“Wenn wir uns bis zum letzten Tag verteidigen müssen, werden wir uns bis zum letzten Tag verteidigen”, warnte Taiwans Außenminister Joseph Wu in der vergangenen Woche in Richtung Peking. Wu warf China vor, sowohl auf Versöhnungsversuche als auch auf militärische Einschüchterung zu setzen – und damit “widersprüchliche Signale” zu senden.
Die Bewohner:innen Taiwans sind nicht nur rhetorisches Säbelrasseln um ihre Heimat mittlerweile gewöhnt, immer wieder sendet China Jets in den Luftraum der vorgelagerten Inselrepublik aus. Doch was die Volksrepublik jüngst an Militärflugzeugen in Richtung Taiwan geschickt hat, macht die Menschen dort nun doch nervös. Felix Lee analysiert die Lage und Gründe für Pekings aggressives Agieren, in dem auch die USA eine Rolle spielen.
Einfluss aus den Vereinigten Staaten hat auch Auswirkungen auf das regionale Finanzsicherheitsnetz Asiens: Frank Sieren erklärt die neuen Änderungen innerhalb der Chiang-Mai-Multilateralization-Initiative (CMIM), mit der kurzfristige regionale Liquiditätsprobleme bewältigt werden sollen, ohne sofort den von den USA dominierten Internationalen Währungsfonds (IWF) um Hilfe bitten zu müssen.
Gregor Koppenburg und Jörn Petring stellen den im Westen noch wenig bekannten Sportbekleidungshersteller Anta vor. Während die Branchen-Riesen Nike und Adidas wegen der Debatte um Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang mit Boykottgebaren kämpfen müssen, fährt Anta eine eindeutige Strategie: Patriotismus – und ein klares Bekenntnis zu Baumwolle aus der Region.
Eigentlich sind die Menschen in Taiwan Provokationen vom chinesischen Festland gewohnt. Immer wieder waren in den vergangenen Jahren Militärflugzeuge der Volksrepublik in den Luftraum der Insel mit ihren 24 Millionen Einwohnern eingedrungen und Schiffe vom chinesischen Festland auffällig nahe an Inseln heran geraten, die Taiwan kontrolliert. Die Regierung in Taipeh blieb abgesehen von Protestnoten gelassen.
Doch was Peking in den letzten Tagen an Militärflugzeugen in Richtung der vorgelagerten Inselrepublik geschickt hat, macht sie nun doch nervös. Allein am Montag hat eine Rekordzahl von 25 Militärflugzeugen Taiwans Luftüberwachungszone verletzt, berichtete das Verteidigungsministerium in Taipeh. Nach einem ähnlichen Manöver von mindestens zehn Kampfjets in der Woche zuvor hatte Taiwans Außenminister Joseph Wu gewarnt: Die Insel werde sich “bis zum letzten Tag” verteidigen. Man werde notfalls einen Krieg führen. Und auch US-Außenminister Antony Blinken warnt vor Chinas “zunehmend aggressiven Handlungen”.
Ist es das übliche Säbelrasseln? Oder spitzt sich der Konflikt um Taiwan, das die kommunistische Führung in Peking als einen unzertrennlichen Teil Chinas betrachtet, doch gefährlich zu? Droht womöglich Krieg?
Ein Grund für Pekings aggressives Agieren sind die neuen Richtlinien, die die USA für Kontakte mit der Regierung in Taiwan erteilt hat. Es handelt sich um einen Teil des sogenannten Strategic Competition Act, ein Gesetzvorhaben, das sich explizit gegen die Führung in Peking wendet und für das Demokraten und Republikaner im Kongress in seltener Eintracht parteiübergreifend stimmen wollen.
Dieser Gesetzentwurf sieht nicht nur vor, dass der US-Außenminister verpflichtet wird, künftig alljährlich eine Liste aller chinesischen Staatsunternehmen zu veröffentlichen, die vom Diebstahl geistigen Eigentums profitiert und damit den USA geschadet haben. Er verpflichtet zudem die US-Regierung, Berichten über Menschenrechtsverletzungen in der chinesischen Region Xinjiang nachzugehen – und sieht eine stärkere Unterstützung Taiwans durch die USA vor.
Für die Volksrepublik stellt das eine Provokation dar. Die Führung in Peking betrachtet Taiwan als unzertrennbaren Teil Chinas und erkennt dessen demokratisch gewählte Regierung nicht an. Chinas Präsident Xi Jinping hat mehrfach betont, dass eine “Vereinigung” beider Seiten nicht unbegrenzt aufgeschoben werden könne. Chinas Führung weist zudem erbost darauf hin, dass sich die USA bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen 1979 dazu verpflichtet hatten mit Taiwan nur kulturelle, wirtschaftliche und inoffizielle Beziehungen zu unterhalten. Dieses Dogma werde nun mit dem neuen Gesetz gebrochen.
Vom US-Außenministerium heißt es hingegen dazu lapidar, die neuen Richtlinien seien eine “Liberalisierung der Handlungsempfehlungen” für Kontakte von amerikanischen Regierungsstellen mit Taiwan. Ein Bruch mit der von Peking geforderten Ein-China-Politik, der zufolge Taiwan ein Teil Chinas bleibt, stelle das neue Gesetz nicht dar. Die Handlungsempfehlungen würden lediglich einen Dialog ermutigen, “der unsere zunehmenden inoffiziellen Beziehungen widerspiegelt”. “Die Vorgaben unterstreichen, das Taiwan eine lebendige Demokratie und ein wichtiger Sicherheits- und Wirtschaftspartner ist, der auch eine Kraft für das Gute in der internationalen Gemeinschaft ist”, lautet die Lesart des State Department. Tatsächlich haben die USA Taiwan schon vor langer Zeit Verteidigungsbeistand zugesichert, ließen jedoch bislang offen, wie weit sie im Falle eines Angriffs Chinas gehen würden.
Zugleich ist die Rivalität zwischen China und den USA in den vergangenen Jahren insgesamt zum zentralen Paradigma für beide Seiten geworden. Schon bei dem von Donald Trump angefachten Handelskonflikt ging es den USA keineswegs nur um Handels-, sondern auch um geopolitische Fragen. Diese Politik setzt Trumps Nachfolger Joe Biden nun fort. Im Zuge der strategischen Rivalität rückt auch die Taiwan-Frage in den Vordergrund.
Erst kürzlich warnte ein hoher US-Militär, China werde womöglich seine Zeitpläne für eine Eroberung Taiwans beschleunigen. Es lägen Hinweise vor, wonach sich die Risiken erhöht hätten, sagte Admiral Philip Davidson, ranghöchster US-Kommandeur in der Asien-Pazifik-Region, im März vor einem Senatsausschuss. “Die Bedrohung ist in diesem Jahrzehnt offensichtlich – in der Tat, in den nächsten sechs Jahren.” Tage später wollte sich Davidsons voraussichtlicher Nachfolger John Aquilino nicht auf einen konkreten Zeitrahmen festlegen lassen, sagte aber vor Senatoren bei einer Anhörung für sein Bestätigungsverfahren: “Meiner Meinung nach ist uns das Problem näher als die meisten denken.”
Was ihnen Sorge bereitet: Peking rüstet sein Militär seit Jahren kräftig auf, 2021 beträgt die Steigerung des Verteidigungsbudgets abermals fast sieben Prozent. Chinas Marine ist zahlenmäßig bereits die größte der Welt. In den Werften im südchinesischen Hainan wird dennoch weiter nonstop in drei Schichten gearbeitet, sieben Tage die Woche.
Zugleich rüstet aber auch Taiwan auf. Die Inselrepublik verfügt bereits über eine Vielzahl von Anti-Schiffs-Raketen, darunter die in den USA hergestellte Harpoon-Rakete, Raketenwerfer und Kleinst-U-Boote, sagt Sidharth Kaushal, Marine-Experte am Royal United Services Institute (RUSI) in London auf CNN. Zusammengenommen könnten diese eine Reise der Volksbefreiungsarmee über die Taiwanstraße “sehr riskant machen und die chinesischen Streitkräfte vor jeder Landung ausdünnen”. Zugleich hat Taiwan mit dem Bau von acht eigenen hochmodernen U-Booten begonnen.
Zwar hänge es letztendlich vom US-Militär ab, ob eine Invasion Taiwans durch die Volksbefreiungsarmee verhindert werde, sagt Timothy Heath, Verteidigungsexperte der Denkfabrik RAND Corp in Washington ebenfalls auf CNN. “Ohne eine Intervention durch die USA wird China einen Weg finden, die U-Boote zu zerstören”, sagte Heath. Er weist zugleich daraufhin, dass Chinas Staatschef Xi berechnend und sehr vorsichtig sei. Carl Schuster, Analyst an der Hawaii Pacific University und ehemaliger Navy-Kapitän, geht sogar noch weiter und schätzt: Taiwans neue U-Booten könnten dafür sorgen, dass ein Angriff Chinas in den nächsten 20 Jahren ausbleibt.
