am Donnerstagmorgen sind wir aufgestanden und sahen uns den Fernsehbildern des russischen Angriffs auf die Ukraine ausgesetzt. Nicht viel war am Morgen klar; erst mit der Zeit verdichtete sich der Eindruck einer umfassenden Attacke auf das Land aus so ziemlich jeder Himmelsrichtung. Am China.Table war uns klar, dass wir diesem nun militärisch ausgetragenen Konflikt eine Sonderausgabe widmen müssen. Denn China ist mehr als ein Zuschauer bei diesem Krieg.
Das offizielle Peking vollführte am Donnerstag einen fast atemberaubenden Balanceakt, wie Michael Radunski analysiert. Das bedeutete ein Festhalten am Grundprinzip der territorialen Unantastbarkeit der Ukraine bei gleichzeitigem Verständnis für die Aktionen Russlands. Chinas Außenministerium schaffte es gar zu leugnen, dass es sich bei dem Angriff um eine Invasion handele. Es klang, als habe Peking alternative Fakten zur Verfügung. Und nach wie vor hängt die Sorge vor einer Attacke auf Taiwan in der Luft.
Tatsache ist, dass China Russland im Falle umfassender Finanzsanktionen des Westens beispringen könnte. Wie Finn Mayer-Kuckuk analysiert, hat die Volksrepublik bereits ein alternatives Finanzsystem für Transaktionen mit chinesischen Yuan aufgebaut. Rund 17 Prozent des Handels mit Russland wickelt China bereits in Yuan ab. Doch auch hier gibt es Fragen: Wird Peking westliche Sanktionen auf diese Weise unterlaufen? Und würde Putin tatsächlich in Yuan handeln wollen?
Eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den beiden Großmächten steht auch im Energiesektor bevor, wie Frank Sieren analysiert. Die Anfang Februar in Peking vereinbarte Gaspipeline Power of Siberia 2 könnte Gas aus Ölfeldern nach China pumpen, die bislang nur Europa speisen. Putin schafft sich damit eine Alternative, falls die EU den Gasimport stoppt. Und auch dabei könnte der Yuan als Zahlungsmittel fungieren.
Mehrere Politiker im Westen betonten, dass Europa mit dem gestrigen Tag in eine neue Realität eingetreten ist. Dass nichts mehr so sei, wie zuvor. Ob das auch im Zusammenhang mit China der Fall ist, werden die kommenden Wochen zeigen.
Es ist ein atemberaubender Balanceakt, den China derzeit in der Russland-Ukraine-Krise aufführt. Während Russlands Präsident Wladimir Putin seine Truppen in die Ukraine schickt und aus allen Teilen des Landes Raketenangriffe gemeldet werden, übt sich die Führung in Peking in chinesischer Extrem-Dialektik. Das heißt: Festhalten an der Souveränität und Territorialität der Ukraine – und gleichzeitig keine Verurteilung des russischen Angriffs, der just diese Souveränität und Territorialität in Stücke reißt.
Um einen derartigen Gedanken-Spagat hinzubekommen, bestritt das Außenministerium in Peking am Donnerstag, dass es sich bei dem russischen Vormarsch überhaupt um eine Invasion handelt. “Das ist vielleicht ein Unterschied zwischen China und Ihnen Westlern. Wir werden nicht zu einem voreiligen Schluss kommen”, erklärte Außenamtssprecherin Hua Chunying auf der täglichen Pressekonferenz.
Auch dass selbst die chinesische Botschaft in Kiew zu diesem Zeitpunkt die eigenen Staatsbürger vor Explosionen warnt und von Kriegszustand spricht, konnte Hua nicht von ihrer Linie abbringen. Sie sprach lieber von einem “sogenannten Angriff”. “In Bezug auf die Definition einer Invasion denke ich, dass wir auf die aktuelle Situation in der Ukraine zurückkommen sollten. Die Ukraine-Frage hat einen anderen, sehr komplizierten historischen Hintergrund, der bis heute andauert. Es ist vielleicht nicht das, was jeder sehen möchte.” Am Donnerstag wird deutlich: China hat jedenfalls einen ganz eigenen Blick auf die Lage.
Strafmaßnahmen gegen Russland, wie sie derzeit von Deutschland, Europa und den USA diskutiert und beschlossen werden, kommen für China ohnehin nicht infrage. Schon am Mittwoch hieß es in Peking dazu: “Sanktionen waren noch nie ein wirksamer Weg zur Lösung von Problemen.” Auch am Donnerstag bestätigte die Außenamtssprecherin nochmals, dass China den Handel mit Russland aufrechterhalten werde – Lieferungen von Öl und Gas eingeschlossen (Wie wichtig die Lieferung dieser Rohstoffe für China ist, lesen Sie in einer weiteren Analyse der heutigen Ausgabe). Bemerkenswert: Die Grundpfeiler der chinesischen Außenpolitik – Achtung der Souveränität von Staaten, Gebot der Nichteinmischung und Wahrung der Territorialität – kamen Hua Chunying an diesem Tag nicht über die Lippen.
Dabei ist es noch keine Woche her, da erklärte Chinas Außenminister Wang Yi auf der Münchner Sicherheitskonferenz, dass auch in diesen Zeiten die Souveränität aller Nationen respektiert werden müsse. “Und die Ukraine ist keine Ausnahme”, sagte Wang in München.
Jener Wang Yi telefonierte am Donnerstag dann auch mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow, um die aktuelle Lage in der Ukraine zu besprechen. Das russische Außenministerium in Moskau gab den Inhalt des Gesprächs anschließend wie folgt wieder: “Die Minister haben ihrer gemeinsamen Überzeugung Ausdruck verliehen, dass der Grund der aktuellen Krise die von den USA und deren Verbündeten ermutigte Weigerung Kiews ist, das vom UN-Sicherheitsrat genehmigte Maßnahmenpaket von Minsk umzusetzen.”
Das chinesische Staatsfernsehen CCTV hingegen hielt am Pekinger Balanceakt fest: Demnach habe Wang Yi durchaus klargestellt, dass China immer die Souveränität und territoriale Integrität aller Länder respektiere. “Gleichzeitig sehen wir, dass die Ukraine-Frage ihre komplexen und historischen Besonderheiten hat, und wir verstehen die berechtigten Bedenken Russlands in Sicherheitsfragen. China tritt dafür ein, dass die Mentalität des Kalten Krieges vollständig aufgegeben und durch Dialog und Verhandlungen endlich ein ausgewogener, effektiver und nachhaltiger europäischer Sicherheitsmechanismus geschaffen werden sollte”, soll Wang gegenüber Lawrow gesagt haben.
Mögen es auch nur Nuancen sein, die Unterschiede zwischen den beiden Stellungnahmen sind dennoch bemerkenswert. Sie verdeutlichen, wie sehr China versucht, einen schier unmöglichen Balanceakt zu meistern. China will sich von Russland nicht abwenden, aber komplett vereinnahmen lassen will man sich auch nicht. Feng Yujun, Direktor des Zentrums für russische und zentralasiatische Studien an der Fudan-Universität in Shanghai, warnte denn auch: Russland versuche die Konfrontation zwischen China und den USA auszunutzen, um seine eigenen Ziele zu erreichen. China müsse aufpassen, denn einige Länder würden in der aktuellen Krise ausschließlich ihre eigenen geopolitischen Ziele verfolgen, sagte der Wissenschaftler im Interview mit dem chinesischen TV-Sender Phoenix.
Am Donnerstag hatte Russlands Präsident den Befehl gegeben, die Souveränität und Territorialität der Ukraine zu zerstören – und damit auch die Grundpfeiler der chinesischen Außenpolitik torpediert. Bliebe Peking nun den eigenen Worten treu, müsste man Putins Offensive verurteilen.
Doch nichts dergleichen geschah. Weder von offizieller Seite, noch in den Medien regte sich Kritik am russischen Vorgehen. Eine Zensurvorgabe für die chinesischen Medien, die für kurze Zeit versehentlich auf der Weibo-Seite der chinesischen Zeitung “Horizon News” erschien, erlaubte einen seltenen Blick hinter die Kulissen. Sie lautete: “Nichts posten, was unvorteilhaft für Russland oder prowestlich ist.” Und: “Nur Hashtags benutzen, die von der Volkszeitung, Xinhua oder CCTV gestartet wurden.”
Doch die Lage Chinas ist kompliziert: Russland und China sehen sich als strategische Partner. Als Putin zur Eröffnung der Olympischen Winterspiele nach Peking gereist war, zelebrierten die beiden Präsidenten ihre grenzenlose Freundschaft. Es wirkte, als passe kein Blatt zwischen die beiden autoritären Großmächte (China.Table berichtete). Die beiden autokratischen Machthaber verbindet eine tiefe Ablehnung der westlichen Ordnung unter Führung der USA.
Doch gleichzeitig ist die Ukraine ein wichtiger Partner Chinas. Seit 2020 ist das Land Mitglied der chinesischen “Belt-and-Road”-Initiative. Auch liefert es große Mengen an Getreide und Mais nach China. Zudem versorgt die Ukraine China mit wichtigen Rüstungsgütern wie Gasturbinen-Motoren für Lenkwaffenzerstörer oder mit Technologie für Luftkissenlandungsboote, die gerade im Hinblick auf Taiwan wichtig sind.
Denn auch dieser Aspekt spielt in den Entscheidungen Pekings eine wichtige Rolle. Etliche Analysten vermuten, dass Xi Jinping sich genau die Reaktion des Westens anschaut und das russische Vorgehen in der Ukraine eventuell als Blaupause für einen Schlag gegen Taiwan nutzen könnte. Es wird kein Zufall gewesen sein, dass am Donnerstag acht chinesische J-16 Kampfjets und ein Y-8-Aufklärungsflugzeug in den taiwanischen Luftraum eingedrungen sind, wie das dortige Verteidigungsministerium meldet.
Hu Xijin, der als ehemaliger Chef der staatlichen Zeitung Global Times über beste Verbindungen in die chinesische Führung verfügt, drohte auf Twitter: “Gewöhnt Euch schon mal daran. Morgen werden dort eventuell noch viel mehr Flugzeuge der Volksbefreiungsarmee fliegen.” Und nur wenige Stunden zuvor versicherte Ma Xiaoguang, Sprecher des Büros für Taiwan-Angelegenheiten des chinesischen Staatsrats: Chinas nationale Wiedervereinigung muss und wird sicher verwirklicht werden.
So lavierend sich China am Donnerstag auch gab, klar und eindeutig war man dann wieder bei der Benennung des Hauptschuldigen: die USA. “Was wir heute sehen, ist nicht das, was wir uns zu sehen gewünscht haben”, sagte Hua Chunying. “Die USA fachen die Flammen an.”
Schon sind erste Stimmen zu hören, die daraus einen originären Nutzen für China ableiten wollen. Geopolitisch spräche für ein von Russland ausgelöstes Chaos in der Ukraine, dass es die USA militärisch vom ostpazifischen Raum ablenken könnte, meint Shi Yinhong. Die USA müssten “Aufmerksamkeit und Ressourcen auf China im Indopazifik reduzieren”, sagte der Professor für internationale Beziehungen an der Pekinger Renmin-Universität, gegenüber der Zeitung South China Morning Post.
