro in Berlin und schilderte ihm die staatlich angeordnete Zwangsarbeit in Xinjiang, auch im SAIC-Volkswagen-Werk. Staatlich angeordnete Zwangsarbeit sieht vollkommen anders aus als Zwangsarbeit durch Unternehmen. Löning hörte zu und nickte scheinbar zustimmend. Beim Anblick eines Fotos von Gulshan Abbas, Schwester von Rushan und pensionierte Ärztin, die eine willkürliche 20-jährige Haftstrafe verbüßt, war er sichtlich bewegt.

    Nahezu bedingungslose Zusammenarbeit mit autokratischem Regime

    Anschließend legten die Aktivisten Löning eine Liste von Unternehmen vor, die mit dem Xinjiang Production and Construction Corps (XPCC) assoziiert sind, einer paramilitärischen Siedlungskolonie-Organisation, die in uigurische Zwangsarbeit verwickelt ist. Löning erwiderte, dass solche externen Beweise immer wichtiger würden. Er räumte ein, dass Chinas neues Spionageabwehrgesetz Untersuchungen von Lieferketten zunehmend erschwere.

    Mit vielen Worten hat Markus Löning die allgemein bekannten Tatsachen eingeräumt. So gelangte Rushan Abbas zu der Überzeugung, dass Löning ihr Engagement für die Wahrung der Menschenwürde und für die Beendigung der Zwangsarbeit in der Region teilte. Bedauerlicherweise wurde sie eines Besseren belehrt.

    Das Volkswagen-Löning-Audit stellt eine moralische und methodologische Bankrotterklärung dar. Es beutet den Ruf eines ehemaligen Menschenrechtsbeauftragten aus, um die Beteiligung an der größten Inhaftierung einer ethnisch-religiösen Gruppe seit dem Holocaust zu verschleiern. So könnte der Audit in die Geschichte als eines der abscheulicheren Beispiele für den Trugschluss des deutschen Modells “Wandel durch Handel” einer nahezu bedingungslosen Zusammenarbeit mit autokratischen Regimen eingehen.

    Rushan Abbas ist eine uigurisch-amerikanische Menschenrechtsaktivistin, die sich für die Rechte der Uiguren und das Uigurische Autonome Gebiet Xinjiang einsetzt. 2017 gründete sie die OrganisationCampaign for Uyghurs”. 2022 wurden die Campaign for Uyghurs zusammen mit dem Uyghur Human Rights Project für den Friedensnobelpreis nominiert.

    Adrian Zenz ist Senior Fellow und Direktor für China-Studien bei der Victims of Communism Memorial Foundation, Washington, D.C. Er hat eine führende Rolle bei der Analyse von durchgesickerten chinesischen Regierungsdokumenten gespielt, darunter die “China Cables”, die Karakax-Liste”, die “Xinjiang Papers” und die “Xinjiang Police Files”.

    Der Text ist eine gekürzte Fassung eines Beitrags in Foreign Policy.

    • Menschenrechte
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    • Volkswagen
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    Personalie

    Victoria Mio ist bei der Investmentgesellschaft Janus Henderson als Portfoliomanagerin und Leiterin des Bereichs Aktien Greater China tätig. Sie arbeitet von Singapur aus. Zuvor fungierte Mio 14 Jahre lang bei Robeco als Chief Investment Officer für China und als Co-Head of Asia Pacific Equities.

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    Dessert

    Neujahrssnack für Tigerbaby: Im Zoo von Kunming, Yunnan, feiern auch die Tiere den Beginn des Drachenjahrs. Der kleinen Raubkatze scheint es zu schmecken. Ob die Obst-Deko mitgegessen wird, ist allerdings fraglich.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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