Table.Briefing: China

Taiwans globaler Buddhismus + Hyperloop nach Hangzhou

Liebe Leserin, lieber Leser,

Taiwan ist diplomatisch weitgehend isoliert. Kaum ein Land erkennt die demokratisch regierte Insel als Staat an; und so unterhält Taipeh nur in wenigen Ländern Botschaften oder Generalkonsulate. Vertretungen in vielen Staaten der Welt aber haben dagegen zwei große buddhistische Organisationen, Tzu-Chi und Fo Guang Shan.

Beide gehören zu den größten Wohlfahrtsinstitutionen Taiwans und geben Taipeh international eine Stimme, wie Fabian Peltsch schreibt. Wer Fo Guang Shan in Deutschland besuchen möchte, findet am Berliner Gesundbrunnen sogar einen neuen Tempel der Organisation. Derweil plant die buddhistische Metal-Band Dharma ihre erste Europatournee. Der taiwanische Buddhismus war immer schon ein wenig offener.

Offen ist auch das Rennen, welches Land als Erstes eine kommerzielle Hyperloop-Strecke auf die Zielgerade bringt. China hat nun Pläne bekannt gegeben, eine Strecke zwischen Shanghai und Hangzhou für die rasanten Röhrenzüge auszubauen. Schon 2035 könnten dort die ersten Passagiere durch eine Vakuumröhre rauschen, schreibt Jörn Petring. Statt den geplanten 1.000 km/h schafften die ersten Testzüge im Winter allerdings nur bescheidene 50 km/h. Entscheidende Komponenten aber funktionierten. Ob Peking wirklich die horrenden Kosten des Aufbaus einer Hyperloop-Infrastruktur auf sich nehmen wird, ist fraglich.

Ihre
Christiane Kühl
Bild von Christiane  Kühl

Analyse

Death Metal und Diplomatie: Buddhismus in Taiwan

Die taiwanische Band Dharma kombiniert Heavy Metal und buddhistische Sutras.

Im wellnessverliebten Westen und auch anderswo assoziiert man Buddhismus gern mit Harmonie und Stille. Doch eine Gruppe Musiker aus Taiwan räumt mit dieser Idee gründlich auf. Dharma aus Taipeh kombinieren Death Metal, die vielleicht brutalste Spielart der Rockmusik, mit Mantras und Tempel-Ästhetik. Bei ihren Auftritten steht eine echte buddhistische Nonne im Mittelpunkt. Das sei kein Gimmick, um Aufsehen zu erregen, betonen die sieben Mitglieder von Dharma. Fast alle von ihnen seien gläubige Buddhisten.

“Es gibt viele Wege, Frieden zu finden”, sagt Bandgründer Jack Tung, ein langhaariger Hühne mit kindlichem Lächeln. Die Idee, heftigsten Heavy Metal mit buddhistischen Themen zu kombinieren, spukte ihm gute 20 Jahre im Kopf herum – bis er 2018 schließlich die richtigen Leute fand, um das Projekt Wirklichkeit werden zu lassen. Seine einzige Sorge damals: Wie würden die buddhistischen Würdenträger Taiwans reagieren, einem Land, indem sich immerhin rund 20 Prozent der Bürger zum Buddhismus bekennen und es “mehr Tempel gibt als 7-Eleven-Filialen”, wie Tung erklärt.

2019 pilgerte Tung von Tempel zu Tempel, um den Meistern, Mönchen und Nonnen der verschiedenen buddhistischen Orden Taiwans die ersten Demoaufnahmen seiner Gruppe vorzuspielen. Er wollte sichergehen, dass er mit einem buddhistischen Update der von Haus aus blasphemischen Death-Metal-Musik kein Sakrileg begeht. “Auch wenn sie über 80 waren und noch nie zuvor Heavy Metal gehört hatten, war die Reaktion der Meister durchweg positiv”, erinnert sich Tung. Der Buddhismus ist in Taiwan weltoffener als beispielsweise in Thailand, wo es schon als Respektlosigkeit gilt, wenn man einen Buddha auf dem Arm tätowiert hat.

Buddhismus: Wichtige Stütze der Zivilgesellschaft Taiwans

Tatsächlich befriedigt der Buddhismus in Taiwan nicht nur spirituelle Bedürfnisse, sondern auch gesellschaftliche und sogar geopolitische Funktionen. Taiwan ist ein säkulares Land, Staat und Religion sind strikt getrennt. Weil Taiwan aber von einem Großteil der Welt nicht als Staat anerkannt wird, springt der Buddhismus in die Bresche und knüpft diplomatische Kontakte in die ganze Welt. Die beiden größten buddhistischen Gruppen Taiwans, Tzu Chi und Fo Guang Shan, unterhalten Tempel, Akademien, Verlage und andere Niederlassungen auf allen fünf Kontinenten.

In Berlin baut Fo Guang Shan gerade einen neuen Tempel, dessen Fassade aus glasierter Keramik im ansonsten wenig glamourösen Gesundbrunnen-Viertel wie ein verirrtes Kunstmuseum wirkt. Entworfen hat ihn das Büro des französischen Architekten Fréderic Rolland, das auch den größten buddhistischen Tempel Europas nahe Paris gebaut hat.

Symbol von Taiwans Soft-Power: Der neue Fo Guang Shan-Tempel in Berlin Gesundbrunnen

Fo Guang Shan, “Buddhas Berg des Lichts”, ist eine millionenschwere, global operierende Organisation, die in 173 Ländern aktiv ist und sogar eine eigene Zeitung herausbringt – “nur mit guten Nachrichten”, wie Miaoshiang Shih, die Meisterin des Berliner Tempels, betont. Der taiwanische Buddhismus ist im Gegensatz zu anderen Schulen weltzugewandt und humanistisch ausgerichtet, erklärt die buddhistische Nonne mit dem kahlgeschorenen Haupt. Der Dienst am Gemeinwohl, etwa Armenspeisungen und Benefizveranstaltungen, sei neben der religiösen Praxis, die Säule der Gemeinde.

Zusammen mit Tzu-Chi ist Fo Guang Shan tatsächlich eine der größten Wohlfahrtsorganisationen Taiwans. Schon zu Zeiten des Kriegsrechts hatten die Organisationen Aufgaben übernommen, die der Staat nicht erfüllen konnte oder wollte, vor allem im Gesundheitswesen. Allein Tzu Chi betreibt in Taiwan sechs größere Krankenhäuser. Als 1999 ein Erdbeben weite Teile Zentraltaiwans verwüstete, waren die oftmals freiwilligen, aber straff organisierten Hilfstrupps von Tzu Chi sofort zur Stelle, während das staatliche Katastrophenmanagement hinterherhinkte.

Buddhismus macht Taiwan international sichtbar

Gleichzeitig orientieren sich die taiwanischen Buddhisten weit über die Grenzen der Insel hinaus. Seit 1991 leistet Tzu Chi (dt. “Barmherzige Hilfe”) internationale Katastrophenhilfe. Dazu gehört etwa die Versorgung mit Nahrung und Kleidung sowie der Wiederaufbau von Häusern. Und das sogar in Festland-China, das ansonsten zivil organisierten religiösen Gemeinschaften gegenüber äußerst misstrauisch ist, man denke etwa an die seit 1999 verbotene und verfolgte Falun-Gong-Bewegung. In Europa war Tzu Chi unter anderem in der Flüchtlingshilfe und bei der Versorgung mit Corona-Masken aktiv. Auf der deutschen Webseite werden die guten Taten der vergangenen Jahre chronologisch aufgelistet.

In Anerkennung an ihre globalen Hilfsprogramme erhielt Tzu Chi 2003 sogar einen Beraterstatus beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen. Der amerikanische Religionssoziologe Richard Madsen nennt das Prinzip “moralische Repräsentanz”: Diplomatisch isoliert und geopolitisch weitgehend machtlos, könne Taiwan durch Organisationen wie Tzu Chi – die deutlich mehr Vertretungen im Ausland unterhalten als der Staat – ein positives, engagiertes Bild von sich in die Welt tragen.

Und zu dieser Repräsentanz gehört nun indirekt eben auch Death Metal mit buddhistischen Texten. “Ich wollte sofort mitmachen. Es ist eine brandneue Art, den Buddhismus jüngeren Menschen zu vermitteln”, sagt Mao Ben, die Nonne der Fo Guang Shan-Schule, die während der Konzerte von Dharma Mantras rezitiert. Das Sanskrit-Wort Dharma steht im Buddhismus für die Lehren des Buddha und die universelle Ordnung.