Doch Peking sollte sich nichts vormachen. Die USA haben China als außenpolitische Priorität identifiziert – und daran wird auch der Krieg in der Ukraine nichts ändern. Das zeigt auch die Ankündigung von US-Präsident Joe Biden, keine US-Truppen in die Ukraine zu schicken. Am Donnerstagabend gab Biden immerhin weitere Sanktionen bekannt, darunter Verbote zum Tech-Export sowie den Ausschluss weiterer russischer Banken von westlichen Kapital- und Währungsmärkten. Auf die Frage, ob er auch China dazu drängen werde, Russland zu sanktionieren, gab Biden keinen Kommentar ab.
Im Hinblick auf seine wirtschaftlichen Interessen in der Ukraine hat Peking bis in die jüngste Vergangenheit gezeigt, dass es durchaus bereit ist, wirtschaftliche Einbußen in Kauf zu nehmen, um seine politischen Ziele zu erreichen. Daher ist es nun an der Zeit, China beim Wort zu nehmen. Seit Jahren präsentiert sich die Volksrepublik auf der internationalen Bühne selbstbewusst als vermeintlich verantwortungsvoller Partner. Dialektische Verrenkungen passen dazu nicht. Im Gegenteil: Nun wäre ein guter Moment für verantwortungsvolles Handeln.
Die mächtigste Sanktion der westlichen Länder gegenüber Russland wäre die Abtrennung des Landes von SWIFT. Am Donnerstag konnten sich weder EU noch USA zu diesem Schritt durchringen. Bei einem Sondergipfel beschlossen die EU-Staaten Agenturinformationen zufolge jedoch eine Erweiterung der Sanktionen gegen Russlands Finanzsektor, durch die russische Banken von den EU-Finanzmärkten abgeschnitten und die Refinanzierung russischer Staatsunternehmen in der EU verhindert werden sollen. Mehr Details werden am Freitag erwartet.
Kurz vor der EU hatte auch US-Präsident Joe Biden neue Strafmaßnahmen wie strikte Exportkontrollen für den Technologiesektor und Sanktionen gegen vier Kreditinstitute angekündigt – einen Ausschluss Russlands von SWIFT ließen auch die USA zunächst unangetastet. In EU-Kreisen wurde am Donnerstag jedoch nicht ausgeschlossen, dass es zu einem späteren Zeitpunkt noch zu einem Ausschluss Russlands kommen kann.
Bei SWIFT handelt es sich um ein Datennetz, über das fast alle internationalen Überweisungen laufen. Ohne Zugang dazu können weder der russische Staat noch die Privatwirtschaft Zahlungen über die Grenzen hinweg annehmen oder verschicken. Russland könnte sich zum Beispiel keine Gasexporte mehr bezahlen lassen. Und russische Firmen könnten einem Geschäftspartner kein Geld für die Zulieferung von Teilen überweisen.
China könnte Russland hier jedoch einen Ausweg bieten. Es könnte als Handelspartner einspringen, wo sich andere Länder abwenden. Denn China verfügt über eine finanzielle Parallelwelt: die Zahlungsabwicklung in Yuan.
Schon jetzt laufen 17 Prozent des Handels zwischen China und Russland in Yuan, auch wenn Dollar und Euro weiterhin den Löwenanteil ausmachen. So zahlt China mit der eigenen Währung für Rohstofflieferungen. Russland fügt die eingenommenen Renminbi einerseits den eigenen Devisenreserven hinzu, von denen 12 Prozent auf Yuan lauten. Außerdem verwendet Moskau das chinesische Geld, um Rechnungen für Industriewaren zu begleichen. Eine Stärkung dieser Yuan-Zahlungen ist bereits länger zwischen den Präsidenten Wladimir Putin und Xi Jinping ausgemacht. Sie haben diesen Entschluss in Gesprächen immer wieder bestätigt.
Schon vor zwei Jahren hat die japanische Zeitung Nikkei die Gründung einer “Finanz-Allianz” zwischen Russland und China ausgemacht, als die Verwendung des Dollar im gegenseitigen Handel unter die 50-Prozent-Marke gefallen war. Zum Beispiel ist der Öl- und Gasriese Gazprom nach einem Bericht von Reuters auf Yuan umgestiegen, wenn er chinesischen Fluggesellschaften auf russischen Flughäfen das Kerosin in Rechnung stellt.
Möglich ist das durch den Aufbau neuer Finanzstrukturen durch China. Im Jahr 2015 hat die chinesische Zentralbank das CIPS ins Leben gerufen. Die Abkürzung steht für “Cross-Border Interbank Payment System”. Die Idee war damals, den internationalen Rahmen für Zahlungen in Yuan immer weiter zu strecken und nach und nach dem Dollar den Rang abzulaufen. Stichworte wie “Renminbi-Clearing” oder “Renminbi-Settlement” hatten zwischenzeitlich Konjunktur. Gemeint ist die Zahlungsabwicklung von Handelsgeschäften in Yuan.
Zum Aufstieg des Yuan an die Seite von Dollar und Euro ist es nie gekommen, weil China unter Xi Jinping dann eben doch nicht zur vollständigen Öffnung der eigenen Finanzmärkte bereit war. Freie Konvertierbarkeit ist jedoch die Voraussetzung für die Schaffung einer universellen Handelswährung. Aber immerhin: Auch in Frankfurt befindet sich seit 2014 ein Zentrum für die Abwicklung von Yuan-Geschäften, ebenso wie an weiteren Brennpunkten des Devisenhandels wie Dubai und seit 2017 eben auch in Moskau.
An die direkte Verarbeitung von Yuan-Zahlungen sind zahlreiche internationale Banken angeschlossen. In Deutschland sind beispielsweise die Deutsche Bank und die Commerzbank dabei, in den USA JPMorgan. Hinzu kommen 30 Banken in Japan, 31 in Afrika – und 23 in Russland. Im Januar war der Yuan immerhin die weltweit viertwichtigste Handelswährung.
Doch diese beeindruckend klingenden Zahlen kommen mit erheblichen Einschränkungen. Den vierten Platz gibt es nämlich schon mit einem mageren Anteil von drei Prozent an den Transfers. Den Rest teilen sich zum größten Teil Dollar und Euro untereinander auf, mit ein paar weiteren Prozentpunkten für das britische Pfund. Die meisten der Yuan-Übertragungen laufen zwischen China und Seidenstraßen-Ländern wie Kasachstan, mit abhängigen Partnern im Globalen Süden oder mit Außenseitern der Weltwirtschaft wie Venezuela.
Doch nun droht Russland ebenfalls ein Paria der Weltgemeinschaft zu werden. China würde mit seiner Yuan-Alternative auf einen Schlag zum wichtigsten Partner Moskaus werden. Die chinesische Wirtschaft bietet schließlich alle Warengruppen der UN-Klassifikation an. Ob Lebensmittel, Elektronik, Fahrzeuge – China kann liefern. Die Produktpalette geht bekanntlich vom kompletten High-Tech-Kraftwerk bis hinunter zu Küchenwaren aus Plastik. Doch es würde ohne SWIFT-Zugang eben der bisher so gedeihliche Handel mit der EU fehlen, Russlands bisher größtem Handelspartner.
China hat also das Potenzial, einen Teil dessen abzufangen, was Russland durch die Sanktionen entgeht – aber bei Weitem nicht alles. Die Lage wäre weiterhin sehr schmerzhaft für die russische Volkswirtschaft. Als Problem bleibt zudem, dass die Yuan-Zentren und die teilnehmenden Banken untereinander bisher ebenfalls über das SWIFT-Netz kommunizieren. Es ist eben für genau diese Art der sicheren Mitteilung von Überweisungen gemacht.
Nach Deaktivierung von SWIFT-Verbindungen über Russlands Außengrenzen müsste die chinesische Zentralbank daher ihr Projekt beschleunigen, neue Datenverbindungen schaffen. Doch das ist technisch möglich, und die Umsetzung des Plans der “Überwindung der Dollar-Hegemonie” und der “De-Dollarisierung” ist ohnehin nur eine Frage der Zeit. Schließlich sah sich auch China schon mit der Androhung von Finanzsanktionen konfrontiert. Es besteht also bereits seit einer Weile ein Interesse daran, ein eigenes Netz zu knüpfen.
Es bleibt die Frage, ob Putin seine so enge wirtschaftliche Anbindung an China überhaupt will. Seine Aktionen in Osteuropa sind auch eine Reaktion darauf, dass das einst so mächtige Russland im Zuge des chinesischen Aufstiegs immer unwichtiger geworden ist. Russland will wieder ganz vorne mitspielen.
Eine enge Anbindung an den Yuan-Handel würde Russland zum Junior-Partner des chinesischen Geschäftsmodells machen – zu einem großen Seidenstraßen-Land. Die Rolle des Rubels als C-Währung neben der B-Währung Yuan würde deutlich zutage treten. Und Peking könnte Russland womöglich großzügig mit Krediten unterstützen und ihm danach die Politik diktieren.
Sich jetzt von China abhängig zu machen, passt nicht zu Putins Vorstellung von der Rückkehr zur Bedeutung von Sowjetunion und Zarenreich. Und statt mit den eher naiven EU-Partnern hätte er es mit den machtbewussten Kommunisten in Peking zu tun.
Das Treffen des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Chinas Staatschef Xi Jinping zur Eröffnung der Olympischen Winterspiele in Peking wirkte demonstrativ wie ein geopolitischer Schulterschluss. Doch die Begegnung hatte auch eine enorme energiepolitische Bedeutung. Putin und Xi unterschrieben eine Vereinbarung über Gas- und Öllieferungen von Russland nach China im Wert von 117 Milliarden US-Dollar.
Fast noch wichtiger: Für die Gaslieferungen soll eine neue Pipeline namens Power of Sibiria 2 gebaut werden. Die Leitung soll in den Gasfeldern Bovanenkovo und Kharasavey der nordsibirischen Halbinsel Jamal beginnen, von wo auch Europa versorgt wird. Es wäre das erste Mal, dass Europa und China aus denselben Gasfeldern beliefert würden. Das verändert die geopolitische Landschaft, noch bevor die Röhre überhaupt gebaut wird. Bislang bezieht China russisches Gas durch die Pipeline Power of Sibiria 1, die in anderen Gasfeldern startet.
Dabei ist das Projekt keineswegs neu. Schon 2014 hatten das russische Förderunternehmen Gazprom und Chinas staatlicher Rohstoffkonzern CNPC den Rahmenvertrag für die Pipeline unterzeichnet. Doch das Projekt stagnierte. Es gab keine Einigung über Preise und die Infrastrukturausgaben. Doch das ist nun anders. Chinas Hunger nach Gas ist seither deutlich gestiegen, und der Bau der Pipeline wird endgültig konkret.
Die Route wurde aus politischen Gründen auf beiden Seiten geändert. Statt über das Altai-Gebirge nach Xinjiang soll sie nun diagonal durch Russland am sibirischen Baikalsee vorbei und durch die Mongolei verlaufen, auch wenn das teurer ist.