Mehr Unabhängigkeit vom Westen durch mehr regionale Finanzhilfe – seit vergangener Woche sind die seit einem Jahr geplanten Änderungen innerhalb der Chiang-Mai-Multilateralization-Initiative (CMIM) in Kraft, die zur Chiang-Mai-Initiative (CMI) gehört. Dabei handelt es sich um eine multilaterale Währungsswapvereinbarung, die von den zehn ASEAN-Staaten sowie der Volksrepublik China (einschließlich Hongkong), Japan und Südkorea unterzeichnet wurde. Ihr Ziel: kurzfristige regionale Liquiditätsprobleme bewältigen, ohne sofort den Internationalen Währungsfonds (IWF) um Hilfe bitten zu müssen, in dem die USA dominieren.
Durch die neuen Regelungen wird die Verwendung lokaler Währungen zusätzlich zum US-Dollar noch stärker institutionalisiert. Das CMIM wird den Geldbetrag, der nicht an den IWF gebunden ist und den die teilnehmenden Nationen als Kredit aufnehmen können, von 30 auf 40 Prozent erhöhen. Die Grenze war 2014 ursprünglich auf 20 Prozent festgelegt worden. Demnach könnte Südkorea nun beispielsweise bis zu 15,36 Milliarden Dollar unabhängig von einer IWF-Hilfe gewissermaßen als asiatische Nachbarschaftshilfe beanspruchen.
Analysten gehen davon aus, dass das Update die Verwendung des US-Dollars in Asien langfristig schwächen und die Abhängigkeit der asiatischen Schwellenländer von der US-Wirtschaft verringern könnte. “Angesichts der Tatsache, dass die Region immer noch stark vom US-Dollar abhängig ist, könnte eine übermäßige geldpolitische Lockerungspolitik des Dollars die lokalen Währungen schwächen, während Volkswirtschaften, deren Devisenreserven vor allem aus US-Dollar bestehen, ebenfalls eine Abwertung erfahren”, erklärt Xi Junyang, Professor an der Shanghai University of Finance and Economics. Mit dem letztgenannten Aspekt meinte Xi China – denn die Volksrepublik ist zusammen mit Japan der größte Gläubiger der USA.
Die betreffenden Länder hatten bereits im vergangenen Jahr vereinbart, das regionale Finanzsicherheitsnetz einem Update zu unterziehen. Als Begründung nannten sie unter anderem, dass die Covid-19-Pandemie den Bedarf an Zusammenarbeit erhöht habe und eine Stärkung der Finanzstabilität im asiatischen Wirtschaftsraum gefördert werden müsse.
Politisch interessant ist, dass selbst Länder wie Südkorea und Japan, die in Asien den USA politisch am nächsten stehen und große Kontingente US-amerikanischer Truppen im Land haben, einem solchen Schritte just zu der Zeit zustimmen, als die Regierung von Präsident Joe Biden sich wieder stärker politisch in Asien verankern will.
Für Peking hat das Update noch eine weitere wichtige Bedeutung: Der chinesische Renminbi wird in der Region weiter gestärkt. Das Freihandelsabkommen RCEP, das die ASEAN-Staaten vergangenes Jahr unter der Führung der Volksrepublik unterzeichnet haben, war dahingehend bereits ein Meilenstein. Handelsverträge, die innerhalb des RCEP – der größten Freihandelszone der Welt – geschlossen werden, können als Transaktionswährung den Yuan ausweisen.
In Peking ist man schon lange verärgert über die US-amerikanische Dominanz im IWF, die aus Sicht Chinas die globalen Machtverhältnisse verzerrt. Auf dem Höhepunkt der asiatischen Finanzkrise 1997 hatten japanische Behörden bereits einen asiatischen Währungsfonds vorgeschlagen, der als regionale Version des IWFs dienen sollte. Diese Idee wurde allerdings nach starkem Widerstand aus den Vereinigten Staaten aus kosmetischen Veränderungen bis heute nicht in die Tat umgesetzt. Die USA haben bis heute mit großem Abstand die meisten Stimmrechte im IWF: 17,4 Prozent. China hat mit 6,41 Prozent weniger Anteil als Japan und nur etwas mehr als Deutschland mit 5,6 Prozent.
Dabei hat China bereits einen Anteil an der Weltwirtschaft von 18,3 Prozent, während der Anteil der USA 24 Prozent beträgt – China müsste also eigentlich einen mindestens doppelt so hohen Anteil an Stimmrechten haben.
Die Chiang-Mai-Initiative wurde 2000 als Reaktion auf die asiatische Finanzkrise 1997/98 ins Leben gerufen. Damals hatten sich asiatische Länder wie Thailand und Südkorea in US-Dollar international stark verschuldet, hatten aber fast nur Einnahmen in ihren Landeswährungen.
Aufgrund von Missmanagement in den Ländern und vor allem US-amerikanischen Hedge-Fonds, die gegen die Länder zu wetten begannen, in dem sie deren lokale Währung und deren Aktien abstießen, brachen die Volkswirtschaften der asiatischen Länder zusammen und rissen China um ein Haar mit in den Abgrund.
Danach wurden sie vom IWF gezwungen ihre Märkte für westliche Investoren zu öffnen, die deren Schwäche nutzten, um wiederum Schnäppchen zu machen und sich in asiatische Firmen einzukaufen. Diese Politik hat sich in Asien tief in das kollektive Gedächtnis eingebrannt – der Selbsthilfefonds CMIM soll verhindern, dass das nochmal passiert.
Seit der Einsetzung hat der CMIM zwei große Revisionsrunden durchlaufen. Nach der globalen Finanzkrise 2008 wurde 2010 ein Pool von Devisenreserven in Höhe von insgesamt 120 Milliarden US-Dollar angelegt. Der Pool wurde 2012 auf 240 Milliarden US-Dollar erweitert und setzt sich zusammen aus Zusagen über 192 Milliarden US-Dollar aus China, Japan und Südkorea sowie 48 Milliarden US-Dollar aus den zehn ASEAN-Ländern. Die für die Länder verfügbare Summe wird abhängig von der Höhe des Beitrags jedes Landes festgelegt.
Der größte Vorstoß auf dem Weg einer finanziellen Emanzipation Asiens von den USA kam jedoch ein paar Jahre später: die Gründung der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) im Juni 2015. Es war die erste Gründung einer neuen globalen Institution im Stil der Weltbank seit dem Zweiten Weltkrieg. Und die erste globale Institution, die von China ausging. Inzwischen sind über 100 Länder Mitglieder der Bank, darunter auch Deutschland.
Peking weiß: Nur, wenn sich der Yuan vom US-Dollar emanzipiert, kann er international stärker werden und sich vielleicht eines Tages als neue Leitwährung etablieren, in der, wie heute mit dem US-Dollar üblich, beispielsweise der Erdöl- oder Goldpreis ausgedrückt wird.
Peking möchte in den nächsten Jahren einen Petro-Yuan etablieren, um Erdölgeschäfte in seiner Währung abwickeln zu lassen. Der saudi-arabische Ölkonzern Saudi Aramco – das wertvollste Börsenunternehmen der Welt – hat bereits bekanntgeben, über eine Anleihenemission in Yuan nachzudenken.
Noch fehlt dem Yuan allerdings die vollständige Konvertibilität. Die chinesische Landeswährung ist nicht frei und unbegrenzt umtauschbar. Auch die Tatsache, dass die chinesische Notenbank einer der größten Gläubiger der USA sei, spräche gegen eine zügige Internationalisierung, erklärt Adalbert Winkler, Ökonom an der Frankfurt School of Finance and Management. “Die Stärke der chinesischen Währung hängt gerade davon ab, dass der US-Dollar stark ist. Die Chinesen stehen finanzpolitisch jetzt vor einem ähnlichen Problem wie Deutschland Anfang der siebziger Jahre, nämlich sich zunächst einmal vom Dollar zu lösen, bevor man überhaupt daran denken kann, eine eigenständige internationale Rolle als Währung spielen zu wollen.” Bis der Yuan also auf Augenhöhe mit dem US-Dollar spielt, wird es noch lange dauern. Die Stärkung des CMIM ist jedoch ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
Nach den Boykottaufrufen der chinesischen Medien machen sich Adidas und Nike Sorgen über ihre Umsätze in China. Vieles deutet darauf hin, dass die Boykottaufrufe, wenn überhaupt, nur sehr kurz anhalten werden, aber die Situation zeigt doch, wie dünn das Eis sein kann, auf dem sich ausländische Firmen im chinesischen Markt bewegen.