Derzeit plant die Band ihre erste Europatournee, mehrere Wochen in einem Kleinbus durch neun Länder. Ob ihr das mit ihren immerhin 52 Jahren nicht zuviel wird? Die Bandmitglieder lachen: “Die Meisterin hat viel mehr Reiserfahrung als wir.” Als Sängerin eines buddhistischen Chors war sie zuletzt vor der Pandemie zwei Monate durch Europa gereist. In Sachen kultureller Diplomatie können die Metalheads von der buddhistischen Nonne noch einiges lernen.

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Hyperloop zwischen Shanghai und Hangzhou

Ein Hyperloop-Prototyp auf der Connectivity-Messe Mobile World Congress (WMC) in Barcelona im Februar

China treibt die Pläne für die erste kommerzielle Hyperloop-Strecke des Landes weiter voran. Schon in etwa zwölf Jahren könnte ein Schnellzug in Betrieb gehen, der mit einer Geschwindigkeit von bis zu 1000 km/h durch eine Vakuumröhre rast. Das berichtet die Hongkonger Zeitung South China Morning Post unter Berufung auf die Chinesische Akademie für Ingenieurwesen und die chinesische Eisenbahnbehörde. 

Die erste Hyperloop-Strecke soll zwischen Shanghai und der Nachbarstadt Hangzhou entstehen. Zuvor habe ein gemeinsames Gremium nach dem besten Standort für eine kommerzielle Strecke gesucht, dessen Bewertungs-Bericht in der chinesischen Fachzeitschrift Railway Standard Design veröffentlicht worden sei. Im Rennen waren demnach auch die Nachbarstädte Peking-Shijiazhuang, Guangzhou-Shenzhen und Chengdu-Chongqing.

Läuft alles nach Plan, könnte die 175 Kilometer lange Verbindung 2035 starten. Reisen zwischen Shanghai und Hangzhou wären dann in 15 Minuten statt wie bisher in 45 Minuten mit dem herkömmlichen Schnellzug möglich. Die Strecke war vor vielen Jahren auch schon einmal für die Verlängerung des Transrapid im Gespräch gewesen. Dieser führt nur vom Internationalen Flughafen Pudong an den Stadtrand; die Verlängerung scheiterte unter anderem an hohen Kosten und Anwohnerprotesten.

Hyperloop: Strategische Bedeutung

Das Hyperloop-Projekt sei nun “von strategischer Bedeutung für China”, zitiert die Zeitung Ingenieurin Zhang Yunjiao, die die Suche nach einem geeigneten Standort leitete. 

Die Volksrepublik forscht seit 2017 intensiv an der Hyperloop-Technologie. Im September 2019 hat das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) und der Staatsrat den “Entwurf für den Aufbau eines starken Verkehrsstaates” herausgegeben, in dem ausdrücklich vorgeschlagen wird, die Forschung und Entwicklung von Hochgeschwindigkeits-Magnetschwebesystemen mit 600 km/h und Hochgeschwindigkeitszügen in Niedervakuumtunneln sinnvoll zu koordinieren.

Mit Geschwindigkeiten über 1.000 km/h sollen Hyperloop-Züge mit dem Flugzeug gleichziehen und neue Formen des interkontinentalen Verkehrs eröffnen. Einige chinesische Ingenieure träumen bereits von Geschwindigkeiten von 4.000 km/h. Auch für 1.000 km/h hat China freilich noch viel Arbeit vor sich. Die sehr teure Technik ist noch lange nicht einsatzbereit. “Bei der Projektplanung müssen alle Beteiligten zunächst die Machbarkeitsstudie, die Feinstudie, den Vorentwurf und andere Prozesse durchlaufen, nicht nur um die Reife der Technologie zu prüfen, sondern auch um verschiedene realistische Aspekte wie Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen”, erklärt ein Professor für Verkehrsplanung an der Tongji-Universität.

Europa und China forschen an der Technologie

Die Idee, Züge oder Passagierkapseln mit hoher Geschwindigkeit durch fast luftleere Röhren zu schicken, ist nicht neu. Die “London and Edinburgh Vacuum Tunnel Company” war bereits 1825 davon überzeugt, man solle Schienenfahrzeuge durch luftleer gesaugte Tunnel fahren lassen. Einen neuen Schub erhielt sie vor zehn Jahren, als sich der US-Milliardär Elon Musk hinter die Technik stellte. Eine von Musk gebaute Test-Strecke wurde allerdings inzwischen wieder abgerissen. Der angekündigte Bau eines Hyperloops zwischen Los Angeles und San Francisco scheint auf der langen Prioritätenliste des Unternehmers nicht mehr sehr weit oben zu stehen.

Auch in Europa läuft die Forschung auf Hochtouren. In den Niederlanden hat das Start-up Hardt Hyperloop bereits 2019 seine erste Teströhre in Betrieb genommen. In Spanien arbeitet das 2016 gegründete Start-up Zeleros am Hyperloop. Auch das Programm der Technischen Universität München ist kürzlich mit dem Baubeginn einer neuen Test-Strecke einen Schritt vorangekommen.

Chinas erster Hyperloop-Testzug schafft 50 km/h

Einen ersten erfolgreichen Test hatte im Januar ein neuer Zug der staatlichen China Aerospace Science and Industry Corporation (CASIC) in Datong, Provinz Shanxi, absolviert. Der Zug fuhr auf einer rund zwei Kilometer langen Strecke mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h. Dabei hätten kritische Komponenten wie ein supraleitender Magnet, die Elektronik und KI-Sicherheitskontrollen wie geplant funktioniert.

Um tatsächlich eine Strecke in Betrieb nehmen zu können, müssen aber nicht nur die Züge noch deutlich verbessert werden. Auf China kämen auch gewaltige Ausgaben in die Infrastruktur zu. So müssten Arbeiter nicht nur die Röhren verlegen, sondern wohl auch ganz neue Bahnhöfe für ein Hyperloop-Netz bauen. Um wirklich substantiell voranzukommen, müssten nun Teststrecken von mindestens 50 Kilometer Länge entstehen, sagen chinesische Experten.

Fraglich ist auch, ob ein Hyperloop zwischen Nachbarstädten, die bereits durch hervorragende und immer schneller werdende Schnellzüge verbunden sind, überhaupt benötigt wird. Aus Sicht von Geschäftsreisenden wäre ein Hyperloop eher auf längeren Strecken als noch schnellere Alternative zum Flugzeug sicherlich attraktiv. Die Strecke zwischen Peking und Shanghai könnte in etwas mehr als einer Stunde geschafft werden. Von Peking nach Hongkong wären es vielleicht gut drei Stunden. Doch das scheint selbst für die chinesischen Planer noch Zukunftsmusik zu sein. Mitarbeit: Fabian Peltsch

  • Hyperloop
  • Technologie

Sinolytics.Radar

Photovoltaik-Exporte wachsen weiter

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  • China exportiert große Mengen von Produkten der Photovoltaik (PV). Dazu gehören PV-Module, sowie Siliziumwafer und -zellen. 2022 erreichte der Export von PV-Modulen mit einer Gesamtkapazität von 153,6 GW einen Rekordwert, was einem Wachstum von 55,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.
  • Siliziumwafer und -zellen verzeichneten 2022 ebenfalls ein starkes Wachstum und legten im Vergleich zum Vorjahr um 60,8 Prozent bzw. 130,7 Prozent zu.
  • Nach Angaben der China Photovoltaic Industry Alliance fiel das Wachstum der Photovoltaik-Exporte je nach Zielland unterschiedlich aus: Ausfuhren in den europäischen Markt verzeichneten 2022 mit einem Plus von 114,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr den größten Zuwachs – auch aufgrund der Folgen von Ukraine-Krieg und Energiewende. Die Niederlande sind weiterhin Spitzenabnehmer chinesischer PV-Module.
  • Der rasante Aufstieg der Solarbranche wird maßgeblich durch Chinas Industriepolitik begünstigt, zum Beispiel durch großzügige Einspeisetarife, Subventionen, Mittel für Forschung und Entwicklung, öffentliche Aufträge und Steuervorteile. Diese Politik hat die Herstellungskosten für Photovoltaikanlagen gesenkt und den technologischen Durchbruch in der gesamten chinesischen Branche gefördert.
  • China fördert grundsätzlich ausländische Investitionen in diesem Sektor, beispielsweise durch die Aufnahme der Photovoltaik in den jüngsten Katalog für “geförderte ausländische Direktinvestitionen” (2022). Die derzeitige Vormachtstellung chinesischer Unternehmen auf dem Markt und in der Technologie lässt die ausländischen Unternehmen jedoch zögern, in großem Umfang in China zu investieren.
  • Derweil nimmt der internationale Wettbewerb zu. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat die Länder vor den Risiken einer starken Lieferkettenabhängigkeit gewarnt. Die EU-Länder planen aktiv die Lokalisierung der PV-Produktion und der Lieferkette. Diese Bemühungen der EU und ähnliche der Vereinigten Staaten, die Lieferketten für saubere Technologien zu stärken, könnten daher das Wachstum von Chinas PV-Exporten in Zukunft bremsen.

Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.

  • Erneuerbare Energien
  • Nachhaltigkeit
  • Photovoltaik

News

Safeguard Defenders sehen zunehmende Ausreise-Verbote

China hindert zunehmend Menschen daran, das Land zu verlassen, darunter auch ausländische Führungskräfte. Einem neuen Bericht der Menschenrechtsorganisation Safeguard Defenders zufolge sind Dutzende von Chinesen und Ausländern von Ausreiseverboten betroffen. Zudem zeigt eine Reuters-Analyse von Aufzeichnungen über Ausreiseverbote aus der Datenbank des Obersten Gerichtshofs Chinas einen achtfachen Anstieg solcher Fälle zwischen 2016 und 2022. Bei den meisten in der Datenbank handelt es sich um zivilrechtliche, nicht um strafrechtliche Fälle. Europa und die USA hindern in aller Regel Menschen nur auf Basis strafrechtlicher Ermittlungen an einer Ausreise.

“Seit der Machtübernahme von Xi Jinping im Jahr 2012 hat China die rechtlichen Möglichkeiten für Ausreiseverbote erweitert und sie zunehmend eingesetzt, manchmal ohne rechtliche Begründung”, heißt es im Bericht von Safeguard Defenders. “Zwischen 2018 und Juli dieses Jahres sehen nicht weniger als fünf neue oder geänderte (chinesische) Gesetze die Anwendung von Ausreiseverboten vor, so dass es heute insgesamt 15 Gesetze sind”, sagte Laura Harth, die Kampagnen-Leiterin der Gruppe.

Ein Manager aus Singapur bei der amerikanischen Due-Diligence-Firma Mintz Group wurde dieses Jahr an der Ausreise gehindert, wie drei mit der Angelegenheit vertraute Personen berichten. In der chinesischen Niederlassung des Unternehmens hatte es Ende März eine Razzia mit mehreren Festnahmen gegeben. Das Außenministerium erklärte damals, Mintz stehe im Verdacht, unrechtmäßige Geschäfte zu tätigen.

Vergangene Woche verschärfte China zudem sein Gesetz zur Bekämpfung von Spionage, so dass Ausreiseverbote gegen alle Personen verhängt werden können, die “der nationalen Sicherheit oder den nationalen Interessen erheblichen Schaden zufügen”. Ausländische Firmen zeigten sich besorgt über die vagen Formulierungen des Gesetzes. “Die Unsicherheit ist groß”, sagte Jörg Wuttke, Leiter der Handelskammer der Europäischen Union in China. “Kann man eine Sorgfaltsprüfung durchführen? Es muss Klarheit herrschen.” rtr/ck

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Frankreich beschränkt Fluglinien aus China

Frankreich hat ein bilaterales Luftverkehrsabkommen mit China ausgesetzt, um unfaire Wettbewerbsbedingungen auszugleichen, die durch den Ukraine-Krieg entstanden sind. Das berichtete das Flugbranchen-Portal Aerotelegraph am Dienstag. Air France hatte die französische Regierung laut Bloomberg bereits zuvor gedrängt, den Zugang chinesischer Fluggesellschaften zu Frankreich zu beschränken.

Das Problem: Moskau hat aufgrund der westlichen Überflugverbote für russische Airlines umgekehrt die Überflugrechte für westliche Airlines über sein Territorium zurückgezogen. Für chinesische Airlines gilt dieses Überflugverbot aber nicht. Sie haben folglich zwischen China und Europa eine viel kürzere und somit schnellere Flugstrecke als die europäische Konkurrenz, die große Umwege fliegen muss. Dadurch seien Gesellschaften wie Air France auf dem Rückflug von China um bis zu drei Stunden länger unterwegs als chinesische Airlines, hieß es in dem Bericht – was zusätzliche Treibstoff- und Personalkosten zur Folge habe.

Das nun von Paris ausgesetzte bilaterale Flug-Abkommen erlaubte chinesischen und französischen Airlines, die gleiche Zahl von Zielen in Frankreich beziehungsweise China anzusteuern. Das 2017 unterzeichnete Dokument enthielt jedoch bereits eine Aussetzungsklausel für den Fall, dass der russische Luftraum gesperrt wird. Laut Bloomberg sind nun zur Lösung des Problems auch Steuern oder andere Maßnahmen im Gespräch, die einen Kostenausgleich zwischen Air France und chinesischen Fluggesellschaften herstellen. fpe

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  • Frankreich
  • Russland
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  • Ukraine-Krieg

Reformen am Wehrdienstgesetz

China hat sein Wehrdienstgesetz reformiert, um die Rekrutierung früherer Soldaten sowie technisch versierter Experten zu erleichtern. Die Reform vom Montag erleichtere es pensionierten Soldaten, zu ihren alten Einheiten zurückzukehren oder frühere Aufgaben zu erfüllen, berichtet das japanische Magazin Nikkei Asia. Ziel sei es, erfahrenes Personal für das Militär zu sichern. Eine weitere Bestimmung erleichtert die Einberufung von Personen im Notfall.

Ein weiterer Schwerpunkt der Gesetzesänderung liegt laut dem Bericht auf Studierenden. Das Gesetz erlaubt es den Universitäten, diese auf dem Campus für das Militär zu rekrutieren. Im Kern geht es dabei um die Rekrutierung technisch versierter Studierender der Natur- und Ingenieurwissenschaften – mit Blick auf Kriegsführung im Cyberspace oder im Weltraum. “Wir werden ein militärisches Einberufungssystem aufbauen, das von Friedenszeiten bis hin zu Notfällen schnell und nahtlos reagieren kann”, zitierte Nikkei Asia Tan Kefei, einen Sprecher des chinesischen Verteidigungsministeriums.

Die Zahl der Wehrpflichtigen geht aufgrund der alternden Bevölkerung Chinas zurück. Der Fokus des Militärs auf die Rekrutierung von pensioniertem Militärpersonal und College-Studenten sei ein Zeichen für einen Mangel an aktiven Soldaten, sagte Masafumi Iida, Experte für Chinas maritime Strategie am japanischen National Institute for Defense Studies, der Zeitung. China hat sein Wehrpflichtsystem wiederholt überarbeitet, um das Militär zu stärken. 2021 wurde zum Beispiel die Altersgrenze für neue Rekruten von 22 auf 24 Jahre für Hochschulabsolventen und auf 26 für Postgraduierte angehoben. ck

  • Militär
  • Verteidigung

China stimmt UN-Resolution mit Russland-Kritik zu

Die Volksrepublik hat erstmals einer UN-Resolution zugestimmt, die die “Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine” anerkennt. In dem Papier spricht sich die UN-Generalversammlung für eine engere Zusammenarbeit mit dem in Straßburg ansässigen Europarat aus. Um Russland ging es also nur am Rande. Der Europarat mit Sitz in Strassburg ist keine EU-Institution. Er hat 47 Mitgliedsstaaten und kümmert sich um die Einhaltung der Menschenrechte. Russland ist aufgrund der Invasion derzeit nicht präsent.