Russland verfügt über die größten Gasreserven weltweit, ist der größte Gasexporteur und hat zudem die achtgrößten Ölreserven. Putin wird durch die neuen Rohstoffgeschäfte mit China schrittweise unabhängiger von Europa. Damit hat Peking – auch wenn es nach eigenen Aussagen ausdrücklich keinen Krieg um die Ukraine will – indirekt den Handlungsspielraum für Putin in der Ukraine geschaffen. Der beginnende Einmarsch russischer Truppen in der Ostukraine ließ den Ölpreis am Donnerstag an den asiatischen Börsen zum ersten Mal in sieben Jahren auf über 100 US-Dollar pro Fass steigen.
Auch die USA wollen mehr Öl und Gas nach Europa verkaufen. Hinter Russland, Katar und Iran besitzen sie die viertgrößten Gasreserven. Beim Öl liegen sie immerhin noch auf Platz elf. Vor allem durch das in Deutschland wegen der dabei entstehenden Umweltschäden verbotene Fracking, das sogenannte Schiefergas, sind die USA wieder ein wichtiger Akteur im Gasgeschäft geworden. Russland ist ihr Mitbewerber. In dieser Gemengelage sind die Amerikaner weder an einer politischen noch wirtschaftlichen Annäherung Europas und Russlands interessiert, geschweige denn an einem Abnabelungsprozess Europas von den USA.
Deutschland hat bislang auch keinen einzigen Terminal, der Schiffsladungen mit Flüssiggas (LNG) aus den USA oder Katar abfertigen könnte. Pläne für LNG-Anlagen in Stade und Brunsbüttel liegen zwar seit Jahren auf dem Tisch, doch umgesetzt wurden sie bislang nicht. Nun werden die Pläne für die Anlage in Stade nach einem Bericht der Tagesschau zwar konkreter. Allerdings wird das Genehmigungsverfahren wohl mindestens ein Jahr dauern.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat einen Kompromiss entwickelt, um russisches und US-amerikanisches Gas zu bekommen. Er wollte den Bau von LNG-Terminals mit bis zu einer Milliarde Euro Steuergeld fördern, sofern die USA im Gegenzug ihren Widerstand gegen die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 aufgeben. Wegen der russischen Invasion der Ukraine hat Deutschland die Lizenzierung von Nord Stream 2 inzwischen aber ohnehin gestoppt.
Zudem hatte Scholz die Rolle Chinas unterschätzt. Peking hat es Putin durch die vereinbarten Gaslieferungen an Russland ermöglicht, den Westen zu provozieren. Damit ist die komfortable Position Deutschlands, selbst entscheiden zu können, von wem man wie viel Gas kauft, erst einmal dahin. Peking hat also groteskerweise indirekt Washington dabei geholfen, seine Interessen in Europa durchzusetzen – und gleichzeitig die Position Deutschlands und der EU geschwächt.
Für die US-Amerikaner ist es mit dem von Putin angezettelten Krieg jedenfalls viel einfacher, einen Trend bei der Gasversorgung zu verstärken: Bereits 2021 haben die USA zum ersten Mal mehr Gas an die EU verkauft als Russland. Während die EU versucht hat, sich mit den USA ein zweites Standbein aufzubauen, um die Abhängigkeit von Russland zu verringern, hat sich Putin eben den zweiten großen Kunden China aufgebaut, um nicht zu abhängig von den Europäern zu sein.
Derzeit neigt sich das Liefergewicht allerdings noch deutlich in Richtung EU. Moskau liefert 30 Prozent seines Gases nach Europa, aber bisher nur sieben Prozent nach China. Doch China möchte mehr russisches Gas, um seine Abhängigkeit von Gaslieferungen geopolitischer Rivalen zu verringern (China.Table berichtete). Russische Öl- und Gaslieferungen müssen nicht durch Drittländer oder internationale Schifffahrtswege. Dass die Power of Siberia 2 durch die unproblematische Mongolei verlaufen soll, kann Peking verschmerzen.
Der Gasbedarf steigt auch, weil Peking die Stromerzeugung von Kohle so weit wie möglich auf Gas umstellen will, um seine Klimaziele zu erreichen. Die Beratungsfirma McKinsey geht deshalb davon aus, dass China 2035 doppelt so viel Gas braucht wie derzeit. 2040 soll der Gasverbrauch nach Planungen des chinesischen Energiekonzerns Sinopec vom September 2021 gar auf 620 bcm (Milliarden Kubikmeter) steigen und bis 2050 das Öl überholen. Zum Vergleich: Europa hat im vergangenen Jahr 541 bcm Gas verbraucht.
Das alles weiß Putin. Deswegen kann sich eben mit Europa anlegen, auch wenn die Chinesen ihm Grenzen setzen. Peking möchte, dass die Ukraine unabhängig bleibt. Sie soll weder ein Vasall von Moskau werden, noch in die Einflusssphäre der Amerikaner geraten. Denn die Ukraine ist neben den USA einer der wichtigsten Getreidelieferanten und versorgt Peking mit zentralen Rüstungsgütern. Sollte Putin diesen Wunsch nun missachten – was noch nicht klar ist – hätte er sich global fast komplett isoliert.
Insgesamt wollten also sowohl Washington als auch Moskau aus unterschiedlichen Interessen, dass der Konflikt um die Ukraine nicht gelöst wird. Deshalb hat das Minsker Abkommen vom ersten Tag seiner Unterzeichnung nicht funktioniert. Der Westen hat die Ukraine nicht gezwungen, sich daranzuhalten. Moskau hat seine Separatisten nicht zurückgepfiffen.
Die USA wollten der EU zeigen, wie böse Putin ist. Putin hingegen will der EU demonstrieren, wie stark Russland ist. Dazwischen ist Europa nun eingeklemmt. Die EU muss es nun hinkriegen, dass die Waffen wieder schweigen. Wie, ist eine sehr schwierige Frage. Und Europa muss auch in diesem Gas- und Ölkonflikt, in dem China im Hintergrund auf eigene Rechnung spielt und die Position der EU geschwächt hat, wieder in die Vorderhand kommen. Und das bedeutet: Europa muss wieder die Wahl haben, wie viel Öl und Gas man wo kauft. Am späten Donnerstagabend billigten die Staats- und Regierungschefs der EU ein Sanktionspaket gegen Russland. Ausfuhrverbote für zum Beispiel russisches Erdgas waren nach Berichten der Deutschen Presse-Agentur zunächst jedoch nicht vorgesehen. Allerdings wird es demnach in EU-Kreisen für möglich gehalten, dass Russland selbst die Versorgung der EU mit Erdgas einstellt.
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Taiwan will Sanktionen gegen Russland im Technologie-Sektor unterstützen. Nach einem Bericht des US-Magazins Foreign Policy hat die Regierung in Taipeh ihre Bereitschaft signalisiert, entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Der Inselstaat hat vor allem als Halbleiterproduzent globale Bedeutung.
Neben Taiwan sollen auch Singapur und Japan ihre Unterstützung zugesagt haben, berichtet Foreign Policy mit Verweis auf nicht näher genannte US-amerikanische Quellen. Die Zusagen, die bereits vor dem russischen Angriff auf die Ukraine gegeben wurden, zeigten die weltweite Bereitschaft zur Teilnahme an einem Sanktionsprogramm zur massiven Schädigung der russischen Wirtschaft, heißt es.
Taiwan ist derweil in Sorge, dass die Volksrepublik China, die russischen Angriffe als Vorbild für eine gewaltsame Eroberung der Insel nehmen könnte – je nachdem, wie der Westen nun auf die Invasion reagiert. Die USA seien sich laut Foreign Policy dieser Gefahr bewusst. Außenminister Antony Blinken und andere hochrangige Beamte seien bereits dabei, mögliche Lehren aus der Ukraine-Krise für eine Reaktion auf einen etwaigen Angriff Chinas auf Taiwan zu ziehen.
Peking betonte bereits, dass es keine Parallele zwischen der Ukraine-Krise und dem eigenen Anspruch auf Taiwan sieht. “Taiwan ist nicht die Ukraine“, sagte Außenamtssprecherin Hua Chunying am Mittwoch. “Taiwan war schon immer ein untrennbarer Teil Chinas. Dies ist eine unbestreitbare rechtliche und historische Tatsache.” Die Ukraine sieht China dagegen als Staat an, für den die Unveräußerlichkeit der Grenzen gelte. ck
Während die Nachrichten über Angriffe auf die Ukraine in Europa seit Donnerstagmorgen die Schlagzeilen beherrschten, waren Chinas Staatsmedien zunächst noch zögerlich in der Berichterstattung. Zum Donnerstagabend hin aber gehörte der Konflikt neben anderen Themen dann auch zu den Aufmachern beim Auslandssender CGTN, der Nachrichtenagentur Xinhua und dem Staatsfernsehen CCTV. Allerdings war der Umfang jedoch geringer als in westlichen Medien. Die Staatsmedien gaben vor allem die Aussagen von Außenminister Wang Yi wieder.
Auf den großen Social-Media-Kanälen Weibo, Weixin und Douyin indes war der Krieg in der Ukraine Thema Nummer Eins. Eine Weibo-Themenseite, die den neuesten Entwicklungen in der Ukraine gewidmet ist, verzeichnete innerhalb weniger Stunden mehr als 2,5 Milliarden Aufrufe und 360.000 Kommentare.
Dort trendete sogar ein eigener Begriff, der beschreibt, dass man sich nicht auf die Arbeit konzentrieren kann, weil die Nachrichten aus der Ukraine so beunruhigend sind: wū xīn gōngzuò 乌心工作 – ein Wortspiel aus “Ukraine 乌克兰 Wūkèlán und wúxīn gōngzuò 无心工作: Nicht in der Stimmung sein, zu arbeiten.
In Kommentaren wurden die Ereignisse in Europa auch mit Taiwan und den Diaoyu-Inseln in Verbindung gebracht. Ein besonders drastisches Meme, das auf Weibo geteilt wurde, zeigte ein Schwein mit der Aufschrift “Ukraine” in einem Schlachttrog. Ein weiteres Schwein, über dem “Taiwan” steht, muss dem blutigen Treiben über ein Mäuerchen hinweg zusehen. Das Meme sollte die Botschaft übertragen, dass Taiwan als nächstes seinem Schicksal geweiht ist.
Andere Nutzer betonten, dass Krieg zu nichts führe und plädierten für eine friedliche Lösung des Konfliktes. Auf WeChat Moments ging der Post eines Studenten mit dem User-Namen Tángyīshuǐ 唐一水 viral. Dieser schrieb: “所有支持战争的都是傻逼” – “Jeder, der Krieg unterstützt, ist ein ‘shabi’”. “Shabi”(傻逼) ist eines der derbsten Schimpfworte der chinesischen Sprache. Der Student schrieb weiter: “Das ist das Jahr 2020, nicht 1914. Wir sollten heute den Preis des Krieges kennen.” Jeder, der jetzt auf dem Sofa sitze, sein Wifi genieße, Früchte esse und den Krieg feiere, sollte sich bewusst sein, dass dieser Wohlstand auf Jahren des Friedens gewachsen sei, so der Autor.