Nutznießer der Debatte möchte Anta Sports sein. Der Sportbekleidungshersteller ist im Westen wenig bekannt. Überraschend ist das nicht, denn Anta Sports macht seinen Hauptgewinn in China. Für 2020 verzeichnete der Konzern einen Jahresumsatz von umgerechnet etwa 4,5 Milliarden Euro. Damit liegt Anta hinter Puma und weit von den Branchenriesen Nike und Adidas entfernt, die mit 31,5 Milliarden Euro (Nike) und knapp 20 Milliarden Euro (Adidas) die Branche dominieren.
Sowohl Adidas als auch Nike verzeichneten für 2020 zwar Umsatzrückgänge, große Ausnahme war dabei aber in beiden Fällen der Raum China, in dem sich beide Konzerne über zweistellige Wachstumsraten freuen konnten. Auch am heimischen Markt bleibt Anta beim Umsatz hinter Nike und Adidas zurück.
Was die Frage um Lager und Menschenrechte in Xinjiang angeht, fährt Anta Sports eine eindeutige Strategie: Patriotismus. Zuerst kam eine Meldung beim chinesischen Dienst Weibo: “Wir haben Baumwolle aus China, darunter auch aus der Region Xinjiang gekauft und verarbeitet und wir werden das auch weiter tun”, wurde vermeldet. Die Marke Fila, deren Chinageschäft von Anta durchgeführt wird, sagte Ähnliches.
Taten folgten kurz danach. Anta Sports kündigte an, dass es aus der Better Cotton Initiative austreten würde, der Institution, die zuvor Baumwolle aus Xinjiang die Lizenz wegen möglicher Menschenrechtsverletzungen entzogen hatte. Das Ergebnis hätte für Anta nicht besser sein können: Der eigene Börsenkurs stieg an, während die von Nike und Adidas sanken.
Es ist nicht das erste Mal, dass Anta Sports durch Pekingnähe Vorteile genießt. Besonders auffällig zeigt es sich, wenn Staats- und Parteichef Xi Jinping die Stätten für die olympischen Winterspiele 2022 begutachtet. Bei einer solchen Besichtigung 2017 trug Xi eine Daunenjacke mit Anta-Abzeichen. Im Januar dieses Jahres trug er dann einen Parka der Anta-Tochter Arc’teryx, während seine Delegation großteilig Mäntel der Marke Anta zur Schau trugen. Dieser Wechsel ist gleichzeitig ein Sinnbild für Pekings Unterstützung für Anta, als auch dafür, dass der größte chinesische Sporthersteller dabei ist, sich zu internationalisieren.
Arc’teryx gehört seit 2019 zur Anta Group. Der Kauf des kanadischen Herstellers von Winterbekleidung war Teil der Übernahme des finnischen Sportausrüsters Amer Sports, dem Arc’teryx angehörte und brachte Anta auch einige weitere bekannte internationale Marken wie zum Beispiel den Tennisausrüster Wilson ein. Es wird gemeinhin als Versuch gewertet, die Dominanz von Nike und Adidas auch international anzugreifen.
Internationale Erfolge zu feiern ist nicht einfach für chinesische Sportmarken. Anta Sports wurde erst 1991 gegründet und verbrachte die längste Zeit seiner Existenz damit, die Konkurrenz aus dem Ausland preislich zu unterbieten. Das Umschwenken zu einer Premium- und Lifestylemarke ist daher schwierig. Bei dem Versuch, einfach direkt international Läden zu eröffnen, war der chinesische Branchenkonkurrent Li-Ning bereits schwer gescheitert.
Doch Anta feiert immer wieder strategische Erfolge. Zum Beispiel gelang es der Marke, internationale Stars an sich zu binden. So konnte man unter anderem Basketball-Star Klay Thompson dafür gewinnen , die Marke in der amerikanischen Basketball-Profiliga NBA zu vertreten. Es hätte ein Durchbruch auf dem internationalen Markt werden können.
Doch auch in der Zusammenarbeit mit der NBA zeigte Anta zuvor schon deutlich, wo die Prioritäten liegen. Als der Geschäftsführer der Houston Rockets 2019 bei Twitter die Proteste in Hongkong guthieß, reagierte die Firma sofort mit einer Vertragsauflösung. Die Antwort auf Weibo lautete damals, dass Anta jegliche Handlungen ablehne, die chinesischen Interessen zuwiderliefen und hätte auch direkt aus der Parteizentrale kommen können.
Ebenfalls 2019 unterschrieb Anta einen Vertrag mit dem Internationalen Olympischen Komitee, um offizieller Ausrüster der Olympischen Spiele zu werden. Ein Schritt, von dem sich Anta erhofft hatte, dass er positive PR bringen würde. Doch der IOC sieht sich wegen der Menschenrechtslage in Xinjiang in der Kritik. Boykottaufrufe gegen die olympischen Winterspiele in Peking 2022 werden lauter und der IOC versucht händeringend seine politische Neutralität zu wahren. “Wir sind keine übergeordnete Weltregierung, die Probleme lösen oder auch nur ansprechen kann, für die der UN-Sicherheitsrat, die G7 oder die G20 auch keine Lösung haben”, so IOC-Präsident Thomas Bach.
Antas Strategie, voll und ganz Parteilinie zu fahren, kann daher auf dem internationalen Markt zu einem großen Problem für die Marke werden. Denn auch westliche Käufer sind bekanntermaßen nicht um Boykotte verlegen. Und wenn Anta sich aus jedem Vertrag zurückzieht, weil jemand etwas Kritisches über China gesagt hat, wird der Angriff auf Adidas und Nike schwierig werden. Gregor Koppenburg/Jörn Petring
Am Dienstag hat Peking 34 Internet-Plattformfirmen davor gewarnt, weiterhin verbotene Praktiken anzuwenden, die den Wettbewerb einschränken. Die staatliche Behörde für Marktregulierung (SAMR) hat sich mit den Unternehmen, darunter Tencent, ByteDance und JD.com, getroffen und sie angewiesen, innerhalb eines Monats interne Inspektionen durchzuführen. Praktiken, wie der Ausschluss von Händlern, die ihre Waren auch auf anderen Plattformen anbieten, sollen unterbunden werden. Bei anhaltenden Verstößen gegen Wettbewerbspraktiken drohen strenge Strafen, wie Bloomberg berichtet. Erst am Samstag hatte die Wettbewerbsbehörde eine Rekordstrafe in Höhe von 2,3 Milliarden Euro gegen Alibaba verhängt.
Die Behörde nannte auch Missstände, wie Übernahmen, die kleinere Wettbewerber vom Markt verdrängen, sowie den massiven Einsatz von Finanzmitteln, um sich Marktanteile zu sichern. Ebenso müssen sich die Unternehmen mit Produktfälschungen, Datenschutzproblemen und -lecks und Steuerhinterziehung mittels Handelsplattformen auseinandersetzen, berichtet Bloomberg bezugnehmend auf die Wettbewerbsbehörde. nib
Die FDP will die wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Beziehungen mit China vertiefen. Gleichzeitig setze sich die Volksrepublik “durch die Internierung und Zwangssterilisierung von Angehörigen ethnischer Minderheiten dem Vorwurf des Völkermords aus”, schreibt die FDP in ihrem gestern vorgestellten Programmentwurf für die Bundestagswahl im September 2021. Man strebt einen engeren Austausch mit China an, der allerdings auf internationalen Regeln basieren müsse. Das EU-China-Investitionsabkommen (CAI) sei ein erster Schritt in Richtung Marktöffnung, solle jedoch um weitere Zusicherungen zum gegenseitigen Marktzugang und zur Rechtssicherheit ergänzt werden, “bevor das Abkommen ratifiziert werden kann”. Auch die Aufhebung der Gegensanktionen Pekings gegen europäische Personen und Organisationen sieht die FDP dafür als notwendig an (China.Table berichtete).
Menschenrechtsverletzungen will die FDP “im Rahmen des EU-China-Dialogs mit Nachdruck” ansprechen. Die Einbindung Taiwans in internationale Organisationen befürwortet die Partei “soweit dies unterhalb der Schwelle einer staatlichen Anerkennung erfolgen kann”. Eine “Vereinigung von China und Taiwan kann nur im friedlichen Konsens erfolgen”, schreibt die FDP. Das Hongkonger Sicherheitsgesetz (China.Table berichtete) “verurteilt” die FDP und fordert “personenbezogenen Sanktionen gegen die Verantwortlichen”. Deutschland müsse gemeinsam mit internationalen Partnern die Einhaltung des Prinzips “Ein Land, zwei Systeme” einfordern. Die Nato will die FDP “strategisch weiterentwickeln” und betont hier vor allem den Umgang mit China und die Zusammenarbeit mit den “demokratischen Partnerstaaten” der Indo-Pazifik-Region. Einbinden will man China bei Verhandlungen zur nuklearen Abrüstung.