Peking hatte sich seit Kriegsbeginn bei Resolutionen mit Russland-Inhalten enthalten. Die Resolution bekam aber auch Unterstützung anderer Staaten wie Indien und Kasachstan, die sich sonst bei Russland-Abstimmungen enthalten haben. Über das Papier war bereits vergangene Woche während der Generalversammlung der Vereinten Nationen abgestimmt worden. ari

  • Russland
  • Ukraine
  • Vereinte Nationen

Presseschau

Russland für China erstmals “Aggressor” in Ukraine KRONE
NGO-Bericht: China hindert immer mehr Menschen am Verlassen des Landes TAGESSCHAU
Präsidenten von USA und Südkorea betonen Frieden in der Taiwanstraße TAIWANHEUTE
US Ambassador to China: “We are ready to talk” CNN
“Red scare” in US causes multi-year flood of refugees with PhDs to China SCMP
Illegale Polizeistationen in 13 EU-Staaten vermutet: China überwacht Landsleute in Europa RP-ONLINE
Neue Station: China verstärkt seine Präsenz in der Antarktis DIEPRESSE
Schlag gegen Protestbewegung: China schränkt Bezirksratswahlen in Hongkong ein FAZ
Fang Bin: China Covid whistleblower returns home to Wuhan after jail BBC
Neue Vermittlerrolle: China fordert USA heraus ORF
Chinese foreign minister hails Myanmar “friendship” on visit REUTERS
Bringt China die Ukraine-Wende? US-Botschafter pocht auf Hilfe – “Russland zum Rückzug drängen” HNA
Schweiz: Nationalrat sendet Liebesgrüsse nach Taiwan – China ist verärgert LANDBOTE
“Chinas Kommunistische Partei hat große Angst vor ihrem Sturz” FR
NRW-Gipfel in Gelsenkirchen: Neue Wege aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit von China RP-ONLINE
Hamburgs Wirtschaft soll weniger abhängig von China werden NDR
ISO, IEC, ITU & CO.: Wie China mit Standards Macht ausübt GOLEM
India, China propose “multiple pathways” on cutting use of fossil fuels-sources REUTERS
IfW-Studie: Chinesische und private Kredite für Afrika besonders teuer SPIEGEL
Energiespeicher: Süd-Australien und China sind die Hot Spots PT-MAGAZIN
BYD Seagull: Günstig nur in China AUTOHAUS
Nach mehreren Senkungen: Tesla hebt die Preise an AUTOMOBILWOCHE
Deutsch-chinesische Städtepartnerschaft: Augen auf bei der Partnerwahl SUEDDEUTSCHE
EU states push for law to limit dependency on drug ingredients from China FT
Alibaba-Gründer: Jack Ma wird Gastdozent in Tokio SPIEGEL
Insider: Franzosen und Chinesen buhlen um Schiefergas-Projekt in Saudi-Arabien – Ölpreise deutlich unter Druck HANDELSBLATT
Konflikt mit China: Biden verspricht den Philippinen militärische Unterstützung HANDELSBLATT

Heads

Nelly Ma – Übersetzerin mit bewegter Lebensgeschichte

Nelly Ma ist in Deutschland geboren und in Peking aufgewachsen. Seit 40 Jahren lebt die Übersetzerin in München.

“Für viele Menschen ist die Übersetzerin eine Maschine, die an einem Ende die Ausgangssprache frisst und am anderen die Zielsprache ausspuckt”, sagt Nelly Ma. “Wenn es nur so einfach wäre.”

Sie muss es wissen. Nach vielen Jahren als Dozentin für chinesische Sprache an der Universität Passau arbeitet Ma heute als Übersetzerin chinesischer Texte. Die größte Herausforderung liegt für sie dabei in der grundsätzlichen Verschiedenheit beider Sprachen: “Diese Fremdheit zeigt sich auf zwei Ebenen – der sprachlichen und der kulturellen”, sagt Ma. Je größer der Unterschied, desto reizvoller sei die Arbeit der Übertragung – die nicht nur den Text betreffe, sondern auch den literarischen Stil, die Atmosphäre, die Stimme und die Seele des Originals. Dass auch Übersetzende ihre eigene Stimme ins Werk bringen, das sei unumgänglich, sogar erwünscht: “Aber man muss seine Grenzen kennen.”

Reisanbau und Klassenkampf

Dass Nelly Ma in der Literatur und der Sprache ihre Leidenschaft gefunden hat und sie bis heute ausleben darf, ist keine Selbstverständlichkeit: Ihr chinesischer Vater lernte ihre deutsche Mutter während des Studiums in München kennen. 1946 zog die Familie nach China; Ma wuchs in Peking auf und studierte schließlich an der dortigen Universität Romanistik. Aber das gewöhnliche Studium war nur von kurzer Dauer: “Nach dem ersten Studienjahr brach in China die Kulturrevolution aus”, erzählt Ma. “Zwei Jahre lang blieben die Studenten an der Universität und machten Revolution.” Gemeinsam mit ihren Kommilitonen wurde sie schließlich zur “Umerziehung” auf eine Militärfarm geschickt. “Mein Leben in dieser Zeit bestand aus Reisanbau und Klassenkampf.”

Nach der Militärfarm war es unmöglich, selbst den Beruf und den Arbeitsplatz zu bestimmen. Je nach Familienhintergrund wurde beides zugeteilt. Wer aus Arbeiter- und Bauernfamilien stammte oder Kind eines Parteifunktionärs war, bekam einen Job in der Großstadt, in Ministerien oder in der Armee. “Mir wurde aufgrund meiner ausländischen Mutter ein Arbeitsplatz in einer nordchinesischen Kleinstadt zugewiesen”, erzählt Ma. Dort lebte sie fünf Jahre und arbeitete in einer kleinen Fabrik, die landwirtschaftliche Geräte herstellte.

Mit Abstand auf China blicken

“In der Kulturrevolution wurde ich zum ersten Mal mit blutigem Terror, mit viel Leid und Qual konfrontiert”, sagt Ma. “Es keimten die ersten Zweifel an der Welt, in der ich lebte.” Ma konnte zwar schließlich nach Peking zurückkehren und erstmals als Übersetzerin arbeiten, aber es reifte der Wunsch, China den Rücken zu kehren. “Ende 1978 tat sich ein kleiner Spalt im Eisernen Vorhang auf, und ich konnte mit meinen Eltern für eine kurze Zeit nach Deutschland reisen.” Sie bekam ein Stipendium für ein Studium und nahm die Gelegenheit wahr: “Ich entkam einem Käfig und sah, dass das Leben auch ganz anders gelebt werden kann.”

Mehr als 40 Jahre liegt das nun zurück. 40 Jahre, in denen Ma in Deutschland ihre persönliche Freiheit lebte, als Universitätsdozentin, mit ihren Übersetzungen und als Co-Autorin mehrerer Ratgeber. “40 Jahre, in denen ich aus der Ferne beobachte, wie sich China rasant verändert. Und diese Wandlung ruft bei mir Sorge und Wut hervor.” Mittlerweile ist Ma im Ruhestand, schreibt und übersetzt aber immer noch. Und ein großes Projekt erscheint voraussichtlich in diesem Herbst: Ihre Autobiografie – in der sie natürlich auch auf ihr bewegtes Leben in China blickt. Svenja Napp

  • Geopolitik
  • Kulturrevolution
  • Literatur

Personalien

Stéphanie Labussière ist ab Mai Vice President Product Management bei Porsche China. Die französische Produktmanagerin war zuletzt Vice President Product Marketing beim Joint Venture FAW-Volkswagen. Ihr Einsatzort ist Shanghai.

Alexander Buehringer hat im April bei Audi die Projektleitung für die Produktion des Projektes PPE41 China übernommen. PPE steht für Premium Platform Electric (PPE), ein von Audi und Porsche entwickeltes Plattform-Baukastensystem für das “Premium”-Segment von Elektrofahrzeugen. Buehringer arbeitet weiterhin von München aus.

Jack Ma ist seit dem 1. Mai als Gastprofessor am Tokyo College. Der Gründer von Alibaba wird dort Seminare über Unternehmertum sowie Forschungsprojekte im Bereich der nachhaltigen Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion durchführen.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

  • Jack Ma

Dessert

Nach zwei Jahren Pandemie nutzen die Chinesen die fünftägigen Maiferien dieses Jahr wieder für Kurztrips – Staus, hohen Ticketpreisen und Menschenmassen zum Trotz. Shanghai hatte am Wochenende allein sieben Millionen Besuchende gemeldet. Die Reisebuchungs-Website Trip.com verzeichnete 700 Prozent mehr Inlandsbuchungen als 2021. Hier kollidieren Urlauber beim Rafting nahe Wuzhishan auf der Tropeninsel Hainan.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    Taiwan ist diplomatisch weitgehend isoliert. Kaum ein Land erkennt die demokratisch regierte Insel als Staat an; und so unterhält Taipeh nur in wenigen Ländern Botschaften oder Generalkonsulate. Vertretungen in vielen Staaten der Welt aber haben dagegen zwei große buddhistische Organisationen, Tzu-Chi und Fo Guang Shan.