Für Aufsehen vor allem in den westlichen Medien sorgte eine versehentlich veröffentlichte Anweisung an chinesische Medien zur Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt: Horizon News, eine Untergruppe von Beijing News, die der Kommunistischen Partei Chinas gehört, veröffentlichte laut Washington Post bereits am Dienstag “Anweisungen” zur Berichterstattung über die eskalierende Lage in der Ukraine auf ihrer Weibo-Seite. In dem Beitrag erklärte Horizon News, dass Inhalte, die Russland negativ darstellten, nicht veröffentlicht werden sollen. Auch eine pro-westliche Darstellung der Ereignisse sollte demnach vermieden werden. fpe
China hat seinen Markt für Weizenimporte aus Russland geöffnet. Das kündigte die Zollbehörde am Donnerstag nur Stunden nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine an. Die Marktöffnung war allerdings Teil eines Pakets von Vereinbarungen, den beide Länder während des Besuchs des russischen Präsidenten Wladimir Putin Anfang dieses Monats in Peking unterschrieben hatten. Es ist also unklar, wie direkt die Abschaffung der Marktbeschränkungen für russischen Weizen mit der russischen Invasion und der Erwartung von Sanktionen des Westens zusammenhängen.
Die staatliche Global Times schreibt, dass die Erlaubnis in keinem Bezug zur Ukraine-Krise stehe. Doch Putin dürfte gewusst haben, was bevorsteht, als er Chinas Staatschef Xi Jinping in Peking traf und das Paket aushandelte. Er kann einen zusätzlichen Absatzmarkt gut gebrauchen, falls die EU im Laufe der Krise Agrarexporte aus Russland blockiert.
Russland ist einer der größten Weizenproduzenten der Welt, war jedoch aufgrund von Bedenken hinsichtlich möglicher Pilz- und anderer Kontaminationen von Chinas Markt ausgeschlossen. China öffnete im Oktober testweise Weizenimporte aus sieben Anbaugebieten in Russlands fernöstlicher Region. Dort bauen auch chinesische Unternehmen Weizen an, das sie bis dahin nur auf dem russischen Binnenmarkt absetzen konnten. Chinas größtes Agrarunternehmen, der Staatskonzern Cofco habe damals die erste Charge gekauft, berichtet die South China Morning Post – 667 Tonnen. Nach Angaben des Zolls hat Russland nun zugesagt, das Risiko eines Befalls zu mindern.
China bezieht bislang auch Getreide aus der Ukraine, die früher eine der Kornkammern der Sowjetunion gewesen war. Die Zukunft dieser Ausfuhren ist allerdings ungewiss, wenn sich die Invasion zu einem Krieg ausweiten sollte. Am Mittwoch hatten zudem Chinas Staatsrat und das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei vor “beispielloser” Herausforderungen für die Ernährungssicherheit des Landes in 2022 gewarnt. Nach einem zeitlichen Zufall sieht diese Marktöffnung daher nicht so recht aus. ck
Ohnmächtig muss Europa und muss der Westen zusehen, wie Russlands Präsident Wladimir Putin den Frieden in Europa bricht und die Ukraine mit militärischer Gewalt überzieht. Krieg mitten in Europa? Wer hätte sich das hierzulande noch vor wenigen Monaten vorstellen können?
Und bevor jetzt wieder die vor allem in Deutschland verbreiteten Selbstbezichtigungen kommen, nach denen “der Westen” es mit der “Einkreisung Russlands übertrieben” habe und wir selbst schuld daran seien, dass der “russische Bär jetzt gereizt reagiert”, lohnt sich ein Blick in die Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Begründung seiner als “Anerkennung” der ostukrainischen Separatistengebiete getarnte Annexion. Und es geht schon gar nicht um den angeblich notwendigen Schutz des russischen Teils der Bevölkerung in der Ost-Ukraine, die man angeblich vor dem “Genozid” und einer “faschistischen Regierung in Kiew” schützen müsse.
Es geht um etwas ganz anderes: um die Rückkehr Russlands als Großmacht, das eher an das Zarenreich anknüpft als an die frühere Sowjetunion. Anders als in der früheren Sowjetunion sollen in diesem Russland nicht verschiedene Völker vereint, sondern ein hegemonialer Anspruch einer angeblich einzigartigen russischen Zivilisation verankert werden, die aus den drei ostslawischen Völkern – der Russen, Ukrainer und Belarussen – hervorgegangen sei und die sich als grundverschieden zur “westlichen Zivilisation” versteht. Die darauf beruhende “russische Nation” kennt keine eigenständigen Staaten in der Ukraine, Weißrussland und vermutlich auch nicht im Kaukasus, Teilen Zentralasiens und vermutlich nicht einmal in Finnland. Nicht nur die Europäer werden deshalb die Rede des russischen Präsidenten mit Aufmerksamkeit und Besorgnis gehört haben. Vor allem aber soll diese “russische Nation” nach dem Willen Wladimir Putins auch wieder zur europäischen Großmacht werden, die über die Zukunft und das Schicksal Europas mindestens mitentscheiden soll. Ganz so, wie es mit dem zaristischen Russland über Jahrhunderte der Fall war.
Der russische Präsident will eine Entwicklung rückgängig machen, in der Russland seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion kontinuierlich an Einfluss in Europa verloren hat und seitdem immer mehr auf die Rolle eines Energielieferanten herabgestiegen ist. Geopolitisch haben die USA seit 1945 den Westen Europas und seit 1989 ganz Europa dominiert. Russland spielte keine Rolle mehr, stattdessen hat in den letzten Jahren China seinen Einfluss in Europa ausgebaut. Russland ist global, aber eben auch in Europa der große geopolitische Verlierer. Diesen Trend will der russische Präsident stoppen und umkehren. Und da Russland weder wirtschaftlich noch politisch attraktiv ist, bleibt “nur” das Militär als Instrument, um das Land wieder als eine europäische Macht zu etablieren.
In gewisser Weise hat der russische Präsident dieses Ziel bereits erreicht, denn die USA verhandeln wieder mit ihm über das Schicksal Europas. Aus russischer Sicht ist das die Rückkehr zur Normalität: Russland hat 1945 mit den USA über die Zukunft Europas verhandelt, 1989/1990 erneut im Rahmen der deutschen Einheit und auch 1997 mit der NATO-Russland-Grundakte.
Russland will diese Entwicklung nach 1989/90 wieder rückgängig machen und sich wie zuvor Jahrhunderte lang als Großmacht in Europa positionieren. Es geht um Einfluss auf die künftige Rolle Europas im Rahmen der Neuordnung der Welt, die gerade in Gang gekommen ist. Denn die Nachkriegsordnung des II. Weltkrieges ist mit ein bisschen Verspätung zu Ende gegangen. Was wir als globale Ordnung gewohnt waren, entstand, als Staaten wie China und Indien noch Entwicklungsländer waren, die zur sogenannten “Dritten Welt” gehörten. Entschieden wurde in der “ersten Welt”: in den USA, der UdSSR und den demokratischen Industriestaaten des Westens. Mit dem Niedergang der Sowjetunion und dem Aufstieg Chinas verband sich auch – anfangs weitgehend unbemerkt – das Ende der “Pax Americana”. Die Vereinigten Staaten waren immer weniger in der Lage, sowohl führende Wirtschafts- und Technologienation zu sein, als auch die globale Ordnung aufrechtzuerhalten.
Schon lange vor Donald Trump begannen die USA, sich aus ihrer traditionellen Rolle als globale Ordnungsmacht Schritt für Schritt zurückzuziehen, um ihre Kraft auf den neuen Wettbewerb mit China konzentrieren zu können. Nicht mehr Europa und der Atlantik bilden heute das Gravitationszentrum der Welt, sondern der Indo-Pazifik. Dort lebt inzwischen die Mehrheit der Weltbevölkerung, dort wird der Großteil des weltweiten Sozialprodukts erarbeitet, und längst sind in diesem Teil der Welt auch fünf Nuklearstaaten mit der Fähigkeit zum Bau von Atomwaffen entstanden. Wir sind Zeitzeugen einer geradezu tektonischen Verschiebung der wirtschaftlichen, politischen und militärischen Machtachsen der Welt.
Natürlich können und müssen wir jetzt harte Sanktionen gegen Russland ergreifen. Härter und konsequenter als alles, was wir bisher vorstellen konnten. Aber wir ahnen bereits, dass Russland diese Sanktionen bereits in die Kosten seines Krieges “eingepreist” hat: Weder der Stopp des Erdgasprojekts Nord Stream 2 noch das Einfrieren von Vermögen der russischen Oligarchen oder die Entkoppelung Russlands vom europäischen und amerikanischen Finanzmarkt werden die russische Führung zur Umkehr bewegen. Sanktionen sind für Russland eine Art “Großmachtsteuer”, die man bereit sein muss zu zahlen, wenn man geopolitisch ein Machtfaktor sein will. Und selbst wenn wir weitergehen und uns vollständig vom russischen Energiemarkt abkoppeln und Russland aus dem internationalen Zahlungsverkehr ausschließen: Nichts davon wird schnell wirken, zumal mit China ein neuer wirtschaftlicher Partner für Russland zur Verfügung steht.
Eigentlich widerspricht Russlands Invasion in der Ukraine den chinesischen Prinzipien der Nichteinmischung in anderen Staaten, aber so weit, dass sich das Land an westlichen Sanktionen beteiligen würde, wird das Reich der Mitte nicht gehen. Zu groß ist die geopolitische Rivalität Chinas mit den USA. Im Gegenteil: Aus Sicht der politischen Führung Chinas wird dieser Konflikt eine hohe Aufmerksamkeit erhalten. Insbesondere mit Blick auf Chinas Anspruch auf Taiwan wird die politische Führung in Peking genauestens studieren, ob und wie lange Europa und die USA zusammenstehen, oder ob sich möglicherweise irgendwann Risse in dieser Einigkeit beobachten lassen. China will mit Blick auf drohende US-Sanktionen aus dem aktuellen Konflikt zwischen Russland und dem Westen lernen. Zum anderen ist es aus chinesischer Sicht gut, wenn die USA Teile ihrer Kraft wieder auf Europa und auf Russland konzentrieren müssen, weil das zugleich die amerikanische Konzentration auf den Indo-Pazifik behindert. Der Konflikt mit Russland hat also durchaus globale Folgen.
Den Standpunkt von Sigmar Gabriel lesen Sie hier weiter.
Christian Goldmann ist seit Anfang Februar für das Result Controlling von Daimler Trucks China in Peking verantwortlich. Goldmann war zuvor in Stuttgart im Result Controlling Daimler Trucks / Trucks NAFTA tätig.
Bernd Blankenbach ist neuer Leiter für Forschung und Entwicklung bei Omni Gear in Shanghai. Bis Ende Januar war Blankenbach Head of Traction Drive Systems bei Mahle Holding China Ltd. in Taicang, Provinz Jiangsu.
am Donnerstagmorgen sind wir aufgestanden und sahen uns den Fernsehbildern des russischen Angriffs auf die Ukraine ausgesetzt. Nicht viel war am Morgen klar; erst mit der Zeit verdichtete sich der Eindruck einer umfassenden Attacke auf das Land aus so ziemlich jeder Himmelsrichtung. Am China.Table war uns klar, dass wir diesem nun militärisch ausgetragenen Konflikt eine Sonderausgabe widmen müssen. Denn China ist mehr als ein Zuschauer bei diesem Krieg.