Unter der Überschrift der Wissenschaftsfreiheit kritisiert die FDP die politische Einflussnahme der chinesischen Regierung auf die Arbeit der Konfuzius-Institute. Sie solle aufgearbeitet und staatliche Co-Finanzierungen der Institute beendet werden. nib
Eine breite und einheitliche Bepreisung von Treibhausgas (THG) Emissionen ist Kernelement einer effektiven und effizienten globalen Klimapolitik. In die Breite wurde jetzt ein großer Schritt getan: nach langer Planungsphase startet am 01.02.2021 in China ein nationales Emissionshandelssystem (EHS). Auch wenn es zunächst nur den Elektrizitätssektor umfasst, werden damit 3500 Millionen Tonnen CO2 bepreist, sodass es das EU-EHS, unter dem knapp 2000 Millionen Tonnen CO2Eq reguliert sind, als größtes EHS der Welt ablöst. Der Anteil der THG-Emissionen, die weltweit bepreist werden, macht einen Sprung von ca. 16 Prozent auf 22 Prozent. Zukünftig soll das chinesische System um weitere Sektoren erweitert werden.
Der Start des chinesischen EHS ist also ein wichtiger Schritt für die internationalen Bemühungen im Kampf gegen den Klimawandel. Doch er birgt eine noch größere Chance: Sollte es gelingen, einen gemeinsamen Markt für Emissionszertifikate zwischen chinesischem und europäischem EHS herzustellen, wären bereits ca. zehn Prozent der globalen THG-Emissionen einheitlich bepreist. Eine noch unveröffentlichte Studie mit IfW-Beteiligung, zeigt, dass ein solcher Link unter den gegebenen nationalen Emissionszielen (NDCs) im Rahmen des Paris-Abkommens bereits rund zwei Drittel der möglichen globalen Effizienzgewinne realisieren würde, die durch einen globalen CO2-Preis verglichen zu rein nationalen CO2-Preisen möglich wären.
Gerade für Europa wäre ein solcher Link reizvoll. Emissionseinsparungen sind in China deutlich günstiger, sodass der Zukauf chinesischer Zertifikate zu einem niedrigeren Zertifikatpreis und somit zu Einsparungen für europäische Firmen im EHS führen würde. Laut IfW-Schätzungen könnte der EU-Zertifikatpreis in 2030 durch einen Link zum chinesischen EHS ca. 80 Prozent niedriger sein, und die ökonomischen Kosten des EU-EHS würden sich um ca. 35 Prozent verringern. Zudem wäre der derzeit im EU-Green-Deal diskutierte Grenzausgleich für chinesische Produkte, mit dessen Hilfe die Verlagerung von Emissionen im Fall von unterschiedlich strikten Klimapolitiken ausgeglichen werden soll, hinfällig.
Bis zu einem solchen Link müssten allerdings einige Hürden genommen werden. Schon der Weg zu einem nationalen chinesischen EHS war lang: 2011 wurden sieben kleinere Pilotsysteme angekündigt, in denen ab 2013 Zertifikate gehandelt wurden. Ende 2017 erfolgte die offizielle Einführung des nationalen EHS in China, jedoch noch ohne tatsächlichen Emissionshandel. Nun, am 01.02.2021, tritt das System in Kraft, die erste Handelsperiode läuft seit Beginn dieses Jahres.
Das Design des chinesischen EHS ähnelt dem des EU-EHS, doch es gibt auch Unterschiede. Beide EHS umfassen den Stromsektor und Raffinerien sowie emissionsintensive Industrien (obgleich letztere im chinesischen EHS erst später hinzukommen). Offsets, also die Anrechnung von Emissionsminderung aus Sektoren außerhalb des EHS, sind im EU-EHS ab 2021 nicht mehr vorgesehen, während Anlagen in China bis zu fünf Prozent ihrer Emissionen aus sog. CCER (China certified emissions reduction) anrechnen können. Während die EU eine absolute Menge als Cap festlegt, wird in China die Verbesserung der Emissionsintensität angestrebt. Dies erschwert einen Link, schließt ihn aber nicht aus.
Die EU ist einem gemeinsamen EHS gegenüber aufgeschlossen. Das Ziel, das EU-EHS mit anderen Systemen zu verlinken, ist in der entsprechenden Richtlinie festgelegt. Seit 2020 besteht ein funktionierender Link zwischen den EHS der EU und der Schweiz. Die möglichen Effizienzgewinne für die EU wurden bereits genannt. Auf der anderen Seite könnte China durch den Verkauf von Zertifikaten in die EU Gewinne generieren. Allerdings gibt es einen zweiten gegenläufigen Effekt: Durch den Link zum EU-EHS ergäbe sich ein höherer Zertifikatpreis in China (in den IfW-Berechnungen steigt dieser in 2030 um knapp 30 Prozent), der chinesischen Produkte verteuern und somit deren internationale Wettbewerbsfähigkeit verschlechtern würde. Der Vorteil, den China von einem gemeinsamen EHS hätte, wird durch diesen Effekt deutlich geschmälert oder sogar ins Negative verkehrt.
Doch es gibt Lösungsansätze, die den gemeinsamen Zertifikatmarkt auch für China interessant machen: Eine Beschränkung der Menge an Zertifikaten, die zwischen den beiden EHS gehandelt werden, können den Wohlfahrtsgewinn in China gegenüber einem unbeschränkten Link erhöhen. Nach IfW-Berechnungen bringt die Halbierung der zwischen China und der EU gehandelten Zertifikate eine Verdopplung des Wohlfahrtsgewinns in China gegenüber einem unbeschränktem Zertifikathandel. Die positiven Effekte für die EU wären zwar kleiner (der EU-EHS Preis würde nur noch um ca. 50 Prozent fallen, die ökonomischen Kosten um knapp 15 Prozent), aber immer noch deutlich.
Als weitere Option könnten Ausgleichszahlungen der EU an China genutzt werden, um China zusätzliche Gewinne zu garantieren. Auch in diesem Fall profitieren beide Partner von der Verlinkung der Systeme, selbst bei relativ hohen Zahlungen. Allerdings tut sich hier ein Interessenskonflikt zwischen der EU und China auf: Während die EU den unbeschränkten Emissionshandel bevorzugen würde (unabhängig von etwaigen Ausgleichszahlungen), profitiert China von einer Beschränkung der gehandelten Zertifikate mehr als von Ausgleichszahlungen. Allerding impliziert ein begrenzter Link insgesamt Effizienzverluste so dass Ausgleichszahlungen zu bevorzugen wären.
Auch auf EU-Ebene könnte eine einheitliche Position schwer zu finden sein: Einzelne Mitgliedsstaaten profitieren mehr oder weniger stark von den günstigen Zertifikaten aus China. Während Deutschland als großes Exportland klar von einem gemeinsamen System profitieren würde, ist die Situation etwa für viele osteuropäische Staaten weniger verlockend. Innereuropäische Ausgleichsmechanismen dürften also nötig sein, um eine gemeinsame europäische Position zu entwickeln.
Zusätzlich zu diesen Interessenskonflikten müssten auch zahlreiche technische (etwa die unterschiedliche Handhabung von Offsets und Minderungszielen) und politische (etwa die “Umgehung” nationaler Ziele in der EU durch “Ablasshandel” mit China) Hürden überwunden werden. Es bleibt zu hoffen, dass dies gelingt. Denn nicht nur die Effizienzgewinne eines gemeinsamen Marktes sind in der Summe enorm, auch für die internationalen Bemühungen zur Reduktion von THG wäre dies ein wertvoller Impuls. Für die EU verringert sich durch eine harmonisierte Klimapolitik mit einem der wichtigsten Handelspartner außerdem die Gefahr von Emissionsverlagerungen erheblich. Studien haben gezeigt, dass diese Gefahr zwar durch die jetzt diskutierten Grenzmechanismen reduziert werden kann, jedoch unter massiven Kosten für die betroffenen Länder; eine gemeinsame CO2-Bepreisung ist stets vorzuziehen. Darüber hinaus zeichnet sich ab, dass die praktischen Probleme eines Grenzausgleichs jene einer Verlinkung von EHS in den Schatten stellen. Im besten Fall sind die EU-Diskussionen darüber ein weiterer Anreiz für China sich für die Option einer Verlinkung auszusprechen. So oder so sollte die EU in eine Verlinkung des EU- und China-EHS mindestens genauso viel investieren wie in einen Grenzausgleich.
Sonja Peterson und Malte Winkler forschen am Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) zu klimaökonomischen Themen und beraten regelmäßig nationale und internationale Institutionen.