    Beide gehören zu den größten Wohlfahrtsinstitutionen Taiwans und geben Taipeh international eine Stimme, wie Fabian Peltsch schreibt. Wer Fo Guang Shan in Deutschland besuchen möchte, findet am Berliner Gesundbrunnen sogar einen neuen Tempel der Organisation. Derweil plant die buddhistische Metal-Band Dharma ihre erste Europatournee. Der taiwanische Buddhismus war immer schon ein wenig offener.

    Offen ist auch das Rennen, welches Land als Erstes eine kommerzielle Hyperloop-Strecke auf die Zielgerade bringt. China hat nun Pläne bekannt gegeben, eine Strecke zwischen Shanghai und Hangzhou für die rasanten Röhrenzüge auszubauen. Schon 2035 könnten dort die ersten Passagiere durch eine Vakuumröhre rauschen, schreibt Jörn Petring. Statt den geplanten 1.000 km/h schafften die ersten Testzüge im Winter allerdings nur bescheidene 50 km/h. Entscheidende Komponenten aber funktionierten. Ob Peking wirklich die horrenden Kosten des Aufbaus einer Hyperloop-Infrastruktur auf sich nehmen wird, ist fraglich.

    Ihre
    Christiane Kühl
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    Analyse

    Death Metal und Diplomatie: Buddhismus in Taiwan

    Die taiwanische Band Dharma kombiniert Heavy Metal und buddhistische Sutras.

    Im wellnessverliebten Westen und auch anderswo assoziiert man Buddhismus gern mit Harmonie und Stille. Doch eine Gruppe Musiker aus Taiwan räumt mit dieser Idee gründlich auf. Dharma aus Taipeh kombinieren Death Metal, die vielleicht brutalste Spielart der Rockmusik, mit Mantras und Tempel-Ästhetik. Bei ihren Auftritten steht eine echte buddhistische Nonne im Mittelpunkt. Das sei kein Gimmick, um Aufsehen zu erregen, betonen die sieben Mitglieder von Dharma. Fast alle von ihnen seien gläubige Buddhisten.

    “Es gibt viele Wege, Frieden zu finden”, sagt Bandgründer Jack Tung, ein langhaariger Hühne mit kindlichem Lächeln. Die Idee, heftigsten Heavy Metal mit buddhistischen Themen zu kombinieren, spukte ihm gute 20 Jahre im Kopf herum – bis er 2018 schließlich die richtigen Leute fand, um das Projekt Wirklichkeit werden zu lassen. Seine einzige Sorge damals: Wie würden die buddhistischen Würdenträger Taiwans reagieren, einem Land, indem sich immerhin rund 20 Prozent der Bürger zum Buddhismus bekennen und es “mehr Tempel gibt als 7-Eleven-Filialen”, wie Tung erklärt.

    2019 pilgerte Tung von Tempel zu Tempel, um den Meistern, Mönchen und Nonnen der verschiedenen buddhistischen Orden Taiwans die ersten Demoaufnahmen seiner Gruppe vorzuspielen. Er wollte sichergehen, dass er mit einem buddhistischen Update der von Haus aus blasphemischen Death-Metal-Musik kein Sakrileg begeht. “Auch wenn sie über 80 waren und noch nie zuvor Heavy Metal gehört hatten, war die Reaktion der Meister durchweg positiv”, erinnert sich Tung. Der Buddhismus ist in Taiwan weltoffener als beispielsweise in Thailand, wo es schon als Respektlosigkeit gilt, wenn man einen Buddha auf dem Arm tätowiert hat.

    Buddhismus: Wichtige Stütze der Zivilgesellschaft Taiwans

    Tatsächlich befriedigt der Buddhismus in Taiwan nicht nur spirituelle Bedürfnisse, sondern auch gesellschaftliche und sogar geopolitische Funktionen. Taiwan ist ein säkulares Land, Staat und Religion sind strikt getrennt. Weil Taiwan aber von einem Großteil der Welt nicht als Staat anerkannt wird, springt der Buddhismus in die Bresche und knüpft diplomatische Kontakte in die ganze Welt. Die beiden größten buddhistischen Gruppen Taiwans, Tzu Chi und Fo Guang Shan, unterhalten Tempel, Akademien, Verlage und andere Niederlassungen auf allen fünf Kontinenten.

    In Berlin baut Fo Guang Shan gerade einen neuen Tempel, dessen Fassade aus glasierter Keramik im ansonsten wenig glamourösen Gesundbrunnen-Viertel wie ein verirrtes Kunstmuseum wirkt. Entworfen hat ihn das Büro des französischen Architekten Fréderic Rolland, das auch den größten buddhistischen Tempel Europas nahe Paris gebaut hat.

    Symbol von Taiwans Soft-Power: Der neue Fo Guang Shan-Tempel in Berlin Gesundbrunnen

    Fo Guang Shan, “Buddhas Berg des Lichts”, ist eine millionenschwere, global operierende Organisation, die in 173 Ländern aktiv ist und sogar eine eigene Zeitung herausbringt – “nur mit guten Nachrichten”, wie Miaoshiang Shih, die Meisterin des Berliner Tempels, betont. Der taiwanische Buddhismus ist im Gegensatz zu anderen Schulen weltzugewandt und humanistisch ausgerichtet, erklärt die buddhistische Nonne mit dem kahlgeschorenen Haupt. Der Dienst am Gemeinwohl, etwa Armenspeisungen und Benefizveranstaltungen, sei neben der religiösen Praxis, die Säule der Gemeinde.

    Zusammen mit Tzu-Chi ist Fo Guang Shan tatsächlich eine der größten Wohlfahrtsorganisationen Taiwans. Schon zu Zeiten des Kriegsrechts hatten die Organisationen Aufgaben übernommen, die der Staat nicht erfüllen konnte oder wollte, vor allem im Gesundheitswesen. Allein Tzu Chi betreibt in Taiwan sechs größere Krankenhäuser. Als 1999 ein Erdbeben weite Teile Zentraltaiwans verwüstete, waren die oftmals freiwilligen, aber straff organisierten Hilfstrupps von Tzu Chi sofort zur Stelle, während das staatliche Katastrophenmanagement hinterherhinkte.

    Buddhismus macht Taiwan international sichtbar

    Gleichzeitig orientieren sich die taiwanischen Buddhisten weit über die Grenzen der Insel hinaus. Seit 1991 leistet Tzu Chi (dt. “Barmherzige Hilfe”) internationale Katastrophenhilfe. Dazu gehört etwa die Versorgung mit Nahrung und Kleidung sowie der Wiederaufbau von Häusern. Und das sogar in Festland-China, das ansonsten zivil organisierten religiösen Gemeinschaften gegenüber äußerst misstrauisch ist, man denke etwa an die seit 1999 verbotene und verfolgte Falun-Gong-Bewegung. In Europa war Tzu Chi unter anderem in der Flüchtlingshilfe und bei der Versorgung mit Corona-Masken aktiv. Auf der deutschen Webseite werden die guten Taten der vergangenen Jahre chronologisch aufgelistet.

    In Anerkennung an ihre globalen Hilfsprogramme erhielt Tzu Chi 2003 sogar einen Beraterstatus beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen. Der amerikanische Religionssoziologe Richard Madsen nennt das Prinzip “moralische Repräsentanz”: Diplomatisch isoliert und geopolitisch weitgehend machtlos, könne Taiwan durch Organisationen wie Tzu Chi – die deutlich mehr Vertretungen im Ausland unterhalten als der Staat – ein positives, engagiertes Bild von sich in die Welt tragen.

    Und zu dieser Repräsentanz gehört nun indirekt eben auch Death Metal mit buddhistischen Texten. “Ich wollte sofort mitmachen. Es ist eine brandneue Art, den Buddhismus jüngeren Menschen zu vermitteln”, sagt Mao Ben, die Nonne der Fo Guang Shan-Schule, die während der Konzerte von Dharma Mantras rezitiert. Das Sanskrit-Wort Dharma steht im Buddhismus für die Lehren des Buddha und die universelle Ordnung.