Das offizielle Peking vollführte am Donnerstag einen fast atemberaubenden Balanceakt, wie Michael Radunski analysiert. Das bedeutete ein Festhalten am Grundprinzip der territorialen Unantastbarkeit der Ukraine bei gleichzeitigem Verständnis für die Aktionen Russlands. Chinas Außenministerium schaffte es gar zu leugnen, dass es sich bei dem Angriff um eine Invasion handele. Es klang, als habe Peking alternative Fakten zur Verfügung. Und nach wie vor hängt die Sorge vor einer Attacke auf Taiwan in der Luft.
Tatsache ist, dass China Russland im Falle umfassender Finanzsanktionen des Westens beispringen könnte. Wie Finn Mayer-Kuckuk analysiert, hat die Volksrepublik bereits ein alternatives Finanzsystem für Transaktionen mit chinesischen Yuan aufgebaut. Rund 17 Prozent des Handels mit Russland wickelt China bereits in Yuan ab. Doch auch hier gibt es Fragen: Wird Peking westliche Sanktionen auf diese Weise unterlaufen? Und würde Putin tatsächlich in Yuan handeln wollen?
Eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den beiden Großmächten steht auch im Energiesektor bevor, wie Frank Sieren analysiert. Die Anfang Februar in Peking vereinbarte Gaspipeline Power of Siberia 2 könnte Gas aus Ölfeldern nach China pumpen, die bislang nur Europa speisen. Putin schafft sich damit eine Alternative, falls die EU den Gasimport stoppt. Und auch dabei könnte der Yuan als Zahlungsmittel fungieren.
Mehrere Politiker im Westen betonten, dass Europa mit dem gestrigen Tag in eine neue Realität eingetreten ist. Dass nichts mehr so sei, wie zuvor. Ob das auch im Zusammenhang mit China der Fall ist, werden die kommenden Wochen zeigen.
Es ist ein atemberaubender Balanceakt, den China derzeit in der Russland-Ukraine-Krise aufführt. Während Russlands Präsident Wladimir Putin seine Truppen in die Ukraine schickt und aus allen Teilen des Landes Raketenangriffe gemeldet werden, übt sich die Führung in Peking in chinesischer Extrem-Dialektik. Das heißt: Festhalten an der Souveränität und Territorialität der Ukraine – und gleichzeitig keine Verurteilung des russischen Angriffs, der just diese Souveränität und Territorialität in Stücke reißt.
Um einen derartigen Gedanken-Spagat hinzubekommen, bestritt das Außenministerium in Peking am Donnerstag, dass es sich bei dem russischen Vormarsch überhaupt um eine Invasion handelt. “Das ist vielleicht ein Unterschied zwischen China und Ihnen Westlern. Wir werden nicht zu einem voreiligen Schluss kommen”, erklärte Außenamtssprecherin Hua Chunying auf der täglichen Pressekonferenz.
Auch dass selbst die chinesische Botschaft in Kiew zu diesem Zeitpunkt die eigenen Staatsbürger vor Explosionen warnt und von Kriegszustand spricht, konnte Hua nicht von ihrer Linie abbringen. Sie sprach lieber von einem “sogenannten Angriff”. “In Bezug auf die Definition einer Invasion denke ich, dass wir auf die aktuelle Situation in der Ukraine zurückkommen sollten. Die Ukraine-Frage hat einen anderen, sehr komplizierten historischen Hintergrund, der bis heute andauert. Es ist vielleicht nicht das, was jeder sehen möchte.” Am Donnerstag wird deutlich: China hat jedenfalls einen ganz eigenen Blick auf die Lage.
Strafmaßnahmen gegen Russland, wie sie derzeit von Deutschland, Europa und den USA diskutiert und beschlossen werden, kommen für China ohnehin nicht infrage. Schon am Mittwoch hieß es in Peking dazu: “Sanktionen waren noch nie ein wirksamer Weg zur Lösung von Problemen.” Auch am Donnerstag bestätigte die Außenamtssprecherin nochmals, dass China den Handel mit Russland aufrechterhalten werde – Lieferungen von Öl und Gas eingeschlossen (Wie wichtig die Lieferung dieser Rohstoffe für China ist, lesen Sie in einer weiteren Analyse der heutigen Ausgabe). Bemerkenswert: Die Grundpfeiler der chinesischen Außenpolitik – Achtung der Souveränität von Staaten, Gebot der Nichteinmischung und Wahrung der Territorialität – kamen Hua Chunying an diesem Tag nicht über die Lippen.
Dabei ist es noch keine Woche her, da erklärte Chinas Außenminister Wang Yi auf der Münchner Sicherheitskonferenz, dass auch in diesen Zeiten die Souveränität aller Nationen respektiert werden müsse. “Und die Ukraine ist keine Ausnahme”, sagte Wang in München.
Jener Wang Yi telefonierte am Donnerstag dann auch mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow, um die aktuelle Lage in der Ukraine zu besprechen. Das russische Außenministerium in Moskau gab den Inhalt des Gesprächs anschließend wie folgt wieder: “Die Minister haben ihrer gemeinsamen Überzeugung Ausdruck verliehen, dass der Grund der aktuellen Krise die von den USA und deren Verbündeten ermutigte Weigerung Kiews ist, das vom UN-Sicherheitsrat genehmigte Maßnahmenpaket von Minsk umzusetzen.”
Das chinesische Staatsfernsehen CCTV hingegen hielt am Pekinger Balanceakt fest: Demnach habe Wang Yi durchaus klargestellt, dass China immer die Souveränität und territoriale Integrität aller Länder respektiere. “Gleichzeitig sehen wir, dass die Ukraine-Frage ihre komplexen und historischen Besonderheiten hat, und wir verstehen die berechtigten Bedenken Russlands in Sicherheitsfragen. China tritt dafür ein, dass die Mentalität des Kalten Krieges vollständig aufgegeben und durch Dialog und Verhandlungen endlich ein ausgewogener, effektiver und nachhaltiger europäischer Sicherheitsmechanismus geschaffen werden sollte”, soll Wang gegenüber Lawrow gesagt haben.
Mögen es auch nur Nuancen sein, die Unterschiede zwischen den beiden Stellungnahmen sind dennoch bemerkenswert. Sie verdeutlichen, wie sehr China versucht, einen schier unmöglichen Balanceakt zu meistern. China will sich von Russland nicht abwenden, aber komplett vereinnahmen lassen will man sich auch nicht. Feng Yujun, Direktor des Zentrums für russische und zentralasiatische Studien an der Fudan-Universität in Shanghai, warnte denn auch: Russland versuche die Konfrontation zwischen China und den USA auszunutzen, um seine eigenen Ziele zu erreichen. China müsse aufpassen, denn einige Länder würden in der aktuellen Krise ausschließlich ihre eigenen geopolitischen Ziele verfolgen, sagte der Wissenschaftler im Interview mit dem chinesischen TV-Sender Phoenix.
Am Donnerstag hatte Russlands Präsident den Befehl gegeben, die Souveränität und Territorialität der Ukraine zu zerstören – und damit auch die Grundpfeiler der chinesischen Außenpolitik torpediert. Bliebe Peking nun den eigenen Worten treu, müsste man Putins Offensive verurteilen.
Doch nichts dergleichen geschah. Weder von offizieller Seite, noch in den Medien regte sich Kritik am russischen Vorgehen. Eine Zensurvorgabe für die chinesischen Medien, die für kurze Zeit versehentlich auf der Weibo-Seite der chinesischen Zeitung “Horizon News” erschien, erlaubte einen seltenen Blick hinter die Kulissen. Sie lautete: “Nichts posten, was unvorteilhaft für Russland oder prowestlich ist.” Und: “Nur Hashtags benutzen, die von der Volkszeitung, Xinhua oder CCTV gestartet wurden.”
Doch die Lage Chinas ist kompliziert: Russland und China sehen sich als strategische Partner. Als Putin zur Eröffnung der Olympischen Winterspiele nach Peking gereist war, zelebrierten die beiden Präsidenten ihre grenzenlose Freundschaft. Es wirkte, als passe kein Blatt zwischen die beiden autoritären Großmächte (China.Table berichtete). Die beiden autokratischen Machthaber verbindet eine tiefe Ablehnung der westlichen Ordnung unter Führung der USA.
Doch gleichzeitig ist die Ukraine ein wichtiger Partner Chinas. Seit 2020 ist das Land Mitglied der chinesischen “Belt-and-Road”-Initiative. Auch liefert es große Mengen an Getreide und Mais nach China. Zudem versorgt die Ukraine China mit wichtigen Rüstungsgütern wie Gasturbinen-Motoren für Lenkwaffenzerstörer oder mit Technologie für Luftkissenlandungsboote, die gerade im Hinblick auf Taiwan wichtig sind.
Denn auch dieser Aspekt spielt in den Entscheidungen Pekings eine wichtige Rolle. Etliche Analysten vermuten, dass Xi Jinping sich genau die Reaktion des Westens anschaut und das russische Vorgehen in der Ukraine eventuell als Blaupause für einen Schlag gegen Taiwan nutzen könnte. Es wird kein Zufall gewesen sein, dass am Donnerstag acht chinesische J-16 Kampfjets und ein Y-8-Aufklärungsflugzeug in den taiwanischen Luftraum eingedrungen sind, wie das dortige Verteidigungsministerium meldet.
Hu Xijin, der als ehemaliger Chef der staatlichen Zeitung Global Times über beste Verbindungen in die chinesische Führung verfügt, drohte auf Twitter: “Gewöhnt Euch schon mal daran. Morgen werden dort eventuell noch viel mehr Flugzeuge der Volksbefreiungsarmee fliegen.” Und nur wenige Stunden zuvor versicherte Ma Xiaoguang, Sprecher des Büros für Taiwan-Angelegenheiten des chinesischen Staatsrats: Chinas nationale Wiedervereinigung muss und wird sicher verwirklicht werden.
So lavierend sich China am Donnerstag auch gab, klar und eindeutig war man dann wieder bei der Benennung des Hauptschuldigen: die USA. “Was wir heute sehen, ist nicht das, was wir uns zu sehen gewünscht haben”, sagte Hua Chunying. “Die USA fachen die Flammen an.”
Schon sind erste Stimmen zu hören, die daraus einen originären Nutzen für China ableiten wollen. Geopolitisch spräche für ein von Russland ausgelöstes Chaos in der Ukraine, dass es die USA militärisch vom ostpazifischen Raum ablenken könnte, meint Shi Yinhong. Die USA müssten “Aufmerksamkeit und Ressourcen auf China im Indopazifik reduzieren”, sagte der Professor für internationale Beziehungen an der Pekinger Renmin-Universität, gegenüber der Zeitung South China Morning Post.
Doch Peking sollte sich nichts vormachen. Die USA haben China als außenpolitische Priorität identifiziert – und daran wird auch der Krieg in der Ukraine nichts ändern. Das zeigt auch die Ankündigung von US-Präsident Joe Biden, keine US-Truppen in die Ukraine zu schicken. Am Donnerstagabend gab Biden immerhin weitere Sanktionen bekannt, darunter Verbote zum Tech-Export sowie den Ausschluss weiterer russischer Banken von westlichen Kapital- und Währungsmärkten. Auf die Frage, ob er auch China dazu drängen werde, Russland zu sanktionieren, gab Biden keinen Kommentar ab.