“Wenn wir uns bis zum letzten Tag verteidigen müssen, werden wir uns bis zum letzten Tag verteidigen”, warnte Taiwans Außenminister Joseph Wu in der vergangenen Woche in Richtung Peking. Wu warf China vor, sowohl auf Versöhnungsversuche als auch auf militärische Einschüchterung zu setzen – und damit “widersprüchliche Signale” zu senden.
Die Bewohner:innen Taiwans sind nicht nur rhetorisches Säbelrasseln um ihre Heimat mittlerweile gewöhnt, immer wieder sendet China Jets in den Luftraum der vorgelagerten Inselrepublik aus. Doch was die Volksrepublik jüngst an Militärflugzeugen in Richtung Taiwan geschickt hat, macht die Menschen dort nun doch nervös. Felix Lee analysiert die Lage und Gründe für Pekings aggressives Agieren, in dem auch die USA eine Rolle spielen.
Einfluss aus den Vereinigten Staaten hat auch Auswirkungen auf das regionale Finanzsicherheitsnetz Asiens: Frank Sieren erklärt die neuen Änderungen innerhalb der Chiang-Mai-Multilateralization-Initiative (CMIM), mit der kurzfristige regionale Liquiditätsprobleme bewältigt werden sollen, ohne sofort den von den USA dominierten Internationalen Währungsfonds (IWF) um Hilfe bitten zu müssen.
Gregor Koppenburg und Jörn Petring stellen den im Westen noch wenig bekannten Sportbekleidungshersteller Anta vor. Während die Branchen-Riesen Nike und Adidas wegen der Debatte um Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang mit Boykottgebaren kämpfen müssen, fährt Anta eine eindeutige Strategie: Patriotismus – und ein klares Bekenntnis zu Baumwolle aus der Region.
Eigentlich sind die Menschen in Taiwan Provokationen vom chinesischen Festland gewohnt. Immer wieder waren in den vergangenen Jahren Militärflugzeuge der Volksrepublik in den Luftraum der Insel mit ihren 24 Millionen Einwohnern eingedrungen und Schiffe vom chinesischen Festland auffällig nahe an Inseln heran geraten, die Taiwan kontrolliert. Die Regierung in Taipeh blieb abgesehen von Protestnoten gelassen.
Doch was Peking in den letzten Tagen an Militärflugzeugen in Richtung der vorgelagerten Inselrepublik geschickt hat, macht sie nun doch nervös. Allein am Montag hat eine Rekordzahl von 25 Militärflugzeugen Taiwans Luftüberwachungszone verletzt, berichtete das Verteidigungsministerium in Taipeh. Nach einem ähnlichen Manöver von mindestens zehn Kampfjets in der Woche zuvor hatte Taiwans Außenminister Joseph Wu gewarnt: Die Insel werde sich “bis zum letzten Tag” verteidigen. Man werde notfalls einen Krieg führen. Und auch US-Außenminister Antony Blinken warnt vor Chinas “zunehmend aggressiven Handlungen”.
Ist es das übliche Säbelrasseln? Oder spitzt sich der Konflikt um Taiwan, das die kommunistische Führung in Peking als einen unzertrennlichen Teil Chinas betrachtet, doch gefährlich zu? Droht womöglich Krieg?
Ein Grund für Pekings aggressives Agieren sind die neuen Richtlinien, die die USA für Kontakte mit der Regierung in Taiwan erteilt hat. Es handelt sich um einen Teil des sogenannten Strategic Competition Act, ein Gesetzvorhaben, das sich explizit gegen die Führung in Peking wendet und für das Demokraten und Republikaner im Kongress in seltener Eintracht parteiübergreifend stimmen wollen.
Dieser Gesetzentwurf sieht nicht nur vor, dass der US-Außenminister verpflichtet wird, künftig alljährlich eine Liste aller chinesischen Staatsunternehmen zu veröffentlichen, die vom Diebstahl geistigen Eigentums profitiert und damit den USA geschadet haben. Er verpflichtet zudem die US-Regierung, Berichten über Menschenrechtsverletzungen in der chinesischen Region Xinjiang nachzugehen – und sieht eine stärkere Unterstützung Taiwans durch die USA vor.
Für die Volksrepublik stellt das eine Provokation dar. Die Führung in Peking betrachtet Taiwan als unzertrennbaren Teil Chinas und erkennt dessen demokratisch gewählte Regierung nicht an. Chinas Präsident Xi Jinping hat mehrfach betont, dass eine “Vereinigung” beider Seiten nicht unbegrenzt aufgeschoben werden könne. Chinas Führung weist zudem erbost darauf hin, dass sich die USA bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen 1979 dazu verpflichtet hatten mit Taiwan nur kulturelle, wirtschaftliche und inoffizielle Beziehungen zu unterhalten. Dieses Dogma werde nun mit dem neuen Gesetz gebrochen.
Vom US-Außenministerium heißt es hingegen dazu lapidar, die neuen Richtlinien seien eine “Liberalisierung der Handlungsempfehlungen” für Kontakte von amerikanischen Regierungsstellen mit Taiwan. Ein Bruch mit der von Peking geforderten Ein-China-Politik, der zufolge Taiwan ein Teil Chinas bleibt, stelle das neue Gesetz nicht dar. Die Handlungsempfehlungen würden lediglich einen Dialog ermutigen, “der unsere zunehmenden inoffiziellen Beziehungen widerspiegelt”. “Die Vorgaben unterstreichen, das Taiwan eine lebendige Demokratie und ein wichtiger Sicherheits- und Wirtschaftspartner ist, der auch eine Kraft für das Gute in der internationalen Gemeinschaft ist”, lautet die Lesart des State Department. Tatsächlich haben die USA Taiwan schon vor langer Zeit Verteidigungsbeistand zugesichert, ließen jedoch bislang offen, wie weit sie im Falle eines Angriffs Chinas gehen würden.
Zugleich ist die Rivalität zwischen China und den USA in den vergangenen Jahren insgesamt zum zentralen Paradigma für beide Seiten geworden. Schon bei dem von Donald Trump angefachten Handelskonflikt ging es den USA keineswegs nur um Handels-, sondern auch um geopolitische Fragen. Diese Politik setzt Trumps Nachfolger Joe Biden nun fort. Im Zuge der strategischen Rivalität rückt auch die Taiwan-Frage in den Vordergrund.
Erst kürzlich warnte ein hoher US-Militär, China werde womöglich seine Zeitpläne für eine Eroberung Taiwans beschleunigen. Es lägen Hinweise vor, wonach sich die Risiken erhöht hätten, sagte Admiral Philip Davidson, ranghöchster US-Kommandeur in der Asien-Pazifik-Region, im März vor einem Senatsausschuss. “Die Bedrohung ist in diesem Jahrzehnt offensichtlich – in der Tat, in den nächsten sechs Jahren.” Tage später wollte sich Davidsons voraussichtlicher Nachfolger John Aquilino nicht auf einen konkreten Zeitrahmen festlegen lassen, sagte aber vor Senatoren bei einer Anhörung für sein Bestätigungsverfahren: “Meiner Meinung nach ist uns das Problem näher als die meisten denken.”
Was ihnen Sorge bereitet: Peking rüstet sein Militär seit Jahren kräftig auf, 2021 beträgt die Steigerung des Verteidigungsbudgets abermals fast sieben Prozent. Chinas Marine ist zahlenmäßig bereits die größte der Welt. In den Werften im südchinesischen Hainan wird dennoch weiter nonstop in drei Schichten gearbeitet, sieben Tage die Woche.
Zugleich rüstet aber auch Taiwan auf. Die Inselrepublik verfügt bereits über eine Vielzahl von Anti-Schiffs-Raketen, darunter die in den USA hergestellte Harpoon-Rakete, Raketenwerfer und Kleinst-U-Boote, sagt Sidharth Kaushal, Marine-Experte am Royal United Services Institute (RUSI) in London auf CNN. Zusammengenommen könnten diese eine Reise der Volksbefreiungsarmee über die Taiwanstraße “sehr riskant machen und die chinesischen Streitkräfte vor jeder Landung ausdünnen”. Zugleich hat Taiwan mit dem Bau von acht eigenen hochmodernen U-Booten begonnen.
Zwar hänge es letztendlich vom US-Militär ab, ob eine Invasion Taiwans durch die Volksbefreiungsarmee verhindert werde, sagt Timothy Heath, Verteidigungsexperte der Denkfabrik RAND Corp in Washington ebenfalls auf CNN. “Ohne eine Intervention durch die USA wird China einen Weg finden, die U-Boote zu zerstören”, sagte Heath. Er weist zugleich daraufhin, dass Chinas Staatschef Xi berechnend und sehr vorsichtig sei. Carl Schuster, Analyst an der Hawaii Pacific University und ehemaliger Navy-Kapitän, geht sogar noch weiter und schätzt: Taiwans neue U-Booten könnten dafür sorgen, dass ein Angriff Chinas in den nächsten 20 Jahren ausbleibt.