    Derzeit plant die Band ihre erste Europatournee, mehrere Wochen in einem Kleinbus durch neun Länder. Ob ihr das mit ihren immerhin 52 Jahren nicht zuviel wird? Die Bandmitglieder lachen: “Die Meisterin hat viel mehr Reiserfahrung als wir.” Als Sängerin eines buddhistischen Chors war sie zuletzt vor der Pandemie zwei Monate durch Europa gereist. In Sachen kultureller Diplomatie können die Metalheads von der buddhistischen Nonne noch einiges lernen.

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    Hyperloop zwischen Shanghai und Hangzhou

    Ein Hyperloop-Prototyp auf der Connectivity-Messe Mobile World Congress (WMC) in Barcelona im Februar

    China treibt die Pläne für die erste kommerzielle Hyperloop-Strecke des Landes weiter voran. Schon in etwa zwölf Jahren könnte ein Schnellzug in Betrieb gehen, der mit einer Geschwindigkeit von bis zu 1000 km/h durch eine Vakuumröhre rast. Das berichtet die Hongkonger Zeitung South China Morning Post unter Berufung auf die Chinesische Akademie für Ingenieurwesen und die chinesische Eisenbahnbehörde. 

    Die erste Hyperloop-Strecke soll zwischen Shanghai und der Nachbarstadt Hangzhou entstehen. Zuvor habe ein gemeinsames Gremium nach dem besten Standort für eine kommerzielle Strecke gesucht, dessen Bewertungs-Bericht in der chinesischen Fachzeitschrift Railway Standard Design veröffentlicht worden sei. Im Rennen waren demnach auch die Nachbarstädte Peking-Shijiazhuang, Guangzhou-Shenzhen und Chengdu-Chongqing.

    Läuft alles nach Plan, könnte die 175 Kilometer lange Verbindung 2035 starten. Reisen zwischen Shanghai und Hangzhou wären dann in 15 Minuten statt wie bisher in 45 Minuten mit dem herkömmlichen Schnellzug möglich. Die Strecke war vor vielen Jahren auch schon einmal für die Verlängerung des Transrapid im Gespräch gewesen. Dieser führt nur vom Internationalen Flughafen Pudong an den Stadtrand; die Verlängerung scheiterte unter anderem an hohen Kosten und Anwohnerprotesten.

    Hyperloop: Strategische Bedeutung

    Das Hyperloop-Projekt sei nun “von strategischer Bedeutung für China”, zitiert die Zeitung Ingenieurin Zhang Yunjiao, die die Suche nach einem geeigneten Standort leitete. 

    Die Volksrepublik forscht seit 2017 intensiv an der Hyperloop-Technologie. Im September 2019 hat das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) und der Staatsrat den “Entwurf für den Aufbau eines starken Verkehrsstaates” herausgegeben, in dem ausdrücklich vorgeschlagen wird, die Forschung und Entwicklung von Hochgeschwindigkeits-Magnetschwebesystemen mit 600 km/h und Hochgeschwindigkeitszügen in Niedervakuumtunneln sinnvoll zu koordinieren.

    Mit Geschwindigkeiten über 1.000 km/h sollen Hyperloop-Züge mit dem Flugzeug gleichziehen und neue Formen des interkontinentalen Verkehrs eröffnen. Einige chinesische Ingenieure träumen bereits von Geschwindigkeiten von 4.000 km/h. Auch für 1.000 km/h hat China freilich noch viel Arbeit vor sich. Die sehr teure Technik ist noch lange nicht einsatzbereit. “Bei der Projektplanung müssen alle Beteiligten zunächst die Machbarkeitsstudie, die Feinstudie, den Vorentwurf und andere Prozesse durchlaufen, nicht nur um die Reife der Technologie zu prüfen, sondern auch um verschiedene realistische Aspekte wie Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen”, erklärt ein Professor für Verkehrsplanung an der Tongji-Universität.

    Europa und China forschen an der Technologie

    Die Idee, Züge oder Passagierkapseln mit hoher Geschwindigkeit durch fast luftleere Röhren zu schicken, ist nicht neu. Die “London and Edinburgh Vacuum Tunnel Company” war bereits 1825 davon überzeugt, man solle Schienenfahrzeuge durch luftleer gesaugte Tunnel fahren lassen. Einen neuen Schub erhielt sie vor zehn Jahren, als sich der US-Milliardär Elon Musk hinter die Technik stellte. Eine von Musk gebaute Test-Strecke wurde allerdings inzwischen wieder abgerissen. Der angekündigte Bau eines Hyperloops zwischen Los Angeles und San Francisco scheint auf der langen Prioritätenliste des Unternehmers nicht mehr sehr weit oben zu stehen.

    Auch in Europa läuft die Forschung auf Hochtouren. In den Niederlanden hat das Start-up Hardt Hyperloop bereits 2019 seine erste Teströhre in Betrieb genommen. In Spanien arbeitet das 2016 gegründete Start-up Zeleros am Hyperloop. Auch das Programm der Technischen Universität München ist kürzlich mit dem Baubeginn einer neuen Test-Strecke einen Schritt vorangekommen.

    Chinas erster Hyperloop-Testzug schafft 50 km/h

    Einen ersten erfolgreichen Test hatte im Januar ein neuer Zug der staatlichen China Aerospace Science and Industry Corporation (CASIC) in Datong, Provinz Shanxi, absolviert. Der Zug fuhr auf einer rund zwei Kilometer langen Strecke mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h. Dabei hätten kritische Komponenten wie ein supraleitender Magnet, die Elektronik und KI-Sicherheitskontrollen wie geplant funktioniert.

    Um tatsächlich eine Strecke in Betrieb nehmen zu können, müssen aber nicht nur die Züge noch deutlich verbessert werden. Auf China kämen auch gewaltige Ausgaben in die Infrastruktur zu. So müssten Arbeiter nicht nur die Röhren verlegen, sondern wohl auch ganz neue Bahnhöfe für ein Hyperloop-Netz bauen. Um wirklich substantiell voranzukommen, müssten nun Teststrecken von mindestens 50 Kilometer Länge entstehen, sagen chinesische Experten.

    Fraglich ist auch, ob ein Hyperloop zwischen Nachbarstädten, die bereits durch hervorragende und immer schneller werdende Schnellzüge verbunden sind, überhaupt benötigt wird. Aus Sicht von Geschäftsreisenden wäre ein Hyperloop eher auf längeren Strecken als noch schnellere Alternative zum Flugzeug sicherlich attraktiv. Die Strecke zwischen Peking und Shanghai könnte in etwas mehr als einer Stunde geschafft werden. Von Peking nach Hongkong wären es vielleicht gut drei Stunden. Doch das scheint selbst für die chinesischen Planer noch Zukunftsmusik zu sein. Mitarbeit: Fabian Peltsch

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    Photovoltaik-Exporte wachsen weiter

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    • China exportiert große Mengen von Produkten der Photovoltaik (PV). Dazu gehören PV-Module, sowie Siliziumwafer und -zellen. 2022 erreichte der Export von PV-Modulen mit einer Gesamtkapazität von 153,6 GW einen Rekordwert, was einem Wachstum von 55,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.
    • Siliziumwafer und -zellen verzeichneten 2022 ebenfalls ein starkes Wachstum und legten im Vergleich zum Vorjahr um 60,8 Prozent bzw. 130,7 Prozent zu.
    • Nach Angaben der China Photovoltaic Industry Alliance fiel das Wachstum der Photovoltaik-Exporte je nach Zielland unterschiedlich aus: Ausfuhren in den europäischen Markt verzeichneten 2022 mit einem Plus von 114,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr den größten Zuwachs – auch aufgrund der Folgen von Ukraine-Krieg und Energiewende. Die Niederlande sind weiterhin Spitzenabnehmer chinesischer PV-Module.
    • Der rasante Aufstieg der Solarbranche wird maßgeblich durch Chinas Industriepolitik begünstigt, zum Beispiel durch großzügige Einspeisetarife, Subventionen, Mittel für Forschung und Entwicklung, öffentliche Aufträge und Steuervorteile. Diese Politik hat die Herstellungskosten für Photovoltaikanlagen gesenkt und den technologischen Durchbruch in der gesamten chinesischen Branche gefördert.
    • China fördert grundsätzlich ausländische Investitionen in diesem Sektor, beispielsweise durch die Aufnahme der Photovoltaik in den jüngsten Katalog für “geförderte ausländische Direktinvestitionen” (2022). Die derzeitige Vormachtstellung chinesischer Unternehmen auf dem Markt und in der Technologie lässt die ausländischen Unternehmen jedoch zögern, in großem Umfang in China zu investieren.
    • Derweil nimmt der internationale Wettbewerb zu. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat die Länder vor den Risiken einer starken Lieferkettenabhängigkeit gewarnt. Die EU-Länder planen aktiv die Lokalisierung der PV-Produktion und der Lieferkette. Diese Bemühungen der EU und ähnliche der Vereinigten Staaten, die Lieferketten für saubere Technologien zu stärken, könnten daher das Wachstum von Chinas PV-Exporten in Zukunft bremsen.

    Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.

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    Safeguard Defenders sehen zunehmende Ausreise-Verbote

    China hindert zunehmend Menschen daran, das Land zu verlassen, darunter auch ausländische Führungskräfte. Einem neuen Bericht der Menschenrechtsorganisation Safeguard Defenders zufolge sind Dutzende von Chinesen und Ausländern von Ausreiseverboten betroffen. Zudem zeigt eine Reuters-Analyse von Aufzeichnungen über Ausreiseverbote aus der Datenbank des Obersten Gerichtshofs Chinas einen achtfachen Anstieg solcher Fälle zwischen 2016 und 2022. Bei den meisten in der Datenbank handelt es sich um zivilrechtliche, nicht um strafrechtliche Fälle. Europa und die USA hindern in aller Regel Menschen nur auf Basis strafrechtlicher Ermittlungen an einer Ausreise.

    “Seit der Machtübernahme von Xi Jinping im Jahr 2012 hat China die rechtlichen Möglichkeiten für Ausreiseverbote erweitert und sie zunehmend eingesetzt, manchmal ohne rechtliche Begründung”, heißt es im Bericht von Safeguard Defenders. “Zwischen 2018 und Juli dieses Jahres sehen nicht weniger als fünf neue oder geänderte (chinesische) Gesetze die Anwendung von Ausreiseverboten vor, so dass es heute insgesamt 15 Gesetze sind”, sagte Laura Harth, die Kampagnen-Leiterin der Gruppe.

    Ein Manager aus Singapur bei der amerikanischen Due-Diligence-Firma Mintz Group wurde dieses Jahr an der Ausreise gehindert, wie drei mit der Angelegenheit vertraute Personen berichten. In der chinesischen Niederlassung des Unternehmens hatte es Ende März eine Razzia mit mehreren Festnahmen gegeben. Das Außenministerium erklärte damals, Mintz stehe im Verdacht, unrechtmäßige Geschäfte zu tätigen.

    Vergangene Woche verschärfte China zudem sein Gesetz zur Bekämpfung von Spionage, so dass Ausreiseverbote gegen alle Personen verhängt werden können, die “der nationalen Sicherheit oder den nationalen Interessen erheblichen Schaden zufügen”. Ausländische Firmen zeigten sich besorgt über die vagen Formulierungen des Gesetzes. “Die Unsicherheit ist groß”, sagte Jörg Wuttke, Leiter der Handelskammer der Europäischen Union in China. “Kann man eine Sorgfaltsprüfung durchführen? Es muss Klarheit herrschen.” rtr/ck

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    Frankreich beschränkt Fluglinien aus China

    Frankreich hat ein bilaterales Luftverkehrsabkommen mit China ausgesetzt, um unfaire Wettbewerbsbedingungen auszugleichen, die durch den Ukraine-Krieg entstanden sind. Das berichtete das Flugbranchen-Portal Aerotelegraph am Dienstag. Air France hatte die französische Regierung laut Bloomberg bereits zuvor gedrängt, den Zugang chinesischer Fluggesellschaften zu Frankreich zu beschränken.

    Das Problem: Moskau hat aufgrund der westlichen Überflugverbote für russische Airlines umgekehrt die Überflugrechte für westliche Airlines über sein Territorium zurückgezogen. Für chinesische Airlines gilt dieses Überflugverbot aber nicht. Sie haben folglich zwischen China und Europa eine viel kürzere und somit schnellere Flugstrecke als die europäische Konkurrenz, die große Umwege fliegen muss. Dadurch seien Gesellschaften wie Air France auf dem Rückflug von China um bis zu drei Stunden länger unterwegs als chinesische Airlines, hieß es in dem Bericht – was zusätzliche Treibstoff- und Personalkosten zur Folge habe.

    Das nun von Paris ausgesetzte bilaterale Flug-Abkommen erlaubte chinesischen und französischen Airlines, die gleiche Zahl von Zielen in Frankreich beziehungsweise China anzusteuern. Das 2017 unterzeichnete Dokument enthielt jedoch bereits eine Aussetzungsklausel für den Fall, dass der russische Luftraum gesperrt wird. Laut Bloomberg sind nun zur Lösung des Problems auch Steuern oder andere Maßnahmen im Gespräch, die einen Kostenausgleich zwischen Air France und chinesischen Fluggesellschaften herstellen. fpe

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    Reformen am Wehrdienstgesetz

    China hat sein Wehrdienstgesetz reformiert, um die Rekrutierung früherer Soldaten sowie technisch versierter Experten zu erleichtern. Die Reform vom Montag erleichtere es pensionierten Soldaten, zu ihren alten Einheiten zurückzukehren oder frühere Aufgaben zu erfüllen, berichtet das japanische Magazin Nikkei Asia. Ziel sei es, erfahrenes Personal für das Militär zu sichern. Eine weitere Bestimmung erleichtert die Einberufung von Personen im Notfall.

    Ein weiterer Schwerpunkt der Gesetzesänderung liegt laut dem Bericht auf Studierenden. Das Gesetz erlaubt es den Universitäten, diese auf dem Campus für das Militär zu rekrutieren. Im Kern geht es dabei um die Rekrutierung technisch versierter Studierender der Natur- und Ingenieurwissenschaften – mit Blick auf Kriegsführung im Cyberspace oder im Weltraum. “Wir werden ein militärisches Einberufungssystem aufbauen, das von Friedenszeiten bis hin zu Notfällen schnell und nahtlos reagieren kann”, zitierte Nikkei Asia Tan Kefei, einen Sprecher des chinesischen Verteidigungsministeriums.

    Die Zahl der Wehrpflichtigen geht aufgrund der alternden Bevölkerung Chinas zurück. Der Fokus des Militärs auf die Rekrutierung von pensioniertem Militärpersonal und College-Studenten sei ein Zeichen für einen Mangel an aktiven Soldaten, sagte Masafumi Iida, Experte für Chinas maritime Strategie am japanischen National Institute for Defense Studies, der Zeitung. China hat sein Wehrpflichtsystem wiederholt überarbeitet, um das Militär zu stärken. 2021 wurde zum Beispiel die Altersgrenze für neue Rekruten von 22 auf 24 Jahre für Hochschulabsolventen und auf 26 für Postgraduierte angehoben. ck

    • Militär
    • Verteidigung

    China stimmt UN-Resolution mit Russland-Kritik zu

    Die Volksrepublik hat erstmals einer UN-Resolution zugestimmt, die die “Aggression der Russischen Föderation gegen die Ukraine” anerkennt. In dem Papier spricht sich die UN-Generalversammlung für eine engere Zusammenarbeit mit dem in Straßburg ansässigen Europarat aus. Um Russland ging es also nur am Rande. Der Europarat mit Sitz in Strassburg ist keine EU-Institution. Er hat 47 Mitgliedsstaaten und kümmert sich um die Einhaltung der Menschenrechte. Russland ist aufgrund der Invasion derzeit nicht präsent.