Im Hinblick auf seine wirtschaftlichen Interessen in der Ukraine hat Peking bis in die jüngste Vergangenheit gezeigt, dass es durchaus bereit ist, wirtschaftliche Einbußen in Kauf zu nehmen, um seine politischen Ziele zu erreichen. Daher ist es nun an der Zeit, China beim Wort zu nehmen. Seit Jahren präsentiert sich die Volksrepublik auf der internationalen Bühne selbstbewusst als vermeintlich verantwortungsvoller Partner. Dialektische Verrenkungen passen dazu nicht. Im Gegenteil: Nun wäre ein guter Moment für verantwortungsvolles Handeln.
Die mächtigste Sanktion der westlichen Länder gegenüber Russland wäre die Abtrennung des Landes von SWIFT. Am Donnerstag konnten sich weder EU noch USA zu diesem Schritt durchringen. Bei einem Sondergipfel beschlossen die EU-Staaten Agenturinformationen zufolge jedoch eine Erweiterung der Sanktionen gegen Russlands Finanzsektor, durch die russische Banken von den EU-Finanzmärkten abgeschnitten und die Refinanzierung russischer Staatsunternehmen in der EU verhindert werden sollen. Mehr Details werden am Freitag erwartet.
Kurz vor der EU hatte auch US-Präsident Joe Biden neue Strafmaßnahmen wie strikte Exportkontrollen für den Technologiesektor und Sanktionen gegen vier Kreditinstitute angekündigt – einen Ausschluss Russlands von SWIFT ließen auch die USA zunächst unangetastet. In EU-Kreisen wurde am Donnerstag jedoch nicht ausgeschlossen, dass es zu einem späteren Zeitpunkt noch zu einem Ausschluss Russlands kommen kann.
Bei SWIFT handelt es sich um ein Datennetz, über das fast alle internationalen Überweisungen laufen. Ohne Zugang dazu können weder der russische Staat noch die Privatwirtschaft Zahlungen über die Grenzen hinweg annehmen oder verschicken. Russland könnte sich zum Beispiel keine Gasexporte mehr bezahlen lassen. Und russische Firmen könnten einem Geschäftspartner kein Geld für die Zulieferung von Teilen überweisen.
China könnte Russland hier jedoch einen Ausweg bieten. Es könnte als Handelspartner einspringen, wo sich andere Länder abwenden. Denn China verfügt über eine finanzielle Parallelwelt: die Zahlungsabwicklung in Yuan.
Schon jetzt laufen 17 Prozent des Handels zwischen China und Russland in Yuan, auch wenn Dollar und Euro weiterhin den Löwenanteil ausmachen. So zahlt China mit der eigenen Währung für Rohstofflieferungen. Russland fügt die eingenommenen Renminbi einerseits den eigenen Devisenreserven hinzu, von denen 12 Prozent auf Yuan lauten. Außerdem verwendet Moskau das chinesische Geld, um Rechnungen für Industriewaren zu begleichen. Eine Stärkung dieser Yuan-Zahlungen ist bereits länger zwischen den Präsidenten Wladimir Putin und Xi Jinping ausgemacht. Sie haben diesen Entschluss in Gesprächen immer wieder bestätigt.
Schon vor zwei Jahren hat die japanische Zeitung Nikkei die Gründung einer “Finanz-Allianz” zwischen Russland und China ausgemacht, als die Verwendung des Dollar im gegenseitigen Handel unter die 50-Prozent-Marke gefallen war. Zum Beispiel ist der Öl- und Gasriese Gazprom nach einem Bericht von Reuters auf Yuan umgestiegen, wenn er chinesischen Fluggesellschaften auf russischen Flughäfen das Kerosin in Rechnung stellt.
Möglich ist das durch den Aufbau neuer Finanzstrukturen durch China. Im Jahr 2015 hat die chinesische Zentralbank das CIPS ins Leben gerufen. Die Abkürzung steht für “Cross-Border Interbank Payment System”. Die Idee war damals, den internationalen Rahmen für Zahlungen in Yuan immer weiter zu strecken und nach und nach dem Dollar den Rang abzulaufen. Stichworte wie “Renminbi-Clearing” oder “Renminbi-Settlement” hatten zwischenzeitlich Konjunktur. Gemeint ist die Zahlungsabwicklung von Handelsgeschäften in Yuan.
Zum Aufstieg des Yuan an die Seite von Dollar und Euro ist es nie gekommen, weil China unter Xi Jinping dann eben doch nicht zur vollständigen Öffnung der eigenen Finanzmärkte bereit war. Freie Konvertierbarkeit ist jedoch die Voraussetzung für die Schaffung einer universellen Handelswährung. Aber immerhin: Auch in Frankfurt befindet sich seit 2014 ein Zentrum für die Abwicklung von Yuan-Geschäften, ebenso wie an weiteren Brennpunkten des Devisenhandels wie Dubai und seit 2017 eben auch in Moskau.
An die direkte Verarbeitung von Yuan-Zahlungen sind zahlreiche internationale Banken angeschlossen. In Deutschland sind beispielsweise die Deutsche Bank und die Commerzbank dabei, in den USA JPMorgan. Hinzu kommen 30 Banken in Japan, 31 in Afrika – und 23 in Russland. Im Januar war der Yuan immerhin die weltweit viertwichtigste Handelswährung.
Doch diese beeindruckend klingenden Zahlen kommen mit erheblichen Einschränkungen. Den vierten Platz gibt es nämlich schon mit einem mageren Anteil von drei Prozent an den Transfers. Den Rest teilen sich zum größten Teil Dollar und Euro untereinander auf, mit ein paar weiteren Prozentpunkten für das britische Pfund. Die meisten der Yuan-Übertragungen laufen zwischen China und Seidenstraßen-Ländern wie Kasachstan, mit abhängigen Partnern im Globalen Süden oder mit Außenseitern der Weltwirtschaft wie Venezuela.
Doch nun droht Russland ebenfalls ein Paria der Weltgemeinschaft zu werden. China würde mit seiner Yuan-Alternative auf einen Schlag zum wichtigsten Partner Moskaus werden. Die chinesische Wirtschaft bietet schließlich alle Warengruppen der UN-Klassifikation an. Ob Lebensmittel, Elektronik, Fahrzeuge – China kann liefern. Die Produktpalette geht bekanntlich vom kompletten High-Tech-Kraftwerk bis hinunter zu Küchenwaren aus Plastik. Doch es würde ohne SWIFT-Zugang eben der bisher so gedeihliche Handel mit der EU fehlen, Russlands bisher größtem Handelspartner.
China hat also das Potenzial, einen Teil dessen abzufangen, was Russland durch die Sanktionen entgeht – aber bei Weitem nicht alles. Die Lage wäre weiterhin sehr schmerzhaft für die russische Volkswirtschaft. Als Problem bleibt zudem, dass die Yuan-Zentren und die teilnehmenden Banken untereinander bisher ebenfalls über das SWIFT-Netz kommunizieren. Es ist eben für genau diese Art der sicheren Mitteilung von Überweisungen gemacht.
Nach Deaktivierung von SWIFT-Verbindungen über Russlands Außengrenzen müsste die chinesische Zentralbank daher ihr Projekt beschleunigen, neue Datenverbindungen schaffen. Doch das ist technisch möglich, und die Umsetzung des Plans der “Überwindung der Dollar-Hegemonie” und der “De-Dollarisierung” ist ohnehin nur eine Frage der Zeit. Schließlich sah sich auch China schon mit der Androhung von Finanzsanktionen konfrontiert. Es besteht also bereits seit einer Weile ein Interesse daran, ein eigenes Netz zu knüpfen.
Es bleibt die Frage, ob Putin seine so enge wirtschaftliche Anbindung an China überhaupt will. Seine Aktionen in Osteuropa sind auch eine Reaktion darauf, dass das einst so mächtige Russland im Zuge des chinesischen Aufstiegs immer unwichtiger geworden ist. Russland will wieder ganz vorne mitspielen.
Eine enge Anbindung an den Yuan-Handel würde Russland zum Junior-Partner des chinesischen Geschäftsmodells machen – zu einem großen Seidenstraßen-Land. Die Rolle des Rubels als C-Währung neben der B-Währung Yuan würde deutlich zutage treten. Und Peking könnte Russland womöglich großzügig mit Krediten unterstützen und ihm danach die Politik diktieren.
Sich jetzt von China abhängig zu machen, passt nicht zu Putins Vorstellung von der Rückkehr zur Bedeutung von Sowjetunion und Zarenreich. Und statt mit den eher naiven EU-Partnern hätte er es mit den machtbewussten Kommunisten in Peking zu tun.
Das Treffen des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Chinas Staatschef Xi Jinping zur Eröffnung der Olympischen Winterspiele in Peking wirkte demonstrativ wie ein geopolitischer Schulterschluss. Doch die Begegnung hatte auch eine enorme energiepolitische Bedeutung. Putin und Xi unterschrieben eine Vereinbarung über Gas- und Öllieferungen von Russland nach China im Wert von 117 Milliarden US-Dollar.
Fast noch wichtiger: Für die Gaslieferungen soll eine neue Pipeline namens Power of Sibiria 2 gebaut werden. Die Leitung soll in den Gasfeldern Bovanenkovo und Kharasavey der nordsibirischen Halbinsel Jamal beginnen, von wo auch Europa versorgt wird. Es wäre das erste Mal, dass Europa und China aus denselben Gasfeldern beliefert würden. Das verändert die geopolitische Landschaft, noch bevor die Röhre überhaupt gebaut wird. Bislang bezieht China russisches Gas durch die Pipeline Power of Sibiria 1, die in anderen Gasfeldern startet.
Dabei ist das Projekt keineswegs neu. Schon 2014 hatten das russische Förderunternehmen Gazprom und Chinas staatlicher Rohstoffkonzern CNPC den Rahmenvertrag für die Pipeline unterzeichnet. Doch das Projekt stagnierte. Es gab keine Einigung über Preise und die Infrastrukturausgaben. Doch das ist nun anders. Chinas Hunger nach Gas ist seither deutlich gestiegen, und der Bau der Pipeline wird endgültig konkret.
Die Route wurde aus politischen Gründen auf beiden Seiten geändert. Statt über das Altai-Gebirge nach Xinjiang soll sie nun diagonal durch Russland am sibirischen Baikalsee vorbei und durch die Mongolei verlaufen, auch wenn das teurer ist.
Russland verfügt über die größten Gasreserven weltweit, ist der größte Gasexporteur und hat zudem die achtgrößten Ölreserven. Putin wird durch die neuen Rohstoffgeschäfte mit China schrittweise unabhängiger von Europa. Damit hat Peking – auch wenn es nach eigenen Aussagen ausdrücklich keinen Krieg um die Ukraine will – indirekt den Handlungsspielraum für Putin in der Ukraine geschaffen. Der beginnende Einmarsch russischer Truppen in der Ostukraine ließ den Ölpreis am Donnerstag an den asiatischen Börsen zum ersten Mal in sieben Jahren auf über 100 US-Dollar pro Fass steigen.