Mehr Unabhängigkeit vom Westen durch mehr regionale Finanzhilfe – seit vergangener Woche sind die seit einem Jahr geplanten Änderungen innerhalb der Chiang-Mai-Multilateralization-Initiative (CMIM) in Kraft, die zur Chiang-Mai-Initiative (CMI) gehört. Dabei handelt es sich um eine multilaterale Währungsswapvereinbarung, die von den zehn ASEAN-Staaten sowie der Volksrepublik China (einschließlich Hongkong), Japan und Südkorea unterzeichnet wurde. Ihr Ziel: kurzfristige regionale Liquiditätsprobleme bewältigen, ohne sofort den Internationalen Währungsfonds (IWF) um Hilfe bitten zu müssen, in dem die USA dominieren.
Durch die neuen Regelungen wird die Verwendung lokaler Währungen zusätzlich zum US-Dollar noch stärker institutionalisiert. Das CMIM wird den Geldbetrag, der nicht an den IWF gebunden ist und den die teilnehmenden Nationen als Kredit aufnehmen können, von 30 auf 40 Prozent erhöhen. Die Grenze war 2014 ursprünglich auf 20 Prozent festgelegt worden. Demnach könnte Südkorea nun beispielsweise bis zu 15,36 Milliarden Dollar unabhängig von einer IWF-Hilfe gewissermaßen als asiatische Nachbarschaftshilfe beanspruchen.
Analysten gehen davon aus, dass das Update die Verwendung des US-Dollars in Asien langfristig schwächen und die Abhängigkeit der asiatischen Schwellenländer von der US-Wirtschaft verringern könnte. “Angesichts der Tatsache, dass die Region immer noch stark vom US-Dollar abhängig ist, könnte eine übermäßige geldpolitische Lockerungspolitik des Dollars die lokalen Währungen schwächen, während Volkswirtschaften, deren Devisenreserven vor allem aus US-Dollar bestehen, ebenfalls eine Abwertung erfahren”, erklärt Xi Junyang, Professor an der Shanghai University of Finance and Economics. Mit dem letztgenannten Aspekt meinte Xi China – denn die Volksrepublik ist zusammen mit Japan der größte Gläubiger der USA.
Die betreffenden Länder hatten bereits im vergangenen Jahr vereinbart, das regionale Finanzsicherheitsnetz einem Update zu unterziehen. Als Begründung nannten sie unter anderem, dass die Covid-19-Pandemie den Bedarf an Zusammenarbeit erhöht habe und eine Stärkung der Finanzstabilität im asiatischen Wirtschaftsraum gefördert werden müsse.
Politisch interessant ist, dass selbst Länder wie Südkorea und Japan, die in Asien den USA politisch am nächsten stehen und große Kontingente US-amerikanischer Truppen im Land haben, einem solchen Schritte just zu der Zeit zustimmen, als die Regierung von Präsident Joe Biden sich wieder stärker politisch in Asien verankern will.
Für Peking hat das Update noch eine weitere wichtige Bedeutung: Der chinesische Renminbi wird in der Region weiter gestärkt. Das Freihandelsabkommen RCEP, das die ASEAN-Staaten vergangenes Jahr unter der Führung der Volksrepublik unterzeichnet haben, war dahingehend bereits ein Meilenstein. Handelsverträge, die innerhalb des RCEP – der größten Freihandelszone der Welt – geschlossen werden, können als Transaktionswährung den Yuan ausweisen.
In Peking ist man schon lange verärgert über die US-amerikanische Dominanz im IWF, die aus Sicht Chinas die globalen Machtverhältnisse verzerrt. Auf dem Höhepunkt der asiatischen Finanzkrise 1997 hatten japanische Behörden bereits einen asiatischen Währungsfonds vorgeschlagen, der als regionale Version des IWFs dienen sollte. Diese Idee wurde allerdings nach starkem Widerstand aus den Vereinigten Staaten aus kosmetischen Veränderungen bis heute nicht in die Tat umgesetzt. Die USA haben bis heute mit großem Abstand die meisten Stimmrechte im IWF: 17,4 Prozent. China hat mit 6,41 Prozent weniger Anteil als Japan und nur etwas mehr als Deutschland mit 5,6 Prozent.
Dabei hat China bereits einen Anteil an der Weltwirtschaft von 18,3 Prozent, während der Anteil der USA 24 Prozent beträgt – China müsste also eigentlich einen mindestens doppelt so hohen Anteil an Stimmrechten haben.
Die Chiang-Mai-Initiative wurde 2000 als Reaktion auf die asiatische Finanzkrise 1997/98 ins Leben gerufen. Damals hatten sich asiatische Länder wie Thailand und Südkorea in US-Dollar international stark verschuldet, hatten aber fast nur Einnahmen in ihren Landeswährungen.
Aufgrund von Missmanagement in den Ländern und vor allem US-amerikanischen Hedge-Fonds, die gegen die Länder zu wetten begannen, in dem sie deren lokale Währung und deren Aktien abstießen, brachen die Volkswirtschaften der asiatischen Länder zusammen und rissen China um ein Haar mit in den Abgrund.
Danach wurden sie vom IWF gezwungen ihre Märkte für westliche Investoren zu öffnen, die deren Schwäche nutzten, um wiederum Schnäppchen zu machen und sich in asiatische Firmen einzukaufen. Diese Politik hat sich in Asien tief in das kollektive Gedächtnis eingebrannt – der Selbsthilfefonds CMIM soll verhindern, dass das nochmal passiert.
Seit der Einsetzung hat der CMIM zwei große Revisionsrunden durchlaufen. Nach der globalen Finanzkrise 2008 wurde 2010 ein Pool von Devisenreserven in Höhe von insgesamt 120 Milliarden US-Dollar angelegt. Der Pool wurde 2012 auf 240 Milliarden US-Dollar erweitert und setzt sich zusammen aus Zusagen über 192 Milliarden US-Dollar aus China, Japan und Südkorea sowie 48 Milliarden US-Dollar aus den zehn ASEAN-Ländern. Die für die Länder verfügbare Summe wird abhängig von der Höhe des Beitrags jedes Landes festgelegt.
Der größte Vorstoß auf dem Weg einer finanziellen Emanzipation Asiens von den USA kam jedoch ein paar Jahre später: die Gründung der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (AIIB) im Juni 2015. Es war die erste Gründung einer neuen globalen Institution im Stil der Weltbank seit dem Zweiten Weltkrieg. Und die erste globale Institution, die von China ausging. Inzwischen sind über 100 Länder Mitglieder der Bank, darunter auch Deutschland.
Peking weiß: Nur, wenn sich der Yuan vom US-Dollar emanzipiert, kann er international stärker werden und sich vielleicht eines Tages als neue Leitwährung etablieren, in der, wie heute mit dem US-Dollar üblich, beispielsweise der Erdöl- oder Goldpreis ausgedrückt wird.
Peking möchte in den nächsten Jahren einen Petro-Yuan etablieren, um Erdölgeschäfte in seiner Währung abwickeln zu lassen. Der saudi-arabische Ölkonzern Saudi Aramco – das wertvollste Börsenunternehmen der Welt – hat bereits bekanntgeben, über eine Anleihenemission in Yuan nachzudenken.
Noch fehlt dem Yuan allerdings die vollständige Konvertibilität. Die chinesische Landeswährung ist nicht frei und unbegrenzt umtauschbar. Auch die Tatsache, dass die chinesische Notenbank einer der größten Gläubiger der USA sei, spräche gegen eine zügige Internationalisierung, erklärt Adalbert Winkler, Ökonom an der Frankfurt School of Finance and Management. “Die Stärke der chinesischen Währung hängt gerade davon ab, dass der US-Dollar stark ist. Die Chinesen stehen finanzpolitisch jetzt vor einem ähnlichen Problem wie Deutschland Anfang der siebziger Jahre, nämlich sich zunächst einmal vom Dollar zu lösen, bevor man überhaupt daran denken kann, eine eigenständige internationale Rolle als Währung spielen zu wollen.” Bis der Yuan also auf Augenhöhe mit dem US-Dollar spielt, wird es noch lange dauern. Die Stärkung des CMIM ist jedoch ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
Nach den Boykottaufrufen der chinesischen Medien machen sich Adidas und Nike Sorgen über ihre Umsätze in China. Vieles deutet darauf hin, dass die Boykottaufrufe, wenn überhaupt, nur sehr kurz anhalten werden, aber die Situation zeigt doch, wie dünn das Eis sein kann, auf dem sich ausländische Firmen im chinesischen Markt bewegen.