    Peking hatte sich seit Kriegsbeginn bei Resolutionen mit Russland-Inhalten enthalten. Die Resolution bekam aber auch Unterstützung anderer Staaten wie Indien und Kasachstan, die sich sonst bei Russland-Abstimmungen enthalten haben. Über das Papier war bereits vergangene Woche während der Generalversammlung der Vereinten Nationen abgestimmt worden. ari

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    Presseschau

    Russland für China erstmals “Aggressor” in Ukraine KRONE
    NGO-Bericht: China hindert immer mehr Menschen am Verlassen des Landes TAGESSCHAU
    Präsidenten von USA und Südkorea betonen Frieden in der Taiwanstraße TAIWANHEUTE
    US Ambassador to China: “We are ready to talk” CNN
    “Red scare” in US causes multi-year flood of refugees with PhDs to China SCMP
    Illegale Polizeistationen in 13 EU-Staaten vermutet: China überwacht Landsleute in Europa RP-ONLINE
    Neue Station: China verstärkt seine Präsenz in der Antarktis DIEPRESSE
    Schlag gegen Protestbewegung: China schränkt Bezirksratswahlen in Hongkong ein FAZ
    Fang Bin: China Covid whistleblower returns home to Wuhan after jail BBC
    Neue Vermittlerrolle: China fordert USA heraus ORF
    Chinese foreign minister hails Myanmar “friendship” on visit REUTERS
    Bringt China die Ukraine-Wende? US-Botschafter pocht auf Hilfe – “Russland zum Rückzug drängen” HNA
    Schweiz: Nationalrat sendet Liebesgrüsse nach Taiwan – China ist verärgert LANDBOTE
    “Chinas Kommunistische Partei hat große Angst vor ihrem Sturz” FR
    NRW-Gipfel in Gelsenkirchen: Neue Wege aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit von China RP-ONLINE
    Hamburgs Wirtschaft soll weniger abhängig von China werden NDR
    ISO, IEC, ITU & CO.: Wie China mit Standards Macht ausübt GOLEM
    India, China propose “multiple pathways” on cutting use of fossil fuels-sources REUTERS
    IfW-Studie: Chinesische und private Kredite für Afrika besonders teuer SPIEGEL
    Energiespeicher: Süd-Australien und China sind die Hot Spots PT-MAGAZIN
    BYD Seagull: Günstig nur in China AUTOHAUS
    Nach mehreren Senkungen: Tesla hebt die Preise an AUTOMOBILWOCHE
    Deutsch-chinesische Städtepartnerschaft: Augen auf bei der Partnerwahl SUEDDEUTSCHE
    EU states push for law to limit dependency on drug ingredients from China FT
    Alibaba-Gründer: Jack Ma wird Gastdozent in Tokio SPIEGEL
    Insider: Franzosen und Chinesen buhlen um Schiefergas-Projekt in Saudi-Arabien – Ölpreise deutlich unter Druck HANDELSBLATT
    Konflikt mit China: Biden verspricht den Philippinen militärische Unterstützung HANDELSBLATT

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    Nelly Ma – Übersetzerin mit bewegter Lebensgeschichte

    Nelly Ma ist in Deutschland geboren und in Peking aufgewachsen. Seit 40 Jahren lebt die Übersetzerin in München.

    “Für viele Menschen ist die Übersetzerin eine Maschine, die an einem Ende die Ausgangssprache frisst und am anderen die Zielsprache ausspuckt”, sagt Nelly Ma. “Wenn es nur so einfach wäre.”

    Sie muss es wissen. Nach vielen Jahren als Dozentin für chinesische Sprache an der Universität Passau arbeitet Ma heute als Übersetzerin chinesischer Texte. Die größte Herausforderung liegt für sie dabei in der grundsätzlichen Verschiedenheit beider Sprachen: “Diese Fremdheit zeigt sich auf zwei Ebenen – der sprachlichen und der kulturellen”, sagt Ma. Je größer der Unterschied, desto reizvoller sei die Arbeit der Übertragung – die nicht nur den Text betreffe, sondern auch den literarischen Stil, die Atmosphäre, die Stimme und die Seele des Originals. Dass auch Übersetzende ihre eigene Stimme ins Werk bringen, das sei unumgänglich, sogar erwünscht: “Aber man muss seine Grenzen kennen.”

    Reisanbau und Klassenkampf

    Dass Nelly Ma in der Literatur und der Sprache ihre Leidenschaft gefunden hat und sie bis heute ausleben darf, ist keine Selbstverständlichkeit: Ihr chinesischer Vater lernte ihre deutsche Mutter während des Studiums in München kennen. 1946 zog die Familie nach China; Ma wuchs in Peking auf und studierte schließlich an der dortigen Universität Romanistik. Aber das gewöhnliche Studium war nur von kurzer Dauer: “Nach dem ersten Studienjahr brach in China die Kulturrevolution aus”, erzählt Ma. “Zwei Jahre lang blieben die Studenten an der Universität und machten Revolution.” Gemeinsam mit ihren Kommilitonen wurde sie schließlich zur “Umerziehung” auf eine Militärfarm geschickt. “Mein Leben in dieser Zeit bestand aus Reisanbau und Klassenkampf.”

    Nach der Militärfarm war es unmöglich, selbst den Beruf und den Arbeitsplatz zu bestimmen. Je nach Familienhintergrund wurde beides zugeteilt. Wer aus Arbeiter- und Bauernfamilien stammte oder Kind eines Parteifunktionärs war, bekam einen Job in der Großstadt, in Ministerien oder in der Armee. “Mir wurde aufgrund meiner ausländischen Mutter ein Arbeitsplatz in einer nordchinesischen Kleinstadt zugewiesen”, erzählt Ma. Dort lebte sie fünf Jahre und arbeitete in einer kleinen Fabrik, die landwirtschaftliche Geräte herstellte.

    Mit Abstand auf China blicken

    “In der Kulturrevolution wurde ich zum ersten Mal mit blutigem Terror, mit viel Leid und Qual konfrontiert”, sagt Ma. “Es keimten die ersten Zweifel an der Welt, in der ich lebte.” Ma konnte zwar schließlich nach Peking zurückkehren und erstmals als Übersetzerin arbeiten, aber es reifte der Wunsch, China den Rücken zu kehren. “Ende 1978 tat sich ein kleiner Spalt im Eisernen Vorhang auf, und ich konnte mit meinen Eltern für eine kurze Zeit nach Deutschland reisen.” Sie bekam ein Stipendium für ein Studium und nahm die Gelegenheit wahr: “Ich entkam einem Käfig und sah, dass das Leben auch ganz anders gelebt werden kann.”

    Mehr als 40 Jahre liegt das nun zurück. 40 Jahre, in denen Ma in Deutschland ihre persönliche Freiheit lebte, als Universitätsdozentin, mit ihren Übersetzungen und als Co-Autorin mehrerer Ratgeber. “40 Jahre, in denen ich aus der Ferne beobachte, wie sich China rasant verändert. Und diese Wandlung ruft bei mir Sorge und Wut hervor.” Mittlerweile ist Ma im Ruhestand, schreibt und übersetzt aber immer noch. Und ein großes Projekt erscheint voraussichtlich in diesem Herbst: Ihre Autobiografie – in der sie natürlich auch auf ihr bewegtes Leben in China blickt. Svenja Napp

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    Personalien

    Stéphanie Labussière ist ab Mai Vice President Product Management bei Porsche China. Die französische Produktmanagerin war zuletzt Vice President Product Marketing beim Joint Venture FAW-Volkswagen. Ihr Einsatzort ist Shanghai.

    Alexander Buehringer hat im April bei Audi die Projektleitung für die Produktion des Projektes PPE41 China übernommen. PPE steht für Premium Platform Electric (PPE), ein von Audi und Porsche entwickeltes Plattform-Baukastensystem für das “Premium”-Segment von Elektrofahrzeugen. Buehringer arbeitet weiterhin von München aus.

    Jack Ma ist seit dem 1. Mai als Gastprofessor am Tokyo College. Der Gründer von Alibaba wird dort Seminare über Unternehmertum sowie Forschungsprojekte im Bereich der nachhaltigen Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion durchführen.

    Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

    • Jack Ma

    Dessert

    Nach zwei Jahren Pandemie nutzen die Chinesen die fünftägigen Maiferien dieses Jahr wieder für Kurztrips – Staus, hohen Ticketpreisen und Menschenmassen zum Trotz. Shanghai hatte am Wochenende allein sieben Millionen Besuchende gemeldet. Die Reisebuchungs-Website Trip.com verzeichnete 700 Prozent mehr Inlandsbuchungen als 2021. Hier kollidieren Urlauber beim Rafting nahe Wuzhishan auf der Tropeninsel Hainan.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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