Auch die USA wollen mehr Öl und Gas nach Europa verkaufen. Hinter Russland, Katar und Iran besitzen sie die viertgrößten Gasreserven. Beim Öl liegen sie immerhin noch auf Platz elf. Vor allem durch das in Deutschland wegen der dabei entstehenden Umweltschäden verbotene Fracking, das sogenannte Schiefergas, sind die USA wieder ein wichtiger Akteur im Gasgeschäft geworden. Russland ist ihr Mitbewerber. In dieser Gemengelage sind die Amerikaner weder an einer politischen noch wirtschaftlichen Annäherung Europas und Russlands interessiert, geschweige denn an einem Abnabelungsprozess Europas von den USA.
Deutschland hat bislang auch keinen einzigen Terminal, der Schiffsladungen mit Flüssiggas (LNG) aus den USA oder Katar abfertigen könnte. Pläne für LNG-Anlagen in Stade und Brunsbüttel liegen zwar seit Jahren auf dem Tisch, doch umgesetzt wurden sie bislang nicht. Nun werden die Pläne für die Anlage in Stade nach einem Bericht der Tagesschau zwar konkreter. Allerdings wird das Genehmigungsverfahren wohl mindestens ein Jahr dauern.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat einen Kompromiss entwickelt, um russisches und US-amerikanisches Gas zu bekommen. Er wollte den Bau von LNG-Terminals mit bis zu einer Milliarde Euro Steuergeld fördern, sofern die USA im Gegenzug ihren Widerstand gegen die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 aufgeben. Wegen der russischen Invasion der Ukraine hat Deutschland die Lizenzierung von Nord Stream 2 inzwischen aber ohnehin gestoppt.
Zudem hatte Scholz die Rolle Chinas unterschätzt. Peking hat es Putin durch die vereinbarten Gaslieferungen an Russland ermöglicht, den Westen zu provozieren. Damit ist die komfortable Position Deutschlands, selbst entscheiden zu können, von wem man wie viel Gas kauft, erst einmal dahin. Peking hat also groteskerweise indirekt Washington dabei geholfen, seine Interessen in Europa durchzusetzen – und gleichzeitig die Position Deutschlands und der EU geschwächt.
Für die US-Amerikaner ist es mit dem von Putin angezettelten Krieg jedenfalls viel einfacher, einen Trend bei der Gasversorgung zu verstärken: Bereits 2021 haben die USA zum ersten Mal mehr Gas an die EU verkauft als Russland. Während die EU versucht hat, sich mit den USA ein zweites Standbein aufzubauen, um die Abhängigkeit von Russland zu verringern, hat sich Putin eben den zweiten großen Kunden China aufgebaut, um nicht zu abhängig von den Europäern zu sein.
Derzeit neigt sich das Liefergewicht allerdings noch deutlich in Richtung EU. Moskau liefert 30 Prozent seines Gases nach Europa, aber bisher nur sieben Prozent nach China. Doch China möchte mehr russisches Gas, um seine Abhängigkeit von Gaslieferungen geopolitischer Rivalen zu verringern (China.Table berichtete). Russische Öl- und Gaslieferungen müssen nicht durch Drittländer oder internationale Schifffahrtswege. Dass die Power of Siberia 2 durch die unproblematische Mongolei verlaufen soll, kann Peking verschmerzen.
Der Gasbedarf steigt auch, weil Peking die Stromerzeugung von Kohle so weit wie möglich auf Gas umstellen will, um seine Klimaziele zu erreichen. Die Beratungsfirma McKinsey geht deshalb davon aus, dass China 2035 doppelt so viel Gas braucht wie derzeit. 2040 soll der Gasverbrauch nach Planungen des chinesischen Energiekonzerns Sinopec vom September 2021 gar auf 620 bcm (Milliarden Kubikmeter) steigen und bis 2050 das Öl überholen. Zum Vergleich: Europa hat im vergangenen Jahr 541 bcm Gas verbraucht.
Das alles weiß Putin. Deswegen kann sich eben mit Europa anlegen, auch wenn die Chinesen ihm Grenzen setzen. Peking möchte, dass die Ukraine unabhängig bleibt. Sie soll weder ein Vasall von Moskau werden, noch in die Einflusssphäre der Amerikaner geraten. Denn die Ukraine ist neben den USA einer der wichtigsten Getreidelieferanten und versorgt Peking mit zentralen Rüstungsgütern. Sollte Putin diesen Wunsch nun missachten – was noch nicht klar ist – hätte er sich global fast komplett isoliert.
Insgesamt wollten also sowohl Washington als auch Moskau aus unterschiedlichen Interessen, dass der Konflikt um die Ukraine nicht gelöst wird. Deshalb hat das Minsker Abkommen vom ersten Tag seiner Unterzeichnung nicht funktioniert. Der Westen hat die Ukraine nicht gezwungen, sich daranzuhalten. Moskau hat seine Separatisten nicht zurückgepfiffen.
Die USA wollten der EU zeigen, wie böse Putin ist. Putin hingegen will der EU demonstrieren, wie stark Russland ist. Dazwischen ist Europa nun eingeklemmt. Die EU muss es nun hinkriegen, dass die Waffen wieder schweigen. Wie, ist eine sehr schwierige Frage. Und Europa muss auch in diesem Gas- und Ölkonflikt, in dem China im Hintergrund auf eigene Rechnung spielt und die Position der EU geschwächt hat, wieder in die Vorderhand kommen. Und das bedeutet: Europa muss wieder die Wahl haben, wie viel Öl und Gas man wo kauft. Am späten Donnerstagabend billigten die Staats- und Regierungschefs der EU ein Sanktionspaket gegen Russland. Ausfuhrverbote für zum Beispiel russisches Erdgas waren nach Berichten der Deutschen Presse-Agentur zunächst jedoch nicht vorgesehen. Allerdings wird es demnach in EU-Kreisen für möglich gehalten, dass Russland selbst die Versorgung der EU mit Erdgas einstellt.
28.02.2022, 18:00 Uhr (01.03.2022, 01:00 Uhr)
SOAS China Institute, Webinar: Marriage and childbearing among China’s first single-child generation Mehr
28.02.2022, 23:00 Uhr (01.03.2022, 06:00 Uhr Beijing Time)
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01.03.2022, 08:30 Uhr (15:30 Uhr Beijing Time)
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02.03.2022, 09:30-10:30 Uhr EST (15:30-16:30 Uhr MEZ)
Harvard Fairbank Center, Webinar: Critical Issues Confronting China Series featuring Xingxing Wang – Relations between China and North Korea: History, Reality and Possibility Mehr
03.03.2022, 18:30 Uhr Beijing Time, vor Ort:
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03.03.2022, 15:30 Uhr (22:30 Uhr Beijing Time)
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04.03.2022, 09:00 Uhr Beijing Time, vor Ort:
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04.03.2022, 09:00 Uhr (16:00 Uhr Beijing Time)
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Taiwan will Sanktionen gegen Russland im Technologie-Sektor unterstützen. Nach einem Bericht des US-Magazins Foreign Policy hat die Regierung in Taipeh ihre Bereitschaft signalisiert, entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Der Inselstaat hat vor allem als Halbleiterproduzent globale Bedeutung.
Neben Taiwan sollen auch Singapur und Japan ihre Unterstützung zugesagt haben, berichtet Foreign Policy mit Verweis auf nicht näher genannte US-amerikanische Quellen. Die Zusagen, die bereits vor dem russischen Angriff auf die Ukraine gegeben wurden, zeigten die weltweite Bereitschaft zur Teilnahme an einem Sanktionsprogramm zur massiven Schädigung der russischen Wirtschaft, heißt es.
Taiwan ist derweil in Sorge, dass die Volksrepublik China, die russischen Angriffe als Vorbild für eine gewaltsame Eroberung der Insel nehmen könnte – je nachdem, wie der Westen nun auf die Invasion reagiert. Die USA seien sich laut Foreign Policy dieser Gefahr bewusst. Außenminister Antony Blinken und andere hochrangige Beamte seien bereits dabei, mögliche Lehren aus der Ukraine-Krise für eine Reaktion auf einen etwaigen Angriff Chinas auf Taiwan zu ziehen.
Peking betonte bereits, dass es keine Parallele zwischen der Ukraine-Krise und dem eigenen Anspruch auf Taiwan sieht. “Taiwan ist nicht die Ukraine“, sagte Außenamtssprecherin Hua Chunying am Mittwoch. “Taiwan war schon immer ein untrennbarer Teil Chinas. Dies ist eine unbestreitbare rechtliche und historische Tatsache.” Die Ukraine sieht China dagegen als Staat an, für den die Unveräußerlichkeit der Grenzen gelte. ck
Während die Nachrichten über Angriffe auf die Ukraine in Europa seit Donnerstagmorgen die Schlagzeilen beherrschten, waren Chinas Staatsmedien zunächst noch zögerlich in der Berichterstattung. Zum Donnerstagabend hin aber gehörte der Konflikt neben anderen Themen dann auch zu den Aufmachern beim Auslandssender CGTN, der Nachrichtenagentur Xinhua und dem Staatsfernsehen CCTV. Allerdings war der Umfang jedoch geringer als in westlichen Medien. Die Staatsmedien gaben vor allem die Aussagen von Außenminister Wang Yi wieder.
Auf den großen Social-Media-Kanälen Weibo, Weixin und Douyin indes war der Krieg in der Ukraine Thema Nummer Eins. Eine Weibo-Themenseite, die den neuesten Entwicklungen in der Ukraine gewidmet ist, verzeichnete innerhalb weniger Stunden mehr als 2,5 Milliarden Aufrufe und 360.000 Kommentare.
Dort trendete sogar ein eigener Begriff, der beschreibt, dass man sich nicht auf die Arbeit konzentrieren kann, weil die Nachrichten aus der Ukraine so beunruhigend sind: wū xīn gōngzuò 乌心工作 – ein Wortspiel aus “Ukraine 乌克兰 Wūkèlán und wúxīn gōngzuò 无心工作: Nicht in der Stimmung sein, zu arbeiten.
In Kommentaren wurden die Ereignisse in Europa auch mit Taiwan und den Diaoyu-Inseln in Verbindung gebracht. Ein besonders drastisches Meme, das auf Weibo geteilt wurde, zeigte ein Schwein mit der Aufschrift “Ukraine” in einem Schlachttrog. Ein weiteres Schwein, über dem “Taiwan” steht, muss dem blutigen Treiben über ein Mäuerchen hinweg zusehen. Das Meme sollte die Botschaft übertragen, dass Taiwan als nächstes seinem Schicksal geweiht ist.
Andere Nutzer betonten, dass Krieg zu nichts führe und plädierten für eine friedliche Lösung des Konfliktes. Auf WeChat Moments ging der Post eines Studenten mit dem User-Namen Tángyīshuǐ 唐一水 viral. Dieser schrieb: “所有支持战争的都是傻逼” – “Jeder, der Krieg unterstützt, ist ein ‘shabi’”. “Shabi”(傻逼) ist eines der derbsten Schimpfworte der chinesischen Sprache. Der Student schrieb weiter: “Das ist das Jahr 2020, nicht 1914. Wir sollten heute den Preis des Krieges kennen.” Jeder, der jetzt auf dem Sofa sitze, sein Wifi genieße, Früchte esse und den Krieg feiere, sollte sich bewusst sein, dass dieser Wohlstand auf Jahren des Friedens gewachsen sei, so der Autor.