Nutznießer der Debatte möchte Anta Sports sein. Der Sportbekleidungshersteller ist im Westen wenig bekannt. Überraschend ist das nicht, denn Anta Sports macht seinen Hauptgewinn in China. Für 2020 verzeichnete der Konzern einen Jahresumsatz von umgerechnet etwa 4,5 Milliarden Euro. Damit liegt Anta hinter Puma und weit von den Branchenriesen Nike und Adidas entfernt, die mit 31,5 Milliarden Euro (Nike) und knapp 20 Milliarden Euro (Adidas) die Branche dominieren.
Sowohl Adidas als auch Nike verzeichneten für 2020 zwar Umsatzrückgänge, große Ausnahme war dabei aber in beiden Fällen der Raum China, in dem sich beide Konzerne über zweistellige Wachstumsraten freuen konnten. Auch am heimischen Markt bleibt Anta beim Umsatz hinter Nike und Adidas zurück.
Was die Frage um Lager und Menschenrechte in Xinjiang angeht, fährt Anta Sports eine eindeutige Strategie: Patriotismus. Zuerst kam eine Meldung beim chinesischen Dienst Weibo: “Wir haben Baumwolle aus China, darunter auch aus der Region Xinjiang gekauft und verarbeitet und wir werden das auch weiter tun”, wurde vermeldet. Die Marke Fila, deren Chinageschäft von Anta durchgeführt wird, sagte Ähnliches.
Taten folgten kurz danach. Anta Sports kündigte an, dass es aus der Better Cotton Initiative austreten würde, der Institution, die zuvor Baumwolle aus Xinjiang die Lizenz wegen möglicher Menschenrechtsverletzungen entzogen hatte. Das Ergebnis hätte für Anta nicht besser sein können: Der eigene Börsenkurs stieg an, während die von Nike und Adidas sanken.
Es ist nicht das erste Mal, dass Anta Sports durch Pekingnähe Vorteile genießt. Besonders auffällig zeigt es sich, wenn Staats- und Parteichef Xi Jinping die Stätten für die olympischen Winterspiele 2022 begutachtet. Bei einer solchen Besichtigung 2017 trug Xi eine Daunenjacke mit Anta-Abzeichen. Im Januar dieses Jahres trug er dann einen Parka der Anta-Tochter Arc’teryx, während seine Delegation großteilig Mäntel der Marke Anta zur Schau trugen. Dieser Wechsel ist gleichzeitig ein Sinnbild für Pekings Unterstützung für Anta, als auch dafür, dass der größte chinesische Sporthersteller dabei ist, sich zu internationalisieren.
Arc’teryx gehört seit 2019 zur Anta Group. Der Kauf des kanadischen Herstellers von Winterbekleidung war Teil der Übernahme des finnischen Sportausrüsters Amer Sports, dem Arc’teryx angehörte und brachte Anta auch einige weitere bekannte internationale Marken wie zum Beispiel den Tennisausrüster Wilson ein. Es wird gemeinhin als Versuch gewertet, die Dominanz von Nike und Adidas auch international anzugreifen.
Internationale Erfolge zu feiern ist nicht einfach für chinesische Sportmarken. Anta Sports wurde erst 1991 gegründet und verbrachte die längste Zeit seiner Existenz damit, die Konkurrenz aus dem Ausland preislich zu unterbieten. Das Umschwenken zu einer Premium- und Lifestylemarke ist daher schwierig. Bei dem Versuch, einfach direkt international Läden zu eröffnen, war der chinesische Branchenkonkurrent Li-Ning bereits schwer gescheitert.
Doch Anta feiert immer wieder strategische Erfolge. Zum Beispiel gelang es der Marke, internationale Stars an sich zu binden. So konnte man unter anderem Basketball-Star Klay Thompson dafür gewinnen , die Marke in der amerikanischen Basketball-Profiliga NBA zu vertreten. Es hätte ein Durchbruch auf dem internationalen Markt werden können.
Doch auch in der Zusammenarbeit mit der NBA zeigte Anta zuvor schon deutlich, wo die Prioritäten liegen. Als der Geschäftsführer der Houston Rockets 2019 bei Twitter die Proteste in Hongkong guthieß, reagierte die Firma sofort mit einer Vertragsauflösung. Die Antwort auf Weibo lautete damals, dass Anta jegliche Handlungen ablehne, die chinesischen Interessen zuwiderliefen und hätte auch direkt aus der Parteizentrale kommen können.
Ebenfalls 2019 unterschrieb Anta einen Vertrag mit dem Internationalen Olympischen Komitee, um offizieller Ausrüster der Olympischen Spiele zu werden. Ein Schritt, von dem sich Anta erhofft hatte, dass er positive PR bringen würde. Doch der IOC sieht sich wegen der Menschenrechtslage in Xinjiang in der Kritik. Boykottaufrufe gegen die olympischen Winterspiele in Peking 2022 werden lauter und der IOC versucht händeringend seine politische Neutralität zu wahren. “Wir sind keine übergeordnete Weltregierung, die Probleme lösen oder auch nur ansprechen kann, für die der UN-Sicherheitsrat, die G7 oder die G20 auch keine Lösung haben”, so IOC-Präsident Thomas Bach.
Antas Strategie, voll und ganz Parteilinie zu fahren, kann daher auf dem internationalen Markt zu einem großen Problem für die Marke werden. Denn auch westliche Käufer sind bekanntermaßen nicht um Boykotte verlegen. Und wenn Anta sich aus jedem Vertrag zurückzieht, weil jemand etwas Kritisches über China gesagt hat, wird der Angriff auf Adidas und Nike schwierig werden. Gregor Koppenburg/Jörn Petring
Am Dienstag hat Peking 34 Internet-Plattformfirmen davor gewarnt, weiterhin verbotene Praktiken anzuwenden, die den Wettbewerb einschränken. Die staatliche Behörde für Marktregulierung (SAMR) hat sich mit den Unternehmen, darunter Tencent, ByteDance und JD.com, getroffen und sie angewiesen, innerhalb eines Monats interne Inspektionen durchzuführen. Praktiken, wie der Ausschluss von Händlern, die ihre Waren auch auf anderen Plattformen anbieten, sollen unterbunden werden. Bei anhaltenden Verstößen gegen Wettbewerbspraktiken drohen strenge Strafen, wie Bloomberg berichtet. Erst am Samstag hatte die Wettbewerbsbehörde eine Rekordstrafe in Höhe von 2,3 Milliarden Euro gegen Alibaba verhängt.
Die Behörde nannte auch Missstände, wie Übernahmen, die kleinere Wettbewerber vom Markt verdrängen, sowie den massiven Einsatz von Finanzmitteln, um sich Marktanteile zu sichern. Ebenso müssen sich die Unternehmen mit Produktfälschungen, Datenschutzproblemen und -lecks und Steuerhinterziehung mittels Handelsplattformen auseinandersetzen, berichtet Bloomberg bezugnehmend auf die Wettbewerbsbehörde. nib
Die FDP will die wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Beziehungen mit China vertiefen. Gleichzeitig setze sich die Volksrepublik “durch die Internierung und Zwangssterilisierung von Angehörigen ethnischer Minderheiten dem Vorwurf des Völkermords aus”, schreibt die FDP in ihrem gestern vorgestellten Programmentwurf für die Bundestagswahl im September 2021. Man strebt einen engeren Austausch mit China an, der allerdings auf internationalen Regeln basieren müsse. Das EU-China-Investitionsabkommen (CAI) sei ein erster Schritt in Richtung Marktöffnung, solle jedoch um weitere Zusicherungen zum gegenseitigen Marktzugang und zur Rechtssicherheit ergänzt werden, “bevor das Abkommen ratifiziert werden kann”. Auch die Aufhebung der Gegensanktionen Pekings gegen europäische Personen und Organisationen sieht die FDP dafür als notwendig an (China.Table berichtete).
Menschenrechtsverletzungen will die FDP “im Rahmen des EU-China-Dialogs mit Nachdruck” ansprechen. Die Einbindung Taiwans in internationale Organisationen befürwortet die Partei “soweit dies unterhalb der Schwelle einer staatlichen Anerkennung erfolgen kann”. Eine “Vereinigung von China und Taiwan kann nur im friedlichen Konsens erfolgen”, schreibt die FDP. Das Hongkonger Sicherheitsgesetz (China.Table berichtete) “verurteilt” die FDP und fordert “personenbezogenen Sanktionen gegen die Verantwortlichen”. Deutschland müsse gemeinsam mit internationalen Partnern die Einhaltung des Prinzips “Ein Land, zwei Systeme” einfordern. Die Nato will die FDP “strategisch weiterentwickeln” und betont hier vor allem den Umgang mit China und die Zusammenarbeit mit den “demokratischen Partnerstaaten” der Indo-Pazifik-Region. Einbinden will man China bei Verhandlungen zur nuklearen Abrüstung.