Für Aufsehen vor allem in den westlichen Medien sorgte eine versehentlich veröffentlichte Anweisung an chinesische Medien zur Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt: Horizon News, eine Untergruppe von Beijing News, die der Kommunistischen Partei Chinas gehört, veröffentlichte laut Washington Post bereits am Dienstag “Anweisungen” zur Berichterstattung über die eskalierende Lage in der Ukraine auf ihrer Weibo-Seite. In dem Beitrag erklärte Horizon News, dass Inhalte, die Russland negativ darstellten, nicht veröffentlicht werden sollen. Auch eine pro-westliche Darstellung der Ereignisse sollte demnach vermieden werden. fpe
China hat seinen Markt für Weizenimporte aus Russland geöffnet. Das kündigte die Zollbehörde am Donnerstag nur Stunden nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine an. Die Marktöffnung war allerdings Teil eines Pakets von Vereinbarungen, den beide Länder während des Besuchs des russischen Präsidenten Wladimir Putin Anfang dieses Monats in Peking unterschrieben hatten. Es ist also unklar, wie direkt die Abschaffung der Marktbeschränkungen für russischen Weizen mit der russischen Invasion und der Erwartung von Sanktionen des Westens zusammenhängen.
Die staatliche Global Times schreibt, dass die Erlaubnis in keinem Bezug zur Ukraine-Krise stehe. Doch Putin dürfte gewusst haben, was bevorsteht, als er Chinas Staatschef Xi Jinping in Peking traf und das Paket aushandelte. Er kann einen zusätzlichen Absatzmarkt gut gebrauchen, falls die EU im Laufe der Krise Agrarexporte aus Russland blockiert.
Russland ist einer der größten Weizenproduzenten der Welt, war jedoch aufgrund von Bedenken hinsichtlich möglicher Pilz- und anderer Kontaminationen von Chinas Markt ausgeschlossen. China öffnete im Oktober testweise Weizenimporte aus sieben Anbaugebieten in Russlands fernöstlicher Region. Dort bauen auch chinesische Unternehmen Weizen an, das sie bis dahin nur auf dem russischen Binnenmarkt absetzen konnten. Chinas größtes Agrarunternehmen, der Staatskonzern Cofco habe damals die erste Charge gekauft, berichtet die South China Morning Post – 667 Tonnen. Nach Angaben des Zolls hat Russland nun zugesagt, das Risiko eines Befalls zu mindern.
China bezieht bislang auch Getreide aus der Ukraine, die früher eine der Kornkammern der Sowjetunion gewesen war. Die Zukunft dieser Ausfuhren ist allerdings ungewiss, wenn sich die Invasion zu einem Krieg ausweiten sollte. Am Mittwoch hatten zudem Chinas Staatsrat und das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei vor “beispielloser” Herausforderungen für die Ernährungssicherheit des Landes in 2022 gewarnt. Nach einem zeitlichen Zufall sieht diese Marktöffnung daher nicht so recht aus. ck
Ohnmächtig muss Europa und muss der Westen zusehen, wie Russlands Präsident Wladimir Putin den Frieden in Europa bricht und die Ukraine mit militärischer Gewalt überzieht. Krieg mitten in Europa? Wer hätte sich das hierzulande noch vor wenigen Monaten vorstellen können?
Und bevor jetzt wieder die vor allem in Deutschland verbreiteten Selbstbezichtigungen kommen, nach denen “der Westen” es mit der “Einkreisung Russlands übertrieben” habe und wir selbst schuld daran seien, dass der “russische Bär jetzt gereizt reagiert”, lohnt sich ein Blick in die Rede des russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Begründung seiner als “Anerkennung” der ostukrainischen Separatistengebiete getarnte Annexion. Und es geht schon gar nicht um den angeblich notwendigen Schutz des russischen Teils der Bevölkerung in der Ost-Ukraine, die man angeblich vor dem “Genozid” und einer “faschistischen Regierung in Kiew” schützen müsse.
Es geht um etwas ganz anderes: um die Rückkehr Russlands als Großmacht, das eher an das Zarenreich anknüpft als an die frühere Sowjetunion. Anders als in der früheren Sowjetunion sollen in diesem Russland nicht verschiedene Völker vereint, sondern ein hegemonialer Anspruch einer angeblich einzigartigen russischen Zivilisation verankert werden, die aus den drei ostslawischen Völkern – der Russen, Ukrainer und Belarussen – hervorgegangen sei und die sich als grundverschieden zur “westlichen Zivilisation” versteht. Die darauf beruhende “russische Nation” kennt keine eigenständigen Staaten in der Ukraine, Weißrussland und vermutlich auch nicht im Kaukasus, Teilen Zentralasiens und vermutlich nicht einmal in Finnland. Nicht nur die Europäer werden deshalb die Rede des russischen Präsidenten mit Aufmerksamkeit und Besorgnis gehört haben. Vor allem aber soll diese “russische Nation” nach dem Willen Wladimir Putins auch wieder zur europäischen Großmacht werden, die über die Zukunft und das Schicksal Europas mindestens mitentscheiden soll. Ganz so, wie es mit dem zaristischen Russland über Jahrhunderte der Fall war.
Der russische Präsident will eine Entwicklung rückgängig machen, in der Russland seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion kontinuierlich an Einfluss in Europa verloren hat und seitdem immer mehr auf die Rolle eines Energielieferanten herabgestiegen ist. Geopolitisch haben die USA seit 1945 den Westen Europas und seit 1989 ganz Europa dominiert. Russland spielte keine Rolle mehr, stattdessen hat in den letzten Jahren China seinen Einfluss in Europa ausgebaut. Russland ist global, aber eben auch in Europa der große geopolitische Verlierer. Diesen Trend will der russische Präsident stoppen und umkehren. Und da Russland weder wirtschaftlich noch politisch attraktiv ist, bleibt “nur” das Militär als Instrument, um das Land wieder als eine europäische Macht zu etablieren.
In gewisser Weise hat der russische Präsident dieses Ziel bereits erreicht, denn die USA verhandeln wieder mit ihm über das Schicksal Europas. Aus russischer Sicht ist das die Rückkehr zur Normalität: Russland hat 1945 mit den USA über die Zukunft Europas verhandelt, 1989/1990 erneut im Rahmen der deutschen Einheit und auch 1997 mit der NATO-Russland-Grundakte.
Russland will diese Entwicklung nach 1989/90 wieder rückgängig machen und sich wie zuvor Jahrhunderte lang als Großmacht in Europa positionieren. Es geht um Einfluss auf die künftige Rolle Europas im Rahmen der Neuordnung der Welt, die gerade in Gang gekommen ist. Denn die Nachkriegsordnung des II. Weltkrieges ist mit ein bisschen Verspätung zu Ende gegangen. Was wir als globale Ordnung gewohnt waren, entstand, als Staaten wie China und Indien noch Entwicklungsländer waren, die zur sogenannten “Dritten Welt” gehörten. Entschieden wurde in der “ersten Welt”: in den USA, der UdSSR und den demokratischen Industriestaaten des Westens. Mit dem Niedergang der Sowjetunion und dem Aufstieg Chinas verband sich auch – anfangs weitgehend unbemerkt – das Ende der “Pax Americana”. Die Vereinigten Staaten waren immer weniger in der Lage, sowohl führende Wirtschafts- und Technologienation zu sein, als auch die globale Ordnung aufrechtzuerhalten.
Schon lange vor Donald Trump begannen die USA, sich aus ihrer traditionellen Rolle als globale Ordnungsmacht Schritt für Schritt zurückzuziehen, um ihre Kraft auf den neuen Wettbewerb mit China konzentrieren zu können. Nicht mehr Europa und der Atlantik bilden heute das Gravitationszentrum der Welt, sondern der Indo-Pazifik. Dort lebt inzwischen die Mehrheit der Weltbevölkerung, dort wird der Großteil des weltweiten Sozialprodukts erarbeitet, und längst sind in diesem Teil der Welt auch fünf Nuklearstaaten mit der Fähigkeit zum Bau von Atomwaffen entstanden. Wir sind Zeitzeugen einer geradezu tektonischen Verschiebung der wirtschaftlichen, politischen und militärischen Machtachsen der Welt.
Natürlich können und müssen wir jetzt harte Sanktionen gegen Russland ergreifen. Härter und konsequenter als alles, was wir bisher vorstellen konnten. Aber wir ahnen bereits, dass Russland diese Sanktionen bereits in die Kosten seines Krieges “eingepreist” hat: Weder der Stopp des Erdgasprojekts Nord Stream 2 noch das Einfrieren von Vermögen der russischen Oligarchen oder die Entkoppelung Russlands vom europäischen und amerikanischen Finanzmarkt werden die russische Führung zur Umkehr bewegen. Sanktionen sind für Russland eine Art “Großmachtsteuer”, die man bereit sein muss zu zahlen, wenn man geopolitisch ein Machtfaktor sein will. Und selbst wenn wir weitergehen und uns vollständig vom russischen Energiemarkt abkoppeln und Russland aus dem internationalen Zahlungsverkehr ausschließen: Nichts davon wird schnell wirken, zumal mit China ein neuer wirtschaftlicher Partner für Russland zur Verfügung steht.
Eigentlich widerspricht Russlands Invasion in der Ukraine den chinesischen Prinzipien der Nichteinmischung in anderen Staaten, aber so weit, dass sich das Land an westlichen Sanktionen beteiligen würde, wird das Reich der Mitte nicht gehen. Zu groß ist die geopolitische Rivalität Chinas mit den USA. Im Gegenteil: Aus Sicht der politischen Führung Chinas wird dieser Konflikt eine hohe Aufmerksamkeit erhalten. Insbesondere mit Blick auf Chinas Anspruch auf Taiwan wird die politische Führung in Peking genauestens studieren, ob und wie lange Europa und die USA zusammenstehen, oder ob sich möglicherweise irgendwann Risse in dieser Einigkeit beobachten lassen. China will mit Blick auf drohende US-Sanktionen aus dem aktuellen Konflikt zwischen Russland und dem Westen lernen. Zum anderen ist es aus chinesischer Sicht gut, wenn die USA Teile ihrer Kraft wieder auf Europa und auf Russland konzentrieren müssen, weil das zugleich die amerikanische Konzentration auf den Indo-Pazifik behindert. Der Konflikt mit Russland hat also durchaus globale Folgen.
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Christian Goldmann ist seit Anfang Februar für das Result Controlling von Daimler Trucks China in Peking verantwortlich. Goldmann war zuvor in Stuttgart im Result Controlling Daimler Trucks / Trucks NAFTA tätig.
Bernd Blankenbach ist neuer Leiter für Forschung und Entwicklung bei Omni Gear in Shanghai. Bis Ende Januar war Blankenbach Head of Traction Drive Systems bei Mahle Holding China Ltd. in Taicang, Provinz Jiangsu.