Unter der Überschrift der Wissenschaftsfreiheit kritisiert die FDP die politische Einflussnahme der chinesischen Regierung auf die Arbeit der Konfuzius-Institute. Sie solle aufgearbeitet und staatliche Co-Finanzierungen der Institute beendet werden. nib
Eine breite und einheitliche Bepreisung von Treibhausgas (THG) Emissionen ist Kernelement einer effektiven und effizienten globalen Klimapolitik. In die Breite wurde jetzt ein großer Schritt getan: nach langer Planungsphase startet am 01.02.2021 in China ein nationales Emissionshandelssystem (EHS). Auch wenn es zunächst nur den Elektrizitätssektor umfasst, werden damit 3500 Millionen Tonnen CO2 bepreist, sodass es das EU-EHS, unter dem knapp 2000 Millionen Tonnen CO2Eq reguliert sind, als größtes EHS der Welt ablöst. Der Anteil der THG-Emissionen, die weltweit bepreist werden, macht einen Sprung von ca. 16 Prozent auf 22 Prozent. Zukünftig soll das chinesische System um weitere Sektoren erweitert werden.
Der Start des chinesischen EHS ist also ein wichtiger Schritt für die internationalen Bemühungen im Kampf gegen den Klimawandel. Doch er birgt eine noch größere Chance: Sollte es gelingen, einen gemeinsamen Markt für Emissionszertifikate zwischen chinesischem und europäischem EHS herzustellen, wären bereits ca. zehn Prozent der globalen THG-Emissionen einheitlich bepreist. Eine noch unveröffentlichte Studie mit IfW-Beteiligung, zeigt, dass ein solcher Link unter den gegebenen nationalen Emissionszielen (NDCs) im Rahmen des Paris-Abkommens bereits rund zwei Drittel der möglichen globalen Effizienzgewinne realisieren würde, die durch einen globalen CO2-Preis verglichen zu rein nationalen CO2-Preisen möglich wären.
Gerade für Europa wäre ein solcher Link reizvoll. Emissionseinsparungen sind in China deutlich günstiger, sodass der Zukauf chinesischer Zertifikate zu einem niedrigeren Zertifikatpreis und somit zu Einsparungen für europäische Firmen im EHS führen würde. Laut IfW-Schätzungen könnte der EU-Zertifikatpreis in 2030 durch einen Link zum chinesischen EHS ca. 80 Prozent niedriger sein, und die ökonomischen Kosten des EU-EHS würden sich um ca. 35 Prozent verringern. Zudem wäre der derzeit im EU-Green-Deal diskutierte Grenzausgleich für chinesische Produkte, mit dessen Hilfe die Verlagerung von Emissionen im Fall von unterschiedlich strikten Klimapolitiken ausgeglichen werden soll, hinfällig.
Bis zu einem solchen Link müssten allerdings einige Hürden genommen werden. Schon der Weg zu einem nationalen chinesischen EHS war lang: 2011 wurden sieben kleinere Pilotsysteme angekündigt, in denen ab 2013 Zertifikate gehandelt wurden. Ende 2017 erfolgte die offizielle Einführung des nationalen EHS in China, jedoch noch ohne tatsächlichen Emissionshandel. Nun, am 01.02.2021, tritt das System in Kraft, die erste Handelsperiode läuft seit Beginn dieses Jahres.
Das Design des chinesischen EHS ähnelt dem des EU-EHS, doch es gibt auch Unterschiede. Beide EHS umfassen den Stromsektor und Raffinerien sowie emissionsintensive Industrien (obgleich letztere im chinesischen EHS erst später hinzukommen). Offsets, also die Anrechnung von Emissionsminderung aus Sektoren außerhalb des EHS, sind im EU-EHS ab 2021 nicht mehr vorgesehen, während Anlagen in China bis zu fünf Prozent ihrer Emissionen aus sog. CCER (China certified emissions reduction) anrechnen können. Während die EU eine absolute Menge als Cap festlegt, wird in China die Verbesserung der Emissionsintensität angestrebt. Dies erschwert einen Link, schließt ihn aber nicht aus.
Die EU ist einem gemeinsamen EHS gegenüber aufgeschlossen. Das Ziel, das EU-EHS mit anderen Systemen zu verlinken, ist in der entsprechenden Richtlinie festgelegt. Seit 2020 besteht ein funktionierender Link zwischen den EHS der EU und der Schweiz. Die möglichen Effizienzgewinne für die EU wurden bereits genannt. Auf der anderen Seite könnte China durch den Verkauf von Zertifikaten in die EU Gewinne generieren. Allerdings gibt es einen zweiten gegenläufigen Effekt: Durch den Link zum EU-EHS ergäbe sich ein höherer Zertifikatpreis in China (in den IfW-Berechnungen steigt dieser in 2030 um knapp 30 Prozent), der chinesischen Produkte verteuern und somit deren internationale Wettbewerbsfähigkeit verschlechtern würde. Der Vorteil, den China von einem gemeinsamen EHS hätte, wird durch diesen Effekt deutlich geschmälert oder sogar ins Negative verkehrt.
Doch es gibt Lösungsansätze, die den gemeinsamen Zertifikatmarkt auch für China interessant machen: Eine Beschränkung der Menge an Zertifikaten, die zwischen den beiden EHS gehandelt werden, können den Wohlfahrtsgewinn in China gegenüber einem unbeschränkten Link erhöhen. Nach IfW-Berechnungen bringt die Halbierung der zwischen China und der EU gehandelten Zertifikate eine Verdopplung des Wohlfahrtsgewinns in China gegenüber einem unbeschränktem Zertifikathandel. Die positiven Effekte für die EU wären zwar kleiner (der EU-EHS Preis würde nur noch um ca. 50 Prozent fallen, die ökonomischen Kosten um knapp 15 Prozent), aber immer noch deutlich.
Als weitere Option könnten Ausgleichszahlungen der EU an China genutzt werden, um China zusätzliche Gewinne zu garantieren. Auch in diesem Fall profitieren beide Partner von der Verlinkung der Systeme, selbst bei relativ hohen Zahlungen. Allerdings tut sich hier ein Interessenskonflikt zwischen der EU und China auf: Während die EU den unbeschränkten Emissionshandel bevorzugen würde (unabhängig von etwaigen Ausgleichszahlungen), profitiert China von einer Beschränkung der gehandelten Zertifikate mehr als von Ausgleichszahlungen. Allerding impliziert ein begrenzter Link insgesamt Effizienzverluste so dass Ausgleichszahlungen zu bevorzugen wären.
Auch auf EU-Ebene könnte eine einheitliche Position schwer zu finden sein: Einzelne Mitgliedsstaaten profitieren mehr oder weniger stark von den günstigen Zertifikaten aus China. Während Deutschland als großes Exportland klar von einem gemeinsamen System profitieren würde, ist die Situation etwa für viele osteuropäische Staaten weniger verlockend. Innereuropäische Ausgleichsmechanismen dürften also nötig sein, um eine gemeinsame europäische Position zu entwickeln.
Zusätzlich zu diesen Interessenskonflikten müssten auch zahlreiche technische (etwa die unterschiedliche Handhabung von Offsets und Minderungszielen) und politische (etwa die “Umgehung” nationaler Ziele in der EU durch “Ablasshandel” mit China) Hürden überwunden werden. Es bleibt zu hoffen, dass dies gelingt. Denn nicht nur die Effizienzgewinne eines gemeinsamen Marktes sind in der Summe enorm, auch für die internationalen Bemühungen zur Reduktion von THG wäre dies ein wertvoller Impuls. Für die EU verringert sich durch eine harmonisierte Klimapolitik mit einem der wichtigsten Handelspartner außerdem die Gefahr von Emissionsverlagerungen erheblich. Studien haben gezeigt, dass diese Gefahr zwar durch die jetzt diskutierten Grenzmechanismen reduziert werden kann, jedoch unter massiven Kosten für die betroffenen Länder; eine gemeinsame CO2-Bepreisung ist stets vorzuziehen. Darüber hinaus zeichnet sich ab, dass die praktischen Probleme eines Grenzausgleichs jene einer Verlinkung von EHS in den Schatten stellen. Im besten Fall sind die EU-Diskussionen darüber ein weiterer Anreiz für China sich für die Option einer Verlinkung auszusprechen. So oder so sollte die EU in eine Verlinkung des EU- und China-EHS mindestens genauso viel investieren wie in einen Grenzausgleich.
Sonja Peterson und Malte Winkler forschen am Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) zu klimaökonomischen Themen und beraten regelmäßig nationale und internationale Institutionen.